Volltext Seite (XML)
X: 216, 15. September 1921. Redaktioneller Teil. spricht mit aller Bestimmtheit davon, daß eine sehr bekannte Wie ner Sortimentssirma unter Beteiligung einer Münchener Verlags- Handlung in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird, ferner, dah zwei große Schulbücherverlcger geschäftsmüde geworden sind und ihre Betriebe verkauft haben; auch in diesen Fällen soll das nötige Kapital durch Banken beigebracht worden sein. Im Jahre 1877 gründete Hermann Goldschmied! ein Zei- tungsbureau, das nach und nach eine große Ausdehnung gewann Und auch beim Fremdcnpublikum sehr bekannt wurde, weil man daselbst nicht bloß die österreichischen, sondern auch die fremd sprachigen Tages-, Wochen- und Monatsblätter vorrätig fand. Im Laufe der Zeit wurde dem Zeitungsbureau eine Buchhand lung angegliedert und das Unternehmen im Januar 1914 in eine Ges. m. b. H. umgewandelt. Nun ist dieselbe durch Kauf an die Literaria- übergegangen, die auch eine Abteilung der Wiener Zweigniederlassung von Ullstein L Co. übernommen hat. Endlich wäre auch jener Ncugründungen zu gedenken, die durch die politischen Verhältnisse veranlaßt wurden. Durch Jahrzehnte war die von Ignaz Brand im Verein mit mehreren sozialdemokratischen Führern gegründete Wiener Volksbuchhand lung die einzige Parteibuchhandlung; nun ist durch das Anwach sen der Partei und die Geltendmachung neuer Strömungen und Abarten innerhalb derselben hinzugetreten die »Arbeiter- Buchhandlung-, welche sowohl Verlag wie Sortiment be treibt und hauptsächlich die kommunistische Richtung vertritt, fer ner die Buchhandlung des A rb ei t c r a b st in e nt en - bundes und der Jungarbeiterverlag. Man sieht, wie stark der Umsturz auf den Buchhandel eingewirkt hat. Jahrzehnte hindurch waren die Bemühungen des Vereins der österr.-ungar. Buchhändler darauf gerichtet, die Verringerung und sodann die Abschaffung des dem Publikum gewährten Rabatts durchzusetzcn; schrittweise ging es vorwärts, und wenn man an fänglich nur das öffentliche Anerbieten bekämpfte und sich um die Begünstigungen, die dem Käufer privat und einzeln, innerhalb des Geschäftslokals zugestanden wurden, weniger kümmerte, so wurde schließlich auch darin weitergegangen und das Ziel voll ständige Abschaffung des Rabatts« im Auge behalten. Man kann auch sagen, daß es im großen und ganzen erreicht wurde. Nun haben alle buchhändlerischen Vereinigungen: der Ver ein, die Wiener Korporation, der Verband der Sortimenter und jener der Verleger seit Jahresfrist ähnliche Sorgen und Bestrebun gen; nur handelt es sich diesmal nicht darum, daß dem Publikum keine Nachlässe gewährt werden sollen, sondern daß die während der Kriegszeit eingeführten Teuerungszuschläge wenigstens teil weise abgebaut werden; es ist also eine Aufgabe, welche zu der oben erwähnten im Gegensatz steht. Solange es überhaupt einen Ladenpreis gibt — manche Kol legen halten ihn für eine Einrichtung, die sich überlebt hat —, muß derselbe vom Verleger bestimmt und vom Sortimenter sin- gehalten werden, über die Zweckmäßigkeit der Einführung des Teuerungszuschlags wird es sicherlich verschiedene Meinungen geben; daß er dazu beigetragen hat, den einheitlichen Ladenpreis zu erschüttern, steht Wohl außer Zweifel. Bestenfalls kann man von ihm sagen, daß er ein Medikament war, das in Ermangelung einer zweckmäßigeren Behandlungsart angewendet werden mußte, um dem Sortiment das Durchhalten zu ermöglichen. Seit dem Umstürze wachsen — es ist keine starke Übertrei bung, wenn man sagt, täglich — die Lasten und Spesen der Ge schäfte in Wien, also auch der Buchhandlungen, die ja im allge meinen solche Erhöhungen nicht durch Konjunkturgewinne aus- gleichen können. Es wachsen vor allem in großem Maßstabe die Steuern, die Erwervssteuer und Einkommensteuer; die Fürsorge abgabe von allen ausbezahlten Gehältern und Löhnen, ursprüng lich mit 2^ bestimmt, wurde kürzlich auf 4?S erhöht; es wachsen unaufhörlich und ständig die Gehälter, die Ausgaben für Be leuchtung, Beheizung, Porti, Frachten usw. Trotz aller dieser Umstände, welche den Gewinn der Sorti mente wesentlich beschränken, machte sich in den letzten Monaten die erwähnte Strönmng geltend, die Teuernngszuschläge abzu bauen. Einige Zeitungen wurden nicht müde, immer wieder von den großen und nach ihrer Ansicht unberechtigten Zuschlägen und Gewinnen der Buchhandlungen zu schreiben und aus diese Weise das Publikum und die öffentlichen Kreise gegen den Buchhandel aufzuhetzen. Zweifellos wurde durch diese Zeitungsartikel das Publikum veranlaßt, sich bei einer vermeintlichen Mehrberechnung im Buchladen mit einer Beschwerde an das Kriegswucheramt zu wenden; dieses zieht zur Klarstellung des Sachverhaltes die Preis prüfungsstelle heran, und es ist bereits mehrfach von diesen Äm tern die Berechtigung zur Einhebung eines Teuerungszuschlags in Abrede gestellt worden. Hierüber sind aber die Akten noch nicht geschlossen. Zu Obigem gesellten sich als treibendes Moment die Bewegung in Deutschland wegen Abbaus des Teuerungszuschlags, welche vom hiesigen Vcrlegerverband ausgenommen wurde, und die Anstren gungen der »Ambo«, eines Vereins, der sich die Versorgung der geistigen Arbeiter, insbesondere der Lehrer und Lernenden an den Hochschulen mit Büchern und Zeitschriften auf billigstem Wege mit Umgehung des Sortimentsbuchhandels zum Ziele ge- setzt hat. Dieser Ansturm von drei Seiten: erstens öffentliche Meinung und Kriegswucheramt, zweitens die wissenschaftlichen Verleger in Deutschland und Wien, drittens die »Amba«, bewirkte es, daß ein paritätisches Komitee von Verlegern und Sortimentern ein gesetzt wurde, welches nach eingehenden Beratungen einer außer ordentlichen Hauptversammlung des Vereins am 13. Juli 1921 einen Entwurf neuer Verkaufsbestimmungen für Österreich vor legte. Nach diesem Entwürfe sollte ein wesentlicher Abbau des Teuerungszuschlags erfolgen. Die Versammlung lehnte die Vor lage ab; ein neues Komitee wurde gewählt, das neue Vorschläge erstatten sollte. Die Anträge dieses neuen Komitees, das wiederum mehrere Sitzungen der eingehenden Beratung widmete, gipfelten in einem wesentlichen Abbau bei der wissenschaftlichen Fachliteratur; unter der Voraussetzung, daß der Verleger solche Werke mit mindestens 3314^ und 9/8, oder 35^ und 11/10 auch vom Einband, emballage- frei, mit halbem Portoanteil bei Partieergänzung innerhalb eines halben Jahres liefert, sollte nur eine Besorgungsgebühr von 577- bei in Österreich und 10-L bei in Deutschland verlegten Büchern eingehoben werden. Die Sammlungen Reclam, Göschen, Tcub- ner usw. sollten in derselben Weise behandelt werden. In der außerordentlichen Hauptversammlung des Vereins vom 9. August fanden auch diese Anträge nicht die Zustimmung der Mehrzahl; die Gegner wiesen auf die steigende Spesenlast, auf das angeblich völlig Widersinnige, im Gegensatz zum übrigen Warenhandel die Preise abznbauen, hin; sie behaupteten, daß, wenn einmal mit der Herabsetzung des Teuerungszuschlags auch nur bei einem Teil der Bücher begonnen werde, dieser tatsächlich für alle Bücher als ausgehoben betrachtet werden könne usw. Es wurde schließlich durch die Mehrheit eine Entschließung angenom men, wonach es vorläufig bei den bisherigen Teuerungszuschlä gen bleiben solle. Aber die Ströme lassen sich nicht Halt gebieten. Bereits we nige Tage nachher fanden neuerliche Beratungen statt, an wel chen sich hauptsächlich die wissenschaftlichen Sortimenter nebst einigen Verlegern beteiligten, und es wurde wiederum nachdrück lich betont, daß der Abbau des Teuerungszuschlags bei den wis senschaftlichen Werken nicht zu umgehen sei. Hierüber findet nun ein Schriftwechsel mit der maßgebenden Gruppe des Deutschen Verlegervcreins statt, und es ist anzunehmen, daß bald ein greif bares Resultat dieser Verhandlungen vorliegen wird. Eine Wiener Bücherversteigerung, die allerdings bereits im Februar stattgefunden hat, verdient noch nachträglich einen kurzen Bericht. Zwei Wiener Firmen, die Seidelsche Buchhand lung und das Buch- und Kunstantiqnariat vr. Ignaz Schwarz, vereinigten sich, »m die Bibliothek Friedrich Sch lögl, welche namentlich Viennensia, Austriaca und deutsche Literatur enthielt, zur Versteigerung zu bringen, und gaben hierüber einen sehr sorg fältig bearbeiteten Katalog im Umfange von 164 Seiten, umfas send 2075 Nummern, heraus. Friedrich Schlögl (1821—1892) ^ ist Wohl jedem Freunde der Wiener Literatur bekannt, hatten sieb 1375