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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021030026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902103002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902103002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-30
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
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DaS war natürlich nur dadurch möglich, daß daS Haus beschlußfähig und die Mehrheit-Parteien stark genug vertreten waren, um eine erfolgreiche sozialdemokratische Obstruktion von vornherein auszuschließen. Diese Tatsache zeigte sofort ihre günstige Wirkung, indem sie das HauS in den Stand setzte, nach einer Rede des Abg. Or. Müller-Meiningen den Schluß der Debatte trotz einer vom Abg. Singer in den Weg geworfenen namentlichen Abstimmung herbeizufübren. Tie nun folgenden Abstimmungen über die Kommissiorrsbeschlüffe bezüglich der Zollsätze für Rind vieh, Schafe und Schweine (l4,40 Minrmalroll lebendes Gewicht für den Doppelzentner) und Fleisch (in differenzicrien Zollsätzen) ergaben bei Annahme dieser Kompronnßbeschlüsse folgendes Zahlenbild: Es stimmten: mit ja mit nein Stimm- entdaltunqcn Znsummcn bei dem Rindviehzoll 161 120 3 284 Sckaizoll . 161 129 4 294 B - Schwcinezoll . 162 135 4 301 Flrischzoll . . * 162 132 4 298 Mit diesen Abstimmungen waren die Mindestzölle für Schlachtvieh und Fleisch nach den Kompromißbeschlüssen er ledigt; die entsprechenden Sätze im autonomen Tarif wurden ebenfalls in einfacher Abstimmung angenommen. Der sozial- demokransche Antrag auf zollfreies eingefübrtes Fleisch bis zum Gewicht von 2 Kilo für den Grenzverkebr wurde nut 190 gegen 105 Summen abgelednt. Obgleich nun die über die Kommissionsbeschlüsse hinausgehenden Anträge des Bundes der Landwirte nur eine ganz geringe Minderheit auf sich vereinigt hatten, hielt der Abg. v.Wan gen heim seine weiteren Anträge, die eine Bindung auch der Gärtnereizölle be zweckten, aufrecht, und es erhob sich eine lange Debatte darüber, ob diese Anträge formell zunächst gesondert zu erledigen oder mit der Verhandlung über die bezüglichen Tarifposiuonen zu verbinden seien. Eine Aufforderung des Abg. I)r. Sattler, seine „überflüssigen" Anträge zurückmzieben, lehnte Freiherr v. Wangenheim ab. Der Abg. Singer beantragte Ver tagung und veranlaßte gleichzeitig namenlliche Abstimmung hierüber, ein Obstruktionsmanöver, daS nur den Erfolg batte, die Sitzung unnötiger Weise zu verlängern. Nach der Ablehnung der Vertagung lieferte die Mehrheit abermals einen Beweis taktischer Entschlossenheit, indem sie auf den Antrag deS Abgeordneten Herold beschloß, über die Wangenbeimschen Minimalzölle einfach zur Tagesordnung überzugeben. Mit den Antragstellern stimmten nur — die Sozialdemokraten geschloffen gegen dieses summarische Verfahren. — Die gestrige Sitzung war also in mehr als einer Hinsicht bemerkenswert. Erstens bat sie den Beweis erbracht, daß die Mehrheit deS HauseS die Macht hat, sich, auch ohne die Geschäftsordnung zu ändern, der Sozialdemokratie zu erwehren, und zweitens bat sich herauSgeslellt, daß die Führer des Bundes der Landwirte so ziemlich isoliert sind und besonders beim Zentrum keinen Anhalt mehr haben. Einige Mitglieder dieser Fraktion stimmten sogar gegen die Kompromißbeschlüffe der Kommission und gaben wahrscheinlich dadurch zu dem Gerückte Veranlassung, daß zwischen dem Zentrum und der Regierung bereits eine Verständigung erzielt sei. So weit ist eS Wohl noch nicht; jedenfalls aber macht sich im Zentrumslager die Neigung zum Einlenken immer bemerkbarer nnd wächst bei den Konservativen der Wunsch, daß ihnen Gelegenheit gegeben werde, einem löblichen Beispiele zu folgen. — Die beutige Sitzung wird mit der namentlichen Gesamiabstimmung über die gestern angenommenen Minimaljätze beginnen. Gin zur Hälfte sozialdemokratischer Landtag. Einen zur Hälfte sozialdemokratischen Landtag bat als erster deutscher Staat das Fürstentum Schwarzburg- Nudolstadt aufzuweisen. Sieben Sozialdemokraten unter 16 Abgeordneten sind schon da, nämlich im Koburgischen Landtag; aber 8 unter 16, das ist ein neuer „Rekord" der Sozialdemokiatie. Zn der Hauptwahl hatte die Partei sieben Mandate errungen, zu der am Dienstag in der Stichwahl noch ein achtes binzugekommen ist. Der „Vorwärts" schreibt von den acht „Genossen": „Ohne ihre Zustimmung kann kein Gesetz mehr gemacht werden. Sie werben aber hoffentlich auch im stanbe sein, einige ge etz- geberische Reformen durchzusetzen, denn eine geschlossene und ent schlossene Mehrheit, die die Hätste deS Parlament- darstellt, kann keine Regierung auf die Tauer ignorieren." DaS ist ungemein bescheiden und zurückhaltend auSgedrückt und verrät, wie unsicher die Sozialdemokraten sich fühlen, sobald ihre Stärke im Parlamente sie zwingt, von der ver neinenden Kritik und Zukuufsstaals-Pbantasierei zur positiven Mitarbeit am Ausbau der Gesetzgebung auf Grund der be stehenden Ordnung heranzutrcten. „Hoffentlich einige Re formen" — mehr erwartet die Partei auch von einem zur Hälfte sozialdemokratischen Landtage nickt. Wahrscheinlich werden aber diese „Reformen" so aussevcn, daß die Wähler des Fürstentums bei den nächsten Wahlen der Herrlichkeit der Reformer ein jähes Ende bereiten. Gin Prcstprozes; wegen MajestiitSbclcidigung in Ungar». Die Pester Oberstaatsanwaltschaft hat gegen eines der zügellosesten Hetzblätter, gegen das Organ der Kossntbrartci „Független Magyarorszag", Anklage wegen Majeitäisbeleidi- gung erhoben, und zwar wegen eines Aufsatzes, in welchem der König beschuldigt wird, das von der „Nation" geforderte selbständige Zollgebiet zu Verbindern. Dadurch habe der König der „Nation" unersetzlichen Sckaden zuge fügt. Außerdem habe er niemals irgend einen Wunsch der „Nation" respektiert. Wenn man die „Nation" zur Ver zweiflung treibe, dann werde nicht sie daran schuld sein, waS geschehe.» Nach Erhebung der Anklage sucht das demokratische Blatt, das ebenso dreist wie feige ist, wenn Strafe drobt, sich zu entschuldigen. Es habe dem König nur aufrichtig die „Lsfeniliche Meinung" vermitteln wollen usw. Auch in Ungarn sprechen die demo kratischen Blätter stets im Namen der „öffentlichen Meinung" und der „Nation", die sie allein zu verireten vorgeben. Wenn es in Ungarn nickt zweierlei Preßrccht gäbe, ein freies sür die magyarischen Zeitungen und ein anderes für die nicki magyarischen Blätter, so würde der „Független Magyarorszag" schon längst wegen Aufreizung gegen die nicktmagyariscken Nationalitäten unter Anklage gestellt worden sein. Denn kein zweites Blatt betreibt diese Aufreizung so rüde und gehässig unter schärfster Verletzung klarer Gesetzesbestimmungen. Trennung von Staat und Kirche in Frankreich. Der „Figaro" hat bei hervorragenden Geistlichen eine Umfrage veranstaltet, wie sie über die Trennung von Staat und Kirche denken. Der Zesuitenpater Dulac hat geantwortet: „Die Sache hat nichts, was unö er schrecken könnte." Dem Jesuitenpater Pupey erscheint sie sogar als „wünichcnSwert". Die Patres MaumuS nnd Ollivier erklärten im Namen der Dominikaner: „Wir hoffen von der Freiheit, wenn sie eine wirkliche ist, mehr Vorteile als von der halben Knechtschaft, in der die Kirche Frankreichs sich befindet". Die protestantischen Pastoren Monod und Gout, Präsident deS Konsistoriums der Re- formirten Kirche, sowie Pastor Kuhn, Präsident des Kon sistoriums der Augsburger Konfession, sind sür die Tren nung, ebenso der Pastor de Faye, Präsident des Konsisto riums der freien evangelischen Kirche. Die Rabbiner Zadok Kahn, Großrabbiner von Frankleich, und DreysuS, Givß- rabbiner von Paris, sind ebenfalls für die Trennung, von der sie mindestens nichts zu iürckten haben. Der „Temps", der diese Aeußerungen bespricht, bemerkt dazu, man habe von den Katholiken nur die Ordensgeistlichen befragt; man hätte auch die Weltgeistlicken befragen sollen, und diese hätten ohne Zweifel Bedenken getragen, sich den mitgeteilten Aeußerungen anzuschlreßen. Darüber schreibt Joes Guyol im „Siöcle": Wir teilen diese Meinung. Die Kardinale, die Erzbischöfe und die Bilchöse, die sich als besondere, sogar über den Gesetzen stehende Körperschaft im Staate betrachten, sind nicht geneigt, aus die materiellen und moralischen Vorteile zu verzichten, die da- Konkordat ihnen bietet. Tas Konkordat hat den Klerus zu einem hierarchisch streng gegliederten Organismus gemacht. An der Spitze stehen 17 Erzbischöfe und 67 Bischöfe, die vom Papst die kanonische Investitur empfangen. Dann kommen 3451 unabfetzbare Pfarrer, weiter 3100 Hülsspsarrer und 7000 Vikare. Die letzteren sind nicht kon- kordatsmaßiq; sie sind die Vasallen der Pfarrer und der Bischöfe. Sie laben keine Rechte; sie können versetzt, auf Notgehalt gesetzt und ohne Rekurs abgeietzt werden. Tas Parlament kann morgen die 31 Mil lionen, die sie dem Staate kosten, streichen, ohne daS Konkordat zu verletzen. Von den 43 Millionen deS Kultusbudaets bezieht die katholische Kirche 41 Millionen. Erzbischöfe und Bischöfe wohnen in Palästen, die der Staat zur Verfügung stellt; sie haben Anspruch auf allerlei Ehrenbezeugungen und die Kardinale geben im Rang sogar den Ministern vor. Sie haben vom Staat auch die Kultus gebäude, die man ihnen nicht nehmen kann. Der Bürgermeister hat den Schlüssel zum Kirchturm, aber den Schlüssel zur Kirche hat nur der Pfarrer. Die Pfarrer haben bequeme Psarrhäuier zu ihrer Verfügung. Das Konkordat hat aus dem Klerus eine feste Körper schaft gemacht und hindert sie an der Auflösung. Es schützt den hohen Klerus vor der Kritik und der Kontrolle Les niederen Klerus und schützt den gesamten Klerus vor der Kritik und der Kontrolle der Gläubigen. Es bat Len Klerus über alle Ansechtungen und über jede Konkurrenz hinausgeboben. Kein Weltgeistlicher wird diese Vorteile verlieren wollen; wenn er es dennoch sagt, ist er ein Heuchler oder ein Dummkopf. Der „Temps", schließt IveS Guyot, könne also ganz zu verlässig wissen, welche Antwort die Konkordatspriester geben würden, wenn der „Figaro" auck sie um ihre Meinung be fragen wollte. „Sie können über die Leiden der Kirche seufzen nud über die Kellen klagen, die sie tragen müssen, aber sie werben auf diese Ketten nicht verzichten, weil sie vergoldet sind. Sie wissm recht gut, daß es dem Eifer der Gläubigen etwas schwer fallen würbe, die 41 Millionen des Staatsbudgets alljährlich zu ersetzen." Lum rnssich-englischcn (Gegensätze in China. Die handelspolitische Stellung, die ter russische Finanz minister v. W i l te uns gegenüber einnimmt, gibt Deutsch land gewiß keinen Grund zur Zufriedenheit. Aber das darf den unbefangenen deutschen Beurteiler nicht abhallen, die Umsicht und Tatkraft anzuerkennen, mit der Herr v. Witte die asiatische Politik des Kaisers Nikolaus fördert. Man spricht jetzt viel von Chamberlains Reise nach Süd- Afrika; aber schließlich ist sie doch nur eine Nachahmung der Reise Wittes nach dem fernen Osten. Wenn Herr v. Witte sich jene großen persönlichen Strapazen auferlegte, so be kundete er damit seinen Eßer, aus eigener Anschauung die Bedingungen kennen zu lernen, unter denen den englischen Expansionsbestrebungen in Ostasien von russischer Seite ent- gegengewirkl werden kann. Aus diese eugliscken Bestrebungen blickt man in Rußland mit zunehmender Unruhe. DaS spiegelt sich in der russischen Presse je länger desto deutlicher wider. So hat z. B. die „Nowoje Wremja" die anläßlich der Eimordung zweier britischer Mi'sionare erfolgte Sendung von vier englischen Kanonenbooten den Iangtsekiang aufwärts nach Hankau mit einem sehr kritischen Kommentar begleitet, in dem es heißt: „In den letzten Jahren sind die russischen Käufer die un beschränkten Herren des Theemarktes gewesen; infolge der immer stärkeren Abnahme des Exports der chinesischen Theesorten nach London gewann ihre Tätigkeit einen dominierenden Einfluß. Unsere Firmen haben ihren Einfluß allmählich errungen und befestigt; von Hankau aus schicken sie den Ther sowohl auf dem Landwege nach Kjachta als auf Lein Seewege nach Odessa und London; in Hankau bereiten sie den Ziegel- und Taselthee; . . endlich lausen russische Schiffe in Hankau an. Welchen Zweck hat die Entsendung eng- lijcher Kanonenboote in diese Handelsstadt, deren Bevölkerung au der Ermordung der Missionare unschuldig ist? Wir haben allen Grund, diese Frage in London zu stellen, ebenso wie es notwendig ist, Maßregeln zum Schutze deS russischen Handels in China zu treffen." Auch die „Birshewyja Wjedomosti" haben die Ent sendung eines britischen Geschwaders nach Hankau als eine „durch nichts zu rechtfertigende" Maßnahme bezeichnet und den Schutz des russischen Handels im mittleren China für bringlich erklärt. Hält man sico vor Augen, daß solche Stim mungen den Hintergrund der Reise Wittes nach Ostasien mit bilden, dann leuchtet ein, daß die bevorstebenke Bericht erstattung Wittes bei Kaiser Nikolaus über die Ergeb nisse seiner Reise nach dem fernen Osten ein Vorgang von nicht zu unterschätzender Bedeutung sei» wird. Deutsches Reich. D. 0. Berlin, 29. Oktober. (Gebürtigkeit der N e i ch s b e v ö l k e r u n g.) Nach dem Ergebnis der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 sind von der Reichs bevölkerung, die 50 370 178 betrügt, 98,5 v. H. (— 55 529 229) im deutschen Reiche geboren. Tie übrige Bevölkerung (1,5 v. H. — 837 949) stammt zum größten Teil (829 599) aus nichtdcutschen Staaten; 257 Personen sind in deutschen Schutzgebieten und 131 auf See geboren; für 7902 Per sonen fehlt eine entsprechende Angabe. Bon besonderem Interesse ist die Frage, wie viel reichsgcbürtige Personen in den einzelnen Landcsteilen einheimisch ld. h. dort geboren und anwesend), wie viel dort z u g e z o g e n ld. h. in anderen Reichsgcbietsteilen geboren) und wie viel Ein heimische von dort verzogen ld. h. in anderen Landes teilen altz zugezogen ermittelt) sind. Für Ostpreußen wurden in dieser Beziehung 1 909 201 Einheimische, 71 92o Zugez-vgenc und 523 830 Weggezogenc sestgestellt. Dem nach hat Ostpreirßen 451916 Menschen durch Binnen wanderung an andere Gebietsteile des Reiches abgegeben. Neben Ostpreußen haben im Bevölkerungsaustausch der ReichSgebürtigen noch folgende Gebiete verloren (Zahlen in Tausend): Westprcußen (185), Pommern l219>, Posen (322), Oppeln (148), Breslau und Liegnitz (293), Feuilleton. Compania Carndor. 2Ss Roman von Woldemar Urban. »taa>-ruck vtrbcten. (Schluß. ) Diese trübe Stimmung wich erst wieder, als sie in einem Wagen mit ihrem Bater und dem Mozzo nach der Concordia fuhr. Der Mozzo hatte sich nach Kräften herautzgepntzt nnd sah nun in seiner wichtigen und stolzen Grandezza zn komisch arrö, als daß J^a noch länger ihren trüben Befürchtungen hatte nachhängen können. Sic dachte wehmütig lächelnd daran, daß heute die ganze Cvmpaüta Cazador wieder einmal zusammen sein würde, wenn eben ihre Mutter noch lebte. Sie hätten gleich eine Bvrstellung geben können, denn auch die große Pauke und sämtliche Utensilien lagen noch im Wohnwagen. Der Saal der Concordia war vollständig gefüllt, meist Kinder und Krauen, Mütter, Bonnen oder ältere Schwestern, die mit den Kindern gekommen waren. Isa wunderte sich. Wie hatte Professor Mastrogiovanini es fertig bekonnncn, so großes Interesse bei den Kindern zu erregen? Erst später, als sic sah, ein wie geschickter Ge schäftsmann dieser große Künstler war, begriff sie daS. Nicht nur an allen Straßenecken! und Anschlagsäulen, sondern auch in allen Familien, wo Kinder waren, in den Schulen und Instituten, bei den Lehrern fand man die ver kleinerten Plakate und Empfehlungen aus aller Herren Ländern des Professors Mastrogiovanini. Mit einer atemlosen Spannung, wie sie vielleicht noch niemand in Erwartung solcher Kunstleistungen gehabt, nahm Jfa Platz. Sic hatte Monsieur August nach seiner Rückkehr aus Rußland zum letzten Mal aesehen, wie er, vor tzrost zitternd, abgemagert und Halo kraut vor Er« schöpsung und Hunger auf der Matratze des Mozzo ge legen, fröstelnd den alten, abgeschabten, großkarriertcn Überzieher über der Brust zusammenziehend, und als jetzt der Vorhang sich teilte, trat ein hübscher, frisch und wohl gepflegt auösehender Mann hervor im Frack und weißen Handschuhen, die er rasch abzog und lässig auf ein kleines Tischchen warf. Er sah wirklich hübsch auö. Isa hätte nie geglaubt, daß unter der weiten und unförmlichen Clownkuttc, in der sie ihn zumeist gesehen, mit den lächer lichen Taffetrosen an irgend einer Stelle, eine so elegante, vornehm-geschmeidige Figur verborgen o'dcr unter dem weißen Kreidegeschmier ein so gutmütig-freundliches Ge sicht mit so innigem, herzlichem Ausdruck erscheinen konnte. Und doch war er der Alte! Ein Blick Isas in die reich bewegten, leidenschaftlichen, srciblickcnden Augen sagte ihr, daß Monsieur August in der Welt nichts von seiner frischen Reinheit, von seiner harmlosen Kunst- frendigkeit und Natürlichkeit eingebüßt hatte. Der Quell war klar und rein geblieben. Auch seine Stimme war die altvertrantc. Wie er sein Publikum mit einem kurzen, humoristischen Vortrag ansprach, den Kinckern Grüße von ihren kleinen Vettern jenseits deS Ozeans überbrachte, plötzlich abbrach und lächelnd fragte: „Ihr glaubt mir nicht? Gut. Ihr sollt sie selbst hören." Dann, sich rückwärts wendend, in die leere Luft rief: „Soll ich die kleinen Vettern in Deutschland nicht von euch grüßen, Tom und John?" und dann ein dünnes, feines Kindcrstimmchcn wie von weit, weit über den Ozcan her antwortete: „Ja, ja, natürlich, grüße sie alle, Onkel Mastrogiovanini" — das alles machte einen so graziösen, heiteren und frohen Eindruck, daß nicht nur Isa kein Ange von ihm abwcndcn konnte, sondern auch das ganze kleine Publikum an seinen Lippen hing, gespannt, inter essiert und stauncckd. Dann nahm er ein kleines, etwa fünfjähriges Mädchen auf den Arm, sprach ihm freundlich zu und fragte nach ge wissen Tatsachen. „Mit deiner Großmutter möchtest du reden?" fragte er dann. „Das wollen wir gleich haben." Dann rief er, wie in die Erde hinein: „Großmutter, bist du da unten?" und als keine Antwort kam, fragte er nach dem Himmel hinauf: „Großmutter, bist du da oben?", worauf eine ferne Stimme wie aus dem Himmel hcrunterricf: „Ja, natürlich bin ich im Himmel. Was macht denn mein kleines Lenchen auf der Welt? Ist sic brav und folgt sie ihren Eltern?" Das Kind wurde rasch zutraulich und unterhielt sich dann selbst mit seiner Groß mutter. Wo und wie hoch sic sei, wollte es wissen, und die Großmutter antwortete vom Himmel herunter: „Zehn Millionen und eine halbe Meile!" Solche und ähnliche Experimente, bei denen ein ge wisser naiver Humor vorherrschte und die Kinder fesselte, erregten natürlich im Saale ein lebhaftes Erstaunen. Die großen Augen der kleinen Leute leuchteten verwundert auf, und Isa sah mit Ueberraschung, wie sich dieses Leuchten in den Augen Monsieur Augusts wicderzuspiegeln schien, wie diese Kindcrseencn immer größere Vertraulichkeit und intime Herzlichkeit annahmem Tic Kinder weinten und lachten mit dem ihnen doch fremden Mann, als ob er nicht erst gestern von Amerika gekommen, sondern stets bei ihnen gewesen sei. Die Einbildung war natürlich bei den lebhaften Kindern der größte Helfershelfer deS Bauch redners bei seinen Experimenten. Wenn er ihnen sagte: „Deine Mutter ruft dich", so erkannte das Kind in dem Rufenden sogar die Stimme seiner Mutter, und Isa selbst erkannte ganz deutlich ihre eigene Stimme, als Monsieur August später seinem Auditorium seine Arie zum besten gab, die die „berühmte Sängerin" Isa Cazador auf seine Bitte sang — natürlich aus der Ferne. Die darauf folgende Erklärung, die Beschreibung der Kehlkopf- und Lungcnbcwcgiingcn, die Professor Mastrogiovanini machen mußte, um diese Täuschungen hcrvorzubringen, machte auf die kleinen Zuhörer gar keinen Effekt. War das nun Kunst oder war eS keine? fragte sich Isa. Die Kinder waren selig, klatschten in die Hände, unö ihre Augen sunkelten vor Lust und Vergnügen. Sie würden sich noch nach langen Jahren auf den Mann besinnen, der mit ihrer Großmutter gesprochen und ihnen noch nie gesehene und gehörte Dinge vvrgemacht. Wenn es keine war, warum machten es denn Hann der Graf Kälteren, oder Herr Habicht junior oder irgend ein anderer der heftigen Verehrer Isas nicht nach? Konnten sie auch nur ein Kindcraugc leuchten lasten, ein Herz schneller schlagen machen? Es sprach hier aber das Herz zum Herzen, und Isa verstand das wohl. Ohne daß sie es selbst wußte, war Monsieur August von jeher ihr großer Lehrmeister in der Auffassung wahrer und reiner Charaktere gewesen, weil er selbst ein solcher war. Sic kannte ihn. Sie las in seinem Innern wie in einem Buch, und was sic aus sich selbst nicht wissen konnte, lernte sic von ihm. Was konnte ihr ein anderer Mann sein? Am nächsten Tage, nachmittags, saßen sie zusammen in dem kleinen Gärtchen vor dem Hanse, in dem Isa wohnte. „Sie kommen direkt von New Bork, Herr Altmann?" fragte Isa. „Direkt", antwortete er. „Warum machen Tie so große Reisen? Sie sind doch ge wiß unterwegs durch manche Stadt gekommen, wo Tie auch Vorstellungen hätten geben können." „Ich wollte Ihnen gratulieren, Isa." „Wozu?" fragte sie nnd sah ihn etwas überrascht an. ,„Zu ihrem Grafen", antwortete er. „Sie wußten davon? Durch den Mozzo?" Er sagte nichts und sah sie wehmütig und traurig an. „Und Tic glaubten es auch?" fragte sie weiter und blickte zu Boden. „Ich kannte ihn ja nicht. Warum hätte ich's nicht glauben sollen?" „Aber jetzt kennen Sie ibn. Glauben Sie eS jetzt?'!
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