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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021201026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902120102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902120102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-12
- Tag 1902-12-01
-
Monat
1902-12
-
Jahr
1902
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8338 der Freisinnige» Bolkspartei der Geduldsfaden gerissen und daß auch sie bereit ist, zum Schutze der parlamentarischen Ordnung kräftig einzutreten. Grotzbulgarische Bewegung. Aus Wien wird der „Münchener Allg. Ztg." von gut insormirter Seite geschrieben: Die in Makedonien entfachte Bewegung glimmt zur Zeit allerdings nur als ein kleines Feuer noch fort, da die bulgarischen Banden, welche sie bervorgerufen und geschürt hatten, größtenteils zer sprengt oder über die Grenze zurückgeworfen worden sind, und neue, größere Anschläge erst für das nächste Frühjahr angekündigt werden; eines gewissen moralischen Erfolges aber kann sie sich doch rübmen. Dar über, daß ihr Unternehmen, vom rein militärischen Stand punkt betrachtet, hoffnungslos war, haben sich die Führer der Iniurrektion wohl selbst keiner Täuschung hingegeben, denn daß die von ihnen aufgestellten und geleiteten Banden den Kerntruppen des türkiichen Reiches nicht die Spitze zu bieten vermöchten, lag auf der Hand. Sie haben sich deshalb stets nur bemüht, die Wunde offen zu halten und die Aufmerksam keit Europas durch kleine Gefechte in Makedonien immer wieder wackzurufen. Ihr Hauptaugenmerk aber war darauf gerichtet, eine oder mehrere der europäischen Mächte zu einem für sie günstigen Schritte zu veranlassen. Dazu scheint eS auch kommen zu sollen, denn, wie die „Politische Korrespondenz" meldete, sind zwischen Oesterreich-Ungarn und Petersburg Verhandlungen im Zuge, um die Psorte im Sinne des Artikels 23 des Berliner Vertrags zur Ein führung einer besseren Verwaltung in Makedonien zu bestimmen. Damit ist der Stein ins Rollen gebracht, und im bulgarischen Lager hofft man bereits in freudiger Be wegung, daß damit der erste Anstoß zur Gewährung der Autonomie an Makedonien gegeben werden wird. Es haben sich Stimmen erhoben, welche eine europäische Konferenz zum Bebuse der Einführung von Reformen in Makedonien anregten. Diese Versuche, die insbesondere von dem französischen Ethnograpben Laveleye auSginzen, der in diesem Sinne auch einen Artikel in einem Wiener Blatte erscheinen ließ, konnten schon deshalb nicht zum Ziele führen, weil Deutschland schwerlich auf ein solches Ansinnen eingegangen wäre. Deutschland, daS dem Sultan wirklich wohl will, dürfte sich kaum entschließen, sich an einem die Pforte bedrängenden Schritte zu beteiligen, so sehr e- den Makedoniern alle Segnungen der Civilisation und eine wohlgeordnete Verwaltung gönnt. Es ist denn auch, wie die „Politische Korrespondenz" bestätigt, zu keinem Versuche gekommen, eine Konferenz der europäischen Mächte inS Leben zu rufen. Die Kabinette von Wien und Peters burg geben vielmehr in dieser Angelegenheit als die zunächst beteiligten Mächte selbständig vor, und zwar wollen sie der Psorte in deren eigenem Interesse die Einsübrunz von VeiwaltungSreformen Vorschlägen. Es ist freilich noch zweifelhaft, ob dieser Schritt großen Erfolg haben und die türkische Verwaltung aus ihrer Erstarrung wecken wird. Viel wichtiger dürsten die Folgen einer solchen Maßregel auf die öffentliche Meinung in Bulgarien sein. Die Bulgaren werden sich ermutigt süblen, und die Anstreng ungen der patriotischen Vereine werden im Frühjahre mit neuer Energie erwachen. Immer aber haben sich die Dinge auf der Balkanhalbmsrl so entwickelt, daß daS Eingreifen der Mächte, mit volkstümlichen Bewegungen abwechselnd, dort zu Erschütterungen führen könnte. Rußland, so ersährt ihr Korrespondent aus guter Quelle, glaubt denn auch nicht mehr imstande zu sein, durch bloße Abwehr die make donischen DefreiungSversuche zu verhindern. Dadurch, daß eS der Bewegung freieren Laus läßt, werden sich die make donischen ComiteS zu neuen größeren Anstrengungen ge stärkt fühlen. Atlantisch-pacifisches Kanalprojckt. Die Verhandlungen zwilchen den Vereinigten Staaten und der mittelamerikanischen Republik Columbia über die Be dingungen und Vorbereitungen zur Ausführung veS atlantisch- pacifischcn Kanalprojektes sind noch immer nicht zum Abschlüsse gelangt, vielmehr scheint es, daß sich neue Schwierigkeiten ergeben haben, deren Vorhandensein von den Interessenten der Panama-Route möglicherweise benutzt werden dürste, um für eine schleunige Wiederaufnahme der dort bereits beträchtlich vorgeschrittenen Arbeiten Stim mung zu machen. Man geht dabei von dem Gedanken aus, daß bei dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen, die erst kürzlich wieder zu ziemlich scharfen Auseinandersetzungen zwischen dem kolumbischen Minister Concha und dem Vertreter der Kanalkommission, Admiral Wallace, geführt haben, noch geraume Zeit vergehen dürste, ehe mit den Arbeiten begonnen werden kann. Außerdem wird geltend gemacht, daß sehr gut zwei Verbindungöstraßen aus dem atlantischen nach dem stillen Ozean nebeneinander bestehen könnten, zu mal da es zweiselhasr erscheint, ob der Nikaragua-Kanal, wie er ron der Washingtoner Regierung geplant ist, in seinen Raum abmessungen für den zukünftigen Schiffahrtsverkchr, der schon in den letzten Jahren das Deplacement seiner Fahrzeuge stetig gesteigert hat, sich ausreichend erweisen würde. Es ver lautet nun, daß die Bildung eine» au» europäischen Finanz leuten zusammengesetzten Syndikats bevorstehe, daS ge willt sei, die Sachlage auSzunutzcn und den kommerziellen und verkehrSwirtschaftlichen Erwägungen, die den Bau einer zweiten Kanalstraße empfehlen, die Tat folgen zu lassen. Die Bedeutung «ine» solchen Unternehmen«, wenn eS verwirklicht werden sollte, liege aber vor allem auch auf politischem Gebiete, da dadurch für den internationalen SchiffahrtS- und Flottenverkehr zwischen den ost- und westamerikanischen Ge wässern ein neutraler, von der Oberhoheit der Vereinigten Staaten unabhängiger Weg geschaffen werden würde. Deutsches Reich. U Berlin, 30. November. (Fleischversorgung.) Wohin es führen könnte, wenn Deutschland sich in seiner Fleischoersorgung abhängig vom Auslande machte, davon liefern jetzt die Verhältnisse Englands ein geradezu erschreckendes Beispiel. Nach der „Daily Mail" besitzt der amerikanische Fleischtrust in England bereits nicht weniger als 600 Verkaufsstellen und zahlreiche Niederlagen und verfolgt offenbar die Absicht, die Versorgung de» Detailhandels mit Fleisch in Großbritannien ausschließlich unter seine Kontrole zu bekommen. Die Einfuhr Großbritanniens an frischem und gesalzenem Fleisch kommt schon jetzt nahezu zur Hälfte aus den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Eben bat sich in Amerika eine in Trenton, New Jersey, registrierte Ge sellschaft gebildet unter der Firma „The United States Packing Company", die den Vieh- und Fleischexport nach Europa in größtem Umsange aufnehmen will. Würde eö ihr gelingen, in den anderen europäischen Ländern, so wie dies jetzt schon in England der Fall ist, den Fleisch bandel unter ihre Kontrolle zu bringen, so würden die euro päischen Konsumenten diesem großen Fleischtrust auf Gnade und Ungnade unterworfen sein. Es würden nach dem Ruin der europäischen Viehzucht wahrscheinlichPreise gefordert werden, die wesentlich höher sein dürsten, als die Preise, die der deutsche Viehzüchter bei entsprechendem Zollschutz für sich in Anspruch nehmen kann. Unabhängigkeit VeS Marktes für Lebensmittel vom AuSlande ist gerate für die ärmeren VolkS- kreise von der größten Wichtigkeit, wenn sie nicht eines TazeS gezwungen sein sollen, Preise zu zahlen, die von großen aus ländischen Spekulationsgenossenschasten nachgerade diktiert werden. Wir sind zwar Gegner der Mmdestzölle für Bieb, halten aber für durchaus unberechtigt die fortgesetzten Angriffe der Zollgegner auf den Zolltarif, welcher der Re gierung die Mittel gewähren soll, die deutsche Viehzucht in ihrer weiteren Entwicklung zu schützen. Daß die Regierung von dieser Vollmacht in einem die Interessen der Landwirt schaft und Konsumtion verständig auSgleichenben Maße Gebrauch machen wird, darüber kann kein Zweifel sein. Man lasse also endlich daS Geschrei gegen den uu Zolltarif liegenden Schutz wichtiger und berechtigter wirtschaftlicher Interessen! * Berlin, 30. November. Zur Reform des Straf gesetzbuches, bezw. über die Aufgabe der dieser Tage hier zusammengetretenen Kommission lchreibl die „D. Zuristenztg.": „. . . Auch wir wißen, daß seit einiger Zeit zwischen dem NeichSjustizaml und einzelnen hervorragenden RechtSlehrern Fühlung besteht, um den Versuch zu machen, ob nicht gewisse theoretische Vorarbeiten rechtsvergleichenden Inhalts im Ein vernehmen der rechtswissenschastlichen Kreise und zwar sowohl derjenigen, welche der sogenannten klassischen Schule an- gehören, als auch derjenigen, welche neueren Richtungen folgen, unter der Leitung und Mitarbeit einzelner Gelehrter aus den größeren Bundesstaaten durchgeführt werden könnten. Dcu Bemühungen liegt der Gedanke zu Grunde, daß die eigentlichen Arbeiten für ein neues Straf gesetzbuch, sobald die verbündeten Regierungen deren Inan griffnahme beschließen sollten, nur in ihrem Gehalte ge winnen und in ibrer Durchführung beschleunigt werden dürften, wenn ihnen Materialien zu Grunde gelegt werden, die den wissenschaftlichen wie den praktischen Anforderungen in gleicher Weise genügen. Dieses Ziel kann selbstverständ lich nur erreicht werden, wenn es gelingt, die Vertreter der verschiedenen theoretischen Schulrichtungen für eine gemein same praktische Arbeit zu gewinnen. Der Zweck der in Aussicht genommenen Beiprechungen, die natürlich nur ver trauliche sein tönncn, würde darin bestehen, die Möglichkeit und die Bedingungen des gedachten Zusammenwirkens fest- ,»stellen." * Berlin, 30. November. Die Aeußerung des Ab geordneten Bachem, die am Freitag zu den stürmischen Scenen im Reichstag und zur Unterbrechung der Sitzung führte, ist auf den Tribünen und in einem großen Teile des Hauses nicht genau verstanden worden. Wir geben sie deshalb nach dem Wortlaut, wie ihn der „Vor wärts" veröffentlicht, wieder. Herr Bachem sagte: Wie kann man die Notionalliberalen als Leibeigene deS Zentrums bezeichnen? Hat jemals «in Leibeigner bei einer Teilung mit seinem Herrn (Stürmische Unterbrechungen und ironische Zurufe links: Mit seinem Herrn! Mit seinem Herrn! Ha! ha!) den Löwenanteil Lavongetragen? Wenn man solche Ausdrücke aus politischem Gebiete anwenden wollte, so paßten sie besser auf das Verhältnis der Freisinnigen Bereinigung zur Sozial demokratie. (Lebhafter Beifall recht» und im Zentrum. Groß, Un ruhe links.) Der gute Geschmack (Gelächter links) verbietet mir, diese Parallele weiter zu führen. Trotzdem wäre e» sehr interessant, da» Verhältnis der Freisinnigen Dereinignug zur Sozialdemokratie nach der Richtung der Leibeigen, schäft einmal eingehender zu beurteilen. Besonders interessant würde es sein, diejenige Auslassung dieses Ber- hältnisie» einmal hervorzukehreu, wie sie in diesen Tagen aus den Kreise» der sozialdemokratischen Partei an unsere Ohren geklungen ist. (Große Unruhe links.) Wenn Herr Barth und seine Freunde wüßten, was ich weiß wie ihr Verhältnis zur Sozialdemokratie in diesen Tagen von Sozialdemokraten selber beurteilt worden ist (Heftige Unterbrechung links. Erregte Zurufe bei den Sozialdemo demokraten: Sagen Sie eS doch! Heraus mit der Sprach«! Heran» damit!) Abg. Bachem schweigt. (Die erregten Zuruse aus den Reihen der Sozialdemokraten und der Freisinnigen Vereinigung dauern minutenlang fort.) Vizepräsident Büsing sucht vergeblich durch fortwährendes Schwingen der Glocke Ruhe berzustrllen. Seine Worte gehen in dem allgemeinen Tumult verloren. Die Zurufe schwellen zu einem brausenden Chore an, aus dem man nur vereinzelt Worte heraus- hört, wie: Er soll eS sogen! Er soll eS endlich sagen! Verdäch tigung! Verleumder! Heraus damit! Wir wollen eS wissen! Da Herr Bachem seine Andeutungen nicht erläutern und beweisen wollte, so ließ ihn die Sozialdemokratie nicht weiter sprechen, auch nicht, nachdem die unterbrochene Sitzung wieder eröffnet war. — In der Petitionskommission des Reichstag würde unlängst über die Notwendigkeit der Feuer bestattung im Falle des Auftretens der Pest debattiert. Dabei gab der Vertreter des ReichSamtS des Innern, Referent in Sachen des kaiserlichen Gesundheitsamtes, die nicht un wichtige Erklärung ab, die Möglichkeit eines explosionsartigen AuSbrechenS der Pest sei so gut wie ausgeschlossen, nachdem auf Grund deS ReichSseuchengesetzeS die umfassendsten Vor kehrungen getroffen sind. Um daS Zustandekommen des ReichSseuchengesetzeS hat sich, woran erinnert werden mag, daS Mitglied der nationalliberalen Partei l)r. End em ann hervorragende Verdienste erworben. Dank der Verständigung der Einzelregierungen untereinander haben die Ausführungs bestimmungen zu dem Gesetz, soweit sie vom Bundesrat an genommen wurden, eine rasche Durchführung gesunden. — Der Major a. D. Endell-Posen hat der „Nat. Ztg." eine preßgesetzliche Berichtigung geschickt, in der er so ziemlich alles, was ihm vorgeworfen ist, bestreitet oder ihm wenigstens eine harmlose Auslegung zu geben bemüht ist. Da Herr Endest nach seinen eigenen Angaben seinen Anwalt gebeten bat, gerichtlich gegen seinen Hauptankläzer, Bücherrevisor Bübring, vorzuzehen, kann die Erörterung der Borwürfe in strafrechtlicher Natur bi« nach dem gerichtlichen AuStrage der Sache verschoben werden. Herr Endest leitet aber seine Berichtigung (diskret immer im preßgesetzlichen Sinne gebraucht) mit einem Satze ein, den man gelesen haben muß, da er den ganzen Mann zeigt; dieser Satz lautet: Es ist nicht wahr, daß meine Wirksamkeit dem not wendigen Zusammenhalten oller Bestandteile deS Deutschtums in der Provinz Posen schädlich sei; ich bin stets für ein Zusammengehen aller Deutschen bei den Wahlen, wie für ein friedliches Zusammenleben der Deutschen eingetretcn. Darauf kann man nur erwidern: Wenn Herr Endest eS selbst sagt, muß es doch wahr sei». — Die Verpflegung der Soldaten soll durch in ländische Erzeugnisse gedeckt werden. Nach der „Rheinisch- Westf. Ztg." ist in einer neuen militärische» Vorschrift, die den Garnisonküchen und Kantinen zuging, bestimmt worden, daß amerikanisches Schmalz nicht verwendet werden darf, Schinken von Tieren herrühren muß, die in Deutschland geschlachtet worden sind. Auch die Verwendung ausländischer Konserven ist untersagt. Die deutsche Landwirtschaft wird weiter dadurch geschützt, baß nur Naturbutter, jedoch keine Margarine benutzt werden darf. — Wie die „Nat.-Ztg." meldet, schloß die Deutsche Afrika-Gesellschaft mit dem Reichskanzler einen Ver trag ab, in welchem sie im wesentlichen auf die von ihr bieher besessenen Privilegien und Vorrechte im ostafri kanischen Schutzgebiete, vor allem auch auf daS Münzrecht zu Gunsten deS Reiches verzichtet. — Nach einer den Eisenbahndirektionen zugegangenen Ver fügung des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten ist Reisenden, die sich beim Einsteigen in einen Zug im Besitze von Platzkarten befinden, denen aber ein numcrirter Sitzplatz in O-Wagen nicht überwiesen werden kann, in Zukunft die Platzkartengebühr von der Station, auf der sie den Zug verlassen, ohne Verzug gegen Rückgabe der bescheinigten Platz karte oder gegen Quittung zurückzuzahlen. Die Nicht benutzung ist vom Zugführer auf der Rückseite kurz zu be scheinigen. Die Reisenden sind gegebenenfalls vom Zugführer auf diese Bestimmung aufmerksam zu machen und über die weitern Schritte zu belehren. — Der preußische Kultusminister bat in Bezug auf Zu lassung von nichtpreußischen Studierenden zum Rechtsstudium auf Grund eines realistischen Reife zeugnisses in einer Verfügung vom 7. Oktober sich nicht damit einverstanden erklärt, daß an einzelnen Universitäten Angehörige solcher Bundesstaaten, die für die Zu lassung zu den juristischen Prüfungen an der Forderung deS Gymnasialreifezeugnisses sesthalten, in der juristischen Fakultät Aufnahme gefunden haben, und angeorduet, daß die Betreffenden, falls sie ihr Studium an derselben Universität fortzusetzen wünschen, in diesem Wintersemester in die philo sophische Fakultät übergesührt werden. — Von den beiden juristischen Vorlagen, deren Verabschiedung in der letzten Tagung des preußischen Ab geordnetenhauses nicht erreicht wurde, soll der Gesetzentwurf über die Vorbereitung zum höheren Verwaltungsdienst alsbald wieder dem Landtage zugehen. Dagegen sind der Iustizminister und der Kultusminister noch nicht darüber schlüssig geworden, ob und in welcher Gestalt der Entwurf über daS juristische Studium vorzulegen wäre. An die Vorlegung deS SchuldotationS-GesetzeS ist nach der Ueberzeugung erfahrener Parlamentarier bei der verhältnis mäßigen Kürze deS Tagungsabschnittes der letzten Legislatur- Periode ebensowenig zu denken, wie au die der Kanalvorlage. Die Tagung kann sich nur von etwa Mitte oder erstem Drittel Januar bis Ende Mai ausdehnen, wobei noch die Festtagspausen in Abzug gebracht werden müssen. DaS sind also alles in allem höchstens 12 bis 14 Wochen. — Die Ungültigkeit der Warenhaussteuer ist vom preußischen Oberverwaltungsgerichte in einem von einem hiesigen großen Warenhause anhängig gemachten Pro zesse wegen ungerechtfertigter Einschätzung in einem Urteil vom 9. Oktober 1902 ausgesprochen worden. AuS der Begründung dieses Urteils teilt der „Kons." mit: DaS Gericht ist der Ansicht, „daß die Warenhaussteuer mit dem reichsrechtlich geschützten Grundsätze der Gewerbe freiheit nicht vereinbar und deshalb nicht rechts gültig sei, wenn hierdurch der Warenhausbetrieb in unzu lässiger Weise durch diese Besteuerung bedrückt oder un möglich gemacht würde". Daß der Warenhausbetrieb durch die Steuer bedrückt wird, sollte doch Wohl außer Frage stehen. Diese Bedrückung ist von den Gesetzgebern ja auch offenkundig als der Zweck deS Gesetze« bezeichnet worden. Zweifellos wird diese Entscheidung deS Oberverwaltungs gerichts eine große Reihe ähnlicher Prozesse gegen den FiSkuS zur Folge haben. — Der hiesige Zweigverem de« Evangelischen Bunde« beschäftigte sich am Freitag abend mit dem Reform- KatboliziSmuS, wie er durch Männer wie Schell, Ehrbardt, Spabn, Sickenberger vertreten wird. Nach einem Vortrag von Professor vr. Scholz, der die vom Ultra» niontaniSmuS sich entschieden abwendende Reformbeweguug innerbalb der katholischen Kreise Deutschlands an sich freudig begrüßte, aber zum Abwarten und zu vorsichtiger Zurück haltung uiabnte, zumal auch die neue Richtung dem Prote stantismus übelwollend gegenüberstehe, wurde einstimmig folgende Kundgebung beschlossen: „Die Versammlung sieht in dem Resorm-KatholizismuS einen ersten Vorstoß aus der Mitte der römischen Kirche selbst gegen die Vorherrschaft mittelalterlichen Zwanges und jesuitischer Beräuße» lichung. Sie erhofft von dem Fortgänge deS Reform-KatholiziSmuS eine zunehmende Selbstbesinnung der katholischen Frömmigkeit und deren allmähliche Loslösung vom Banne ultramontaner Bevormundung, namentlich in nationaler Hinsicht. Sie verhehlt sich aber nicht, Laß der Reform-KatholiziSmuS, sofern er da« un fehlbare Dogma und die unantastbare Hierarchie sesthält, den Charakter der Zwitterbildung an sich trägt, von deren Ueber- windung die Zukunft der Bewegung und ihr dauernder Erfolg ab hängen wird." Wir glauben nicht, daß mit solchen Kundgebungen dem Reform-KatholiziSmuS ein Gefallen geschieht. — Der Benediktiner-Bischof Spieß auS St. Ottilien wurde am Sonnabend vom Staatssekretär deS Auswärtigen Amtes Freiderrn vonRichtbofen in Audienz empfangen und wollte auch dem Direktor der Kolonialabteilung Or. S t iib el seine Aufwartung machen. Der neue Bischof von Deutsch- Ostafrika erschien dann noch im Reichstage, wo er mit den Abgeordneten Prinz von Arenberg, Groeber und Frank eine Unterredung hatte. — In einem geschäftlichen Erlaß deS preußischen Ministers des Innern und deS Kultusministeriums vom 18. v. MtS. werden die Regierungspräsidenten auS Anlaß eines in letzter Zeit vorgekommenen Falles darauf aufmerksam gemacht, daß die Polizeibehörden verpflichtet sind, von der polizeilicherseits veranlaßten Uebcrführung eines Geisteskranken in eine Irrenanstalt dessen Angehörige unverzüg lich in Kenntniß zu setzen. Sind Angehörige der Polizei behörde nicht bekannt, so habe sie sich deren schleunige Er- uichts mehr hindern, den süßen Traum, von dem er nun schon seit drei Jahren träumte, dessen Verwirklichung er aber aus materiellen Erwägungen immer noch hatte auf schieben müssen, endlich zur Wirklichkeit werden zu lassen. Der Gedanke wirkte so erregend auf den Einsamen, daß er aufsprang und mit lebhaften Schritten das Zimmer durchmaß. Er hatte schon wiederholt von Doppel-Hoch zeiten gehört, die zwei verlobte Schwestern au einem Tage gefeiert hatten. Warum sollten nicht auch einmal zwei Brüder an einem und demselben Nachmittag ihre Bräute vor den Altar führen? Herbert Deinhard blieb am Fenster stehen und lehnte die glühende Stirn an die kalt angclanfene Glasscheibe. Zwar war seine Phantasie wenig geübt, denn nüchternes, scharfes Denken hatte bisher seine geistigen Kräfte fast ganz in Anspruch genommen, heute aber konnte er sich süßer Zukunftsträumc nicht erwehren. Das liebliche Ge läute glückkündendcr Hochzcitsglvcken klang in seine Ge danken hinein. Das Zuschlägen -er Korridortür und das Ocffnen der Zimmertür weckten ihn jäh aus seinem Brüten. Er wandte sich erschreckt herum. Tas konnte doch unmöglich Paul schon sein! . . . Sein Bruder stand vor ihm, bleich, mit verzerrten GesichtszUgcn, zitternd vor Erregung. Herbert Deinhard strich sich über die Stirn, seine Ge danken sammelnd. Mit ein paar schnellen Schritten trat er dicht an den erregt Atmenden heran. „Was ist denn? Was hast du denn, Paul?" fragte er besorgt. Paul zog mit hastigen Händen seinen Paletot aus, schnallte den Säbel ab und ließ sich stöhnend auf den nächsten Sessel fallen. Seine Rechte ballte sich, ein flammender Blitz brach aus seinen dunklen Augen und zwischen seinen Zähnen zischelte der Ausruf: „Der Schuft!" „Wer denn?" Der Landrichter starrte dem zornig Er regten in das zuckende Gesicht. „Wrede!" „Wrede? .... Hat er dich beleidigt?" Der Landrichter hing in atemloser Spannung an den zuckenden Zügen seines Bruders. Paul Deinhard ließ ein heiseres Auflachen hören. Der Aeltcrc trat dicht an ihn heran, legte ihm seine Hand ans die Schulter und beugte sich zu ihm herab. „Sage mir alles, Paul!" bat er. Der Jüngere nickte, seine Stirn runzelte sich, seine Augen blickten düster. Wieder ballte sich seine Hand zur Faust. „Der Mensch hat es darauf abgesehen, mich zu provozieren, sage ich dir!" rief er bebend vor Entrüstung. „Denn gleich als ich eintrat, begegnete ich seinem feind seligen Blick. Und kaum hatte ich abgelegt und an der Tafel Platz genommen, als er mich höhnisch fragte: „Na, noch Urlaub erhalten, Herr Leutnant Deinhard? Ich tat, als hörte ich es nicht und begann mit meinem Nachbar, Leutnant von Brachwitz, ein Gespräch. Da schlug einer der Herren ein Spielchen vor. Wrede und noch ein paar andere erhoben sich, nm ins Nebenzimmer zu gehen. „Kommen Sie mit?" fragte mich Brachwitz. Ich poin tiere überhaupt nicht, entgegnete ich." Der Sprechende erhob seinen Blick zu dem ihm mit gespannter Aufmerk samkeit lauschenden Bruder. „Du weißt, daß ich keine Karte mehr anrührc, seit damals, seit ich dir mein Ehren wort gegeben habe, nicht mehr zu spielen. Wrede, der schon aus der Schwelle stand, drehte sich bei meiner Ant wort lebhaft herum und sagte so laut, daß es jeder im Zimmer Horen konnte: „Sic waren doch früher kein Lpielvcrächter, Herr Leutnant Deinhard, wenigstens habe ich mal gehört, daß Sie in Ihrer früheren Garnison in einer Nacht eine horrende Summe — cs soll ein ganzes Vermögen gewesen sein — beim Kartenspiel verloren haben." Du kannst dir denken, Herbert, wie der Zorn in mir emporschlug. Aber ich beherrschte mich mit Gewalt und begnügte mich, ihm mit beißendem Spott zu ent gegnen: Ich weiß nicht, wie ich zu der Ehre Ihres liebenswürdigen Interesses komme, Herr Assessor. Ich meinerseits kann Ihnen leider nicht mit Daten aus Ihrem Leben antworten, denn ich habe es nie für nötig gehalten, in Ihrer Vergangenheit hernmzuspionieren." Der Landrichter machte eine Bewegung des Schreckens. „Und er?" sagte er schweratmend. „Er biß sich auf die Lippen. Der Hieb saß. Dann sah er mich mit seinen kalten, grauen Augen so recht scharf an, als wenn er mich mit seinen Blicken durchbohren wollte. „Sic sind nicht glücklich in Ihren Ausdrücken", gab er zurück. „Bon Spionieren kann natürlich keine Rede sein. Ein Freund von mir, der damals in Ihrem Regiment stand, hat mir gelegentlich das Faktum mit geteilt. Ich bcdanrc nur, daß wir nun das Vergnügen Ihrer Gesellschaft verlieren. Schade! Ihr gestrenger Herr Bruder hat Ihnen das Kartenspiel wohl ernstlich untersagt?" Der Landrichter fuhr zusammen, als hätte ihn ein elektrischer Schlag berührt. „Der Unverschämte!" brauste er auf. „Du kannst dir denken", fuhr der Jüngere in seinem Bericht fort, „daß mich die niederträchtige Bemerkung wie ein Schlag ins Gesicht traf. Dabet war jedes Wort förmlich getränkt mit Hohn und Malice. Wie unter einem Peitschenhiebe fuhr ich auf, meiner nicht mehr mächtig. Sie sind unverschämt, Herr Assessor Wrede, rief ich ihm ins Gesicht und trat mit drohend erhobener Hand vor ihn hin. Wenn ich nicht bedächte, daß ich mich hier in Gesellschaft befinde, würde ich Sic züchtigen, wie Sie es verdienen. Ein paar Herren traten dazwischen, man beruhigte mich. Wrede stand bleich, aber äußerlich ganz ruhig da. Ich hatte den Eindruck, als blitzte etwas wie Triumph in seinen Katzenaugen. „Sic werden von mir hören", sagte er ganz gelassen, und ging in das Neben zimmer." Der Landrichter stöhnte und preßte seine Rechte gegen die Stirn. „Entsetzlich!" murmelte er und ließ sich in den hinter ihm stehenden Sessel sinken. Ter junge Offizier aber sprang aufgeregt auf seine Füße. „Ich sage dir", rief er, „er hat mich absichtlich, mit kaltem Blute, provoziert. Ich erzählte dir schon, daß er mich schon während der Gesellschaft bei Sellings so merkwürdig gehässig fixiert hat. Sicherlich ahnt er, was sich beute zwischen Hildegard und mir zugetrage» hat." Der Landrichter nickte. „Kann sein", gab er zu. „Die Eifersucht sieht scharf. Er machte Hildegard Selling seit Jahr und Tag den Hof, und wenn du nicht dazwischen gekommen wärst, wer weiß, ob es seiner Ausdauer und seiner Routine nicht ge glückt wäre, sie zu erobern." Ein Lächeln grimmiger Genugtuung breitete sich über das Antlitz des Leutnants. „Damit ist's nun nichts", sagte er. „Na, ja, darum auch seine Wut, sein sichtlicher Haß gegen mich . . . Nein, mein lieber Herr Assessor Wrede, eine Hildegard Selling ist denn doch viel z» schade für Sie." Und, zn seinem Bruder gewendet, ließ der Aufgeregte lebhaft die Frage folgen: „Meinst du denn, daß er sie wirklich liebt?" „Sicherlich, wenigstens hat er cs an Aufmerksamkeiten und Huldigungen nicht fehlen lassen." Der Leutnant aber schüttelte mit dem Kopf. „Weißt du", bemerkte er, „ich kann mir gar nicht denken, daß dieser fischblütige, hämische Mensch überhaupt einer tieferen Empfindung fähig wäre." Der Landrichter zuckte mit den Achseln. „Kann sein", erwiderte er, „daß es auch nur die Mit gift ist, die ihn reizt. Schulden genug soll er ja haben." Paul Deinhard ließ ein rauhes Auflachen hören. „Na ja! ... Da freue ich mich um so mehr, Laß ich ihm das Spiel verdorben habe — dem Schuft!" Der Aeltere schlang seine Finger ineinander und sah mit verstörtem Gesicht zu seinem Bruder hinüber. „Aber was wird nun werden?" stöhnte er. Der Leutnant hielt in seinem Gange inne und runzelte die Stirn. „Er wird mich fordern — natürlich! Er ist doch Reserveoffizier." Der Landrichter blickte eine Weile schweigend zu Boden. Seine Zähne nagten heftig an der Unterlippe. Plötzlich erhob er sich mit kräftigem Ruck und trat an seinen Bruder heran. Er sah ihm mit beschwörendem, angsterfülltem Blick in die Augen. „Du darfst dich jetzt nicht in einen Zweikampf ein lassen", sagte er fliegenden Atems. „Jetzt weniger als je. Bedenke, daß du vorhast, dich zu verloben." Ter junge Offizier zuckte zusammen, er atmete heftig. „Du liebst sic doch", fuhr der Aeltere dringlich fort, „von ganzem Herzen, nicht wahr?" „Mehr als alles andere in der Welt!" Der Landrichter atmete auf. „Nun also. Da hast du doch den Wunsch, mit ihr glücklich zu sein. Und auch sie liebt dich, und deshalb ist es deine erste Pflicht, -ein Leben nicht leichtsinnig aufs Spiel zu setzen. Du weißt, Wrede ist als brillanter Pistolenschützc bekannt. Bei eurem letzten Offiziersprcis- schicßen hat er den ersten Preis gewonnen." Der junge Offizier machte eine auffahrende Bewegung. „Du denkst doch nicht etwa, baß ich mich fürchte?" Herbert Deinhardt verneinte schnell. „Davon ist doch gar keine Rede. Ich meine nur, deine Pflicht ist, einen Zweikampf, der «ödücb für dich verlaufen könnte, zn vermeiden. Hildegard liebt dich. Davon bist du doch überzeugt?" „Ja!" „Nun denke dir, wenn es wirklich zum Duell käme und das Unglück wollte, daß du —" iDer Landrichter sprach das Furchtbare nicht aus, sondern fuhr rasch fort: „Nun denke dir Hildegards Lage. Eben Braut geworden, bas Herz voll lieblicher Zukunftsträume, und dann plötzlich —" Der Leutnant schlug erschüttert die Hände vor sein Gesicht und stöhnte..
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