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mit den Angcstelltenverbänden verhandeln. Sicher ist jeden, falls, daß in der Mehrzahl aller Fälle der Buchhandel in den großen Topf der Gleichmacherei geworfen wird, ohne daß die Eigenart unseres Berufs sowohl für die Angestellten als für die Geschästsbesitzer genügend berücksichtigt wird. Vielleicht kommen wir noch einmal dahin, daß sich alle Angestellten unseres Berufs ebenso wie die Arbeitgeber in zwei Verbänden zusammen, schließen, wie wir es bei den Buchdruckern bereits haben. Fürs erste ist damit nicht zu rechnen, und doch werden wir, wenn es in der bisherigen Weise weitergeht, in den nächsten Zeiten immer mehr vor die Frage des Abschlusses von Tarifverträgen von Verband zu Verband gestellt werden. Für mich steht bei all den Fragen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fest, daß es eine Pflicht des Arbeitgebers ist, ausgelernte Kräfte so gut zu bezahlen, daß ihnen eine ordent liche Lebensführung möglich ist. Ich halte es für vollständig falsch, daß gerade im Buchhandel, früher namentlich in Leipzig, besonders schlechte Löhne gezahlt werden, und mutz den Ange> stellten recht geben, wenn sie heute fordern, daß die Sonder- stollung des Buchhandels in der Gehaltsfrage beseitigt werden muß. Auf der andern Seite wende ich mich jedoch ebenso scharf gegen alle übertriebenen Angestellten-Forderungen, die mit unferm Berufe nicht in Einklang zu bringen sind. In den meisten Fällen werden Tarifverträge allerdings nur abgeschlossen, um Gehalts- und Ferienfragen zu regeln. Über solche Verträge läßt sich eine Einigung bei gegenseitigem Verständnis der Lage gewiß erzielen. Natürlich dürfen nicht die größten Schreier in solchen Verhandlungen als Vertreter auftreten, sondern es gilt, daß beide Teile ihre klügsten Köpfe abordnen, um zu einer Eini gung zu kommen. Mir will es aber scheinen, als mehrten sich in der letzten Zeit die Bestrebungen der Angestellten, bei den Abschlüssen von Tarifverträgen sich nicht nur auf Lohn- und Ferienfragen zu beschränken, sondern damit auch Fragen zu verquicken, die kaum im Interesse eines gedeihlichen Etnverneh- mens in unserm Berufe liegen. Es handelt sich da vor allen Dingen um die Betriebsratsfrage, die in der nächsten Zeit erst durch Gesetz festgelegt werden soll, während z. B. der Ange stelltenverband des Buchhandels in einem En^vurfe eines Tarif- Vertrags für den Grotzberliner Buchhandel, den er zusammen mit dem Zentralverband der Angestellten aufgestellt hat, über diese Betriebsratsfragen bereits ganz bestimmte Forderungen aufstellt. Auch in Hinsicht auf den sogenannten Angcstelltenausschutz, der in kleineren Geschäften durch einen Vertrauensmann, in größeren durch den Betriebsrat in Erscheinung tritt, wäre es verfehlt, wenn sich die Arbeitgeber im Buchhandel durchaus ab lehnend verhielten. Nach meinem Dafürhalten sollte sich in einem zeitgemäßen Geschäft die Mitarbeit der Angestellten nicht wie früher auf ihre besondere berufliche Tätigkeit beschränken, da es für das einzelne Geschäft von großem Vorteil sein könnte, wenn der Angestellte als Mitarbeiter und Mitverantwortlicher in Fragen herangezogen würde, an deren Beantwortung er bis- her keinen Anteil hatte. Ich denke da nicht nur an GehaltS- fragen, sondern ebensosehr an Personalfragen, an Beratungen über Urlaub und sonstige soziale Gebiete. Ist der Betriebsrat wirklich von dem Grundsätze aus berufen, daß nur die tüchtigsten Arbeiter Vertreter darin sein sollen, so wird selbst die Frage der Einstellung. Kündigung, Entlassung oder Beförderung der ein zelnen Angestellten gemeinsam vom Geschäftsleiter und dem Angestelltenausschuß in befriedigender Weise gelöst werden können. Theoretisch müßte eine Einigung immer erzielt wer den, wenn die Verhandlungen nach dem Grundsätze geleitet würden, daß alle Entscheidungen so zu treffen seien, daß sie dem Gesamtvorteil des Geschäfts entsprächen. Zum Geschäft aber gehören heute ebensosehr die Angestellten wie die Besitzer. Ich bezweifle jedoch, daß namentlich in größeren Betrieben immer die tüchtigsten und fähigsten Mitarbeiter im Angestellten- ausschutz sitzen, und deshalb würde ich nie einen Tarifvertrag anerkennen, der über die Aufgaben der Angestelltenvertretung spräche, ehe das Belriebsratsgesetz endgültig verabschiedet ist. Ich denke sogar, daß mir auch die Arbeitnehmer in dieser Frage zustimmen werden, denn es ist doch unnütze Arbeit, wenn jetzt IIS8 in unseren Tarifverträgen eine Reihe Bestimmungen über diese Gebiete ausgenommen werden, die dann durch das neue Gesetz höchst wahrscheinlich umgesloßen werden. Ich habe das Ver trauen zur Nationalversammlung, daß das Betriebsratsgesetz in einer Form rechtskräftig wird, die beiden Teilen gerecht wird, wenn eben — und das ist immer wieder Voraussetzung — beide Teile soviel Einsicht besitzen, daß sie sich sagen: zuerst mutz das Geschäft als Ganzes lebenskräftig und stark sein, damit es alle Verpflichtungen gegenüber dem Besitzer und den Angestellten, na mentlich in Lohnfragen, erfüllen kann. Wir müssen uns doch immer wieder darüber klar werden, daß jede zu hoch gespannte Forderung der Angestellten den Zusammenbruch des Geschäfts herbeiführen kann, und daß letzten Endes doch der Angestellte den größten Schaden hat, wenn durch eine Mehrung solcher Katastrophen infolge einseitig geschlossener Tarifverträge der ganze Beruf darniederliegt. > Als hochgespannte Forderung betrachte ich es z. B., wenn in dem oben bereits erwähnten Berliner Tarifvertragsentwurfe in der Arbeitszeitfrage gesagt wird: »Die Arbeitszeit beträgt netto 42 Stunden für die Woche. Sie ist so einzuteilen, daß jeder Angestellte allwöchentlich in den Genuß eines freien Nach, mittags ab Ij/? Uhr nachmittags gelangt. In Verlagsgeschäften und Bureaus soll dieser freie Nachmittag auf den Sonnabend fallen. An den Vortagen von Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten bleiben die Verlagshandlungen und Bureaus geschlossen«. Wer solche Forderungen vertritt, beweist, daß er die Lage des Kleinbuchhandels nicht kennt und daher unfähig ist, sich an den Verhandlungen über Tarifverträge zu beteiligen. Obgleich ich durchaus für den 8-S!unden-Tag bin, behaupte ich, daß wir dafür auch heute noch nicht eingerichtet sind. Der Achtstundentag verlangt schärssie Arbeit, um während dieser Zeit soviel zu schassen, als im Interesse eines jeden Geschäftes notwendig ist. Ich hoffe zwar, wir erziehen uns und unsere Mitarbeiter dazu, daß wir in acht Stunden genau so viel leisten wie früher in 11 Stunden, aber behaupten möchte ich doch nicht, daß heute überall in acht Stunden soviel wie früher bei ver längeren Arbeitszeit geleistet wird. Der Siebenstundentag kommt höchstens für Bergarbeiter unter Tag und Schwerstarbeiter, wie z. B. die am Hochofen tätigen Arbeiter in Frage. Ebenso scheint es mir ausgeschlossen, daß an den Vortagen der großen und ^ kleineren Feste die Verlagshandlungen ganz schließen, wenn die ! dadurch verlorengehende Arbeitszeit nicht irgendwie ausge glichen wird. ! Wenn dann im gleichen Tarifverträge gefordert wird: »Ur laub wird gewährt bei einer Tätigkeit in der Firma von min destens 6 Monaten 6 Arbeitstage, 12 Monaten 12 Arbeitstage, 36 Monaten 18 Arbeitstage, 72 Monaten 21 Arbeitstage, 120 Monaten 24 Arbeitstage, und daß außerdem Urlaub zu den Verbandstagen der Angestelltenverbände bis zur Höchstdauer von 5 Arbeitstagen zu gewähren ist«, so können wir solchen Fragen doch nur mit einem Nein entgegentreten. Dagegen gibt es aller dings auch maßvollere Urlaubsforderungen bis zur Höchstdauer von drei Wochen, die selbstverständlich ihre Berechtigung haben. Sehr weitgehende Forderungen werden immer wieder auch in den Fragen der Wirtschastsbeihilfe aufgestellt. Ob sich die Angestellten, namentlich im Kleinbuchhandel, Wohl immer über legen, woher Beträge von mehreren hundert Mark bei dem ein- zelncn Geschäftsinhaber Herkommen? Die Berliner verlangen z. B. für Angestellte, die Is/g Jahr im Geschäft tätig sind, den anderthalbfachen Monatsgehalt, für zweieinhalbjährige Tätig keit zwei Monatsgehälter. Wohin soll das führen? Die schwierigste Frage scheint bei den meisten Verträgen die Lohnfrage zu sein. Ich habe das Gefühl, als müßte in dieser Frage seitens der Geschäftsinhaber mehr Entgegenkommen gezeigt werden, sobald es sich um ausgelernte oder nicht als Lehrlinge beschäftigte Angestellte handelt. Wer wie ich auf dem Standpunkt steht, daß wir keinesfalls einen höheren Teuerungs- Zuschlag als 10°/» nehmen dürfen, weiß, wie mit dem Pfennig gerechnet werden mutz, um Einnahmen und Ausgaben einiger maßen in Einklang zu bringe». Und doch müssen wir uns darüber klar sein, daß es unbedingt unsere Pflicht ist, Gehälter zu zahlen, die den Angestellten ein Durchkommen ermöglichen.