Volltext Seite (XML)
Nichtamtlicher Teil. 290. 15 Dezember 1910. Werken auch die .Münchener Medizinische Wochen- schrist'. Der Firma Lehmann ist später der Verlag -Berlin gefolgt. Proben nicht gerade wohl wollender Gesinnung gegen unser Unternehmen haben wir von beiden schon erhalten. Den Vogel abgeschossen hat aber jedenfalls der Verlag Lehmann. Er beehrt uns. wie es scheint, mit seinem besonderen Hasse und er hat diesem Gefühl auf eigenartige Weise weiteren Ausdruck verliehen. Die Firma hat nämlich einer Leipziger Buch handlungsfirma gegenüber erklärt, ihr nur dann Werke ihres Verlags liefern zu wollen, wenn sie sich verpflichtete, an die Buchhandlung unseres Verbandes nichts weiter zu liefern! Also der Börsenverein sucht sich willkürlich und grundlos von Süll Buchhandlungen ausgerechnet 12 zum Boykottieren aus und der Verlag Lehmann-München verhängt noch seinen verschärften Spezialboykott über die Buch handlung des verhaßten Verbandes unter diesen 12! »Wodurch wir uns in so hohem Maße das Miß fallen der Firma Lehmann und ihrer Inhaber zugezogen haben, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Es entsteht aber doch wohl die Frage, ob die Mitglieder unseres Verbandes eine derartige Vergewaltigung ihrer Standes einrichtungen ruhig hinnehmen wollen. Was würden die Verleger wohl dazu sagen, wenn die Ärzteschaft einmal ihren Bedarf an wissenschaftlichen und anderen Werken aufs äußerste einschränkte? Wenn sie alle irgend entbehrlichen Zeitschriften abbestellte und beim Bezug des Notwendigen sich an die loyalen Buch handlungen und Verlage. die auch uns nach wie vor liefern, wendeten? So mancher Verleger würde dann vielleicht am eigenen Leibe sehr empfindlich merken, daß solche Boy kottierungen einer einmütigen Ärzteschaft gegenüber doch auch für ihre Urheber große Schattenseiten haben können. Es ist uns denn auch bereits bekannt geworden, daß schon jetzt nicht wenig Verleger Bedenken be kommen haben und gerade einige der bedeutendsten nicht gewillt sind, den Boykottbeschluß durchzu führen. »Wir werden den weiteren Verlauf der Dinge ab- warten. wir werden aber nicht so bald das Verfahren der Münchener und Berliner Firmen vergessen, die sofort die erste beste Gelegenheit benützten, um unserem Unternehmen zu schaden oder es gar zu vernichten. Hierin irren sie allerdings ganz gewaltig. Sie werden vielleicht auch schon bald sehen, daß weder wir noch die anderen boykottierten Vereinsbuchhandlungen derartige Brüskierungen ruhig über sich ergehen lassen werden, daß wir vielmehr Schutzmaß- regeln zu treffen wissen, um uns vor derartigen Will kürakten in Zukunft zu schützen.« Auf diesen Angriff antwortete Herr Verlagsbuchhändle* I. F. Lehmann in München, der bisher mit dem Leipziger Verband nicht die geringste Differenz hatte, seine Anstalten aber sörderte, wo sich Gelegenheit bot, in der »Münchener Medizinischen Wochenschrift- (1910, Nr. 50) wie folgt: Berussbuchhandel und Leipziger Verband. »In Nr. 47 der .Ärztlichen Mitteilungen' ist eine Darstellung der Differenzen zwischen dem Buchhandel und der Vereinsbuchhandlung enthalten, welche den Tatsachen nicht entspricht; da der Unterzeichnete dabei namentlich genannt und zur Angabe seiner Beweggründe aufgefordert wird, kommt er diesem Wunsche hiemit nach: »Da die Gefahr besteht, daß durch die Gründung zahlreicher Verbandsbuchhandlungen der deutsche Buch handel von der Lieferung an die bedeutendsten und größten Berufsklassen, Arzte, Juristen, Beamte, Kaufleute nach und nach ganz ausgefchaltet und dadurch aufs schwerste geschädigt wird, sah sich der Vorstand des Börsenvereins der deutschen Buchhändler gezwungen, den Beschluß zu fassen, daß die Buchhandlung des Verbandes der Arzte Deutschlands, ferner die Buchhandlungen einer Reihe anderer Erwerbsstände gemäß ß S, Ziff. 3 der Verkaufs ordnung des Deutschen Buchhandels mit dem Publikum nicht als buchhändlerische Betriebe behandelt werden dürfen. Es ist daher auch diesen Betrieben der Bezug des Börsen blatts und die Benutzung desselben zu Inseraten, sowie die Benutzung aller Vereinsanstalten und -Einrichtungen zu versagen. »Diesem Beschluß, der für die Verleger als Mitglieder des Börsenvereins ohnehin bindend war, hat auch der Deutsche Verlegeroerein ausdrücklich zugestimmt, indem ec beschloß, daß seine Mitglieder den Vereinsbuchhandlungen nicht oder nur mit beschränktem Rabatt liefern dürfen. »Wie unrichtig dieser Beschluß des Verlegervereins in den Aerztlichen Mitteilungen wiedergegeben wird, ergibt sich aus folgender Gegenüberstellung: Einstimmiger Beschluß des Deutschen Verlegervereins vom 7. XI. 1910. »»Nachdem der Vorstand des Börsenvereins erklärt hat, daß eine Anzahl von Vereinsbuchhandlungen ge mäß Z 3, Z. 3 der Verkaufs ordnung nicht als Buch händler oder gewerbsmäßige Wiedccverkäufer behandelt werden dürfen, erklärt die Hauptversammlung des Deut schen Verlegervereins, daß selbstverständlich alle Mit glieder des Verlegervereins jenen Vereinsbuchhandlungen nicht oder nur mit be schränktem Rabatt lie fern dürfen.«» Aerztliche Mitteilungen vom 2. XII. 1910. »»DieSortimentsbuchhänd- ler ... wollen sogar den Ver lagsbuchhandel bewegen, soli darisch damit (nämlich mit der Ausschließung der Ver bandsbuchhandlungen aus dem Börsenoerein) an unsere Buchhandlung nichts mehr zu liefern. Die Verleger haben es vorläufig abge lehnt, sich in dieser Rich tung durch einen Beschluß zu binden, sie stellen es jedem Einzelnen frei, ob er liefern will oder nicht.« - »Man steht, daß der Verlegerverein es nicht ab gelehnt hat, sich durch einen Beschluß zu binden, sondern daß ec durch einen einstimmigen Beschluß seine Zu stimmung zu dem Erlaß des Börsenoereins erklärt und seine Mitglieder in der erwähnten Weise tatsächlich ge bunden hat. Damit nun von seiten aller medizinischen Verleger dieser Beschluß gleichmäßig zur Ausführung konimt und nicht, wie es bisher der Fall gewesen zu sein scheint, der eine Verleger gar nicht, der andere mit be schränktem Rabatt liefert, schweben zurzeit Verhandlungen, die ein einheitliches Vorgehen aller medizinischen Verleger bezwecken. Diesem Übereinkommen werde ich mich selbst verständlich auch anschließen. »Ich habe die einzige Bestellung der Vereinsbuch handlung — es handelte sich um zwei Broschüren, deren eine ich noch ohnehin zugunsten der Witwenkasse des Leipziger Ärztlichen Verbandes verlege — gemäß den Bestimmungen des Börsenvereins zurückgewiesen. Als die Bestellung, wie ich richtig annahm, von einer vorgeschobenen Firma wieder holt wurde, knüpfte ich an die Ausführung die vom Börsenverein vorgeschriebene Bestimmung. Gerade so handelt der Vorstand des Leipziger Verbandes, wenn er merkt, daß seine Bestimmungen umgangen werden sollen, und zwar tut er es nicht aus Haß, sondern aus Pflicht- und Ehrgefühl.