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4016 Nichtamtlicher Teil. /V 105. 7. Mai 1904. von Schalscha-Ehrcnfeld in Leipzig); der Umschlag von Hübel L Denck geliefert. Rauschende Musik der Leipziger Kapelle G Curth rief bald unter den Festgenossen, die in der Anzahl von ungefähr 400 erschienen waren, eine fröhliche Stimmung hervor, die durch gehaltvolle Reden und Trinksprüche noch eine besondere Weihe erhielt. Vorher wurde wieder, wie bereits in der Hauptversamm lung. die neue Schalldecke, die die schlechte Akustik des Festsaales wesentlich verbessert, in Benutzung genommen. Es ist dies ein etwa in halber Höhe des Festsaales sinnreich angebrachter Schallüberhang von leichtem, lichtdurchlassendem, sternen- geschmücktem Stoff, der in wagerechter Richtung von beiden Schmalseiten desSaales nach der Mitte hin zugezogen und wieder zurückgezogen werden kann. Daß dadurch das Licht, allerdings nur wenig, gedämpft wird, nimmt man gern mit in Kauf, bietet er doch die Möglichkeit, die Redner weit besser zu verstehen. Als erster betrat der zweite Vorsteher des Börsen vereins, Herr vr. Ernst Vollert-Berlin das Rednerpult. Seine Rede galt dem Kaiser und dem Landesherrn' »Hochgeehrte Festversammlung! Die Kantateoersamm lung des Börsenoereins der Deutschen Buchhändler hat wiederum deutsche Berufsgenossen aus vielen Ländern und selbst von jenseits des Weltmeers hierher zusammengeführt. In dieser Vereinigung erfüllt uns alle das freudige Ge fühl. daß wir eines Stammes sind, und in dieser Empfin dung werden wir uns unsrer Liebe zu unserm Stammes und Vaterlande noch in besonderer Weise bewußt. Geeint und machtvoll, groß und blühend steht Deutschland in der Reihe der Kulturländer da. und an seiner Spitze steht unser teurer Kaiser, dem wir in Ehrfurcht und Verehrung hier wie überall, wo deutsche Männer zusammen sind, den ersten Festgruß darbringen. Meine hochgeehrten Herren, wir alle verehren in unserm Kaiser einen Herrscher, der von großen Gedanken erfüllt und von der Hoheit feiner Aufgaben und Pflichten durchdrungen ist. einen Herrscher, der in der Erfüllung dieser Pflichten sich selber nie genug tun kann, und der in dem Bewußtsein seiner Verant wortung kein andres Streben hat und kein andres Ziel kennt, als Deutschland auf der Bahn friedlicher Ent wicklung seiner innern und äußern Kräfte vorwärts zu führen. Und in diesem Streben mit ihm vereint wirkt der hochverehrte König dieses schönen Sachsenlandes, dem wir für alle Huld und Förderung, die der deutsche Buch handel von jeher hier in Leipzig gefunden hat. unfern ehrfurchtsvollen Dank aussprechen. Hier haben wir deutschen Buchhändler unsre zweite Heimat, und wir alle wissen es mit den Bürgern dieses Landes, daß König Georg von Sachsen der treue Hüter des Erbes seiner beiden edlen Vorgänger und eine der festesten Stützen der deutschen Einheit ist. Lassen Sie uns. meine hochgeehrten Herren, unsre Liebe zum deutschen Kaiser und zu dem König von Sachsen in dem alten Treuruf zum Ausdruck bringen; Seine Majestät der deutsche Kaiser Wilhelm II. und Seine Majestät der König Georg von Sachsen, sie leben hoch! hoch! hoch!« Jubelnd erbrausten die Hochrufe der stattlichen Ver sammlung. die dann stehend die Nationalhymne sang. Den Ehrengästen galt das nächste Hoch, das der erste Vorsteher des Börsenvereins. Herr Albert Brockhaus, in zündenden, beredten Worten ausbrachte: »Meine hochgeehrten Herren! Ein schweres Jahr liegt hinter dem deutschen Buchhandel und dem Börsenverein. Nicht in wirtschaftlicher Beziehung; aber unsere intimsten Verhältnisse sind in Presse und Literatur unter die kritische Lupe genommen und vor der allerbreitesten Öffentlich keit untersucht worden auf ihre Legitimität oder Illegiti mität. Der starkknochige, eckige und kantige deutsche Buch handel ist selbst unter das »Ultramikroskop - gelegt worden, um festzustellen, ob sich nicht etwa Sonnen stäubchen. die sonst nicht sichtbar wären, zeigten, die fest gelegt werden könnten. Dem Bilde, das sich da zeigte, wurde ein wissenschaftlich destillierter und konstruierter Jdealbuchhandel gegenübergestellt, ein glatter, rundlicher durchsichtiger und farbenprächtiger Homunculus. — der nur den einen Fehler hatte, nicht lebensfähig zu sein und nicht fortpflanzungsfähig! (Heiterkeit.) »Mit Stolz dürfen wir es sagen, daß der Buchhandel sowohl wie der Börsenverein aus dieser Prüfung schadlos und schuldlos hervorgegangen sind und kräftiger als je zuvor. Wir Buchhändler aber wollen uns auch in Zu kunft zur Richtschnur dienen lassen, im Vereinsleben wie im geschäftlichen Leben keinen Schritt zu tun. der im Notfall nicht die volle Öffentlichkeit vertragen könnte! (Bravo!) »Daß wir Freunde einer beschränkten Öffentlichkeit sind das haben wir vielfach bewiesen und zeigen es alljährlich auch bei unserm Kantatefestmahl, da wir nicht einmal unser intimstes Familienfest feiern zu können glauben, wenigstens nicht so würdig feiern zu können, ohne verehrte und liebe Nichtbuchhändler zu bitten, ihm erst den rechten Schmuck zu verleihen. So begrüße ich denn namens des Vorstandes zunächst unser verehrtes Ehrenmitglied Herrn Geheimen Rat Georgi, dessen warmer Fürsprache wir den Grund und Boden verdanken, auf dem wir unser Heiin haben aufrichten dürfen, seinen Amtsnachfolger. Herrn Oberbürgermeister Justizrat vr. Tröndlin. der in der dankenswertesten Weise im vergangenen Jahre uns Mithilfe geleistet hat zur Wiederherstellung friedlicher Verhältnisse und Herrn Bürgermeister I)r. Dittrich. Ein Muster, der Nachahmung wert, ist uns die viel gestaltige Verwaltung unserer Stadt, der Nachahmung wert ihre unermüdliche Fürsorge für die ihr anvertrauten Gemeindemitglieder. »So begrüße ich die Spitze unserer evangelischen Kirche, den Herrn Geheimen Kirchenrat Superintendent v. Pank, die Spitzen unseres Landgerichts in Herrn Präsident Hagen und Herrn Oberstaatsanwalt Böhme. Ein Muster der Nachahmung wert sind uns diese großen Erziehungsanstalten der Menschheit, die dem Mühseligen und Beladenen Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihm Trost spenden im Leid. »So begrüße ich die Spitzen unseres Handels und Verkehrs in den Herren Geheimer Kommerzienrat Zweiniger, Reichsbankdirektor Kalähne und Oberpost direktor Domizlaff, so begrüße ich unfern Justitiar Herrn Justizrat Frenkel, Herrn vr. Smitt. Herrn vr. Goldfriedrtch und Herrn Burger. »Mit Ihnen allen, meine Herren, verbindet uns die Gleichartigkeit unsrer Ideale; die Kultur unsers geliebten deutschen Volks jeder an seinem Teil zu fördern, unfern Mitmenschen das private und geschäftliche Leben zu er leichtern und gute Sitte in immer weitere Kreise zu tragen. Akzeptieren Sie den deutschen Buchhandel als einen Helfer, oder um mich bescheidener auszudrücken, als einen treuen, fleißigen und ehrlichen Mitarbeiter im Streit gegen alles Niedrige und bei der Lösung der sozialen Frage. Sie aber, meine Herren Kollegen, bitte ich ein zustimmen in das Hoch auf unsere Ehrengäste. Unsere Ehrengäste leben hoch! hoch! hoch!» Nach dem ersten Gang, der inzwischen auch dem leib lichen Menschen die nötige Erquickung gebracht hatte, erscholl das erste Festlied eines unbekannten Dichters nach der be kannten Singweise: »Es steht ein Wirtshaus an der Lahn« durch den Saal. Es war »Leipziger Meßsührer« betitelt