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Redaktioneller Teil. 80, 9. April 1915. Es kommt so immer auf der Redaktion ein großer Vorrat von Witzen, Bildern usw. zusammen, ^e in die Nummern zusammenzustellen neben den Beiträgen der festen Mitarbeiter und den aktuellen Dingen Sache der Redaktion ist. Da wird ein vorhandener Witz mit einem gerade dazu passenden Bilde vereinigt; oder zu einem schlagenden Bilde ein passender Witz improvisiert .... Für den aktuellen Teil, der not wendig erst später abgeschlossen werden kann, bleiben im ,Simpli- zissimus' die beiden äußersten Blätter, in der ,Jugend' die letzten Seiten reserviert. Wegen der Schnelligkeit der Drucklegung sind diese bei der ,Jugend' unkoloriert. Der aktuelle Teil wird von den Mitarbeitern gemeinsam fertiggestellt. Hier werden dem Zeichner die Ideen meist gegeben; und in zwanglosem Zusammensein beim Tee wer den die Entwürfe geprüft, die Ideen verarbeitet und in mehr oder- weniger spontaner Erleuchtung die Witze, die morgen in Druck gehen müssen, zum besten gegeben.« Man sieht aus dieser dem Zusammen hang entnommenen Probe, daß der Verfasser sich redlich bemüht hat, von der Leitung der Witzblätter Informationen einzuholen. Die Schrift geht dem Wesen der Witzblätter ganz systematisch auf den Grund. In der Einleitung werden der Begriff der Komik, sowie Ur sache und Zweck des Lachens an der Hand der bekannten Ansichten von Denkern wie Kant, Wolfs, Jean Paul, Kraepelin, Lipps, Bergson (wer spricht heute noch von dem französischen Modephilosophen?) um schrieben, woraus die Grundlage des Witzes gewonnen wird. Der Haupttcil bringt zunächst die »Typologie« des Witzblattes; hierbei wird das Familien- von dem Tendenz-Witzblatt unterschieden, die Mittel (literarische und zeichnerische) und das Sachgebiet werden ein gehend behandelt. Der zweite Teil gibt eine Charakteristik der verschie denen Repräsentanten des Witzblattes, so des Simplizissimus, Lustige Blätter, Ulk, Kladderadatsch, Jugend, Wahrer Jakob, Fliegende und Meggendorfer-Blätter. Im dritten Teile gelangt der Verfasser in der Darstellung der Soziologie des Witzblattes zu dem Resultat, daß das Tendenz-Witzblatt ein »Kulturmovens« ist, denn (Seite 100) »Hundert tausende werden dadurch doch unmerklich, ständig zu freierem, wahre rem Denken gebracht; daran erinnert, daß nicht alles so sein muß, wie es ist, daß auch eingelebte Institutionen falsch basiert sein können, und bürgerlich gestempelte Wahrheiten Lüge. Allein schon dadurch, daß sie die Emanzipation vom Selbstverständlichen lehren, daß sie die Wege zeigen, da ideelle und materielle Kräfte nutzvoll eingesetzt wer den können, haben unsere Tendenz-Witzblätter eine Bedeutung für unsere Kultur«. Dieser Hauptteil ist vor dem Kriege geschrieben, und deshalb behandelt der Verfasser in einem Anhang das moderne Witz blatt im Kriege und gewinnt schließlich einen Ausblick auf die spätere Gestaltung der Witzblätter. Die Schrift ist ganz interessant und gibt durch eigene Beobachtungen z. B. über die Leserkreise, an die sich die einzelnen Blätter wenden, über den Inseratenteil, über fran zösische und englische Witzblätter, sowie durch die gelegentliche Zu sammenstellung von Witzbcispielen immerhin neue Gesichtspunkte. Der Stil ist besonders in dem ersten, vor dem Kriege geschriebenen Teil mit Fremdwörtern überladen und könnte daher jetzt eine Überarbeitung wohl vertragen. Julius Brann. Kleins MitteilunM. Beschlagnahme von Reiseführern (vgl. zuletzt Nr. 78). — Die kom mandierenden Generale von Broizem und von Schweinitz (Dresden und Leipzig) erlassen in den Amtsblättern unterm 31. März die nachstehende Bekanntmachung: Das bereits früher erlassene Verbot des Vertriebs von Reise führern der deutschen Küstengebiete wird auf alle Reiseführer der Grenzgebiete des Deutschen Reiches und der Kriegsschauplätze in anderen Ländern ausgedehnt. Die betreffenden, im Bereich der Unter zeichneten stellv. Generalkommandos vorhandenen Reiseführer wer den hiermit allgemein beschlagnahmt. Ein Verkauf an Angehörige des deutschen Heeres und der Marine darf nur gegen Bescheinigung der Militärbehörde (Garnisonkommanöo) erfolgen. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot werden nach § 9 des Gesetzes vom 4. Juni 1851 mit Gefängnis bis zu 3 Monaten bestraft. Diese Mitteilung steht anscheinend im Zusammenhang mit den Bemühungen feindlicher Regierungen, sich für Kriegszwecke Führer von den deutschen Grenzgebieten und den von deutschen Truppen be setzten Teilen des Auslandes zu verschaffen. Die Bestellungen erfolgen teils durch Vermittlung des neutralen Auslandes, wie Schweden, Hol land, Griechenland, teils im Jnlanöe selbst. Wir haben bereits früher darauf hingewiesen, daß es selbstverständliche Pflicht jedes deutschen Buchhändlers ist, verdächtige Bestellungen nicht nur abzulehnen, son dern auch von der erfolgten Bestellung sogleich dem Stellvertretenden Großen Generalstabe in Berlin Mitteilung zu machen. Zur Schaffung einer deutschen Mode. — Der Neichsverband deut scher Schneiderinnen hat eine außerordentliche Tagung »zur Er örterung der deutschen Mode« abgehalten. Die Verhandlungen fanden am 7. und 8. April in den Sälen der Handwerkskammer zu Berlin, Tcltowcr Straße 1—4, statt. Es sprachen Dr. Norbert Stern- München über »Aufgaben und Ziele der deutschen Mode«; ein National ökonom über »Volkswirtschaft und Mode«; Frau Schneidermeister Sponholz-Bremen über »Die Aufgaben des Schneiderhandwerks bet Schaffung einer deutschen Mode«; Josepha Leitner-Charlottenburg über »Die Mitarbeit des Künstlers«; Maria Lischnewska-Berlin über »Die Aufgaben des Staates und der Städte«. Deutsch-österreichische wirtschaftliche Annäherung. — Wie aus Prag gemeldet wird, hat der Aktionsausschuß der jungtschechischen Partei beschlossen, eine Kommission einzusetzen, die eine Agitation für die wirtschaftliche Annäherung zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn einleiten soll. Der frühere Minister Fort wurde mit der Bericht erstattung betraut. Vaterländischer Bund 1915 (Erwcrbshilfe für Kriegsversehrte). — Unter diesem Namen ist kürzlich ein Wohlfahrtsunternehmen großen Stils gegründet worden. Der Zweck des Bundes ist, durch eine aus der Mitte der Erwerbsstänöe heraus geschaffene Organisation den bestmöglichen wirtschaftlichen Ausgleich der verminderten Arbeitskraft Kriegsversehrter zu fördern. Maßgebend sind hierbei volkswirtschaft liche und soziale Erwägungen. Zu Vorstandsmitgliedern sind ge wählt worden: Technisch-wirtschaftlicher Sachverständiger Emil Schiff, Grunewald, Kaiserlicher Legationsrat Freiherr v. Richthofen, M. d. N., Berlin, Kgl. Baurat Or. Paul Meyer, Charlottenburg, M. Erzberger, M. d. N., Direktor Brttckmann, Charlottenburg, Kgl. Kommerzienrat Kohnke, Grunewald, Geh. Ober-Postrat Professor vr. Strecker, Berlin. Ablauf des Jälligkeitsaufschubs für Auslandswcchscl. — Der durch die Verordnungen des Bundesrats gewährte Fälligkeitsaufschub für solche im Jnlande zahlbaren Wechsel, die vor dem Kriege im Aus land ausgestellt sind, beträgt insgesamt neun Monate. Diese Frist endet für die ersten in Betracht kommenden Wechsel, also für diejenigen, die im August 1914 fällig waren, im Laufe des Mai 1915. Hierbei wird es sein Bewenden behalten, da eine weitere Hinausschiebung der Fällig keit nicht beabsichtigt ist. Schon jetzt ist der weitaus größte Teil der Auslandswechsel gezahlt morden. Der in den Bekanntmachungen über die Zahlungsverbote gegen England, Frankreich und Rußland vor gesehene Zahlungsaufschub bleibt auch in Zukunft bestehen. Persoimlnachrichten. Jubiläum. — Wie wir erfahren, konnte Herr Gustav Gräfe am 1. April sein 25jähriges Jubiläum als Angestellter der Firma Ernst Keil's Nachfolger (August Scherl) G. m. b. H. in Leipzig begehen. Gefallen: am 27. März im Kampfe fürs Vaterland in den Karpathen Herr Johannes Wollermann, Leutnant der Res. im Garde füsilier-Regiment, im Alter von 28 Jahren. Der Verstorbene, ein Sohn des Herrn Hellmuth Wollermann, Inhabers von Grüneberg's Buch- und Kunsthandlung in Braunschweig, war bis zum Ausbruch des Krieges in der Nicolaischen Buchhandlung (Borstell L Reimarus) in Berlin tätig und sollte am 1. Oktober 1914 in das väterliche Geschäft eintreten. Der Krieg hat diese Hoffnung vernichtet und den Vater seiner Stütze beraubt. Möge er Trost in dem Gedanken finden, daß dieses Opfer um einer großen Sache willen dargebracht worden ist! Julius Franz Pascha f. — Der ehemalige ägyptische Baudirektor Or. ll. e. Julius Franz Pascha ist kürzlich in Graz im Alter von 83 Jahren gestorben. Von der ägyptischen Negierung zum Baudirektor in der Verwaltung der religiösen Bauten ernannt, hat er die bis dahin ihrem Schicksal, der Vernachlässigung, überlassenen islamischen Bau denkmäler und Kunstwerke gerettet. Er schuf in Kairo das Staats institut für arabische Denkmäler und schrieb ein grundlegendes Werk über die »Baukunst des Islam«. Oskar Simony f. — Der pensionierte Professor der Wiener Hoch schule für Bodenkultur vr. Oskar Simony ist am 7. April in Wien gestorben. Er hat zahlreiche Schriften und Abhandlungen aus dem Gebiete der'Mathematik veröffentlicht.