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209, 8. September 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. 9485 Ich will mich daher auch gar nicht auf eine sachliche Behandlung der Argumente des Herrn Steiger einlassen; sie erinnern nur zu sehr an die Gründe, die vor hundert Jahren die Karlsruher und Wiener Nachdrucker zur Be schönigung ihres Treibens vorbrachten. Aber ich will mit ein paar Worten auf die von Herrn Steiger mir insinuierte »irrige Information« eingehen. Meine in Nummer 165 d Bl. gegebenen Ziffern beruhen auf amtlichen Daten, die Herr Steiger nicht anzweifelt. Er meint dann, ich wollte für Deutschland eine Ausnahme stellung beanspruchen. Das ist, wie mir jeder aufmerksame Leser bestätigen wird, nicht zutreffend; ich habe im Gegenteil gesagt, nur England gegenüber könnte man den Ver einigten Staaten vielleicht bei einem eventuellen Eintritt in die Berner Konvention eine Ausnahmestellung, aber auch diese nur übergangsweise, zubilligen, wenn eine solche Be stimmung die Vereinigten Staaten freundlich zur Berner Konvention stellen könne. Einem auch in geistigen Dingen so berechnenden und nüchternen Volk, wie den Nordamerikanern, kann man nur mit statistischen Zahlen beikommen; deshalb ver langte ich die beiden Zahlenreihen, von denen die erste mit absoluter, die zweite wenigstens mit annähernder Genauigkeit von dem »Kanister ok Oop)u-igüt« geliefert werden kann. Herr Steiger kann gewiß den deutschen Be hörden die Sorge dafür überlassen, daß sie sich nicht durch »unpassende Eingaben in ein schiefes Licht bringen«. Freilich, wer jeden Versuch, die Bürger der Vereinigten Staaten in ihrer Nachdruckherrlichkeit zu stören, als Ver letzung der diesen Bürgern zustehenden Menschenrechte be trachtet, der wird zu solchen merkwürdigen Schlüffen kommen. Natürlich bilde ich mir nicht ein, daß allein mit den statistischen Zahlenreihen ein Erfolg zu erzielen ist; sie werden aber die Frage in einer neuen wirtschaftlichen Be leuchtung zeigen, die vielleicht einen Effekt auf die Arbeiter- Unionen machen wird, besonders wenn gleichzeitig von einer übergangsweisen Sonderstellung England gegenüber die Rede ist. München. Fritz Schwartz. Der Llrheberrechtsschuh ausländischer Literatur in Amerika. Zu Lerrn Steigers Berichtigungen. Von 0r. Ernst Kundt. Aufklärung und Licht aus AmerikaI — Wir gestehen den Reiz des Neuen gern zu. Jetzt schwindet endlich der Nebel aus deutschen Schriftstellerköpfen. Ihre irrigen An schauungen sind berichtigt. Herrn Steiger aus New Uork sei gedankt. Er hat gesprochen. Rss v5t Luits. Zwei große Artikel zur »Berichtigung« falscher An schauungen. Mein Gott, das ist ein bißchen viel, da doch nichts zu berichtigen war. Die deutschen Schriftsteller kennen das Wohlwollen der Vereinigten Staaten für sie seit langem und recht genau. Der Vertrag von 1892 ist den meisten in guter und trüber Erinnerung, und der winzige Jnterimsschutz vom Jahre 1905 ist den gebildeten Deutschen ärgerlich genug bekannt. Hunderttausende haben in den Büchern der Bruckmannschen Verlagsanstalt den Satz gelesen, der mit verhaltener Ruhe die unerfreu lichen Tatsachen schildert: »Die Vereinigten Staaten von Nordamerika machen den spärlichen, auf die Dauer eines Jahres bemessenen Schutz gegen Nachdruck, den sie gewähren, von dem wörtlichen Abdruck vorstehender Formel abhängig und zeigen damit, daß bei der gesetz gebenden Mehrheit der Bewohner ihres Landes die Begriffe Börsenblatt für den Deutlchen Buchhandel. 75. Jahrgang. vom geistigen Eigentum anderer Völker noch nicht so ent wickelt sind wie bei uns«. Wir kennen alle die msnuls-:- turivg elsuso und das amerikanische Gnadenjahr. Wir wissen, was drüben Rechtens ist, und daß kein wirksames und brauch bares Gesetz den europäischen Schriftsteller schützt. Niemand zweifelt, daß dem amerikanischen Verleger der Nachdruck in den allermeisten Fällen nach den Gesetzen seines Landes er laubt ist. Daß das Deutschtum in den Vereinigten Staaten abnimmt, das wissen wir ebenfalls, seitdem wir kein Aus wanderungsland mehr sind. Wenn die deutschen Zeitungen zurückgehen, so ist das eine leider notwendige Folge. Was verschlägt's dabei, wenn die Autoren sich auch mal aufs Rechnen legen und sich dann verrechnenI Über die falsch kalkulierten Millionen und das unglückliche Wort »bezahlen«, anstatt verlieren, braucht man sich drüben nicht allzusehr zu belustigen. Schlimm, wenn ein Land keine besseren Witze kennt als falsche CalculsI — Wir sind hier aber auch so frei, uns unserer Haut zu wehren. Noch ist das, was Gesetz ist, nicht immer das Rechte. Gute Gesetze gehen mit der Zeit. Bei den Barbaren ist mancherlei Sitte und Recht, was uns schreckt oder lachen macht. Wenn neue Gesetze vor der Tür stehen, so erheben sich die Diskussion und die Wünsche, von rechts und von links. Noch kein Thema ist jemals ohne Verteidiger ge- geblieben. Herr Steiger sicht für den amerikanischen Nach druck. Schon 1866 hat er eine Broschüre geschrieben, wie er selber berichtet, mit dem schönen Titel: »Der Nachdruck in Nordamerika, als ein Bedürfnis, heroorgerufen durch die Verhältnisse, erlaubt, begünstigt und beschützt durch die Gesetze des Landes, von mächtigem tiefgreifenden Einflüsse auf den Fortschritt des Volks, und sein Verhältnis zum deutschen Verlagsbuchhandel. — Mein Wirken als deutscher Buchhändler. Tatsachen und Andeutungen, der Presse und dem Buchhandel in Deutsch land mitgeteilt l« Lessing hat zwar gemeint, ein Titel dürfe kein Küchen zettel sein. Aber dieses Urteil wird Herrn Steiger wieder nur »komisch« anmuten. Wer die Buchhandelsliteratur des achtzehnten Jahr hunderts etwas kennt, dem klingen beim Lesen dieses Titels die Reminiszenzen. Eine vergangene Zeit steigt wieder herauf. So schrieb der berüchtigte Wiener Nachdrucker, der »edle Trattner«, anno 1774 ein Schriftchen, das hieß: »Der gerechtfertigte Nachdrucker, oder: Johann Thomas von Trattners, des heiligen Römischen Reichs Ritters, wie auch Katzserl. Königl. Hofbuchdruckers u. Buchhändlers in Wien, erwiesene Rechtmäßigkeit seiner veranstalteten Nachdrucke. Als eine Beleuchtung der auf ihn gedruckten Leipziger Pasquille.«') Und nicht lange mehr wird's dauern, dann widmet einer Ihrer Verehrer Ihnen ein witziges Schriftchen, wie damals der berühmte Kollege »Herr Schmieder aus Carlsruh'« eins erhielt: »Jedermänniglich sonnenklar einleuchtende Vertei digung des Büchernachdrucks von Siegismund Balthasar Ohlentrop, Schulmeister in Netschke, gedruckt auf Kosten des Verfassers 1790. Meinem Hoch- u. höchstgeschätztem Freunde, dem Herrn Schmieder aus Hochachtung für seine um den Bücher - Nachdruck erworbenen Verdienste ge widmet.« 2) Aber seit dem gewaltigen Doktor Luther haben die h Archiv für die Geschichte des Deutschen Buchhandels. Bd. XIII. 222. ') AuS: »Wider u. für den Büchernachdruck», gedruckt im Reich u. für das Reich. 1790. 1239