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^ 48, 27. Februar 1904. Nichtamtliche: Teil. 1908 »gelehrte« Bllcher anzuschaffen, — welche Aussicht hätten diese dann überhaupt, verkauft zu werden? Es war der Zweck des Nettosystems, diesem Verfall entgegenzuwirken und den Sortimentsbuchhändlern die Möglichkeit zu bieten, solche Bücher zu führen. Die Tatsache, daß dieses System so all gemein von den Verlegern ausgenommen wurde, ist ein genügender Beweis dafür, daß es in ihrem Interesse und in demjenigen der Verfasser liegt, die Bücher netto zu machen. Die dem Bücherverkauf nachteiligen Bedingungen sind verschieden von denen, die dem Verkauf von andern Dingen schaden. Der Buchhandel im eigentlichen Sinne des Worts stellt an die ihm dienenden Personen bedeutende Ansprüche auf Bildung, und für den Buch händler bedeutet das -Ausgaben«. Aber das Publikum übersieht das. Es bezahlt ganz gern für das, was es in Louä Street kaust, einen höhern Preis, als es für ganz die selben, aber in einem weniger vornehmen Teile Londons gekauften Artikel zahlen würde. Bei Büchern ist das anders. Das Publikum will Bücher bei dem Buchhändler, der für seine eigne Bildung und diejenige seiner Gehilfen bezahlen muß, zu demselben Preise kaufen wie bei einem Händler, der Bücher ebenso behandelt, als wäre es -Patentmedizin«. Deshalb war cs ganz augenscheinlich, daß, wenn Bildung im Buchhandel überhaupt etwas gelten sollte, ein Plan ersonnen werden mußte, um dem herrschenden verderblichen Unterbieten Einhalt zu tun. Das Nettosystem war die Folge, und als Basis dieses Systems wurde angenommen, daß kein Sortimentsbuchhändler eine Preisermäßigung auf Netto-Bücher bewilligen sollte. Man könnte hier vielleicht einwenden, daß den Biblio theken ein Extrarabatt zugestanden werden konnte, ohne das System selbst zu gefährden. Aber wenn man einmal anfängt, Ausnahme-Rabatt zu gewähren und Ausnahmen zu machen, wo soll dann die Grenze gezogen werden? Es ist durchaus nicht der Fall, wie »Castor und Pollux« behaupten, daß man llbereingekommen wäre, den Schulen Rabatt zu bewilligen. Als das Nettosystem vor einigen Jahren an genommen wurde, hielt man eine Versammlung in London ab, die sehr zahlreich von Verlegern und Sortimentern aus allen Teilen des Königsreichs besucht war, und man faßte den einstimmigen Beschluß, gar keine Ausnahmen zu machen. Seit jenem Tage ist, soviel ich weiß, von diesem Beschluß nicht abgewichen worden. Ich, wiederhole noch mals! wo soll die Grenze gezogen werden, wenn man an fängt Rabatte als Ausnahmen zuzugestehen? Wenn den Bibliotheken Rabatte gewährt werden, warum nicht auch den Schulen? Und wenn Schulen dieses Vorrecht genießen, warum nicht auch Gelehrte und Studenten im allgemeinen? Wenn man ferner unter Bibliotheken solche Institute ver stehen soll, die jährlich Bücher im Betrag von etwa 500 bis 5 F kaufen, warum soll dann die Bibliothek, die Bücher im Belauf von 5 kauft und sehr viel Mühe macht, größere Vorzüge genießen als ein Privatkunde, der zwanzig mal so viel kaust und weniger Mühe macht? Wenn einmal Ausnahmen zugelassen werden, so ist nicht abzusehen, wo diese enden sollen. Ein weiterer Faktor darf nicht außer acht gelassen werden. Daß das Nettosystem illusorisch werden würde, wenn man Ausnahmen machte und Extrarabatte bewilligte, ist fast sicher; was würde dann das weitere Ergebnis sein? -Gelehrte« Bücher würden zwar noch verlegt werden, aber, da deren Verbreitungsmittel lahm gelegt wären, so müßte ihr Preis unbedingt erhöht werden. Leichte und Einlags- Literatur würde allerdings noch zu den bisherigen Preisen erscheinen, aber die ernster», soliden Bücher müßten viel teurer werden. Die jetzt z. B. zu 6 Schilling netto ver legten Bücher müßten dann wahrscheinlich mit 10>/z Schilling berechnet werden und würden den Bibliotheken trotz der ihnen gewährten 2S Prozent Rabattt immer noch 8 Schilling kosten. Falls die Propaganda zugunsten eines Rabatts auf Netto-Bücher für Bibliotheken praktischen Erfolg hätte, so müßten als unausbleibliche Folge die Bibliotheken für Bücher, die jetzt zu Nettopreisen verlegt werden, 20 bis 25 Prozent mehr als jetzt bezahlen. >L. IV. ?.» bemerkt, -daß die Einführung des Netto- systems sicherlich den Preis andrer Bllcher (d. h. andrer als Romane) um ganze 10 Prozent in die Höhe getrieben hat.« Diese Behauptung ist meiner Meinung nach nicht zutreffend. Im Gegenteil glaube ich, daß die jetzt zu Nettopreisen ver legten Bllcher um ungefähr 15 Prozent billiger sind, als wenn sie mit der Freiheit des Rabatts verlegt worden wären. Verschiedene Verleger haben viele ihrer Bücher von nicht-netto auf netto geändert und infolgedessen den Laden preis um 15 bis 20 Prozent ermäßigt. Da die Biblio theken ferner nicht nur Bücher sowohl netto als mit Rabatt kaufen, sondern auch Zeitungen, Zeitschriften, die Schriften wissenschaftlicher Vereine, sowie viele lokale und besondere Bücher, die alle nicht dem Nettosystem unterliegen, so kann der Schaden, der den Bibliotheken durch Verweigerung eines Rabatts auf Nettobücher zugefügt wird, nur wenige Pro zente ihrer Gesamtkäufe an Büchern ausmachen. Wie kann diesem Verlust begegnet werden? Einer der von »Castor und Pollux- gemachten Ratschläge kann meiner Meinung nach nicht ernst genommen werden. Sie behaupten, daß einige Firmen mehr Netto-Bücher als andre verlegen, und raten dem Bibliothekar als ersten Schritt, jene zu -boykottieren«. Da nun die zu Nettopreisen verlegten Bücher in der Regel weniger vergänglicher Natur sind als Nichtnetto-Bücher, so ist es sicherlich ein sehr sonderbarer Rat für einen Bibliothekar, daß er die besten Bücher boykottieren lassen soll. Es wird angenommen, daß es im Interesse und in der Pflicht eines Bibliothekars liegt, das Studium der besten Bücher zu fördern, und sicherlich ist es besser, eine gewisse Summe zum Ankauf von zehn guten Büchern zu verwenden, als von elf oder zwölf minder wertigen. Qualität, nicht Quantität soll das Motto eines Bibliothekars sein. Ferner sagt >L. IV. ?.«, daß der Bibliothekar der Ver suchung ausgesetzt sei, so viel wie möglich leichte und so wenig wie möglich ernste Literatur zu kaufen. Einer unsrer gewissenhaftesten und begabtesten Bibliothekare hat gesagt, daß Bibliothekare im Ankauf von leichter Literatur sehr vorsichtig sein und neue Romane erst dann kaufen sollten, wenn sie sich als lebensfähig erwiesen hätten. Wenn das Nettosystem nur die eine Folge gehabt hätte, daß Bibliothekare wenig leichte und viel ernste Literatur kaufen, so wäre schon damit ein nützlicher Zweck erreicht. -Castor und Pollux» raten als zweiten Schritt in dem Verteidigungskampf, jedes für die Bibliothek nötige Netto- buch antiquarisch zu kaufen, soweit sich ein solches Verfahren durchführen lasse. Es liegt keine Notwendigkeit vor, so drastisch zu verfahren. Wenn der Bibliothekar mit einem Zehntel seiner Anschaffungen so lange warten wollte, bis er sie antiquarisch bekommen könnte, so würde er eben nur das nötige tun, um seinen finanziellen Schwierigkeiten zu begegnen. Gegen ein solches Verfahren würde übrigens kein einsichtiger Buch händler etwas einwenden wollen. Er würde im Gegenteil dem Bibliothekar gern hilfreiche Hand leisten, solche Käufe mit größtmöglichem Vorteil zu bewirken. Ich bin der Ansicht, daß das schnelle Wachstum der Bibliotheken eins der besten Zeichen unsrer Zeit ist. Es sind sehr wertvolle Einrichtungen, und Bibliothekare gehören zu den besten Dienern der Öffentlichkeit. Als Hüter der 251»