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Redaktioneller Teil. , v 293, >8. Dezember 1918. dienst leistet die Zweckbnchhandlung aber selbst dann den zehn fachen Ersatz, wenn es sich nicht um ein Buch, sondern um fünf, um zehn Bücher handeln würde. Dieser Ersatz wird auf ver schiedenen Wegen geleistet: Die Arbeitnehmer sind im allgemeinen eine aussteigende Schicht. Aus Handlungsgehilfen werden Prinzipale, Direk toren, Prokuristen, aber auch aus den Techniker- und den Arbeiter kreisen ringen sich immer wieder Tausende und Abertausende los, die zu höheren Stellungen cmporsteigen. Man greift Wohl nicht fehl mit der Annahme, datz gerade die Personen, die auf der Leiter des Erfolges höher klettern als andere, vielfach solche sind, die früher durch die Organisation den Weg zum Buch ge sunden haben. Dadurch, datz sie aus dem Stande der Arbeit nehmer ausscheiden, erlischt die Verbindung mit ihrem Ver vande und mit der Verbandsbuchhandlung. Aber die einmal hergestellte Verbindung mit dem Buche erlischt nicht mehr. Der Bedarf wird nur nicht mehr durch die Verbandsbuchhandlung, sondern bei dem Sortimenter am Platze gedeckt. Die Zweck buchhandlung hat gesät, während der beste Teil der Ernte dem regulären Sortiment bleibt. Ich glaube nicht, datz die Klage, daß der Kaufmann ein schlechter Bücherkäuser sei, noch laut werden wird, wenn erst einmal alle größeren kaufmännischen Gehilfen-Vereine Zweckbuchhandlungen besitzen und diese eine Reihe von Jahren gewirkt haben werden. Vielfach erntet der reguläre Sortimenter aber auch dann schon das Ergebnis der Arbeit der Zweckbuchhandlungen, wenn der Arbeitnehmer Arbeitnehmer bleibt. Der Bezug von einer Buchhandlung, die ihren Sitz auswärts hat, ist immer umständlich und zeitraubend. Vor allen Dingen kann man das Buch, das man zu erwerben wünscht, vorher nicht sehen. Deshalb verliert die Zweckbuchhandlung sehr häufig Kunden, die sie erst zu Bücherkäufern gemacht hat, an das reguläre Sortiment. Diese Behauptung ist nicht etwa willkürlich — auf Grund von Mög lichkeiten konstruiert, sondern ich habe eine Reihe von Fäl len im Auge, die ich selbst erlebt habe. Sodann können Beweise dafür erbracht werden, datz Bücher erst dadurch allgemein in Aufnahme gekommen sind, daß sich eine eirizclne Zweckbuchhandlung dafür eingesetzt hat. Ich entsinne mich z. B., datz das Buch »Noch ist die blühende goldene Zeit« von Heinrich Reth fast ganz still lag. Niemand kannte und kaufte das Buch. Der Verfasser ist Mitglied des Deutsch nationalen Handlungsgehilfen-Verbandes. Die Verbandsbuch- haudlung legte sich für das für Kaufleute empfehlenswerte Buch ins Zeug, und bald wurde es auch in anderen Buchhandlungen verlangt und verkauft. Die Zweckbuchhandlung säte, das regu läre Sortiment erntete! — Natürlich läßt sich dieser Erfolg der Tätigkeit einer einzelnen Zweckbuchhandlung nur selten fest stellen, aber eine gelegentliche Feststellung genügt, um die Tat sache der Wirkung festzustellen. Vor einigen Monaten hatte sich die Deutschnationale Buchhandlung einmal an eine Reihe deut scher Verleger gewandt und diese, es waren solche, die Ge legenheit gehabt hatten, die Art des Vertriebs dieser Zweck buchhandlung näher kennen zu lernen, um ein Urteil gebeten. Es handelte sich dabei um die Frage, ob die Deutschnationale Buch handlung lediglich ein vorhandenes Bedürfnis nach Bücher» befriedige oder ob sic ein solches Bedürfnis erst schaffe. — Von 35 Antworten, die eingingen, zum Teil von großen und an gesehenen Verlagsbuchhandlungen, bei denen der Gedanke an eine Gefälligkeitsantwort überhaupt nicht aufkommen könnte, lau tete nur eine einzige ungünstig, zwei oder drei antworteten aus weichend, während alle anderen anerkennen, daß durch die Tätig- keit der Deutschnationalen Buchhandlung das Bedürfnis nach Bü chern erst geschaffen werde, daß das »Unternehmen ein ideal arbei tendes Kulturunternehmen und kein Geschäft im nackten Sinne des Wortes« sei; die Deutschnationale Buchhandlung sei eine wahre Volksbildungs-Einrichtung, die dem Buchhandel neue Käufer zuführe, die Reklame der Buchhandlung nütze dem Sortiment vielleicht mehr als der Deutsch nationalen Buchhandlung selber usw. »sw. Tatsächlich dürste nur eine Art von Buchhandlungen durch die Zweckbuchhandlungen geschädigt werden. Es gibt zahlreiche, 1528 meist jüngere Leute, deren Bücherei nur aus einem einzigen Werk besteht, aber dafür auch aus einem anerkannt wertvollen, nämlich aus Brockhaus' oder Meyers großem Konversations- Lexikon. Dieses Lexikon, das natürlich vollkommen wertlos für sie ist, hat ihnen ein zungenfertiger Vertreter einer Neisebuch- handlung gegen monatliche Ratenzahlungen aufgeschwatzt. Aus Jahre hinaus stecken dann die Opfer in den Fängen dieser Neise- üuchhandlung. Ein Betrag, der zur Anschaffung einer schönen und nützlichen Bücherei vollkommen gereicht hätte, ist für ein Werk aus gegeben worden, das für den unkundigen Besitzer nur ein Haufen bedrucktes Papier ist. — Diese Reisebuchhandlungen werden allerdings keine so guten Geschäfte mehr machen, wenn erst Zweck buchhandlungen in größerer Anzahl vorhanden sein werden. Auch das Feld für den Absatz von Hintertreppen-Romanen würde durch Gewerkschaftsbuchhandlungen eine bedeutende Schmäle rung erfahren. Jedenfalls könnten die Zweckbuchhandlungen im Kampf gegen die Schundliteratur weit mehr erreichen als das reguläre Sortiment. Ist doch das Absatzgebiet für solche Lite ratur hauptsächlich da, wohin der Einfluß des örtlichen Sorti ments nicht reicht. Man muß zwischen der Vereinsbuchhandlung, wie sie Jahre hindurch in der Vorstellung der Sortimenter lebte, und der Zweck buchhandlung, wie sie mir Vorschwedt, unterscheiden. Ich kann cs sehr wohl Verstehen, daß es dem Sortiment unbehaglich wurde, als sich eine Vereinsbuchhandlung der Ärzte, der Rechts anwälte bildete. Ich glaube zwar, daß auch solche Vereinsbuch Handlungen insofern ihr Gutes haben würden, als sie sich zu tüchtigen Spezialbuchhandlungen entwickeln könnten. Aber beim Abwägen von Vorteilen und Nachteilen sind jene doch Wohl zu ge ring, um diese aufwiegen zu können. Das Gebiet des regulären Sortiments würde allzu sehr eingeschränkt, wenn alle gebildeten Berufsgruppen sich besondere Vereinsbuchhandlungen schaffen würden. Diese Buchhandlungen wären auch keine Zweckbuch- handlungen im Sinne meiner Ausführungen. Der ideale Zweck ist bei ihnen nicht vorhanden. Die volkswirtschaftliche Notwendig- keit für ihre Gründung fehlt meines Erachtens. Die Tätigkeit, die sie verrichten würden, kann das Sortiment vielleicht ebensogut leisten. Als ich meine Pläne vor einiger Zeit einem bekannten Ver leger, Herrn R., gegenüber entwickelte, gab dieser zwar gern zu, daß das Sortiment zurzeit nicht an die Millionen Arbeit nehmer herankomme, er meinte aber, daß die Möglichkeit vor handen sei, daß es dieser seiner Aufgabe noch gerecht werden könne. Er hoffte, daß die Zeit nicht mehr fern sei, in der Bücherkarren mit guten Büchern regelmäßig die Arbeiter-Viertel der Großstädte durchziehen würden. Ich fürchte nur, daß sich die Durchführung dieses Vorschlags zu einem argen übel ge stalten würde. ES gibt ja auch jetzt in den Arbeitervierteln Buchhandlungen, vielfach allerdings nur solche, die Auchbuchhändlern gehören. Das Bild, das diese Buchhandlungen darbieten, ist kei n erfreu liches. Sexuelle Literatur, Schauergeschichten usw. füllen die Schaufenster. Diese Buchhandlungen müssen sich, um existieren zu können, dem Geschmack der breiten Massen anpassen. Sollen die Bücherkarren, die Herr R. Plant, sich ebenfalls diesem Geschmack anpassen? Natürlich nicht. Dann würden sie sich nicht bezahlt machen. Andere Bücherkarren, deren Besitzer gewissenloser sind, werden sie nicht zur Geltung kommen lassen. Die Bücherkarren der Zukunft werden genau so aussehen wie die Schaufenster der Buchhandlungen, die sich jetzt in den Ar beiter-Vierteln befinden. Damit, daß man dem Arbeiter, Tech niker, Handlungsgehilfen usw. gelegentlich einmal ein Buch von der Karre aus zeigt, ist es nicht getan. Man muß durch alle möglichen Mittel mittelbar oder unmittelbar auf ihn einwirken, damit er sich zum Kauf des ersten, zweiten, dritten guten Buches entschließt. Auch würde der Bücherkarren insofern nur ein sehr mangelhafter Ersatz der Zweckbuchhandlung sein, als der Ver käufer unmöglich die Bedürfnisse der einzelnen Berufsgruppen kennen könnte. Es wäre ihm unmöglich, das Bedürfnis für ir gendwelche beruflichen Lehrbücher zu Wecken. Fassen wir unsere Darlegungen zusammen, so kommen wir zu folgenden Ergebnissen: