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2442 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 46, 24. Februar 1912 fische Ausgabe traten. Die Auskunftstelle wurde fortgesetzt von Referendaren, Assessoren, Doktoranden und Mitgliedern volks wirtschaftlicher Seminare der Universitäten und technischen Hoch schulen, von Parlamentariern, Fachschriftstellern und Journalisten benutzt. Die wissenschaftliche Bearbeitung und Veröffentlichung der Ergebnisse der Südpolar - Expedition ist planmäßig fortge- schritten. Von besonderem Interesse waren die zoologischen Dar- legungen, die aus den bei Lotungen des »Gauß« gesammelten Meeresbodenproben zum erstenmal Schichtungen am Grunde der Tiefsee nachwiesen und dieselben mit Schwankungen im Klima sowie in der Verteilung von Meer und Land in Beziehung brachten. Die meteorologischen Arbeiten, denen das erste Heft eines Atlas beigefügt ist, beginnen nach Charakteristik des Klimas der »Gauß«-Station die ganze Klimalage und die Klima bedingungen des Südpolarkontinents zu behandeln. Daraus ergeben sich wichtige Schlüsse über diesen Kontinent selbst z. B. daß er südlich vom Weddellmeer, wo die neue deutsche Expedition Vordringen will, jedenfalls schwer zugänglich ist Die erdmagnetischen Arbeiten bringen wesentlich veränderte Darstellungen der Linien gleicher Abweichung der Magnet nadel von der Richtung der Meridiane, was für die Neu konstruktion der Seekarten von besonderer Bedeutung ist, und beginnen mit der Behandlung der Veränderungen dieser Ab weichung und damit des Wesens der erdmagnetischen Kräfte. Die botanische Arbeit behandelt die Flora von Kerguelen, sowie ihre Beziehungen zum Lande, zum Klima und zum Licht. Die acht zoologischen Hefte enthalten zwölf Arbeiten. Die Zahl der von der Gauß-Expedition ge fundenen neuen Arten ist nunmehr auf 635 gestiegen und übertrifft damit z. B. die von der englischen Expedition ge- sammelten und beschriebenen neuen und schon früher bekannten Formen zusammen. Die provisorische Ausgestaltung des Deutschen Museums in München wurde im wesentlichen vollendet. Neu ein gerichtet wurden die Gruppen Fundation, Straßen- und Tunnelbau, für welche wertvolle Modelle auch aus der Schweiz gestiftet wurden, die Gruppe Luftschiffahrt, für die zwei neue große Säle geschafft werden mußten, und die Ab teilung Eisenbahnsignal- und Sicherungswesen, die im Hofraum des Museums in besonders eindrucksvoller Weise zur Aufstellung gelangte. Die Leitung glaubt, daß das Museum selbst in seiner jetzigen provisorischen Ausgestaltung die Besucher in hohem Maße befriedigt und daß insbesondere die Jugend in den Sammlungen reiche Belehrung und Anregung zu eifrigem Studium findet. sL. Vom Reichsgericht. Ist der Verleger bei einem Sammelwerke berechtigt, Einzelbearbeitungen durch Dritte vornehmen zu lassen? (Nachdruck verboten.) Die Schutzfrist des bekannten Werkes des Ornithologen I. F. Naumann : »Die Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas« war nach dem 1857 erfolgten Tode des Verfassers 1887 abge- laufen. Bei der Bedeutung des 12 bändigen Werkes plante der Verleger Fr. Eugen Köhler in Gera eine Neubearbeitung und schloß deshalb 1896 mit dem vr. weck. Hennicke in Gera einen Verlagsvertrag, der jetzt die Grundlage einer reichsgericht lichen Verhandlung bildete. Nach dem Vertrage wollte K. den Verlag der Neubearbeitung übernehmen, für die vr. H. als Herausgeber zeichnen sollte, vr. H. hatte seinerseits auch die Mitarbeiter für die einzelnen Bände auszuwählen, im übrigen aber die Drucklegung des Gesamtwerkes selbst zu leiten und zu überwachen, vr. H. behauptete, er sei damit im Sinne des Ge- fetzes Urheber an der Gesamtausgabe geworden, und es bedeute einen Eingriff in seine Autorrechte, wenn der Verleger K. einzelne Teile des Werkes selbständig und ohne ihn durch Dritte habe bearbeiten lassen. So habe der Verleger z. B. den be kannten Professor Marshall-Leipzig die »Raubvögel« in einer gesonderten Ausgabe, gleichfalls aber nach dem Naumannschen Werke, bearbeiten lassen. Auch andere Auszüge, z. B. Teich-, See- und Strandvögel, seien auf Veranlassung des beklagten Verlegers in Sonderausgaben erschienen, wodurch das Ge samtwerk und auch die finanziellen Anteilsrechte des Heraus- gebers vr. H. Einbuße erlitten haben sollten, vr. H. klagte deshalb auf Unterlassung und Schadenersatz. Der Beklagt wendete demgegenüber ein, der zwischen den Parteien geschloffene Vertrag sei ein reiner Werkvertrag, ein geistiges Urheberrecht des Klägers bestehe an der Gesamtausgabe überhaupt nicht, da die Arbeit des Klägers eine mehr mechanische als geistige Tätigkeit gewesen sei. Außerdem sei im Buchhandel ein allgemeines Ge wohnheitsrecht dahin anerkannt, daß bei derartigen Sammel- werken der Verleger ein unbeschränktes Verfügungsrecht habe. Dieses Gewohnheitsrecht sei auch in § 37 der sogenannten Verlags- ordnung anerkannt. Das Landgericht Gera hatte zu gunsten des Beklagten entschieden und die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Jena dagegen hatte den Beklagten ver urteilt, anzuerkennen, daß er nicht das Recht habe, Einzelausgaben von anderen Herausgebern als Or. H. bearbeiten zu lassen; den Schadenersatzanspruch des Klägers hatte es dem Grunde nach anerkannt und ihm auch die gesetzlichen Freiexemplare zu gesprochen. Das Gericht hatte zwei Sachverständige, ge hört, von denen einer im Sinne des Klägers ausge sagt hatte. Auch die Sachverstäudigenkammer in Weimar hatte sich dahin ausgesprochen, daß gewohnheitsrechtlich und nach § 37 der sogenannten Verlagsordnung ein ausschließ liches Verfügungsrecht des Verlegers bei solchen Sammelwerken nicht anerkannt sei. Diesen Gutachten hatte sich das Berufungs gericht angeschlossen und ausgeführt, nach § 8 ihres Vertrages hätten die Parteien sich dahin geeinigt gehabt, die Neu bearbeitung als Gesamtwerk herauszugeben. Darnach könne dem Beklagten nicht das Recht zugestanden werden, einzelne Teile gesondert bearbeiten und Auszüge aus dem Gesamtwerke er scheinen zu lassen. Der Beklagte habe sich dieses Recht im Vertrage besonders Vorbehalten müssen. Auch nach dem Gutachten der Sachverständigenkammer in Weimar be stehe kein solches Gewohnheitsrecht im Buchhandel, das dem Verleger gestatte, bei einer verlegten Gesamtausgabe Sonder bearbeitungen durch Dritte nach freier Verfügung vornehmen zu lassen. Schon deshalb sei also der Unterlassungsanspruch des Klägers berechtigt. Aber auch sein Anspruch auf Honorar, Schadenersatz und Freiexemplare sei gerechtfertigt. Denn der Beklagte behaupte mit Unrecht, daß kein Verlags- vertrag, sondern ein einfacher Werkvertrag vorliege, da die Tätigkeit des Klägers eine rein mechanische gewesen sei. Nach Aussage der Gutachter sei die Arbeit des Klägers durchaus nicht leicht und geistig keineswegs so gering zu bewerten gewesen, wie es der Beklagte tue. Die von dem Kläger zu bearbeitende Gesamtausgabe sei vielmehr das Erzeugnis einer geistig indi viduellen Tätigkeit und also als ein »Schriftwerk« im Sinne des § 1 des literarischen Urheberrechts anzusehen, so daß auch § 5 des Verlagsrechtes auf dasselbe Anwendung zu finden habe. Die Revision machte geltend, ein Urheberrecht des Klägers, der selbst keine schriftstellerische Tätigkeit habe entfalten sollen, habe über haupt nicht bestanden, könne also auch nicht von dem Beklagten verletzt worden sein. Das Reichsgericht aber erklärte, das Be rufungsurteil sei nicht zu beanstanden. Die Revision des Be klagten wurde deshalb zurückgewiesen. (Aktenzeichen I 57/11.) Personalnachrichten. Richard Andrer 's. — Der bekannte Geograph und Ethno graph Prof. Rich. Andree, Herausgeber von Andrees Handatlas, ist aus einer Reise von München nach Nürnberg im Alter von 77 Jahren gestorben. Im Jahre 1873 begründete er mit Velhagen L Klasing in Leipzig die berühmte kartographische Anstalt, aus der u. a. der »Allgemeine Handatlas, hervorging, der Andrees Namen Weltruf »erschosst hat. Daneben veröffentlichte er eine Reihe von ethnographischen Werken, die ihn als einen der berusensien Forscher aus diesem Gebiete zeigten und rückhaltlose Anerkennung bei den Fachleuten wie in den weiteren Kreisen der Gebildeten sanken. Am bekanntesten sind seine »Volkskunde der Juden. <1881) und die trefflichen »Ethno- graphischen Parallelen« izwei Teile, 1878 und 1889) geworden. Andere wertvolle Arbeiten behandeln »Die Anthropophagie«, .Die Flutsagen., die »Metalle bei den Naturvölkern«. Bon >891 bis zu seiner Übersiedlung nach München im Jahre 1903 redigierte er den von seinem Vater 1881 begründeten »Globus«, der unter seiner Leitung zur führenden fachwissenschast- ichen Zeitschrift dieser Art geworden ist.