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erhalten mit der äußerst zierlichen und höflichsten Antwort: daß er gar zu sehr in diesem Augenblicke mit Verlagsartikeln über laden sei. Ich will jetzt sehen, daß ich sie irgend anders unter bringe. Es ist dem großen Goethe ebenso gegangen mit seinem ersten Produkt. Frage mal den .Poeten', ob er Rat weiß? Meine Tragödie werde ich trotz ihrer Mängel dennoch drucken lassen.« Heine hoffte, in Berlin, wo er mancherlei literarische Be kanntschaften machte, unschwer einen Verleger für seine Gedichte zu finden. Varnhagen von Ense machte ihn mit Professor Gubitz bekannt, dessen »Gesellschafter« in jener Zeit das literarische Orakel der gebildeten Kreise der Hauptstadt war. Im Mai 1821 erschienen die ersten Gedichte Heines in dieser Zeitschrift. Diese kecken, zum Teil einen völlig neuen Ton anschlagenden Verse erregten großes Aufsehen, und deshalb erklärte sich der Inhaber der Maurerschen Buchhandlung, bei der die Zeit schrift erschien, auf Befürworten des Professors Gubitz bereit, die Heineschen Gedichte in Buchform zu verlegen. Als Honorar allerdings wurden dem Verfasser nur 40 Freiexemplare zugesichert, aber welcher junge Dichter wäre nicht bereit, seine ersten Gedichte auch umsonst für den Druck herzugeben? Die »Gedichte« erschienen in der ersten Hälfte des Dezember monats 1821 mit der Jahreszahl 1822. Der Verlag zeigte sie in Berliner Blättern mit einigen empfehlenden Worten an, die heute niemand auffallen würden, die aber damals als eine plumpe Reklame betrachtet wurden. Diese Ankündigung lautet: »Wie verschieden auch die Urteile über den Wert dieser Poesien aus- fallen mögen, so wird doch jeder gestehen, daß der Verfasser derselben durch seltene Tiefe derEmpfindung, lebendige humoristische Anschauung und kecke gewaltige Darstellung eine überraschende Originalität beurkundet. Fast alle Gedichte dieser Sammlung sind ganz im Geist und im schlichten Ton des deutschen Volks liedes geschrieben. Die Traumbilder sind ein Cyklus Nachtstücke die in ihrer Eigentümlichkeit mit keiner aller vorhandenen poetischen Gattungen verglichen werden können.« Man muß sich wundern, daß selbst Heines Freunde an dieser harm losen Verlegeranzeige Anstoß nahmen. Sie veranlaßte sogar Varnhagen in einer Rezension (im »Gesellschafter« 1822 Nr. 11) zu der spitzen Bemerkung, daß »die Verlagshandlung von dem schönen Lobe, mit dem sie die Anzeige dieser Gedichte begleitet, immerhin ein gut Teil dem Kritiker hätte zurücklassen können, ohne zu befürchten, daß er es würde umkommen lassen«. Frei herr W. v. Schilling erösfnete sogar eine Parodie Heinescher Ge dichte mit einer galligen Persiflage jener Anzeige. — Mit der Maurerschen Buchhandlung war Heine nicht sonder lich zufrieden, und er bol deshalb sein zweites Werk Ferdinand Dümmler in Berlin an, der 1815 seinen Verlag begründet hatte. An diesen richtete er am 5. Januar 1823 folgendes Verlags anerbieten: »Herrn Ferdinand Dümmler in Berlin. »Gemeinschaftliche Bekannte haben mir Ihre Tätigkeit und Loyalität gerühmt. Weil ich, durch Erfahrung gewitzigt, diese beiden Eigenschaften bei einem Buchhändler am höchsten achte, mehr als jedes andere Interesse, so mache ich Ihnen hiermit das Anerbieten, ein Buch von mir in Verlag zu nehmen. Dieses ent hält: 1. eine kleine Tragödie (etwa 3'/g Druckbogen stark), dessen Grundidee ein Surrogat für das gewöhnliche Fatum sein soll und die Lesewelt gewiß vielfach beschäftigen wird, 2. ein größeres dramatisches Gedicht, genannt »Almansor«, dessen Stoff religiös polemisch ist, die Zeitinteressen betrifft und vielleicht etwas mehr als sechs Bogen beträgt, und 3. einen 3 bis 3'/2 Druckbogen starken Zyklus humoristischer Lieder im Volkstone, wovon in Zeit schriften Proben standen, die durch ihre Originalität viel Inter esse, Lob und bittern Tadel erregt. Die kleine Tragödie, die ich für die Bühne bestimmt habe und die gewiß auch aufgeführt wird, nenne ich Ihnen und teile ich Ihnen mit, sobald ich Sie meinem Anerbieten nicht abgeneigt finde; ich wünsche nämlich nicht, daß sie hier bekannt werde, bevor der Druck angefangen, und ich habe sie hier nur zwei Personen, dem Professor Gubitz und dem Legationsrate Varnhagen von Ense, lesen lassen. »Uber meinen eigenen Wert als Dichter darf ich selbst wohl kein Urteil fällen. Nur das bemerke ich, daß meine Poetereien in ganz Deutschland ungewöhnliche Aufmerksamkeit erregt und daß selbst die feindliche Heftigkeit, wobei man hie und da über dieselben gesprochen, kein übles Zeichen sein möchte. Von den zahlreichen öffentlichen Ausbrüchen der Art schicke ich Ihnen nur beiliegendes Blatt, erstens weil ich nur dieses besitze, und zweitens weil der Tadel darin ziemlich bedeutend ist. Es ist halb und halb eine Entgegnung auf Karl Jmmermanns unbedingt lobendes Urteil über mich in derselben Zeitschrift, schließt sich an das, was in den westfälischen und rheinischen Blättern in so vollem Maße über mich gesagt worden, und ist in süddeutschen Blättern (Hesperus, Morgenblatt, Rheinische Erholungen usw) ebenfalls auf ungewöhnliche Weise ausgesprochen worden. »Ich glaube nicht, daß ich hier in Berlin sehr bekannt bin; aber desto mehr bin ich es in meiner Heimat, am Rhein und in Westfalen, wo man, wie ich von allen Seiten erfahre, auf das Erscheinen meines lang erwarteten poetischen Buches sehr ge spannt ist, und wo dasselbe gewiß den größten Absatz finden wird. »Ich habe nächste Tage das Vergnügen, Sie persönlich zu be suchen und mit Ihnen über das übrige, Honorarbestimmung und dergl. zu sprechen. Ich bin mit Hochachtung und Ergebenheit H. Heine. Taubenstraße, Nr. 32.« Dieses Schreiben verrät schon eine viel größere geschäftliche Erfahrung als der Brief an Brockhaus. Beachtenswert ist es, daß Heine gerade die Kritik an seinen Gedichten als Reklame zu ver werten sucht, ähnlich wie heutzutage zuweilen ein Verleger sich freut, wenn eins seiner Verlagswerke ordentlich heruntergerissen wird, weil er sich sagt, daß manche Leser das Buch dann erst recht kaufen werden, oder wie wenn Reklame für ein Buch gemacht wird, das konfisziert war und wieder freigegeben worden ist. Weshalb Heine nicht in Verbindung mit der Maurerschen Buchhandlung geblieben war, erklärt er selbst sehr drastisch in einem Briefe an Karl Jmmermann vom 14. Januar 1823, worin es u. a. heißt: »Durch Professor Gubitz hatte sich die Maurersche Buchhand lung zu dem Berlage meiner ,Gedichte' bequemt, und außer 40 Freiexemplaren, wovon mir bis auf diese Stunde noch 10 Exemplare aus filziger Knickrigkeit vorenthalten werden, habe ich keinen Pfennig erhalten. Dieses sage ich Ihnen sub roga. zu Ihrer Tröstung, da ich zweifle, ob das Honorar für Ihr erstes Werk besonders bedeutend gewesen sein mag. Durch ihre häß lichen Winkelzüge und schmutzigen verletzenden Kniffe ist mir aber oie Maurersche Buchhandlung (ihr Chef heißt V.) jetzt so ver leidet, daß ich ihr dieser Tage meinen Unwillen auf die em pfindlichste Weise zu erkennen gab, und mein zweites Buch gewiß nicht bei Maurer erscheinen wird, und ich schon diese Woche einen andern Verleger dafür suchen will. Bei meiner angebornen Unbeholfenheit in allen Geschäften, die ins Merkantilische ein- schlagen, wird mir dieses nicht sehr leicht werden. »Ich schreibe Ihnen dieses Detail, damit Sie sehen, daß ich Ihre Tragödie oder die Zeitschrift in diesem Augenblick Maurer nicht anbieten kann; ich wünsche daher Ihren Bescheid, ob Pro fessor Gubitz in Ihrem Namen besagter Buchhandlung den «Periander« antragen soll. Zwar glaube ich nicht, daß Maurers gegenwärtig zum Verlag belletristischer Artikel geneigt sind; in honorierender Hinsicht sind sie immer die größten Filze. Ich denke aber noch in diesem Monate für meine Dramen einen Ver leger zu finden, und da werde ich nicht ermangeln, ihm Ihr Drama und die Zeitschrift anzubieten. Ich bin hier mit keinem Buch händler außer Maurer persönlich bekannt; doch dieses ist nicht not wendig, wenn man einen Verleger sucht. Es ist hier der Gebrauch, daß der Schriftsteller der Buchhandlung einen schriftlichen Antrag macht. Wollen Sie, daß ich dieses bei einigen hiesigen Buchhänd lern in Ihrem Namen tue, so geben Sie mir dazu den bestimmten Auftrag. Ich rate Ihnen aber, schreiben Sie lieber selbst von Münster an bekannte hiesige Buchhandlungen und bemerken den selben, daß Sie mir den Auftrag gegeben, noch besonders mit ihnen zu sprechen über Ihre Anträge, sowohl des »Perianders«, als der Zeitschrift. — Ich hoffe, daß Sie mich trotz meines kon fusen Schreibens verstanden haben. Das Verlegersuchen gehört zu den Anfängen des schriftstellerischen Martyriums. Nach dem buchhändlerischen Verhöhnen und dem Jnsgesichtgespuktwerden kommt die teegesellschaftliche Geißelung, die Dornenkrönung dumm- pfiffigen Lobs, die literaturzeitungliche Kreuzigung zwischen zwei