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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 160, 13. Juli 1916. hervorgehoben. So erbot sich die hiesige Leitung des »Roten Kreuzes« gegenüber dem Buchhandel aus freien Stücken, noch vor der warmherzigen Empfehlung der Sammlung durch das Kreiskomitcc des Roten Kreuzes der Pfalz, die Bücherwoche durch einen eigenen Aufruf zu fördern, und die Stadtverwaltung erließ zur möglichsten Förderung eine Bekanntmachung. In dieser wurde bei dem Hinweis aus den Ankauf der Bücher m fetter Schrift die Deckung des Bedarfs bei »hiesigen Buch handlungen«, also am Platze, empfohlen. Rühmend sei auch des warmen und eingehenden Eintretens unserer Presse für die edle Sache der Reichsbuchwoche, des grossen vaterländische» Liebes- Werkes, gedacht. Jacob Pcth. Zum Schluß folgen noch die Mitteilungen von vier Firmen, die nicht genannt sein wollen. Ihre Erfolge waren sehr wenig befriedigend. Ich bestellte das angebotene Wsebematerial rechtzeitig, ließ 14 Tage lang an den Anschlagsäulen mit meiner Firma als Bezugs- und Sammelstelle die gelben Plakate anklebe», ließ 10 farbige Plakate »Gute Bücher, gute Kameraden« und andere Plakate von Reclam, Scherl u. a. kommen, 500 Wallmannschc Verzeichnisse mit meiner Firma, andere Verzeichnisse (Reclam, Kürschner usw.), legte sie 14 Tage lang in alle Kontinuationen, in den Lesezirkel, suchte die ganze für den Zweck geeignete Literatur aus meinem großen Lager heraus, stellte sie auf Laden- und andere Tische aus, gab vier Anzeigen auf meine Kosten in drei hiesige Zeitungen auf, versandte sechs große Anschreiben (Abdruck aus dem Börsenblatt) an di« höheren Schulen, Stadt verwaltung, Kreisverwaltung, Vaterländ. Frauenverein, Rotes Kreuz usw.; ferner dekorierte ich das Schaufenster des in meinem Hause seit fast zwei Jahren leerstehenden Ladens als Spezial ausstellung mit vielen Plakaten und geeigneten Büchern, ferner mein Schaufenster ähnlich usw. Kurz ich tat das Möglichste. Der erste evangelische Geistliche hat auch von der Kanzel auf die Bücherwocho hingewiesen. Der Erfolg war trotzdem nur kläglich. Der Bürgermeister antwortete, der Magistrat habe schon einige Male etwas bewilligt (nach auswärts für fahrbare Feld- bllchereien) und außerdem liege doch nur g es chä f11 i ch e s In teresse des Buchhandels vor. Der Landrat erwähnte kurz in einigen Zeilen in einem kleine» Kreisblalt, das die Gemeinde vorsteher u. dgl. lesen, die Bücherwoche. Ein Gymnasial-Pro- fessor sagte mir, da wollte ja nur der Buchhandel verdienen. Der Schriftführer des Vaterländischen Frauenvereins, ein Gym nasialprofessor, erklärte offen, sie könnten dafür nicht werben oder empfehlend eintreten, da würden nur ihren Zwecken im Kreise die Mittel entzogen! Im Gymnasium sind wie im Vorjahre nur alte Bücher gesammelt, neue nicht erworben wor den, auch wurde dazu nicht angeregt. Die wenigen Käufer, die eine Anzahl guter Bücher kauften, waren ein Kommerzienrat, ein Arzt, ein Reichsbankbeamter, eine Gräfin, eine Schulvorsteherin und wenige andere. überbracht und übersandt wurden eine ziemliche Menge alter Zeitschriftenjahrgänge (Daheim a. d. Jahren 1862 usw., Gartenlaube usw. usw.), ferner ziemlich zerlesene religiöse Schrif ten, auch neuere und neue; vieles, was sür den Zweck ungeeignet war. Als Kuriosum ist cs zu bezeichnen, wenn die Schwieger mutter eines aktiven Generals, der natürlich im Felde steht, ein in Schweinsleder gebundenes Andachtsbuch aus dem Jahre 1776, 1 Luthers kl. Katechismus von 1853, I ganz altes Buch mit religiösen Gedichten, 1 hatbzerrissene Kinderfibel für das erste Schuljahr, 1 alte religiöse Ninderlehre, 1 altes kl. Andachts buch für Kinder und alte Nummern Tageszeitungen übersandte. N. hat zirka 13 000 Einwohner, ist Fabrikstadt, die Ein wohnerschaft meist kleine Leute, sodaß wir mit nennenswerten Umsätzen nicht gerechnet haben. Da wir aus den verschiedensten Gebieten der Fürsorge für unsere Feldgrauen seit Kriegsbeginn in erheblichem Maße tätig waren, mochten wir auch bei der Reichsbuchwoche nicht zurückstehen. In Betracht kam in der 922 Hauptsache nur »Schöne Literatur«: Fischer, Ullstein, Engelhorn, Insel, Reclam, sowie die Feldausgaben der zur Zeit vorhande nen besseren Literatur, dazu Blaue Bücher, Leuchtend« Stunden usw., kurz das billige Buch. Wir haben zwei große Schaufenster. In dem einen hatten wir geeignete Literatur ausgestellt und einige Plakate an den Schaufensterscheiben befestigt, ebenso an der Eingangstür. In dem anderen Schaufenster hingen Karlen und ebenfalls Reklame-Plakate. Tie hiesige Zeitung brachte einen längeren Hinweis, wir selbst ließen das im Börsenblatt ver öffentlichte Inserat mit einigen Änderungen aus unsere Kosten ebenda dreimal abdrucken, wir wandten uns an die drei höheren Schulen und den Magistrat, und das Resultat war — was An kauf neuer Bücher betrifft — betrübend. Würde der Magistrat nicht 50 bewilligt haben (die Auswahl wurde uns überlassen), hätten wir einen Umsatz von 100 »kt nicht mal erreicht. So dürften es doch einige Mark mehr gewesen sein. Von den Schu- len haben wir nichts gehört. Diese arbeiten zur besseren Be leuchtung ihrer geringen Tätigkeit lieber direkt mit den betr. Sammelstellen. Also gekauft wurde wenig, gestiftet etwas mehr. Beim Versand zählten wir zirka 250 Bände. Der Wert mag zirka 200 ,/t betragen haben, der Neuwert vielleicht 600 ./t. Be teiligt waren an der Sammlung nur 25 Personen. Weitere 20 Familien dürften ihren eigenen Angehörigen im Felde einige Kleinigkeiten gekauft haben. Der Mittelstand versagte, ebenso die oberen Zehntausend. Das Resultat war ein Defizit, die aus- gewandt« Mühe war umsonst, wenngleich wir uns ihr im Inter esse der guten Sache gern unterzogen haben. Über das Ergebnis der Reichsbuchwoche in einem kleinen Badeort zu berichten, ist ziemlich einfach, und fast mit einem Wort abgetan: »garnichts«. Trotz reichlicher Propaganda, trotzdem ich meine Schaufen ster genügend mit Plakaten versehen hatte, trotzdem die Presse auf meine Veranlassung hin fast täglich Hinweise und Aufsätze brachte, trotzdem ich die Schulleiter durch handschriftliche An schreiben auf Zweck und Ziel der Veranstaltung aufmerksam ge mach! hatte, war das Ergebnis der Woche mehr als bescheiden. Es ist ja Wohl bei den verschiedenen Sammclstellen hier, so auch in meinem Geschäft, eine ziemlich große Anzahl Bücher zusanr mcngekommen, aber daß man Bücher auch kaufen kann, um sie zu stiften, ist dem Publikum ein ganz neuer Gedanke. Eine hie sige höhere Schule gab mir das Ergebnis ihrer Sammlung — 84 Bände — zum Weitcrversand an die Provinzsammelstelle zum Verpacken. Unter diesen 84 Büchern, fast durchweg alten kleineren Bändchen, wie Reclam, Hillger usw., war nachweislich nicht ein Buch, das gekauft war, alles zerlesene Bändchen billiger Un- terhaltungslektüre. Ähnlich verhielt es sich auch mit den Bän den, die mir von anderen Stellen zum Weilerversand übergeben wurden; es war Wohl eine willkommene Gelegenheit, die über flüssigen Bestände der Bücherschränke auf gute Art los zu wer den, aber ans Kaufen dachte hier niemand. Wie wenig alle Pressenotizen und Hinweise genützt haben, mag ein Beispiel be leuchten: Ein hier zur Kur weilender hoher Offizier — kom mandierender General, der unter den Gästen des von ihm bewohnten Hotels schon zweimal Sammlungen bei der Mit tagstafel veranstaltet hatte — die eine für Liegestllhle für Ver wundete brachte »tt 1400.—, die zweite für Zigarren etwa »tt 800. , verkehrte häufiger in meinem Geschäft; ich nahm natürlich Veranlassung, ihn darum zu bitten, doch vielleicht auch einmal für die Reichsbuchwoche tätig sein zu wollen, woraus die sehr erstaunte Frage kam: »Reichsbuchwoche?, was ist denn das, davon habe ich noch nie etwas gelesen!« — Mitten in der Buch woche — trotz aller Zeitungshinweis«! Und nachdem ich ihn dann genügend aufgeklärt hatte, kam der wenig tröstliche Bescheid: »Ja, gar so oft darf man mit dem Sammeln auch nicht kommen«. — Ja, für Liegestühle, Zigarren usw. geht es, aber Bücher — ja Bauer, das ist ganz was anderes! — Es mag das vielleicht an den Verhältnissen des kleinen Platzes und der bis jetzt wenig guten Saison liegen, aber der Absatz war wirklich ganz minimal. Einige Hesse- oder Reclam-Päckchen zu »/t 1.—, einige Bändchen > Jnselbücherei, Fischer oder Ullstein, das war alles. Keinenfalls