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Zeitpunkte, wo selbständige Buchsiihrer mit andern solchen oder mit Dienern der Verleger beim Absatz der gleichen Verlagswerke an denselben Orten in Wettbewerb traten.< (S. 103.) Daß gelegentlich das Mittel der Unterbietung zur Erzielung eines Geschäftsabschlusses im Buchhandel schon in früher Zeit angewandt worden ist, wie dies im übrigen Handel auch vorkommt und stets oorgekommen ist, kann getrost zugegeben werden. Eine solche gelegentliche Unterbietung kann man aber doch nicht Kundenrabatt nennen, dies um so weniger, als gar kein Preis vor handen war, von dem Rabatt gegeben werden konnte. Der Ladenpreis ist weit später aufgekommen, es gab zu jener Zeit nur Nettopreise, auf die der Händler seine Kosten und den Gewinn, den er erzielen wollte, schlug. Im Zeit alter des Tauschverkehrs bestand ein Ordinärpreis, d. h. der Händlerpreis, zu dem getauscht wurde, während der ver bleibende Rest mit einem Abzüge von 33 U Prozent bar beglichen wurde.") Von welchem Preise wurde also »Rabatt gegeben? Es ist nicht das erste Mal, daß ich darauf hin gewiesen habe, daß von einem »Rabattgeben» erst nach dem Aushören des Tauschverkehrs die Rede sein kann. In meinem neuen Buche"") habe ich noch einmal ausführlich auseinandergesetzt, daß die Schleudereien, die in den neunziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts den ganzen Sorti mentsbuchhandel in Harnisch brachten, keine Rabattangebote im modernen Sinne, sondern »Ramschangebote» waren, eine Schleuderet also, aus die die Schleuderer der siebziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts als auf ihre Ahnfrau sich nicht berufen können. Es scheint aber, daß dieses Schleuder märchen einer Hydra gleicht, der die abgehauenen Köpfe immer wieder wachsen. Daß die Rabattregelung im Buchhandel die Neubegrün dung von Geschäften begünstigt, ist richtig; doch ist diese Befürchtung nur in bescheidenstem Maße eingetroffen. Es ist aber ein Irrtum, wenn man annimmt, daß die Maß regel der Abschaffung des KundsnrabattS nur im Interesse der sogenannten »notleidenden Sortimenter» nötig gewesen ist. Diesen wird freilich mit einigen Prozent mehr oder weniger nicht zu Helsen sein. Wohl aber ist die Rabatt abschaffung als eine Notwendigkeit für die größeren, lebens fähigen Sortimentsgeschäfte zu betrachten. Bei der in den letzten zwanzig Jahren eingetretenen enormen Erhöhung aller Spesen: der Mieten, Gehälter usw., denen die Erhöhung des Umsatzes nicht in gleichem Maße folgen konnte, war es nicht mehr möglich, einen Rabatt zu gewähren. Wenn bei der Lieferung an Bibliotheken eine Ausnahme gemacht ist, so ist dies eine Rücksichtnahme auf diese Kundschaft, die aber auch für manchen Sortimenter eine harie Nuß ist, namentlich an Orten, die vom Zentralpunkt Leipzig weit entfernt und deren Beschaffungskosten sehr hohe sind. Herr Professor Waentig hält den Börsenverein wenn auch nicht für ein Kartell, so doch für ein kartellartiges Ge bilde. -Verfolgt er doch den allgemeinen Kartellzweck, seinen Angehörigen durch dauernde monopolistische Beherrschung des Marktes den höchstmöglichen Kapitalprofit zu sichern, und er verfolgt ihn überdies, wie Bücher betont, mit den echten Kartellmitteln, wie Boykott, Konventionalstrafen, Unter bietung, billigere Lieferung an das Ausland usw.» Ich habe schon früher ausgesprochen, daß mich der Vor- wurs, der Börsenverein sei ein Kartell, nicht schrecke, da ich gegen Kartelle vom wirtschaftlichen Standpunkt aus an sich nichts habe. Waentig hält den Börsenverein aber gar nicht für ein Kartell, sondern nur für ein kartellartiges Gebilde, also etwa für ein ganz kleines Kartellchen. Aber die Be- ") S. Prager, Organisation. S. 84. "") S. 85. gründung will mir nicht ganz einleuchten. Was heißt: er will seinen Angehörigen »durch dauernde monopolistische Beherrschung des Marktes den höchstmöglichen Kapitalprofit sichern«? Da Buchware eine Monopolware ist, beherrscht jeder Verleger mit seiner Ware monopolistisch den Markt, mit oder ohne Kartell, mit und ohne Börsenverein — Uö. soweit bei den veränderten Bedingungen noch vom Monopol eines Buches gesprochen werden kann; bei der gleichartigen Wertung vieler Monopolartikel hört mancher auf, ein solcher zu sein! — Und wie »sichert der Börsenverein seinen Mit gliedern den höchsten Kopitalprofit» ? Die Anhänger des Rabatts haben ja behauptet, daß durch die Abschaffung des Rabatts der Absatz zurllckgehen würde. Wenn diese Ansicht richtig ist, so würde der Börsenverein mindestens seinen Ver legermitgliedern den höchsten Kapitalprofit nicht nur nicht gewährleisten, er würde im Gegenteil ihren Kapitalprofit zu gunsten der Sortimenter schmälern! Daß der Börsenverein mittels »Unterbietung« seine Zwecke verfolgt, ist mir nicht bekannt, wenn nicht etwa damit die einigen Kreis- und Orts vereinen vor langen Jahren widerruflich gegebene Erlaubnis, in Konkurrenzsällen zu dem angebotenen billigeren Preise zu liefern, gemeint ist. Was endlich die Lieserung nach dem Aus lande zu billigeren Preisen betrifft, so billigt sie der Börsen- vercin nicht; er verfolgt sie nur nicht, weil im Auslande die Bedingungen fehlen, die ein Einschreiten gegen Zuwider handelnde ermöglichen. Abgesehen davon sind die Verhält nisse beim Export so verschieden von denen beim Verkauf im Inlands, die Summen, um die es sich dabei handelt, sind so erheblich höher, der Antiquarhandel ist bei dem Ver kauf so sehr interessiert, und endlich brauchen Verleger wie Sortimenter den Absatz im Auslande so dringend, daß der Börsenverein ohne Not an diesen Verhältnissen zu rütteln sich hüten wird. Endlich befürchtet Waentig, daß durch die »systematisch ausgeschaltete Konkurrenz» gewichtige Kulturinteressen ge fährdet seien, »die im Sturm und Drang der wirtschaftlichen Machtkämpfe allzu leicht zu verkümmern drohen». Die »syste matische Ausschaltung der Konkurrenz- ist aber lediglich eine Fiktion; ausgeschaltet ist lediglich ein freilich oft im Wett bewerb angewandtes Kampfmittel: die Preisunterbietung. Sonst bleiben die Kampfmittel des Wettbewerbs: Rührigkeit, Intelligenz, Kapital, Eingehen auf die Wünsche der Kon sumenten, und alle andern Mittel, deren sich der Kaufmann bedient, um Kunden heranzuziehen und sich zu erhalten, vollständig aufrecht, und der Sortimenter würde bald ins Hintertreffen geraten, der im Vertrauen darauf, daß ihn kein Konkurrent im Preise unterbieten darf, aufhören würde, den Wünschen und Anforderungen seiner Kunden die aufmerk samste Behandlung zu widmen. Daß das Mittel der Preis unterbietung ausgeschaltet ist, scheint mir auch wirtschaftlich ein Gewinn; ein fester Preis ist das Zeichen einer gesunden Wirtschaft, und — jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert! In der heutigen Gesamtorganisation des Buchgewerbes erblickt Herr Professor Waentig »eine klaffende Lücke». ». . . . dem Schriftsteller ist keine Stätte bereitet». Diese Lücke erklärt er aus der Entwicklung des Buch gewerbes. Ich sehe nun nicht ein, wie die Entwicklung hin sichtlich dieses Punktes anders hätte sein können, oder welche andre Entwicklung zu einem andern Ergebnis hätte führen können. Das Buchgewerbe setzt sich aus Personen zusammen, die technisch an der Herstellung der Buchware tätig sind oder sich mit dem Verkauf der hergestellten Buchware befassen. Das Buchgewerbe besteht aus gewerblich und kaufmännisch tätigen Personen. Wie soll nun der Schriftsteller in diesem gewerblichen und kaufmännischen Betriebe eine Stätte finden? Der Schrift steller betreibt kein Gewerbe oder soll es wenigstens nicht. Wirtschaftlich ist der Verleger der Produzent, derjenige, der