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5, 8. Januar 1912. Nichtamtlicher Teil Börsenblatt f d. Dtschrr Buchhandel. 249 sündigt ist von beiden Parteien, und aus diesem Grunde sollen beide Parteien in gemeinsamer Beratung neue Richt linien zur gründlichen Reorganisation des Buchhandels aufstellen. Bei dieser Neuordnung haben, ich möchte das von vornherein aussprechen, beide, Verlag und Sortiment, Opfer zu bringen. Wenn das Sortiment höheren Rabatt haben will, so ist es eine berechtigte Frage des Verlages, welche Gegenleistung das Sortiment für diese Rabatterhöhung bietet. Und diese Gegenleistung muß auf dem Gebiete der Propaganda liegen. Die Zeit der Ansichtssendungen ist wohl überall vor über. Sie rentieren sich nicht. Die Prospektversendungen ebenfalls nicht. Beide haben nur noch den Wert einer teuren Reklame mit dem Zwecke, den mit Ansichtssendungen oder Prospekten bedachten Kunden für eintretenden Bedarf an seine Firma zu erinnern. Das wichtigste Mittel, um aus den Kauf eines Buches hinzuweisen, benutzt der Sortimenter fast garnicht, nämlich das Zeitungsinserat. Das große Publikum wird durch die ständige Insertion der großen Kaufhäuser auf alle möglichen anderen Sachen hingewiesen und denkt daher oft gar nicht an den Kauf eines Buches. Würde das Publikum durch fortwährende Inserate, die natürlich nicht eine bloße Titelaufstellung, sondern geschickt aufgemachte Raisonnements bringen müssen, mehr auf das Buch hingewiesen, so würde ohne Frage der Absatz sich außerordentlich steigern. Es müßten sich also in den großen Städten die Sortimente zum gemeinsamen Inserieren zusammenschließen, um die Aufmerksamkeit des Publikums dauernd auf den Kauf von Büchern zu richten. Würden in einer Großstadt sich nur 10 Firmen mit einem Jahresbeitrag von 200—300 ^ beteiligen, so gäbe das schon den immerhin leidlichen Fonds von 2000—3000 für Inserate. Ein solcher Be trag von 200—300 ^ muß einmal 1 bis 2 Jahre von den verschiedenen Sortimente» der Großstädte für den Ver such der praktischen Durchführbarkeit geopfert werden. Da neben kann jeder Sortimenter, wie bisher, so viel Propaganda für seine Firma machen, wie er es für nötig hält. M. E. wird ihm diese Propaganda durch die gemeinschaftliche Jnsertionspropaganda erleichtert, da das Publikum dann an sich schon mehr auf den Kauf eines Buches hin gewiesen ist. Andrerseits müßte das Sortiment vom Verlag verlangen, daß er die direkte Lieferung an das Publikum einstellt und auch die von ihm zu Vorzugs preisen angebotenen Werke nur durch das Sortiment mit genügendem Rabatt liefert, damit der dem Sortiment vom Verlage durch seine direkten Lieferungen genommene Umsatz dem Sortiment wieder zufließt. Ein weiterer Schritt zur Vereinfachung des Verkehrs sind die auf gemeinsame Kosten des Sortiments und des Verlags in den Großstädten zu errichtenden Auslieferungslager, deren Unkosten zur Hälfte von den Sortimentern der Stadt, zur anderen Hälfte von den beteiligten Verlegern zu tragen wären. Der Verlag würde an dieses Auslieferungslager seine Novi täten und gangbaren älteren Verlagswerke liefern, wodurch eine schnelle Bedienung des Publikums erzielt würde. Die Zeitungspropaganda des Verlags sowie des Sortiments für" die Novitäten hätte erst zu beginnen, wenn die Novi täten auf dem Auslieferungslager eingetroffen sind. Da die Übersendung der Novitäten dann, soweit es sich nicht um Bücher handelt, die zu einem bestimmten Termin eintresssn müssen, direkt per Frachtgut geschehen müßte, so würde eine außerordentliche Ersparnis von Eilfracht und Kommisstons- spesen für Sortiment und Verlag erzielt werden. Ebenso würde die Rücksendung direkt per Frachtgut an die Verleger zu erfolgen haben. Der Zeitschristen-Verlag hätte, wie es jetzt die Firma Scherl macht, die Exemplare für sämt- Börsenblatt sltr den Deutschen Buchhandel. 7g. Jahrgang. liche Sortimenter direkt per Eilgut oder Post franko an diese Auslieferungsstelle zu senden, von wo die einzelnen Sortimente dann ihre Kontinuationen abholen. Es ist ein Unding, daß die Zeitschriften erst vom Verlagsort per Eilgut nach Leipzig gehen und von dort wieder per Eil gut in die einzelnen Großstädte. Der Zeitschriftenverlag macht durch Verzicht auf diesen Umweg über Leipzig außer ordentliche Frachtersparnisse, die dem Sortiment zugute kommen können, ohne daß der Verlag größere Unkosten hat. Das Sortiment hingegen muß einsehen, daß gerade bei Zeit schriften eine Rabatterhöhung sehr schwer durchzusühren ist und sich damit abfinden. Hingegen muß es verlangen, daß auf die Zeitschristen offiziell aufgedruckt wird »Abonnementspreis . . . .: Frei ins Haus . . . mehr.« Für die genaue Einhaltung der Bringegebühr wissen die Octsoereine der Großstädte schon zu sorgen. Zurzeit liegen die Verhältnisse so: Es kommt zum Sortimenter ein Interessent auf ein soeben in der Zeitung besprochenes Buch. Da der Sortimenter jetzt nur einen kleinen Teil der Neuerscheinungen kommen lassen kann, so ist von 10 Fällen Smal das Buch nicht vorrätig. Der Sorti menter bietet dem Interessenten die Besorgung an. Der Interessent dankt, denn er möchte das Buch gleich haben. So rennt er nun von einer Buchhandlung in die andere und räsonniert über die nicht leistungsfähigen Sortimenter. Zum Schluß wird die Sache dann so: 1. er bestellt das Buch bei dem Sortimenter, bei dem er seine Irrfahrten schließt. Das ist der seltenste Fall; 2. er bestellt es direkt beim Verleger. Das ist der seltenere Fall; 3. ihm wird die Sache langweilig, und er unterläßt die Bestellung ganz. Das ist der häufigste Fall. Daß der Sortimenter bei der großen Überproduktion nicht mehr als einen kleinen Teil aller Neuerscheinungen auf Lager haben kann, kann der Interessent nicht wissen. Für ihn ist eben das Sortiment nicht leistungsfähig, und der Interessent hat von seinem Standpunkte aus völlig recht. Haben wir jedoch ein Auslieferungslager, so kann ich dem Interessenten ein zufällig nicht vorrätiges Buch von der im Zentrum der Stadt gelegenen Auslieferungsstelle in einigen Minuten holen lassen. Dann sind der Interessent, der Ver leger und der Sortimenter zufrieden. Das Publikum will heutzutage nicht mehr zwei bis drei Tage auf die Besorgung eines Buches, für das sein Interesse geweckt ist, warten, sondern es gleich haben; am nächsten Tage ist sein Interesse schon wieder auf andere Dinge gelenkt. Ferner ist dieses Auslieferungslager eine nicht zu ver achtende Stärkung des regulären Sortiments gegen die Auchbuchhändler und Neugründungen. Denn der Verlag hat dann kein Interesse mehr daran, Auchbuchhandel und Neu gründungen zu unterstützen. Je kräftiger das Sortiment wird, desto mehr kann es für eine umfassende Jnserat- propaganda auswenden. Eine weitere Zersplitterung der Kräfte liegt also gar nicht im Interesse des Verlages. Auch wird das Publikum sehr bald merken, daß ihm der Auchbuch händler nicht so prompt an demselben Tage liefern kann und sich dem regulären Sortiment zuwenden. Meine Ausführungen sollen nur allgemeine Richtlinien für eine Sanierung der Verhältnisse bieten. Durch eine Erhöhung des Verlegerrabatts allein ist eine Besserung der Verhältnisse nicht zu erzielen. Wenn daher nieine Ausfüh rungen den Anstoß dazu geben würden, daß Verlag und Sortiment sich mit dem Bewußtsein an die Lösung der un haltbaren Zustände heranmachen, daß beide Teile Opfer 3t