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^ 187, 13. August 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 7899 Großenteils findet auf diese Bilderbogen das schwer wiegende Urteil seine volle Anwendung, das der bahnbrechende Kulturhistoriker W. H. Riehl selbst über die »Fliegenden Blätter« ausgesprochen hat, nämlich daß diese ein nie hoch genug zu schätzender, wichtiger Beitrag zur Zeit- und Sittengeschichte seien und künftigen Kulturhistorikern die reichste Fundgrube bieten werden. Die gleiche Tendenz verfolgten die ferneren Verlags artikel Caspar Brauns, so u. a. das »Lxilinm rnslanobolias«, die »Novellen-Pastete«, »Herrn Petermanns Jagdabenteuer«, der »Fliegende Blätter-Kalender«, die schnurrigen Bilder scherze von Wilhelm Busch, die »Stärkenden Tropfen für solche, welchen die Welt im Magen liegt«, die köstlichen »Gedankensplitter«, »General Rockschößels Erinnerungen«, das »Lustige Handbuch für Sommerfrischler«, die »Lustige Jagd«, der »Lustige Sport«, die »Lustige Naturgeschichte«, »Unsere Frauen«, »Thespiskarren«, »Im Frieden«, »Zur Genesung«, »Weltliches Gesangbuch«, das »Vademecum für lustige und traurige Juristen«, das eines ungeheuren Er folges sich erfreuende Jägerbuch: »O diese Dackeln«, dessen Ausgaben in Albumform erschienen mit Zeichnungen nach A. Oberländer, Ferdinand Steub, Moritz von Schwind, Spitzweg, L. von Nagel, Marold und Harburger, ferner all die Meggendorferiaden — doch wir müßten eine Geschichte der Verlagsbuchhandlung Braun L Schneider schreiben, wollten wir der untrennbaren Tätigkeit der beiden Freunde auch nur annähernd gerecht werden. Caspar Braun gebot über eine bei Künstlern nicht allzu häufig gepflegte feinere Bildung und ein ausgedehntes geschichtliches Wissen, das Friedrich Schneider mit dem ganzen Schick eines Weltmannes teilte. Aus diesem Sinn und aus dem vielleicht nicht so sehr gefühlten als ausgesprochenen Bedürfnis, dem Humor und Witz ein Gegengewicht zu geben, reifte die Idee zur Herausgabe der »Hauschronik«, jenes in Bild und Text gleich gediegenen Werkes, das aber leider nicht die verdiente Teilnahme beim Publikum fand und des halb nach zweijähriger Probezeit (1851 und 1852) auf gegeben werden mußte. Ebenso ist zu bedauern, daß eine andre sehr verdienstvolle, rein fachwissenschaftliche Leistung, deren sich Caspar Braun mit außerordentlichen Opfern von Zeit und Mühe bereitwilligst unterzog, unbekannt geblieben ist. In seiner Eigenschaft als Zeugwart ordnete er das ganze Material und Inventar des Münchener Landeszeug hauses in mustergültiger Weise und schrieb ein mit zahl reichen Holzschnitten ausgestattetes Buch (1866), das die ur kundliche Geschichte dieser Sammlung und — wenn auch nur in gedrängtem Umriß — zugleich auch die historische Ent wicklung der betreffenden Waffen gibt. Caspar Braun liebte aber auch die alten Klassiker; er erfrischte seinen Geist und Witz an der Lektüre der lateinischen und griechischen Urtexte und überraschte durch schlagende Zitate aus den alten Autoren und »Skribenten«, für deren Wortlaut er immer die Wette gewann. In und außer seiner redaktionellen Tätigkeit war er, wie wir dies übrigens auch von andern großen Humoristen, z. B. Molidre, Swift, Sterne, Raimund und andern wissen, von äußerstem Ernst und lachte nie. Die gute Manier, womit er seine jeweilige Überzeugung rückhaltlos darzulegen verstand, verschaffte ihm nicht nur die Gunst, sondern auch, wie der edle, sich dadurch selbst ehrende hohe Herr bei jeder Gelegen heit zu betonen pflegte, die Freundschaft des Herzogs Maxi milian von Bayern. Unser Verleger und Künstler war mehr als ein Jahrzehnt ständiger Gast jener kleinen Sym posien in München, die sich durch fesselndes, freimütiges Gespräch auszeichneten, Musik und Kunst belebten und jedem ihrer Gäste in dankbarer angenehmer Erinnerung geblieben sind. Bei einem dieser Abende reifte u. a der Plan, jene beinahe verschollenen Weisen und Melodien, die zur früheren Poesie des Reifens und der Reisenden gehörten, von kundiger Hand ausgezeichnet festzuhalten, ehe sie ganz aus der Erinnerung der Zeitgenossen verschwänden. So entstanden die mit Holzschnitten ausgestatteten »Posthorn klänge für das chromatische Horn« von Herzog Maximilian von Bayern, Text von Karl Stieler, München 1869. — Zwei Jahrzehnte lang hatten die »Fliegenden« in der Gunst der gebildeten Welt ihre Stellung gefestigt, als am 9. April 1864 Friedrich Schneider in der Blüte seines Lebens einem mehrjährigen schweren Leiden erlag, ohne daß es ihm vergönnt gewesen wäre, noch die Nummer »1000« des von ihm so geliebten Blattes zu erleben. Der Verlust des treuesten Freundes und Gesellschafters, sowie das plötzliche Ableben der geliebten trefflichen Gattin, die nach sechzehnjähriger Ehe ihm entrissen wurde, brachen die Lebenskraft und den Lebensmut Caspar Brauns. Wohl fand er Ersatz in der eigenen Familie, es kamen brave Schwieger söhne und fröhliche Enkel; die Söhne Schneiders, Julius und Hermann, die in ihres Vaters Fußstapfen traten, ehrten und liebten ihren väterlichen Freund in rührendster Weise. Auch Caspar Brauns gleichnamiger Sohn folgte den Tradi tionen des Hauses; aber der Alte war verändert. In ver doppelter Arbeit suchte er Trost und Genügen und gönnte sich trotz eines unverkennbaren Herzleidens keine Erholung. Sein eisernes Pflichtgefühl hielt ihn aufrecht; aber selten blitzte aus seinen Augen noch das alte Feuer des Humors, ein schwacher Nachklang jener ehemaligen stürmischen, alles mit sich fortreißenden Lustigkeit, die Blasen werfend, perlend und schäumend ihn in der guten alten Zeit zum lebendigen Mittelpunkt jeder Gesellschaft gemacht hatte. Nur die rollenden Augen blieben ihm, womit er über die Brille hinweg jeden Neuling erforschte und zu durchbohren schien und die doch gleich darauf den Verblüfften mit einer solchen Fülle von Liebe und Güte, Wohlwollen und Teilnahme überstrahlten. Es gab auch manche Feste und Jubiläen, so z. B. das der tausendsten Nummer,, des fünfzigsten Bandes und des siebzigsten Lebensjahres. Caspar Braun bewahrte bei der größten geistigen Tätig keit eine beispiellose Ruhe; er übte, frei von jeder Pedanterie, seine bis ins kleinste gehende Umsicht, Sorgfalt und pein lichste Gewissenhaftigkeit, bis nach schwerem Leiden am 29. Oktober 1877 sein Leben erlosch, nachdem er volle fünf unddreißig Jahre lang den »Fliegenden« ihren schönsten, un übertrefflichen Bilderschmuck als für alle Zeit mustergültige Proben echt deutschen Humors gegeben und die Firma Braun L Schneider in der Verlagswelt zu einer ungeahnten Höhe erhoben hatte. Caspar Braun junior und die schon genannten Söhne Friedrich Schneiders, Julius und Hermann, führten dann die Unternehmungen ihrer Väter im Sinne der Schöpfer fort, vollgültig des Dichters bedeutungsvolles Mahnwort erfüllend und bestätigend: »Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen I- Kleiue Mitteilungen. Zollverordnung für Einfuhr nach Österreich. — Durch die Verordnung der Ministerien der Finanzen, des Handels und des Ackerbaues vom 25. Juni 1907, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Erläuterungen zum Zolltarif vom 13. Februar 1906, R.G.B. Nr. 156, wurde folgendes bestimmt: In Ergänzung der Bemerkung 2, al. 3, der Erläuterungen zum Zolltarif wird bestimmt, daß ausländische Fahrpläne der Eisen bahnen und Dampfschiffe, auch in Plakatform, mit Bildern aus gestattet, und Plakate dieser Verkehrsunternehmungen zollfrei zu behandeln sind. (Lsterr.-ungar. Buchhändler-Corresp.) 1030»