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209, 8. September 1S0S, Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 9487 will oder schon zufrieden ist, wenn sie den Inhalt etwa kennt, um »drüber reden« zu können. Nächstens werden die deutschen Autoren also noch recht zufrieden sein müssen, wenn bei den Reklameabdrucken ihrer Bücher ihnen die Jnsertionsgebühren zum Vorzugspreise berechnet werden. Vielleicht rät man den deutschen Schriftstellern weiter ähn liches, wie das vorhin zitierte Jenaische Rssxonsnm jnrls es getan hat: daß es den Autoren ja freistünde, durch Fleiß ihre Bücher zu verbessern und den Nachdruck dadurch minderwertig zu machen. Denn »die ^.nwrss sollen be denken, wes Gestalt Gott die herrlichen Gaben, wodurch sie ein so herrlich und vortrefflich »pxlnnsnm vor der Welt er langet, ihnen nicht zu dem Ende verliehen, daß sie damit Geld und Reichtum zusammenkratzen und scharren, sondern Gottes Ehre befördern und ihre Mitnächsten im Leben er bauen sollen«. — Jeder spricht wie er es versteht. Jeder verteidigt seine Meinung. Wir kämpfen gegen den Stand punkt, auf dem Sie, verehrter Herr Steiger, stehen bleiben wollen. Die Geschichte des Buches und der literarischen Verhältnisse wird weiter gehen. Diese Entwicklung halten auch amerikanische Busineß-Männer nicht auf. Und vor der Geschichte ist noch fast jeder, nach seiner Zeit, richtig plaziert worden. Herrn Steigers Ansichten und Meinungen sind nicht so kompliziert, daß man ihn selber später nicht bestens unterbringen könnte. Zu den Wiener, Karlsruher, Reut- linger Koryphäen des achtzehnten Jahrhunderts wird man Sie stellen, und Sie, der Mann aus dem freien und mo dernen Amerika, werden sich weidlich wundern, in welches altertümliche und verstaubte Kabinett Clio Sie stecken wird. Hätten Sie im achtzehnten Jahrhundert gelebt, so wären Sie vielleicht durch den herrlichen Schlag der Ent rüstung eines Großen unsterblich geworden. Wie weiland Gotthvld Ephraim seine Freunde Dodsley und Konsorten für alle Zeiten aufgehoben hat. Nicht zu ihrem Ruhm allerdings. Denn manchmal nimmt ein bedeutender Mann irgend einen Zwerg, der ihn kitzelt, und konserviert ihn der Nachwelt, wie eine Fliege im Bernstein. Wenn erst die wirtschaftliche Notwendigkeit den Ideen zum Siege hilft, so ist das schon das schwerste und ein unziemliches Geschütz. Es ist nie verständig, als letzter einen Fortschritt mitzumachen. Man kommt dann in die wenig angenehme Lage des Gezwungenen und in den Geruch, nur die handgreifliche Moral zu verstehen: Haust du meinen Juden, hau' ich deinen Juden. Auch soll man sich hüten, diejenigen zu schelten, die Kommendes voraussehen. In die Speichen eines rollenden Rades zu greifen ist meistens ver geblich, und wer Windmühlenflügel anhalten will, ist noch immer unsanft auf den Sand gesetzt worden. Das Gesicht des Geschlagenen wird dann meist auch weniger gescheit und würdevoll sein, als erstaunt und »komisch«. Aber das Lachen ist dann stets an den Andern! Karlsruhe, 5. September 1908. Kleine Mitteilungen. * Der literarische Urhederrechtsschutz deS Au-lSnderS in Amerika und die Berliner Konferenz zur Revision der Berner Literarkonventton. — In Nr. 23 des »Literarischen Echo ist ein Brief des Reichstagsabgeordneten vr. Ernst Müller- Meiningen mitgeteilt, den dieser an die Redaktion des »Literarischen Echo- gerichtet hat. In dessen erstem Teile wendet sich der geschätzte Verfasser scharf gegen den ausschließenden -diplomatischen- Charakter der bevorstehenden Berliner Konferenz, wie diesen die bekannte offiziöse Entgegnung der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung» betont hat (vgl. Börsen blatt Nr. 181 vom 6. August 1908), und verlangt mit Ent schiedenheit die Zuziehung sachkundiger Fachmänner aus der Welt der Schriftsteller, Journalisten, Verleger. Im zweiten Teile des Briefes behandelt Herr vr. Müller-Meiningen den völlig ungenügenden Urheberrechtsschutz des deutschen Schriftstellers in den Vereinigten Staaten von Amerika. Er sagt u. a.: .... »Die deutsche Gesetzgebung wurde in den letzten acht Jahren in weitestem Umfange auch zu gunsten der Ausländer reformiert; die amerikanische Urheberrechts-Gesetzgebung der letzten Zeit hat aber die rechtliche Stellung der deutschen Autoren in Wirklichkeit nicht verbessert. Die schändliche Auslieferung der künstlerischen und literarischen Produktion Deutschlands blüht heute mehr denn je; eine starke Strömung in den Vereinigten Staaten erkennt die Berechtigung der Forderungen der geistigen Autoren der europäischen Kulturländer an und fordert die Ab teilung des literarischen Diebstahls. Die Rechtsprechung macht (s. meinen letzten Artikel im -Tag-, Juli d. I.) verzweifelte Ver suche, um dem internationalen Rechtsbewußtsein entgegenzu kommen: ohne eine Änderung der unglückseligen manukaeturivg olauss ohne Erfolg! Unter solchen Umständen wäre es Pflicht der Konoentionsstaaten, auf dem Wege der »diplomatischen- Ver handlung zunächst dafür zu sorgen, daß die Vereinigten Staaten endlich auch der Berner Konvention beiträten. Hier hätten die Herren .Diplomaten' Gelegenheit, ihre Bravour zu zeigen! »Ich weiß, man verweist gerade in den Kreisen, die zu den Verhandlungen der Konvention jetzt zugezogen sind, auf die amerikanische Empfindlichkeit und die Gesahr, daß die Amerikaner bet zu stürmischem Vorgehen erst recht den Beitritt verweigern. Diese .diplomatische Haltung' gegenüber den Vereinigten Staaten hat zwar bisher nicht den geringsten Erfolg gezeitigt; aber ich gebe zu, daß man mit derartigen Imponderabilien stark zu rechnen und auf sie Rücksicht zu nehmen hat. Cs heißt jedoch meines Erachtens an der Gerechtigkeit eines großen Kultur volks verzweifeln und dieses geradezu beleidigen, wenn man ausdrücken wollte, daß der einstimmig ausgedrückte Wunsch einer so illustren, säst sämtliche Kulturvölker der Welt vertretenden Konferenz wie der Berliner ohne jeden Eindruck bei den maß gebenden Kreisen der Vereinigten Staaten bleiben sollte — zu gunsten einer kleinen Clique von Firmen, die ihre krasse Eigen sucht sogar unter einem sozialpolitischen Mäntelchen zu verbergen sich erkühnt. -Freilich, die moralische Unterstützung, die energische Anregung für solche gemeinsame Aktion der Staaten müßten die großen internationalen Verbände der Schriflstellerwelt und der Künstler- schast liefern! Dort wurde durch Saumseligkeit und Interesse losigkeit, wie ich sie selbst in dem zehnjährigen Kampfe um diese Rechte verspüren konnte, viel verschuldet. Die Presse hat für diese Kultursrage, die den weiteren Ausbau des internationalen Rechts auf einem der wichtigsten Gebiete betrifft, leider bisher sehr wenig Sinn gezeigt. Bewegliche Klagen aus den Vereinigten Staaten, die mir in allerletzter Zeit zugingen, unterstreichen gerade diesen Vorwurf gegenüber einem Teile der deutschen Presse, die ihrerseits bei anderen Gelegenheiten eine Hyper-Empfindlichkeit gegenüber ihren besten Freunden zeigt, wie ich sie drastisch im letzten Winter am eigenen Leibe erfahren mußte. »Bei einem zielbewußten solidarischen Vorgehen der inter nationalen großen Presse, dieser gewaltigen Macht, müßte längst ein Erfolg erzielt sein. Hier hat der internationale Presse- Kongreß (September d. I. in Berlin) eine große Aufgabe zu lösen, die seines Einflusses in der Welt würdig wäre -Ebenhausen, im August 1908. (gez.) vr. Ernst Müller-Meiningen, M. d. R.- Dritte«! internationaler Kongreß für Jrrenpflege. — In der Zeit vom 7. bis 1l. Oktober wird der Dritte internationale Kongreß für Jrrenpflege in Wien tagen, auf dem alle das praktische Jrrenwesen betreffenden Fragen zur Verhandlung ge langen werden. Da nicht nur rein medizinische, sondern auch juridische und technische Fragen, sowie solche, die sich auf die Für sorge und Erziehung der Irren erstrecken, erörtert werden, haben hervorragende Vertreter der einzelnen Berufsarten sehr inter essante Vorträge angemeldet, über den gegenwärtigen Stand des Jrrenwesens in den verschiedenen Ländern wird Bresler (Lublinitz) das Hauptreserat erstatten, sowie I. Deventer (Amsterdam), Moreira ;Rio-de-Janeiro), Starltnger (Mauer-Oehltng), v. Nteßl (Leipzig) hierzu sprechen. In der Sektion für ärztliche Jrrenpflege 1239*