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79. 8. April 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 4207 mehr zur ckbleiben, während die Falsifikate, die sämtlich einen großen Zusatz von Blei enthalten, stets einen dunkeln Strich ver ursachen. (Vossische Ztg.) * Verwerfliche Reklame. — Uber einen neuen Reklame trick — nicht gar zu schwach an Peter Ganters Lärmtrommel an klingend — zugunsten eines buchhändlerischen Verlagsartikels be richtet der »Berliner Lokal-Anzeiger« vom 3. d. M. durch Ver öffentlichung folgender Einsendung: »Auch eine „Straf-Verfügung"! »Neulich wurde ich durch Zustellung eines Schriftstückes über rascht, dessen Adresse folgende Aufschrift trug: „An den Eigentümer des Kraftfahrzeuges Nr. . . . Portopflichtig! Eigene Angelegenheit des Berlin" Empfängers. »Nicht ohne Unbehagen öffnete ich die Sendung — denn sie war nach ihrem ganzen Aussehen offenbar eine polizeiliche Verfügung. Und richtig! Beim Entfalten des Bogens leuchtet mir auch schon die unheilvolle Überschrift entgegen: „Straf-Verfügung." »Der Text, teils vorgedruckt, teils handschriftlich ausgefüllt, lautet folgendermaßen: „Sie haben heute vor vier Wochen während des Fahrens mit Ihrem Kraftfahrzeuge Nr. . . . auf der Frankfurter Straße dahier beim Überholen von Fuhrwerken keine Signale gegeben. Dirschel, bei Fuhrunternehmer Lorenz Horth, dahier, sowie Gendarm Mognan. „Es wird deshalb gegen Sie auf Grund der §§ 32 und 37 der Polizeiverordnung vom I. Januar 1902 eine bei der hiesigen Stadtkasse zu erlegende Geldstrafe von 40 ^ und 20 c) Porto, an deren Stelle, wenn sie nicht beizutreiben ist, eine Haft von zwei Tagen tritt, hierdurch festgesetzt. Die Polizei-Verwaltung. „Sollten Sie sich durch derartige Strafverfügungen be schwert halten, so können Sie durch Zahlung von 3 Mark dieselben für die Zukunft abwenden. Sofort nach Auflage der in unserem Verlage erschienenen ...... (Es folgt nun die Reklame für einen Verlags-Artikel.) L. . . . R " (Namenszug.) »Ich habe Adresse und Unterschrift der erfinderischen Firma weggelassen, um diesem allerneuesten Reklametrick nicht noch weitere Verbreitung zu geben. Aus dem beigefügten Original erfahren Sie'ja die Richtigkeit meiner Angaben. (Stimmt. — Das Aussehen des ganzen Schriftstückes und die Anordnung seines Inhalts gleicht allerdings durchaus einer richtigen Polizei verfügung. D. Red. des Lokal-Anzeigers.) Bei weiterer Be sichtigung des Bogens fand ich dann eine an die betreffende Verlagsbuchhandlung gerichtete Destellkarte und eine Anzahl ähnlicher Urteile über den also empfohlenen „Verlags-Artikel". Empfänger leicht ein wenn auch schnell vorübergehendes Ge fühl des Mißbehagens bereiten können, vor allem aber viel beschäftigte Leute, die mit der Minute geizen müssen, zwingen, ein für sie gänzlich wertloses Schriftstück durchzulesen und sich „Straf-Verfügung" solcher Art ist eine Vorspiegelung falscher Tatsachen.« — Dem dürste zuzustimmen sein. Red. d. Börsenbl. Die ersten amerikanischen Bibliotheken. — Bei der letzten Winterversammlung des »Massachusetts Library Club« hielt der Bibliothekar der Harvard Universität Oe. Austin Baxter Keep einen Gründer, der viel neues Material über dieses bisher noch wenig erforschte Gebiet der Bibliotheksgeschichte beibrachte. Als das wichtigste literarische Zentrum der Kolonialzeit hatte selbstverständlich Boston auch die erste öffentliche Bibliothek in den Neu-England-Staaten aufzuweisen. Schon im Jahre 1653 vermachte Robert Keayne eine größere Anzahl Bücher »in Gottes gelahrtheit, Geschichte und Kriegswesen« für eine »Bibliotheks galerie für Geistliche und Gelehrte, um sich darin zu treffen«. Im Jahre 1658 wurden die Bücher, die »nicht bloß zur Schau, sondern zum Gebrauch« bestimmt waren, in der Town Hall unter gebracht. — Alter noch, wenn auch freilich keine öffentliche Bibliothek, war die Bibliothek der Universität Harvard, zu der im Jahre 1638 Rev. John Harvard durch das Vermächtnis von 300 Büchern und der Hälfte seines Vermögens zur Ausgestaltung und Verwaltung dieser Stiftung den Grund legte Von diesem Kern der jetzigen großen Harvard-Bibliothek ist gegenwärtig merkwürdiger weise nur noch ein einziges Buch »Der christliche Krieg gegen den Zweikampf, die Welt und das Fleisch« vorhanden. Nach dem gedruckten Katalog von 1723, dem ältesten Beispiel eines solchen Katalogs in Amerika, zählte die Bibliothek damals 3000 Bände. — In New Pork werden die ersten Bibliotheken in einem 1698 erschienenen, heute sehr seltenen Buche »^postolio eburit.)'« erwähnt, und zwar waren es nach dieser Quelle Pfarr-Biblio- theken, die der Rev. vr. Bray in dieser und anderen Gemeinden errichtet hatte. Eine öffentliche Bibliothek im eigentlichen Sinn beabsichtigte dagegen Rev. John Sharpe, ein Gehilfe Brays, zu gründen. Er hinterließ zu diesem Zweck seine eigene ansehnliche Büchersammlung mit der Bestimmung, daß die Bibliothek durch die Regierung »gesichert« werden solle; in den Akten der Provinzial - Versammlung ist indessen von einem solchen Akte nichts zu finden, und die Bücher gingen in den Besitz der New Yorker Vereinsbibliothek (8oci^ Oikrrrr^) über. Diese war im Jahre 1764 errichtet worden; drei Jahre später folgte ihr die Bibliothek von Kings College. Damals be stand auch schon eine öffentliche Ausleihbibliothek, und zwar aus dem Nachlaß eines englischen Geistlicken John Millington, der der »Gesellschaft zur Verbreitung der Bibel in fremden Ländern« seine gesamten Bücher zur Verbreitung in den Kolonien hinterließ. Die Bücher wurden ins New Porter Rathaus überwiesen und dort alsAusleihbibliothek verwandt. —Die erste Buchhändlerleihbibliothek wurde in New Port im Jahre 1763 von einem gewissen Darrat Noöl ins Leben gerufen; doch erwies sich sein Unternehmen nicht als erfolgreich und ging nach einem Jahre wieder ein. Eine zweite Leihbibliothek wurde 1774 von dem Buchhändler Samuel Loudon gegründet. Dieser hatte damit mehr Erfolg und wurde erst durch die Revolution genötigt, das Geschäft aufzugeben. Während der amerikanischen Revolution wurden überhaupt die meisten New Parker Bibliotheken verbrannt oder zerstört und trotz der Proklamationen der britischen und hessischen Offiziere nur wenige Bücher wieder dahin zurückgebracht. (Nach: »kublio Oibraris8«.) Kunstwert und Liebhaberwert in der Versicherung. (Vom Reichsgericht.) (Nachdruck verboten) — Dem Reichs gericht lag in jüngster Zeit die Frage zur Entscheidung vor, unter welchen Umständen der Liebhaberwert eines Gemäldes als ersatzpflichtiger Versicherungswert in Betracht zu kommen habe. Diese Frage ist im Hinblick auf die vielen aus Liebhaberei stattfindenden Ankäufe und Sammlungen einzelner Kunst- und historischer Sachen von größerem allgemeinen Interesse. Das Reichsgericht stellt den Rechtsgrundsatz auf, daß bei Feuer schaden derartiger Gegenstände im Allgemeinen nur der durch Sachverständige festzusetzende Kunstwert ersetzt zu werden braucht, während bei einer Versicherung nach dem Liebhaberwerte dieser besonders in der Versicherungsurkunde ausgedrückt sein muß. Von größter Bedeutung sind dabei stets die Versicherungs bedingungen. Prozeßgeschichtlich ist folgendes mitzuteilen: Der Kläger, der früher Agent der Norddeutschen Feuerversicherungsgesellschaft in Hamburg gewesen ist, hatte bei dieser seine bewegliche Habe gegen Feuersgefahr versichert. Das Verzeichnis der Sachen umfaßte unter Nr. 8 Gemälde, Kupferstiche, Bilder, Kunst- und Luxus gegenstände mit einer Gesamtsumme von 6680 Dazu war bemerkt, daß unter den zu Nr. 8 deklarierten Gegenständen auch 642*