Volltext Seite (XML)
MrseÄMEdRDcMMVüällm Nr. 182 (R. 92). Leipzig, Sonnabend den 8. August 1931. 98. Jahrgang. Redaktioneller TÄ Buchhändler-Verband „Kreis Norden" e. D. Die 4 9. ordentliche Hauptversammlung des Buchhändler-Verbandes -Kreis Norden« e. V. findet in Ham- b u r g am Sonntag, dem 8. September 1931, vormittags 11 Uhr in der Detaillistenkammer, Neue Rabenstraße 27/30, statt. Wir laden unsere Mitglieder hierzu freundlichst ein. Gäste aus dem Buchhandel sind uns -willkommen. Etwaige Anträge der Mitglieder sind spätestens bis zum 15. August beim Unterzeichneten Vorstand einzureichen. Die Tagesordnung wird den Mitgliedern mit dem Jahres bericht durch das Nachrichtenblatt des Buchhändler-Verbandes »Kreis Norden- bekanntgegeben werden. Hamburg, den 6. August 1931. Der Vorstand des Buchhändler-Verbandes »Kreis Norden« e. V. Waldemar Heldt, 1. Vorsitzender. Fr. W. Thaden, 1. Schriftführer. Die 6. buchhändlerische Arbeitswoche in Prerow (Ostsee). Die diesjährige Prerow-Freizeit fand in der Woche vom 28. Juni bis zum 4. Juli statt. Sie war wiederum vom Börsenverein ver anstaltet worden. Die Leitung hatte, wie schon in den früheren Jahren, Prof. vr. Fritz K l a t t. Als fachliche Leiter standen ihm diesmal zur Seite Bibliothekar Hans Hof mann von der Deut schen Zentralstelle für volkstümliches Büchereiwesen und die Buch händler Hans Bott-Berlin und Gerhard Schönfelder- Leipzig. Die Arbeitswoche erhielt ihr besonderes Gepräge durch die auf einer Freizeit zum ersten Male in größerem Umfange burch- geführte gemeinsame Arbeit von Buchhandel und volkstümlicher Bücherei: Zwei Drittel der Teilnehmer waren Buchhändler, ein Drittel Bibliothekare. Der Erfolg der Freizeit liegt nicht zuletzt in der Tatsache, daß sich diese Zusammenarbeit für beide Teile als sehr lohnend erwiesen hat. Das Thema lautete »Bllcherkunde für Beruf und S e l b st b i l d u n g«. Im Nahmen der Arbeit ergab sich folgende Gliederung des Stoffes: 1. Wie komme ich an das Buch heran? (Die Mittel der Unter richtung.) 2. Wie komme ich zum Urteil über Bücher? (Wege und Formen der literarischen Urteilsbilöung.) 3. Die Kunde vom lesenden Menschen. (Leserkunde und Käufer kunde.) 4. Die Nolle des Buches in der Gegenwart. (Geistiger und wirt schaftlicher Haushalt.) Die Hauptaufgabe war, den Gesamtumfang bücherkund- licher Arbeit im Zusammenhang darzustellen. Im Mittel Punkt standen praktische Übungen; kurze Referate dienten zur Ver bindung und Ergänzung. Ausgegangen wurde von einer Charakteristik der Bibliographie, insbesondere der buchhändlerischen Bibliographie als Grundlage jeder Unterrichtung über das Buch (Entwicklung, Formen und Me thode der Bibliographie). Die aus der besonderen Aufgabe und aus der Arbeitspraxis des Buchhandels erwachsenden Anforderungen an die Bibliographie wurden formuliert. Die Charakteristik der Katalog arbeit in der öffentlichen Bildungsbllcherei schloß sich an. Gegen überstellung ergab die verschiedenen Ausgangspunkte und Ver wendungsmöglichkeiten. Damit wurde zugleich der Raum biblio graphischer Darstellungsmöglichkeiten, in dem jede bllcherkunöliche Orientierung einbeschlossen ist, knapp umrissen (Sammeln, Ordnen und Verzeichnen — Auswahlen, Werten und Darstellen). Auf dieser Grundlage standen die Besprechungen und Übungen über die verschiedenen Mittel und Möglichkeiten einer ersten Orien tierung über das Buch (Inserat, Prospekt, Schaufenster, mündliche Empfehlung, Besprechung usw.). Sehr instruktiv waren in diesem Zusammenhänge die Übungen, in denen gezeigt wurde, wie man als Buchhändler und Bibliothekar sich in kürzester Zeit über ein unbe kanntes Buch unterrichten kann (von der Ausstattung bis zum In halt). Dieser Arbeitsabschnitt umfaßte also den Weg von der Biblio graphie bis zur ersten persönlichen Kenntnis über das Buch selbst. Einen breiten Raum nahmen die hier anschließenden Übungen zur literarischen Urteilsbildung ein. Es handelte sich dabei natürlich nicht um literar-ästhetische Betrachtungen; die als Beispiele heran gezogenen Bücher waren nur Mittel zum Zweck. Diese Übungen waren in zweckmäßiger Weise schon dadurch vorbereitet worden, daß die Kenntnis einer Reihe von Büchern vorausgesetzt wurde. Von zweien dieser Bücher (Waggerl, Brot, und Riemkasten, Der Bonze) mußten die Teilnehmer zu Beginn der Arbeit außerdem noch schrift liche Besprechungen vorlegen. Der Arbeitsverlauf war alsdann fol gender: In Arbeitsgemeinschaften, teilweise in zwei Gruppen, wurde an Hand der aufgegebenen Bücher der Weg literarischer Urteilsbil dung methodisch erarbeitet (Inhalt, Form, Gestaltung, Sprache, Hal tung). Es wurde dabei grundsätzlich klargemacht, daß hier der Weg von der subjektiven Erfassung des Schriftwerkes zur objektiven Er fassung führt, d. h. nach der persönlichen Urteilsbildung als not wendiger Voraussetzung jeder bücherkundlichen Arbeit sind die objek tiven Beziehungen darzustellen, innerhalb deren das einzelne Schrift werk steht (Beurteilung des Autors und seiner übrigen Werke; Ein gliederung nach Form- und Stoffgruppen in den Zusammenhang mit anderen Werken anderer Autoren; Bestimmung des geistigen Stand ortes). Von hier aus hat dann die praktische Auswertung einzu setzen hinsichtlich der Verwendungsmöglichkeiten des Buches. Dieser Verlauf wurde sehr klar und anschaulich herausgearbeitet. In diesem Zusammenhänge wurde dann auch die literarische Kritik 'in der Form der Besprechung in - Zeitschrift und Zeitung als Hilfsmittel zur persönlichen Urteilsbildung und objektiven Er fassung des Schriftwerkes ausführlicher behandelt. Es geschah dies in drei Stufen: Für die gleichen Werke eine kritische Prüfung der von den Teilnehmern selbst gelieferten schriftlichen Besprechungen, der Besprechungen in Zeitungen und Zeitschriften und der von Bü chereiseite vorliegenden Wertungen. Damit waren die Elemente bücherkundlicher Arbeit in den Hauptzügen von der Bibliographie bis zur literarischen Gruppenbildung zur Darstellung gekommen. Das Ergebnis dieser Arbeit kann als sehr beachtlich bezeichnet werden, da es in dieser Form und in diesem Umfange praktisch bisher wohl noch nicht Vorgelegen hat. Und vor allem konnte mit ihm gezeigt werden, daß die rein bibliographische Orientierung auch für den Buch händler immer nur Ausgangspunkt ist, und daß die Urteilsbildnng etwa an Hand von Besprechungen und Literaturgeschichten oder Lite raturführern immer mehr oder minder oberflächlich bleiben muß. Unterbaut und ergänzt wurde diese Arbeit nach verschiedenen Richtungen hin. Wichtig waren hier als Beiträge zur Kunde vom lesenden Menschen die Referate zur Leser- und Käuferkunde, die Aus führungen Prof. Klatts über Ansatzpunkte in der Erziehung zum Buche in den verschiedenen Lebensaltern und schließlich die Aussprache über eine Reihe von wichtigen Werken, die in diesen Zusammenhang gehören (Matzke, Jugend bekennt; Walter Hofmann, Die Frau als Leserin; Gabelentz-Mennicke, Deutsche Berufskunde usw.). Gerade die Erörterungen über Leser- und Käuferkunde ergaben einen frucht baren Meinungsaustausch zwischen den Bibliothekaren und den Buch händlern, aus dem beide manches gelernt haben werden. Besonders für die Buchhändler bestimmt war ein sehr aufschluß reiches Referat über die Entwicklung und den Stand der Bücherei arbeit (theoretisch-systematische Klärung, Bildungsziel). Zum Schluß wurde das Gesamtergebnis hineingestellt in die geistig-wirtschaftlichen Zusammenhänge unserer kulturellen Situation. Was in dieser Richtung schon berührt war, wurde zusammengefaßt. 725