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G 252, 29. Oktober 1910. Nichtamtlicher Teil. wohnt. Da ihr dies zu wenig einbrachte, übernahm sie auch die Be förderung der Nawitscher Zeitung und später auch noch anderer nicht postzwangspflichtiger Gegenstände. Ein expresser Bote darf nach dem Gesetze nur von einem Auftraggeber abgesandt sein. Die Köhn war nur von Müller an gestellt. Daß ein Bote nicht Gegenstände mitnehmen darf, für die kein Postzwang besteht, sagt das Gesetz nicht. Deshalb hat das Landgericht die Angeklagten freigesprochen, da sie sich objektiv nicht strafbar gemacht haben. Müller kontrolliert täglich den Dienst seiner 80 expressen Boten. Er hat sie darüber belehrt, daß sie auf der Hin- und Rückfahrt keine anderen Gegenstände zu befördern haben. Der von Müller angestellte expresse Bote P. hat die Köhn in Görschen selbst angeworben und belehrt. Ohne sein Wissen und wider seinen Willen übernahm die Köhn auch die Beförderung anderer Gegenstände, nachdem sie später noch mals von Müller belehrt worden war. Müller hat die Köhn auch durch zwei andere Personen kontrollieren lassen, ihr aber nichts Nachweisen können. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil kam am 26. d. M. vor dem Reichsgericht zur Verhandlung. Der Reichsanwalt erklärte sie für begründet. Die Beförderung des Breslauer Generalanzeigers durch die Köhn, so führte er aus, war anfangs gesetzlich zulässig; später hat sie aber noch zahlreiche andere Gegenstände befördert, war also nicht mehr von einem Absender abgesandt. Die Mitnahme nicht postzwangspflichtiger Gegenstände darf nur gelegentlich, nicht regelmäßig geschehen. Bezüglich der Beförderung nichtpostzwangspflichtiger Gegenstände ist noch zu prüfen, ob die Angeklagte die Reise auch wegen dieser Gegenstände allein gemacht haben würde oder nicht. Müller hat der Köhn einen Nebenverdienst gestaltet. Es ist nicht geprüft, was er damit gemeint hat. Das Reichsgericht hob nur das Urteil gegen die Köhn auf und verwies die Sache in diesem Umfange an das Landgericht zurück; dagegen erkannte es auf Verwerfung der Revision, oweit Müller freigesprochen worden ist. Bezüglich der Köhn st das Reichsgericht den Ausführungen des Reichsanwalts im wesentlichen beigetreten, nur hat der höchste Gerichtshof es dahin gestellt sein lassen, ob die Annahme, daß die Köhn nur von einem Absender abgeschickt sei, auf zutreffenden Erwägungen beruht. Dagegen konnte die Revision, soweit sie sich gegen Müllers Freisprechung richtet, nicht für begründet erachtet werden. Er ist aus Erwägungen freigesprochen worden, die selbst dann durchgreifen würden, wenn die Strafkammer von der richtigen Auffassung des Gesetzes ausgegangen wäre, wenn sie den Begriff des expressen Boten nicht verkannt hätte. 1^. *Post'Ankunftstemhel. — Den Ältesten der Kaufmann schaft von Berlin sind aus den Kreisen von Handel und In dustrie neuerdings Beschwerden über die Nachteile zugegangen, die aus dem Wegfall des postalischen Ankunftstempels entstehen; sie sind daher nochmals bei dem Reichspostamt vorstellig ge worden, zumal da bis jetzt über das Ergebnis der Prüfung, die der Herr Staatssekretär in der Sachverständigen - Konferenz vom Januar d. I. hinsichtlich der Wiedereinführung des Ankunfts stempels zugesagt hatte, nichts bekannt geworden ist. Berlin - Neuroder Kunstanstalten, Aktiengesellschaft, Berlin. (Vgl. Nr. 248 d. Bl.) — Die in der Aufsichtsratssitzung am 21. d. M. vorgelegte Bilanz für das vergangene Geschäfts jahr ergibt nach Abschreibungen von 213 917 -6 — vorgenommen nach dem gleichen Modus wie im Vorjahre (302 038 — einen Überschuß von 124 266 Es ist dabei, wie von der Verwaltung mitgeteilt wird, zu berücksichtigen, daß zu den 302 038 ^ des Vorjahres ein außerordentlicher Gewinn für Rücklagen mit verwandt worden ist; die bisher mit je 1 ^ bewerteten Konten sind wiederum auf je 1 ^ abgeschrieben worden. Der General versammlung wird die Ausschüttung von 4 Prozent Dividende wie im Vorjahre vorgeschlagen werden, nach Abzug der Tantiemen sollen 34 791 (32 050 ^) auf neue Rechnung vorgetragen werden. Der Vorstand berichtete ferner, daß das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres einen befriedigenden Verlauf ge nommen habe und zurzeit Aufträge in größerem Umfange als zur gleichen Zeit des Vorjahres vorlägen. (Berliner Tageblatt.) * Vollstreckung deutscher Urteils- und Schiedsgerichts- sprüche im Auslande. — Auf eine Eingabe des Deutschen Handelstages an den Staatssekretär des Reichsjustizamts, in der eine baldige umfassende Regelung im internationalen Voll streckungsverfahren für gerichtliche Urteile und Schiedsgerichts sprüche (im Sinne der früher hier mitgeteilten Wünsche des Deutschen Handelstages und des internationalen Handelskammern- Kongresses in London) erneut angeregt wurde, hat der Ausschuß des Deutschen Handelstages jetzt folgende Antwort empfangen: »Die vom Ausschuß des Deutschen Handelstags empfohlene Vereinfachung der Voraussetzungen für die Vollstreckung aus ländischer Schiedssprüche setzt ebenso wie die vom Ausschuß an geregte anderweitige Regelung der Frage, wann für die Aner kennung ausländischer Urteile die Gegenseitigkeit als verbürgt anzusehen ist, eine Änderung der Vorschriften der Zivilprozeß- Ordnnng voraus. Mit Rücksicht darauf, daß das amtsgerichtliche Verfahren erst durch die Novelle vom 1. Juli v.J. neu geregelt ist, und angesichts der anderweitigen großen gesetzgeberischen Aufgaben, mit denen das Neichsjustizamt zurzeit befaßt ist, wird eine Revision der Zivilprozeßordnung einstweilen zurückgestellt werden müssen. Ich werde jedoch dafür Sorge tragen, daß bei ihrer Inangriffnahme auch die vom Handelstag geäußerten Wünsche eingehend erwogen werden.« * Ne«e Bücher. Kataloge «sw. für Buchhändler. Die Hochwacht. Monatsschrift zur Bekämpfung des Schundes und Schmutzes in Wort und Bild. Herausgegeben in Ver bindung mit dem Verein zur Verbreitung guter volkstüm licher Schriften von Professor Brunner in Pforzheim. — Perlag von Ulrich Meyer, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H., Berlin VV. 67. (Preis vierteljährlich 75 H.) Das erste Heft dieser Monatsschrift ist soeben erschienen. Sein Inhalt führt den Beweis für die Existenzberechtigung eines solchen Blattes. Es ist eine wichtige Aufgabe, die sich Herausgeber und Verleger mit diesem Blatte gestellt haben, erstrebt es doch einerseits Vertiefung, anderseits energische Durchführung des einmal begonnenen Kampfes und endlich eine Zusammenfassung der in diesem Kampfe tätigen Kräfte. Die Monatsschrift will den Sammelpunkt in der ganzen, vielgestaltigen Bewegung bilden und namentlich, zu wirk samster Abwehr des Schlechten, dem Guten und Schönen die Bahn frei machen helfen. Aus dem Inhalt des vor liegenden Heftes seien hervorgehoben: die Ursachen des Übels, von Richard Nordhaujen; Notschrei einer deutschen Frau, von Margarete Daneel; Folgen des Lesens von Schund literatur (Einzelbeispiele); Das gewissenlose Treiben der Post- karten-Jndustrie; Wesen, Technik und Entwicklungsmöglich keiten des Volksromans, von Richard Nordhausen; Einiges von Jugend und Literatur, von Wilhelm Kotzde; Der Schund auf dem Gebiete der Vereins- und Jugendbühne, von Paul Matzdorf in Köthen; Die Post und der Kampf gegen die Schundliteratur, von Eduard Preuß. * Ausstellungen Skarbina und Olbrich in Berlin. (Vgl. Nr. 220 d. Bl.) — Die von der Kgl. Akademie der Künste in Berlin zur Ehrung der Professoren Franz Skarbina und Joseph M. Olbrich veranstalteten Gedächtnisausstellungen im dortigen Akademiegebäude werden am 6. November geschlossen. Sie sind täglich von 10—6 Uhr geöffnet. Viele Ankäufe daraus, darunter über dreißig Werke von Skarbina, sind bereits erfolgt. Saldo«, Verein jüngerer Buchhändler, Hannover. — Am 11. Oktober fand im Bräustübl des Brauer-Gildehauses der angekündigte Vortrag unseres Bibliothekars, Herrn Carl Rahm, über: »Goethe und die Buchhändler« statt. Das eigenartige Thema (Beziehungen zu den Buchhändlern sind in der reich haltigen Goethe-Literatur nirgend zusammenfassend dargestellt) hatte eine stattliche Anzahl Mitglieder und Freunde angezogen. Der Vortragende baute seine Ausführungen an Hand des Brief wechsels zwischen Goethe und den mit ihm in Beziehung ge- kommenen Buchhändlern auf. Wir hörten von den fast sechzig jährigen Beziehungen des Meisters zu den großen Verlegern 1679 Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang.