Volltext Seite (XML)
105, 7. Mm 1904. Nichtamtlicher Teil 4015 das Beste erwarten ließ. Der schon länger angestrebte und am Sonnabend vormittag vollzogene Zusammenschluß der vier verschiedenen Verlegervereine des deutschen Buchhandels zu einem einzigen Deutschen Verlegerverein war ein weiteres Ereignis, das von verständnisvoller Wahrung der gemeinsamen Interessen in stärkender Einigkeit Zeugnis gab. Auch die Verhandlungen der Hauptversammlung am Kantate- Sonntag hatten einmütige Zustimmung zu der Geschäfts führung des Vorstands und glatte Erledigung der Anträge im Gefolge. Und als am Schluß der Versammlung der Erste Vorsteher des Börsenvereins, Herr Albert Brockhaus, die Wahlresultate bekannt gab und unter großem Beifall die einstimmige Wiederwahl der beiden Vorsteher des Börsenvereins verkündete, konnte er nicht ohne Bewegung der Versammlung seinen Dank für das unerschütterte Ver trauen des Vereins zu seinem Vorstand aussprechen. In der Versammlung selbst fand aber der Dank jubelnden all gemeinen Widerhall, es war eine lebhaft geäußerte Zu stimmung und von jedem geteilte dankbare Anerkennung der in schwerer Zeit geleisteten großen und schwierigen Arbeit. Mit hochgespannter Erwartung, die infolge der erst kurz vorher stattgehabten kontradiktorischen Verhandlungen in Berlin noch erhöht war, waren die meisten Meßbesucher in diesem Jahre nach Leipzig geeilt. Der Begrüßungsabend am Sonnabend abend vor Kantate gab nun allen willkommene Gelegenheit, sich in geselliger Unterhaltung mit alten guten Freunden über die Lage klar zu wer den. Unter fröhlichem Zutrinken konnte man all den wackern Kämpen danken für ihre ausopferungsfreudige Hilfe in den Zeiten der wirtschaftlichen Bewegung und des folgenden Kampfes. In der Voraussicht, daß nach einem solchen ereignisvollen Jahre den volltönenden Herzen Musik nur störend sein könne, hatte der Festausschuß auf diese ver zichtet und weiter durch geschickte Anordnung der Tische genügend Platz für freie Bewegung gelassen. Hin und her wallte unaufhörlich der Strom der Gäste, mitunter gestaut durch sich lebhaft begrüßende Gruppen. Übersah man den Saal mit der flutenden Menschenmenge und die Kreise, wie sie sich an den Tischen zu lebhafter Aussprache nieder gelassen hatten, so erkannte man den Zweck und den Nutzen solcher Zusammenkünfte von Buchhändlern, der, wie Friedrich Perthes schon in einem Zirkular vom Februar 1824 betont hat, bestehen solle: »in Geschästsbefreundung, in wechselseitigem Zutrauen — in freundlicher Handreichung — in billigem Nachgeben — in Erkennen dessen, was Einer von dem An dern zu erwarten habe, an Einsicht, Thätigkeit, sicherer Rechtlichkeit — in Austausch von Gedanken, Meinungen, Plänen rc. — im Erfahren der besondern Lage des Andern in seiner Provinz, zu seinem Publikum rc.- Hoffentlich ist recht viel davon am Begrüßungsabend beim freundschaftlichen Wiedersehen der alten Bekannten und der Anknüpfung neuer Freundschaften zum Wohl der gemeinsamen buch händlerischen Angelegenheiten in Erfüllung gegangen. Der spätere Abend führt alljährlich einen großen Teil der Buchhändlerwelt in Aeckerleins Keller am Markt zu sammen, wo besonders Herr Otto Petters-Heidelberg mit seinem goldenen Humor Heiterkeit und Gemütlichkeit hervor zaubert, die andern aber die »Kosten- der Unterhaltung tragen müssen. Stets geht hier nämlich die berühmte »Hosen klingelbeutel - Sammlung- vor sich, die in diesem Jahr die bedeutende Summe von fast 1500 ergeben hat. Tausend Mark davon fließen in die »Otto Petters-Stiftung-, wäh rend den Überschuß Herr Petters dieses Jahr auf be sonderen Wunsch für den viel in Anspruch genomme nen Berliner Unterstützungsverein bestimmt hat. Aus der hohen Summe kann man auf die freudige Stimmung schließen, die dort geherrscht hat. Der »Hosenklingelbeutel» hat wieder seine Schuldigkeit getan; unterstützt wird er schon seit einigen Jahren durch die Herrn Petters 1901 verehrte rote Sommerhose. Sie ist viel kleiner und kann von dem beliebten Wohltätigkeitsapostel wie ein Taschentuch bequem in der Tasche getragen werden. Mit virtuoser Technik wird sie bei jeder Gelegenheit vorgeführt und dadurch der Haupt sammlung in lohnendster Weise vor- und nachgearbeitet. Das Kantatefestmahl. »Und abermals ries uns die Stunde »Zum festlichen Kantateschmaus. — »Hier schließt sich manche Herzenswunde, -Laßt froh den Wein im Glase blinken, »Bis er uns frisch und neu beseelt — »Und hinter uns zu Boden sinken Dieser Vers aus dem »Feuchtfröhlichen Liederkranz- des beliebten Kantatedichters Herrn Otto Heidmüller-Wlsmar versetzt uns in die Stimmung, die wohl jeden der treuen Gäste des Kantatefestmahls beherrscht, wenn die Stunde für die im deutschen Buchhandel beliebte und in Ehren gehaltene Feier lichkeit schlägt. Nach der Hauptversammlung, die >/,2 Uhr beendet war, stand den Teilnehmern noch genügend Zeit zur Verfügung, die jeder nach besonderer Neigung verwenden konnte. Einem Besuch der Ostermeß- und Jahresausstellung im Deutschen Buchgewerbehaus und der Besichtigung andrer Sehenswürdigkeiten mag manch einer einen anregenden Früh schoppen in den kühlen Räumen des Gutenbergkellers oder einen erquickenden Spaziergang in der in herrlichster Blüten pracht prangenden Frühlingsnatur vorgezogen haben. Der ständige Schmuck des hohen Festsaals des deutschen Buchhändlerhauses hatte durch Entfaltung des geschmack vollen Buchhändlerbanners und durch Aufstellung einer Kaiserbüste hinter der Ehrentafel noch eine Bereicherung er fahren. An der mit Blumen reichgeschmückten Ehrentafel, die längs der Süd-(Straßen-)Seite des Saales Aufstellung gefunden hatte, nahmen die Mitglieder des Vorstands des Börsenvereins mit den geladenen Ehrengästen Platz. Die andern elf blumen besäten Tafeln waren rechtwinklig zur Ehrentafel aufgestellt und ihr gerade gegenüber befand sich die Rednertribüne. Jeder Teilnehmer wird freudig überrascht gewesen sein, als er auf seinem Platz wieder seinen alten, lieben, treuen Be gleiter das ganze Jahr hindurch, den praktischen ursprünglich Baumbachschen Taschenkalender vorfand, das Erkennungs zeichen eines zünftigen Buchhändlers. Nach der Fusion der Vereinigten Buchbindereien Baumbach L Co. G. m. b. H. mit der Leipziger Buchbtnderei- Aktien-Gesellschaft vormals Gustav Fritzsche trägt er die Widmung beider Firmen. Die Weinkarte, Taselkarte und das Musikprogramm ließen erlesene Genüsse erwarten. Sie waren zusammen zu einem kleinen Heftchen vereinigt. Aus dem Titelbild des Umschlags spendet eine den Buch handel verkörpernde ideale Frauengestalt, sauber in Weiß prägung ausgeführt, mit der Rechten in anerkennenswerter Freigebigkeit eine Fülle von Goldstücken, während die Linke einen Trinkkrug umspannt, auf dem die Eule des Buchhandels thront. Mit diesen Beigaben wird sinnreich auf die hauptsächlichen Veranstaltungen der Buchhändlermesse, die bei der Verlegerwelt sehr beliebte Abrechnung am Montag nach Kantate und auf das Festmahl mit seinen dem Bacchus geweihten Opfern hingewiesen. Die Leipziger Firmen, die sich zur Herstellung dieses kleinen Meisterwerks der Typographie vereinigt hatten, waren: I. B. Hirschseld: Druck; Berthold Siegismund: Papier; die Kopfleiste der ersten Seite war gezeichnet von Franz Bender in Leipzig (aus dem »Leipziger Kalender» Verlag von Johannes LS3'