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VckscllbMMmMlltsckmVMmM Nr. 285 <N. 151). Leipzig, Sonnabend den 20. Dezember 1930. 97. Jahrgang. Redaktroneller TR Änderung des Bücherwagenverkehrs. In Abänderung unserer Bekanntmachung im Bbl. Nr. 287 vom II. Dezember teilen wir mit, dag der Büchcrmagen von Leipzig nach Basel l in der Weihnachtswoche nicht am 23. Dezember, sondern am ( Sonnabend, dem 27. Dezember -in Leipzig abgefcrtigt wird. ! Leipzig, den 16. Dezember 1930. s, Verein Leipziger Kommissionäre. Gegen den Abbau der Kulturetats. ^ Nachstehend bringen wir einen Ausruf des Gesaintvorstandes ! des Vereins Deutscher Lehrmittel-Verleger und -Fabrikanten, der l sich mit dem Abbau der Kulturetats und den sich daraus ergeben den Folgen sür das Schul- und Lehrmittelwesen besaßt, dem Buch handel zur Kenntnis. Der Aufruf ist an alle maßgebenden Stellen gerichtet worden. Die darin erwähnte Eingabe des Börfenoer- eins ist in Nr. 183 des Börsenblattes abgedruckt. D. Schristltg. In tiefster Sorge um den Ausbau und die Fortentwicklung des deutschen Schulwesens und um den Fortbestand des hochent wickelten deutschen Lehrmittelgewerbes wendet sich der Unter zeichnete Gesamtvorstand an die Öffentlichkeit und an alle maß gebenden Stellet,. Die notwendig gewordenen Sparmaßnahmen des Reiches, der Länder, Städte und Gemeinden haben u. a. eine verhängnisvolle Einschränkung der für die öffentliche Bildungs- arbcit in weitestem Sinne, damit auch der für die Beschaffung von Lehr- und Lernmitteln zur Verfügung stehenden Mittel zur Folge gehabt. Aus allen Teilen des Deutschen Reiches erhalten wir Nachrichten, daß eine unverhältnismäßig große Beschrän kung, ja fast völlige Beschneiduug der bisher für Lehrmittel zwecke ausgeworfenen Beträge erfolgt ist. Verkürzungen der Lehrmitteletats um 30—50?s, ja völlige Streichungen und Sperrungen bisher bewilligter Mittel sind keine Seltenheit. Bereits im Frühjahr dieses Jahres haben wir in einer, auch von der Hauptversammlung des Börsenvereins der Deut schen Buchhändler zu Leipzig angenommenen Entschließung nach- drücklichst unsere Stimme gegen diesen verhängnisvollen Abbau der Kulturetats erhoben. Wir haben warnend darauf hingewiesen, daß die ungestörte Erfüllung der Kulturaufgaben vornehmlich aus dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts von aus schlaggebender Bedeutung für die Zukunft des deutschen Volkes ist. Unser damaliger Appell an die verantwortlichen Stellen, sich ihrer großen Verantwortung gegenüber der Volksgesamtheit und vor allem der Heranwachsenden Jugend bewußt zu bleiben und Sparmaßnahmen zu unterlassen, die um eines scheinbaren Augcn- blicksvorteils willen der allgemeinen Volksbildung und damit der Nation nicht wieder gut zu machenden Schaden zufügen, scheint aber leider nicht bis an das Ohr der maßgebenden Per sonen gedrungen zu sein. Auch die warnenden Entschließungen und Eingaben der Spitzenorganisationen der deutschen Lehrer schaft, des Deutschen Lehrervereins, des Preußischen Philologen- tages und anderer Stellen, ebenso die Eingabe des Gesamtvor standes des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig scheinen wirkungslos verhallt zu sein. Was vor Monaten bereits eine schwere Gefahr zu bedeuten schien, hat sich heute infolge der rücksichtslosen, vielfach am fal schen Platze immer verschärft vorgenommenen Sparmaßnahmen als eine Katastrophe für die Ausbildung der deutschen Jugend und für das gesamte deutsche Lehrmittelgewerbe erwiesen. Die meisten deutschen Schulen sind heute infolge dieser kurzsichtigen Sparpolitik nicht mehr in der Lage, den dringlichsten Anforde rungen nach den notwendigsten und unentbehrlichsten Lehrmitteln zu genügen. Die Bedeutung dieser verhängnisvollen Tat sache wird offenbar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß es einer unverhältnismäßig großen Zahl deutscher Schulen bereits vorher an den unentbehrlichsten Lehrmitteln gefehlt hat, wie sie als notwendigster Grundstock sür den Lehr mittelbestand einer jeden Schule verlangt werden müssen, ein Mangel, dessen Abstellung schon lange vor Einsetzen der Spar maßnahmen mit allem Nachdruck immer wieder von maßgeben den Ministerien und Schulstellen gefordert worden ist. Die Er füllung der wichtigsten Aufgabe der Gegenwart, zielbewußte Er ziehung und gründliche Bildung der deutschen Jugend zu wirk lich befähigten Trägern der deutschen Zukunft ist in Frage ge stellt, wenn durch Sparmaßnahmen am falschen Platze die not wendige Erneuerung und Erweiterung der Schulbestände mit neuesten und zeitgemäßen Lehrmitteln unmöglich gemacht wird und das Lehrmittelniveau einen Stillstand oder gar Rückgang erfährt. Und das alles in einer Zeit, in der andere Staaten durch eine weitausschaucnde Schulpolitik es verstanden haben, den früheren Vorsprung Deutschlands auf dem Gebiete des Unter richts- und Lehrmittelwesens einzuholen, in einer Zeit, in der gerade bei aller wirtschaftlichen Not anstelle von Sparmaß nahmen, so notwendig sie an anderer Stelle sein mögen, wirk samste Förderung der Schule und damit auch des Lehrmittel- Wesens das eigentliche Gebot der Stunde sein sollte. Das gesamte deutsche Lehrmittelgewerbe, Lehrmittelverlag, Lehrmittelfabrikation und Lehrmittelhandel, die Grundlagen des deutschen Lehrmittelwesens, sind durch die falsche Sparpolitik der maßgebenden Stellen bereits an den Rand des Abgrundes ge bracht. Alle Zweige der hochspezialisierten deutschen Lehrmittel industrie: der Schulbilder-, Karten- und Globenverlag, die In dustrie der physikalischen Apparate und naturwissenschaftlichen Lehrmittel, der biologischen, chemischen und technologischen Sammlungen und Modelle, der Lichtbildverlag und die Fabri kation der Projektionsapparate sowie alle übrigen Sparten der Lehrmittelindustrie und die damit in Verbindung stehenden zahl reichen verwandten Gewerbe, ferner der gesamte Lehrmittel handel als Vermittler zwischen Hersteller und Schule, führen heute einen schweren Kampf um ihre Existenz. Personalentlas sungen, Betriebscinschränkungen, Zahlungsschwierigkeiten und Konkurse in früher nie dagewesener Zahl sind die äußeren For men, die Unmöglichkeit, vorhandene Lehrmittel zu verbessern, neue und zeitgemäße Lehrmittel herauszubringen und so mit den Anforderungen einer zeitgemäßen Pädagogik Schritt zu halten, die inneren Folgen dieses verhängnisvollen Abbaues der Kultur ausgaben. Bis vor kurzem war das deutsche Lehrmittel vorbild lich für alle Länder der Welt, der deutsche Lchrmittelexport nach allen Kulturstaaten ideell und materiell ein besonders wichtiger Aktivposten der deutschen Außenhandelsbilanz. Alle diese Errungenschaften einer jahrzehntelangen inten siven Arbeit sind mit einem Schlage durch die falsche Sparpolitik der maßgebenden Stellen aus das äußerste bedroht. Wir er warten keine Subventionen, wie sie andere Staaten in richtiger Erkenntnis der Bedeutung ihrer heimischen Lehrmittelindustrie leisten, aber wir müssen im Interesse des deutschen Volkes ver- 1181