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II. Fast jeder Sortimenter würde wohl einen besseren Artikel über Jugendschristen als Hr. Or. G. Wnstmann.im Jlluslrirten Weihnachts-Katalog (von Seemann re.) geliefert haben. Derselbe enthält nämlich außer einer Empfehlung von „ Eckstein's Jugcnd- bibliothek", „Mcnsch's Froschmänsekrieg " und „Pichler's Erzäh lungen" nur eine verwerfende Kritik über das Bricsmarkensammeln und über „ Naveau's Tannenhof". Abgesehen von der geringen Auswahl aus unserer großen Anzahl Jugendschriften, scheint es mir durchaus unpassend aus einem Wcihuachtskatalogc eine kritische Zeitschrift mache» zu wollen. Ein Weihnachtskalalog soll Empfeh lungen guter gediegener Bücher enthalten, nicht aber scharfe Reccn- sionen schlechter Sachen. Es liegt aus der Hand, daß Derjenige, welcher Hrn. Wustmann's Tiraden gelesen hat, davon abstche» wird, Jugendschristen zu kaufen, wenn er anders auf dessen Urtheil etwas gibt. Auch scheint mir derselbe zu wenig Jugendschristen zu kennen, denn es gibt doch eine ganze Reihe guter Sachen. Ich will durchaus dem Hrn. Wustmann keinen Vorwurf machen, sondern nur wünschen, daß nächstes Mal ein Sachverständiger die Empfehlung übernimmt. R. V. Zur Schiililh Literatur. Jedes Jahr gegen Weihnachten begegnet man in unser» Zeitungen jenen ellenlangen Bücheranzcigen Hamburger Antiquar- Handlungen (sic nennen sich Erporthandlungen), worin sie ein Sammclsnrium alter Auflagen mit lügenhaft ausgepichten Titeln feilbietcn. Doch das wäre ihre Sache und Derer, die sich durch solche Marktschreiereien anführen lassen, und es wäre darüber kein Wort zu verlieren. Aber diese Firmen benutzen diese Gelegenheit, um auch jene Hamburg-Altonaer Bordell-Literatur mit dnrchzn- schmuggeln, die sonst das Licht scheut und nur auf dem Wege des unterirdischen Buchhandels in das Publicum gelangt. Zwar sind es immer nur einige Artikel, die sich unter der Menge anderer Titel verlieren würden, wen» sie nicht durch „pikant" und ähnliche Bei wörter hcrvorgchobcn würden. Doch auch das möchte dahingestellt sein; wer die Stirn hat, solche schandbare Bücher öffentlich anzuzeigen, auf den fällt die Schande zurück. Was wir aber hier rügen möchten, ist, daß achtbare, große Zeitungen, z. B. die Kölnische, solche Inserate ausnehmen. Es entsteht hier die Frage: kennen jene Zeitungen diese schmutzigen Bücher, oder kennen sie sie nicht? Wir nehmen gern das letztere an, da wir in der Thal zu hoch von ihnen denke», als daß wir den Ver dacht auskommen ließen, daß sie bloß »IN des Jnscrtionsgewinns willen ihre weithin reichenden Blätter mit solche» Inseraten be schmutzen könnten. Also sie kennen diese Bücher nicht. Aber die Entschuldigung reicht nicht aus; Zeitungen von dieser Bedeutung müssen sie kennen, sie müssen wenigstens die Althing, Crebillon, Grecourt, Faublas u. s. w. kennen. Man mag die Pflichten einer Zeitung dem Publicum gegenüber noch so gering anschlagen, soweit gehen sie jedenfalls, daß sie auch in dem Jnseratcnthcil dem Publi cum keine offenbare Bordell-Literatur anbietc» lassen dürfen. Da mit aber die verehelichen Redactionen sich nicht länger mit Unkennt- niß jener Literatur entschuldigen können, wolle» wir sie darauf aufmerksam mache», daß in Nr. 339 der Kölnische» Zeitung im dritten Blatt Hr. Benny Glogau, nachdem er mehrere jener Bücher mit angezeigt, noch einen Katalog „seltener Kuriosi täten", dreimal unterstrichen und mit zwei Handweisern versehen, gratis ankündigt. Man lasse sich diesen Gratis-Katalog kommen und man wird staunen, welch' eine Menge von Unflath hier auf gehäuft ist, den Hr. Benny Glogau in die deutschen Familien zu leiten sucht, indem er diese Artikel als „vorzüglichc Festge schenke für den Weihnachttisch" (wörtlich!) öffentlich anpreist. ; Ehre den thüringischen Zeitungsverlcgcrn, die sich vereinigt I haben, keine Inserate dieser Art mehr aufzunehmen. Was aber kleinere Blätter können, daS können größere erst recht; jede dieser großen Zeitungen kann es für sich allein, sie muß es, wenn sie nur einen Funken ethischer Verpflichtung ihren Lesern gegenüber an erkennt. Und wir sind überzeugt, diese Verpflichtung wird anerkannt, und dies Wort ist nicht umsonst gesprochen. Wir hegen die Zuver sicht: noch steht es in »nserm deutschen Volke jo, daß eine Industrie, die mit frecher Stirn das Familienleben zu vergiften am Hellen Tage bemüht ist, der allgemeinen Verachtung erliegt. K. MiScellcn. Berlin, V. Dec. Gestern ist beim Kammergericht dieKlage ver handelt worden, welche der Redacteur der „Gegenwart", I)r. Paul Lindau, gegen den vormaligen Besitzer der Modenzeitung „Der Bazar", Hrn. v. Schäfer-Voit, angcstellt hat. Bei diesem Prozesse kommt eine interessante Prinzipien-Frage zur Entscheidung. Or. Lindau hatte, bevor der „Bazar", welcher bekanntlich jetzt einer Acticn-Gesellschast gehört, aus dem Besitze des Hrn. v. Schäser in den des Hr». Albert Hofsmann, Gründers der Acticn- Gesellschast, überging, die Redaclion des belletristischen Theiles des „Bazar" auf Grund eines mit Hrn. v. Schäfer abgeschlossenen Contractes übernommen. Als der Besitzwechsel eingetrete» war, weigerte sich Lindau, die Redaction des „Bazar" fortznfiihren, da er zu Hrn. Hoffmann in gar keiner contractlichen Beziehung stehe; er verlangte von Hr». v. Schäfer aber die Zahlung des Gehalts für die Dauer seines Contractes. Diese Zahlung ist für ein Vierteljahr nicht geleistet worden, und da Hr. Lindau sich mit seinem Ansprüche von Hrn. Hoffmann an Hrn. v. Schäfer, von diesem wieder an jenen gewiesen sah, indem keiner der beiden Millionäre sich zur Zahlung für verpflichtet erachtete, so hat er gegen Hrn. v. Schäfer die Klage ans Zahlung des rückständigen Quartalsgchalts im Betrage von 600 Thlr. gerichtet. Die Streitfrage, ob das Verhältnis; des Rcdacteurs zum Verleger als ein persönliches zu betrachte» sei, oder ob der erster- im Falle des Verkaufs der Zeitung die dem Verkäufer gegenüber übernommene Thätigkcik auch dem Käufer nach Maßgabe des bestehenden Contractes zu leiste» habe, ist vom hiesigen Stadt gerichte bekanntlich bereits dahin entschieden, daß der Redacteur dem Käufer gegenüber nichts zu leisten, sondern nur mit seinem Kontra henten zu thun habe; daß also Hr. Lindau seinen Verbindlichkeiten genügte, indem er nach dem Verkaufe des „Bazar" den: Hr». v. Schäfer seine Thätigkeit für ein etwa von diesem hcrauszugebendcs neues Blatt, gleicher Art wie der „Bazar", zur Verfügung stellte und daß folglich der Verklagte zur Zahlung des Gehalts verpflichtet sei. Das Kammcrgericht hat gestern, von der gleichen Anschauung ausgehend, die Vcrurtheilung des Verklagten bestätigt. (B-rl. Börscn-Ztg.) Aus dem Reichs-Postwesen. — Zufolge einer Verein barung des deutschen General-Postamts mit der schweizerischen Post- Verwaltung können die für den inner» Verkehr deS Reichspostgcbiets gebräuchlichen Postkarten vom 1. Jan. 1873 ab auch im Ver kehr mit der Schweiz gegen Vorausbezahlung des ermäßigten deutsch-schweizerischen Portos von 1 Ngr., beziehentlich 3 kr., ver sandt werden. Pcrsoiialiiachrichte». Herrn Richard Lesser (Internationale Buchhandlung) in Berlin, und Herrn Herm. Manz (G. I. Manz'sche Bnchh.) in Wien ist vom Kaiser von Oesterreich die große Goldene Medaille mit dem Bildniß Sr. Majestät und dessen Wahlspruch „Viribus > unitis " verliehen worden. 651"