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psL 3, 4. Januar 1908. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f- d. Dtschn. Buchyandel. 125 sei, seine Geifteskinder für bares Geld zu verschachern«. Witkowski druckt die hübsche darauf bezügliche Stelle aus Goethes »Dichtung und Wahrheit« ab, in der sich das patriarchalische Verhältnis zwischen Schriftsteller und Buch händler abspiegelt. Dieses Verhältnis hat sich bis in die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts erhalten. Erst Klopstock machte aus der Dichtung einen Lebeusberuf und versuchte zugleich, den Dichtern den Ertrag ihrer Schriften ungeschmälert zu erhalten. Die deutsche Akademie, die er zu diesem Zwecke begründen wollte, ist über das Stadium des Versuchs nicht hinausgekommen. Auch Lessing glaubte, daß bei der Zumessung des Honorars die Schriftsteller von den Buchhändlern übervorteilt würden, und versuchte dies in Verbindung mit seinem Freunde Bode durch die Gründung der -Buchhandlung der Gelehrten« in Hamburg abzustelleu. Aber auch Lessing erlitt Schiffbruch. Waren die Bezüge der Schriftsteller zu jenen Zeiten in der Tat mehr als bescheiden — Geliert erhielt für den Bogen seiner Fabeln einen einzigen Dukaten —, so waren auch die Verleger nicht auf Rosen gebettet. Das Fehlen eines selbständigen Soitimentsgeschäfts, vor allem aber der Nachdruck, der sogar von einzelnen deutschen Landesherren begünstigt wurde, damit das Geld nicht außer Landes gehe, machten jedes literarische Unternehmen zu einem Wagnis, und die wenigen Treffer mußten die zahlreichen Nieten wett machen. So konnten der Selbstverlag der Schriftsteller, die Dessauische Buchhandlung der Gelehrten und andere dem Schriftsteller nicht helfen, um so weniger, als ein Fehlschlag den unbemittelten Schriftsteller härter traf, als den Geschäftsmann, dessen Beruf es ist, zu wagen und gelegent lich zu verlieren. In der klassischen Epoche unserer Literatur erblicken wir »Buchgewerbe und Literatur in einem höchst erfreulichen Verhältnis gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Förderung«. Gefestigt wurden diese Beziehungen durch die Anerkennung des Urheberrechts, die sich in der Gesetzgebung, wenn auch sehr allmählich, durchsetzte und dadurch die »Ver leger in den Stand setzte, die Früchte ihrer Arbeit mit höherer Sicherheit zu berechnen und ungestört einzuheimsen« — aber auch die Schriftsteller an diesen Früchten teilnehmen zu lassen. Jene Zeit war auch die Periode der Luxus ausgaben auf schönem Papier mit künstlerischem Schmuck, »und das Publikum war bereit, diese Reize auch mit ent sprechenden Preisen zu bezahlen«. Witkowski führt an, daß z. B. Schillers Werke in einer gewöhnlichen Coltaschen Taschenausgabe 13 Taler 8 Groschen, auf Velinpapier aber sogar 30 Taler kosteten, daß der Ladenpreis für die Gedichte von Johann Heinrich Voß (1802)' 21 Taler, für Wielands Werke (bei Göschen 1794—1802) auf Velinpapier 2S0 Taler betrug, — wobei selbstverständlich noch der weit höhere Wert des Geldes vor 10Ü Jahren zu berücksichtigen ist. Es kam die Zeit der Romantiker, die »das Philtsterium (verhöhnten) und seinen literarischen Geschmack» .. »Zum ersten Male stand das Buchgewerbe hier vor einer seiner wichtigsten und edelsten Aufgaben: die Werke neuer literarischer Rich tungen aufzunehmen und der Öffentlichkeit darzubieten, trotzdem zunächst kein Gewinn daraus zu erwarten ist Wir dürsen zur Ehre unsers Buwhandels feslstellen, daß er die große Mission, dem Vorurteil Trotz zu bieten und dem Genie den Weg zum freien Wirken zu öffnen, im allgemeinen vortrefflich erfüllt hat.« Witkowski streift die Bestrebungen, die Geistesschätze durch billige Ausgaben auch den Unbemittelten zugänglich zu machen, und führt als erstes Unternehmen dieser Art Meyers Groschenbibliothek an, dessen dürftige Ausstattung uns frei lich heute eigentümlich anmutet. Er erwähnt die Aus nutzung des Klassikerprioilegs seitens der Cottaschen Buch- Börsenblatt iltr den Deutschen Buchhandel. 7b. Jahrgang. Handlung, die -ihr Monopol eigennützig ausgebeutet und dadurch unserer gesamten Volksbildung Schaden zugesügt hat». Er behauptet, daß auch heute noch »die Preise der Werke lebender Dichter einer allgemeinen Verbreitung vielfach hinderlich sind, und daß in dieser Beziehung das Buchgewerbe der Literatur nicht die Förderung gewährt, die es ihr leisten könnte«. Witkowski behauptet, daß dies darauf zurückzufllhren sei, daß es in Deutschland so wenig größere Privatbibliotheken — abgesehen von den zu wissenschaftlichen Zwecken angelegten — gäbe, im Gegensatz zu England, Frankreich, Amerika. Diese Behauptung ist schon sehr oft aufgestellt worden; ein Beweis dafür ist aber bisher nicht geliefert worden. Dieser dürfte auch schwer zu führen sein, da Statistiken über Privatbibliotheken nicht vorhanden sind. Selbst wenn die Behauptung richtig wäre, würde sie nicht das beweisen, was sie beweisen soll. Das Ausland ist reich, während wir erst anfangen, es zu werden. Wir fangen erst jetzt an, für Luxusausgaben Mittel aufwenden zu können. Aber ich halte diese Behauptung, daß in Deutschland weniger Bücher ge kauft werden als im Auslande, überhaupt für falsch. Wo bleiben die großen Auflagen unserer Dichter, wo die ganze große Produktion, wenn der Deutsche so wenig kauft? Wäre die Behauptung richtig, so müßte der deutsche Verlag schon längst bankrott sein. Namentlich die Exemplifikation auf England ist gänzlich unzutreffend. Die englischen Bücher, auch die Romane, sind, wenigstens in den Erstausgaben, er heblich teurer als die deutschen, und auch das Leihbibliotheks wesen blüht in England mindestens so wie in Deutschland. Der hohe Preis, den die deutschen Romane früher hatten, ist längst auf einen Bruchteil des früheren Preises gesunken; dieser billige Preis läßt sich aber nur halten, wenn ein ent sprechender Absatz vorhanden ist. Ist ober die Behauptung, daß die deutschen Bücher teurer sind als die ausländischen, und daß ihr Absatz ge ringer ist, wenigstens im großen und ganzen unrichtig, so kann man doch dem Wunsche des Herrn Professor Witkowski, daß eine Verbilligung der schönen Literatur eintreten möge, sympathisch gegenllberstehen. Herrn Witkowski erscheint diese Aufgabe als eine sehr komplizierte: »Die hohen An sprüche der Autoren, die immerfort steigenden Herstellungs kosten, verbunden mit dem Streben nach einer würdigen, künstlerischen Ausstattung und vor allem die Belastung durch den unverhältnismäßig hohen Gewinn des Zwischenhandels lassen die Aufgabe der Verbilligung der schönen Literatur als eine sehr komplizierte erscheinen . . . .« Bei dem genugsam geführten Nachweis, daß der Nutzen des Sortiments ein ungenügender ist, wäre eine Begründung, daß die Gewinne des Zwischenhandels unverhältnismäßig hohe seien, erwünscht gewesen, noch erwünschter Vorschläge, wie dieser teure Zwischenhandel durch einen billiger arbeiten den zu ersetzen wäre. Sehr sympathisch sind mir die Ausführungen des Vor tragenden über die Warenhausklassiker: »die Einbände mit sinn- und geschmacklosen Ornamenten in Gold und schreienden Farben überladen, und schlägt man die widerlich prunkenden Bücher auf, so erblickt man ein erbärmliches Holzpapier, ab genutzten, fehlerhasten Satz, mit schlechter, grauer Farbe ge druckt, und der Band droht beim ersten kräftigen Anfassen auseinanderzufallen.« Das ist die billige Literatur, die nicht einmal durch die unverhältnismäßig hohen Gewinne des Zwischenhandels verteuert wird, — oder vielleicht doch? Den Schluß des Vortrags bilden sehr feine Bemerkungen über die Notwendigkeit der Verbindung des Gegenstandes und der Gestalt des Buches, Warnung vor gedankenlosem Anglisieren, aber Beachtung dessen, was wir von England in der Buchausstattung lernen können. In seinem Vortrage: »Das Buchgewerbe und die >8