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12k Mrl-nblxt, s, d, Dtlchn. Buchhand-l, Nichtamtlicher Teil. ^ 8. 1. Januar 1S08. Kunst« stellt Rudolf Kautzsch fest, daß das Buchgewerbe in den letzten zehn Jahren rasch vorangetominen ist Es ist die Frage zu beantworten: »Was hat das letzte Jahrzehnt in Sachen der Buchkunst gebracht?« Um dies zu können, müsse man rückschauen. was die Kunst im Buchgewerbe einst zu bedeuten hatte, und zwar im deutschen Buchgewerbe. Er beginnt mit der karolingischen Zeit, «ei dem Völkergemisch, das Karl der Große zu einem einheitlichen Reiche zusammen- faßte. konnte von einer einheitlichen Kultur keine Rede sein. Die Vorstellung, daß der König kein deutscher König, sondern ein römischer Kaiser, daß das neue Reich eine Erneuerung des römischen Weltreiches sei. führte zu einer Verachtung des eignen alten Volkstums, zu der Sucht. Römer zu werden. Dies erklärt, daß Kaiser. Fürsten und Kirche aus der alten Kultur alles zusammensuchten, »was der Heranbildung der Germanen zu wirklichen Römern dienlich sein mochte«. Und dies galt auch in der Kunst. So zog man Römer. Orientalen. Griechen re zu künstlerischer Arbeit im Frankenreich heran, die nur Erzeugnisse einer auswärtigen Kunst Hervor bringen konnten. So war es auch in der Buchkunst: »Schrift und Schmuck. Illustration und Einband, alles fußt auf den Lehren und Vorbildern, die das Ausland überlieferte«. Ja es ist sogar möglich, in der karolingischen Buchkunst die einzelnen Herkllnste nachzuweisen: -hier hat ein Angelsachse den Ton angegeben, dort haben Syrer oder syrische Handschriften die Wege ge wiesen, anderswo hat man sich an gute römische Vorbilder gehalten, und wieder anderswo herrscht ein Mischstil, der alle möglichen Elemente aufnimmt und zu verarbeiten sucht«. Kautzsch bespricht die Schrift, die ornamentale Dekoration, die Illustration, erklärt, wie die Stilisierung der menschlichen Gestalt zu stände kam: »Da die karolingischen Künstler gar nicht daran dachten, wirkliche Abbilder individueller Menschen zu geben, wie unsre Augen sie sehen, so steht es bei ihnen, das ungefähre menschenähnliche Schema, das ihnen den Menschen bedeutet, nach ihrem Empfinden so oder so auszugestalten« Als Gesamtergebnis ist zu bezeichnen, daß »dieselben Züge, die in der sogenannten Großen Kunst wirksam sind, auch das künstlerische Leben im Buchgewerbe bestimmen. Die Buchkunst ist ... . ein treuer Spiegel dieses (im geistigen Leben der Natur überall schöpferisch tätigen) Geistes«. Die romanische Periode, die der karolingischen folgt, führt im wesentlichen diese nur fort, während das dreizehnte und vierzehnte Jahrhundert einen vollständigen Umschwung zeigen. Der Verfasser legt die Veränderungen dar. die die folgenden Jahrhunderte aufweisen, und untersucht ihre Ur sachen. die in der allmählichen Wandlung der geistigen und künstlerischen Kultur zu suchen sind. »So ist bis zum Schluß des achtzehnten, ja bis ins neunzehnte Jahrhundert herein die Buchkunst ein Spiegel der allgemeinen geistigen Kultur, des künstlerischen Lebens gewesen. Erst dem vollen neunzehnten Jahrhundert blick es Vorbehalten, alle Traditionen abzubrechen und erst in der Wiederaufnahme längst verklungener Kunst, dann im voraus setzungslosen Schöpfen aus der Natur oder im Schaffen nach irgend welchen verstandesmäßig gewonnenen Gesichtspunkten Neues gestalten zu wollen.» (S. 51.) Verfasser bespricht die Gründe für den künstlerischen Niedergang im neunzehnten Jahrhundert und die Bemühungen, zu einer neuen Buchkunst zu kommen. Er schließt mit den beherzigenswerten Worten: -Höchste Sachlichkeit der Ge sinnung, höchste Sachlichkeit der Arbeit gilt es wieder zu finden. Dann wird sich die Schönheit von selber einstellen«. Der folgende Vortrag handelt vom -Buchgewerbe und Religion«. H. Hermelink untersucht, welche Beziehungen zwischen Religion und Buchgewerbe bestehen. »Es entsteht eine höhere Stufe der Religion, in der das Buch mit seinem Offenbarungsinhalt em notwendiger Bestandteil der Religion wird.« Deshalb spricht man von Buchreligionen, »die mit dem Anspruch anstreten. heilige Bücher, von Gott Wort sür Wort diktierte Schriften zu haben«. An der Hand des Verfassers durchwandern wir die Jahrhunderte, um die »Wechselwirkung zwischen Religionsauffassung und Buch- geweibe» zu eikennen, namentlich die der christlichen Kirche und des Buchgewerbes. Er macht darauf aufmerksam, daß, wie Birt nachgewiesen hat. die folgenreiche Umwandlung der Rollensorm (Volumen) des Buches in die des Codex (des eigentlichen Buches) gerade durch die Evangelien als Nachschlagebücher sür den täglichen Gebrauch nolwendig geworden ist. Auch die Förderung der Buchhecstellung durch die Religion ist nicht zu unterschätzen. So beauslragte Kaiser Konstantion den Bischof Eusebius mit der Herstellung »von 50 Eoangelienhandschristen auf gutem Pergament von den bestgeschullen und erfahrensten Schreibern in leserlicher und handlicher Gestalt« sür die Kirchen von Konstantinopel. Verfasser nennt die verschiedenen Bücher, die nach und nach sür den gottesdienstlichen Gebrauch hergestellt werden, die Eoangeliarien. die Lektionarien, die Eoangelistare, die Episto are. Aber nicht nur der Inhalt dieser heiligen Bücher ist geschätzt, man legt ihnen auch eine gewisse magische Kraft bei. So wurde auf den Konzilien ein kostbar geschmücktes Eoangelienbuch auf einen Ehrenthron gelegt, auf die heiligen Bücher wurde geschworen. Kaiser Justinian wies ihnen in den Gerichtssälen einen Ehrenplatz an, kleine Ausgaben wurden als Amulette getragen. Diese Verehrung verfehlte nicht ihren Einfluß aus die Ausstattung, wodurch wiederum die kunstgewerb'iche Produktion gefordert wurde. Verfasser erwähnt den Ooäsx argontsus des Ulfilas. die im Jahre 1879 in Rossano in Unteritalien von A. Harnack und O. v. Geb hardt gefundene Evangelienhandschrift auf 188 dunkelpurpur- gesärbten Pergamentblättern, die bei Giesecke L Devrient in Leipzig veröffentlicht worden ist. Dem kostbaren Inhalt mußte ein kostbares Äußeres entsprechen: beim Entband wurde höchste Pracht angewendet. Das fast gleichzeitig mit dem Siege der Kirche ent standene Mönchtum hat an der Entwicklung des Buches ganz bedeutenden Anteil. Der Gottesdienst in den Klöstern und Stiften erforderte eine Masse von Büchern, so das Missale, das Horarium, das Breviarium und noch einige andre. Die Herstellung geschah gänzlich in den Klosterwerkstätten. Die Zubereitung der Felle für das Pergament, das Schreiben der Bücher, das Rubrizieren, die Miniaturen, das Einbinden, alles wurde im Kloster hergestellt. Daß die Kunst der Buch herstellung durch die Kirche eine außerordentliche Förderung erhielt, ersieht man aus den auf uns gekommenen gottes dienstlichen Handschriften, von denen aus das Breviarium des Kardinals Grimani hingewiesen sei. das im Auftrag des Papstes Sixtus IV. von niederländischen Künstlern hergesteüt ist und eine wichtige Quelle sür die Geschichte und Kultur des ausgehenden Mittelalters bildet. Die Beziehungen des Humanismus und der Reformation zum Buchgewerbe sind noch innigere. Inzwischen war die Buchdruckerkunft erfunden worden, und die Folge davon war die Entstehung eines wirklichen Buchgewerbes. -Daß die humanistische Bewegung und die Reformation Luthers sich niemals hätten siegreich durchsetzen können ohne die Buch druckerkunst und ohne die ihr zur Seite gehenden Künste des Holzschnitts und des Kupferstichs, das ist eine alterörterte Wahrheit.» (S. 67.) Ich möchte hinzufügen, daß die Ver breitung des Buches aber auch sonst durch keine Bewegung der Weltgelchichte mehr gefördert worden ist als durch die Reformation und durch die Schaffung einer Volkssprache durch Luther. Die Anregungen, die die Reformation dem Buchgewerbe