Volltext Seite (XML)
8, 4. Januar 1908. Nichtamtlicher Teil. BSr!-nil-U s. d. Dtschn. Buchh»»d-I. 127 gegeben hat. lassen sich auf drei Formen bringen. Erstens die Flugschrift, zweitens die deutschen Bibeldrucke, drittens die erbaulichen Bücher, wie Katechismen. Gesangbücher. Postillen. Auch in den »Zeiten einer neueren persönlichen Religiosität« von der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts sind die Beziehungen der Religion zu dem Buchgewerbe vor handen. »sie sind aber schwer adzugrenzen, weil die neue Religiosität sich nur zum Teil in kirchlichen Bahnen bewegt«. »Die Formen der Religiosität, die durch ihre kirchliche Gebundenheit von der allgemeinen Kulturbewegung sich ab heben. haben bis jetzt nicht in dem Maße neue buchgewerb liche Erscheinungen hervorgebracht, wie wir dies für frühere Perioden der Kirchen- und Religionsgeschichte konstatieren konnten«. Verfasser bespricht die verschiedenen Gründe, die das Zustandekommen einer neu-religiösen Buchkultur ver hindert haben. »Das Buchgewerbe und der Staat« behandelt Robert Wultke. »Rein wirtschaftlich betrachtet, bereitet der Buchhandel den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit vor.« Der auf Massenproduktion gerichtete Buchhandel braucht den unbestimmten, unberechenbaren Absatz der modernen Pro duktion. »mit ihm die Spekulation: die Vorausberechnung künftiger wirtschaftlicher Folgen«. Wuttkes Betrachtung beginnt daher mit dem Ausgang des Mittelalters. »Erft von da ab kann man von einer zielbewußten staatlichen Wirtschaftspolitik sprechen. Man pflegt sie als Merkantilismus zu bezeichnen.» In Deutsch land sührte dies bei der Schwäche der Reichsgewalt und der dadurch geförderten Stärkung der Territorialgewalten, zu einer Anzahl selbständiger Wirtschastskörper. die ihre Wirt schaft ohne Rücksicht auf allgemein deutsche Interessen ein richteten. Dazu kam die Trennung in protestantische und katholische Staaten. Der Buchhandel brauchte aber, um sich entwickeln zu können, »ein möglichst großes, weites Absatz gebiet: Deutschland, — Europa, — die Kulturwelt. Danach verläuft der Buchhandel in denselben Bahnen, die unsere heutige Großindustrie zeigt». »Schon die Mittelalterlichen Messen durchbrachen mit ihrem Warenaustausch die lokale städtische Absatzorganisation.« Aber auch der Staat greift schützend und leitend ein. Er verlieh Konzessionen, stellte aber vorher die Bedllrfnis- frage, verlangte wohl auch einen Vcrmögensnachweis. Von den kleinen Städten suchte der Staat den Buchhandel fern zu halten. Für die einzelnen Buchhandlungen schuf man Absatzgebiete, die geschützt waren, durch Büchertaxen versuchte man sich einen Einfluß auf die Preisbcmessung zu sichern, durch die Bücherzensur Einfluß auf den Inhalt der Bücher. Die Begründung der protestantischen Universitäten schafft eine enge Verbindung zwischen diesen und dem Buch handel. An jeder Universität eine Universitätsbibliothek, eine Universitäts-Buchhandlung, eine Universitäts-Druckerei. Das Zeitalter des Konstitutionalismus und des öko nomischen Liberalismus, die im achtzehnten Jahrhundert einsetzten, brachte Gewerbefreiheit und sreien Wettbewerb aller wirtschaftlichen Kräfte. Durch den Zollverein (1834) werden »die wirtschaftlichen Kräfte des deutschen Volkes in ein einheitliches Wirtschaftsgebiet zusammengefaßt-. Durch geführt wird die Gewerbefreiheit, namentlich in SUddeutsch- land, erst Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, »jetzt auch mit völliger Freigabe des Buchhandels«. »Während unter dem ökonomischen' Liberalismus das Streben dahin geht, die vorhandenen Organisationsformen sZünste, Innungen) aufzulösen, zeigt der Buchhandel das Bestreben, in Verbänden sich zu entwickeln, durch sie Einfluß auf den allgemeinen Buchhandel wie auf die Geschäftsführung des einzelnen Buchhändlers zu gewinnen.« Der Verein der Buchhändler zu Leipzig hält 1832 noch daran fest, daß nur ein Vereinsmitglied in Leipzig buch- händlerische Geschäfte treiben darf. Dagegen zeigt der 1825 gegründete Börsenoerein der Deutschen Buchhändler sich als von neuem Geist erfüllt. Die Beziehungen des Staats zum Buchhandel machen sich wesentlich geltend auf den drei Rechtsgebieten: Preß freiheit, Schlitz vor Nachdruck, das rechtliche Verhältnis zwischen Schriftsteller und Verleger. Die Entwicklung der cinschlagenden Gesetzgebung wird von Wutlke charakterisiert. Den modernen Staat, wie er sich seit 1880 entwickelt hat, »in seinen Umrissen aus der Gegenwart heraus zu zeichnen, wäre ein vergebliches Unternehmen». Nur im Vergleich zur Vergangenheit lassen sich einzelne wesentliche Merkmale erkennen und seine Eigenarten an den Unter schieden bemessen. Gerade im Gegensatz zum Staat, in der Zeit des ökonomischen Liberalismus, der den Staat von allen wirtschaftlichen Fragen fernhalten wollte, fordert der heutige Staat, aus alle Gebiete des staatlichen Lebens übergreifen, alle wirtschaftlichen Verhältnisse regeln, den Jnnenmarkt be herrschen zu dürfen. Der Staat stellt seine ganze Macht in den Dienst einer nationalen Wirtschaftspolitik. Aber auch unsere Bildungsmittel erhalten wir im wesentlichen durch den Staat »und geraten damit in tiefste Anhängigkeit von ihm <. »Der Artikel 20 der preußischen Verfassung: »Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei« gilt nur in beschränktem Umfange; ein Gelehrter von der Größe und Bedeutung eines Marx fände keine Lehrstätte an unseren deutschen Uni versitäten.« (S. 86.) , Das Buchgewerbe ist diesem neuzeitlichen Staat in mancher Beziehung vorausgcgangen. Der genossenschaftliche Gedanke, der im Buchhandel stets lebendig gewesen, während er im modernen Staat nahezu abgestorben erschien, erhebt sich im Börsenverein zu ungeahnter Kraft. Im Buchdruck- gewerbe Tarifverträge, gemeinsame UntcrstUtzungskassen, denen der Staat langsam nachsolgt. Daß der Börsenverein ein Kartell geworden, nimmt Wultke nicht an. »Er ist einer der loseren Verbände, aus denen sich in der Industrie oft Kartelle entwickelt haben, aber dem das Wesentliche eines Kartells fehlt, nämlich der Einfluß aus die Produktion sund ich füge hinzu: auf die Preisbemessungj. Die ganze Organisation des Börsenvereins, das Standesbewußlsein, das er genährt hat, zeigt uns aber, daß auch im Buchhandel die gleichen Tendenzen sich geltend machen, die wir in der Großindustrie verfolgen können«. sS. 88.) »Das Buchgewerbe und die Volkswirtschaft« be handelte Heinrich Waentig. Er bespricht den Warencharakter des Buchs und meint, daß das gedruckte Buch ihm »recht eigentlich als die »problematische Natur der Warenwelt« erscheine, in der es nur eine andere gibt, mit der es eine engere Verwandtschaft verbindet: das Notenheft. Ich habe in meinem jüngst erschienenen Buche') den Warencharakter des Buchs festzustellen versucht und möchte hier auf meine dort gemachten Ausführungen verweisen. Es folgt eine gedrängte Geschichte der Organisation des Buchhandels von der Erfindung der Buchdruckerkunst an bis zur heutigen Zeit. Zu einigen Ausführungen des Ver fassers möchte ich noch Stellung nehmen, ß -Erstens: Die Klagen über den Kundenrabatt sind, wie G. Fischer betont, so alt wie der selbständige Bllcheroertrieb. Als Mittel des Konkurrenzkampses begann er mit dem *) Der Deutsche Buchhandel. Seine Geschichte und seine Organisation. 2 Bde. 8". Berlin l907, Verlag sür Sprach- und Handclswissenschast: Seite 40—46 »Das Buch als Ware«. 18»