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VörsrÄMfür-mDtllMm VuMoM Nr. 381 (N. 180). Leipzig, Montag den 31. Dezember 1928. 85. Jahrgang RedaktLonMer TÄ Der Ladenpreis in der Rechtsprechung. Bon vr. U, Heß. Wenn diese Ausführungen zur Jahreswende im Börsenblatt erscheinen, so geschieht es in der Überzeugung, daß das Thema des Ladenpreises und die damit im unmittelbaren Zusammen hang stehenden Fragen den Buchhandel und seine Organisation im kommenden Jahre ganz besonders beschästigen werden. Es handelt sich um d i e Frage und d i e Aufgabe der nächsten Zeit. Sie sind schon aufgerollt durch die Debatte über die Ab änderung der Ausnahmevorschriften der 88 11 bis 13 der buch- händlerischen Verkaufsordnung, insbesondere durch die Frage der generellen Einführung eines Mengenpreises, womit dieser aus dem bisherigen bescheidenen Dunkel des 8 13 Ziff. 2 ins Helle Licht eingehender Betrachtung und in den Vordergrund des Interesses gerückt worden ist. Aber es handelt sich dabei doch immer nur um einen Ausschnitt. Daneben besteht noch eine Reihe anderer, vielleicht nicht gleich, aber doch auch wichtiger Fragen, die eine Gesamtrevision der Verkaussordnung, bald viel leicht auch der Vcrkehrsordnung für angebracht erscheinen lassen. Alle treten aber zurück hinter der Frage nach der Geltung des Ladenpreissystems und seiner Durchsührungsmöglichkeit über haupt. Trifft es zu, daß dieses System nur eine Fiktion ist, wie es solche gern glauben machen möchten, die aus der Anerkennung dieser These Nutzen zu ziehen hoffen? Sind die Umgehungen so zahlreich, daß sie die regulären Verkäufe überwuchern? Ist die Festsetzung des Ladenpreises für manche Verleger überhaupt nur noch eine Scheinmaßnahme, die sie dem Sortiment zuliebe oder aus Tradition oder aus welchen Gründen sonst vornehmen, während es ihnen in Wirklichkeit gleichgültig ist, zu welchen Preisen ihre Verlagswerke ans Publikum gelangen? Dient das System überhaupt nur dazu, um die Bücherpreise künstlich hoch zu halten und um Verlegern sowohl als Sortimentern einen reichlichen oder sogar überreichlichen Gewinn zu verschaffen? Würde sich die Aushebung segensreich für die Konsumentenschaft auswirken? Würde durch Beschränkung der Gewinnmöglichkeit der Zuzug zum Gewerbe aufgehalten, der Übersetzung und da durch der Konkurrenz gesteuert und der einzelne Buchhändler in die Lage versetzt werden, sich bei größerem Umsatz mit kleine rem Nutzen und somit auch mit niedrigeren Preisen zu begnügen? Das sind Fragen, die in der Nachkriegszeit, insbesondere in den Jahren seit der Währungsstabilisierung oft gestellt und nicht immer zugunsten des Buchhandels beantwortet worden sind. Nicht als ob die Vertreter der dem buchhändlerischen Gewerbe abträglichen Darstellungen absichtlich seinen Schaden gewollt hätten; sie haben sich vielleicht sogar für Propheten gehalten, die glaubten, den Buchhandel von einem von ihnen angenommenen Zwang erlösen und ihn besseren Zeiten zuführen zu müssen. Abhand lungen solcher Art bargen aber eine große Gefahr: sie verwirrten die Auffassung der Konsumentenschaft und brachten gerade solche Kreise in gegensätzliche Stellung zum Buchhandel, auf die es ihm im Interesse seiner geschäftlichen Prosperität ganz besonders ankommen mußte. Die aus solcher Einstellung drohende Gefahr darf aber als gebannt gelten. Es fanden sich nach und nach immer mehr Einsichtige, die auch genügend Sachkunde besaßen, um dem Buchhandel und dem Buchhändler gerecht zu werden; die verstanden, daß man Ausnahmeerscheinungen einer Ausnahmezeit nicht der Gesamtheit zur Last legen darf, daß Buchhändler und Büchcrhändlcr verschiedene Begriffe sind und daß notwendige gewerbliche Leistungen Anspruch auf angemesse nen Gewinn haben. Vor allen Dingen darf als widerlegt gelten, daß die soge nannte Überproduktion und die Übersetzung, falls sie bei rein zahlenmäßiger Betrachtung im Vergleich zu früheren Zeiten überhaupt vorliegen sollten, durch das Ladenpreissystem verursacht sind. Volkswirtschaftliche Untersuchungen haben ge zeigt, daß gleiche Erscheinungen auch in anderen, man kann wohl sagen, fast in allen Gewerbezweigen Deutschlands zutage getreten sind; also können sie mit dem Buchhandelspreissystem nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Um dieses System aber galt es und gilt es immer wieder den Kampf zu führen; denn immer wird es solche geben, die aus vertraglicher und sonstiger, Gebundenheit und aus Ver tragstreue der anderen versuchen, in unlauterer Weise Nutzen für sich zu ziehen; immer wieder wird es Vorkommen, daß der dem geschäftlichen Untergang geweihte Händler glaubt, durch Preisunterbietungen die Katastrophe aufhalten zu können. Nachdem schon das Kartellgericht in seiner grundlegenden Stellungnahme vom 9. Mai 1925 festgestellt hat, daß das Laden preissystem weder die Gcsamtwirtschast noch das Gemeinwohl gefährdet, daß insbesondere auch bei richtiger Betrachtung die Sortimenterrabatte nicht als ungerechtfertigt hoch angesehen wer den können, haben sich in letzter Zeit auch die ordentlichen Ge richte mit der Frage der Schutzfähigkeit des Ladenpreises zu beschäftigen gehabt. Der Börsenverein selbst hat einen Prozeß geführt, in welchem er in der ersten Instanz beim Landgericht Freiburg obsiegte, in der zweiten aber vom Oberlandesgericht Karlsruhe abgewiescn wurde. In einem anderen vom Mittel deutschen Buchhändler-Verband geführten Rechtsstreit hat das Landgericht Frankfurt dem Antrag auf einstweilige Verfügung und dem Klagantrag stattgegeben; augenblicklich schwebt er noch beim Oberlandesgericht Frankfurt. In beiden handelt es sich um den gleichen Sachverhalt und den gleichen Klagantrag. Die beklagten Firmen hatten in umfangreichen Katalogen nicht anti quarische Werke älteren und neuesten Datums mit generel len Nachlässen angcboten, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß es sich um neue Werke handele. In einzelnen Fällen waren, um mit Nachlässen anlocken zu können, Preise künstlich über den Ladenpreis hinaus angegeben. Der dritte Prozeß ist von einem Verlagsuntcrnehmcn, dem Bibliographischen Institut, gegen eine Berliner dem Börscn- verein nicht angeschlossene Firma durch drei Instanzen bis zum Reichsgericht geführt worden. Die Beklagte hatte die neueste Auflage des Duden anstatt zum Ladenpreis von 4.— Mk. für 3.50 Mk. an die Mitglieder einer Beamtengenossenschaft an geboren und verkauft. Sie hatte nicht unmittelbar von der Klägerin, sondern von einer unbekannten Zwischenstelle bezogen. Das Landgericht I Berlin hatte die auf Unterlassung gerichtete Klage abgewiesen, das Kammcrgericht aber und nunmehr auch das Reichsgericht unterm 28. Oktober 1928 haben dem Antrag der Klägerin stattgegeben. Das Kammergerichtsurteil ist schon in Nr. 304 des Börsen blattes vom 31. Dezember 1927 veröffentlicht; nachstehend bringen wir das Urteil des Reichsgerichts sowie den auf den An trag auf einstweilige Verfügung ergangenen Beschluß des Land-