Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021111026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902111102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902111102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-11
- Tag 1902-11-11
-
Monat
1902-11
-
Jahr
1902
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis der Hauptexpedittlm oder de» tm Stadt« bezirk vnd den Vororte» errichtete» Aus gabestelle» abgeholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung toS HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland ». Oesterreich vierteljährlichS, für die übrigen Länder lautZeitung-preiSliste. — Ne-aktion und ErvedUion: JohanntSgaffe 8. Fernsprecher l S3 and L2L. FUtaleapedittone« r Alfred Hahn, Buchhaudlg.» UuwersttätSstr.S, k- Lösche, Kathariueuftr. 14» u. KäntgSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehleaer Straße 6. Fernsprecher Amt l Nr. 171L, Haupt-Filiale Serlin: KäntggrStzer Straße lIS. Fernsprecher Aart VI Nr. S3V3. Abeud-Ausgabe. NipügerTagMatt Anzeiger. ImLslilatl des Mnigkichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter demRedaktioaSstrich (4 gespalten) 75 vor de» Familteuaach- richte» (S gespalten) 50 H. Tabellarischer und sttffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühre» für Nachweisungen und Offertenannahme LS Lj (excl. Porto) Ertra-Beilagen (gefalzt)^ a«r mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördenuiz SO.-, mit Postbeförderung 70.—» Aunahmeschluß für Auzeigeu: Abead-AllSgabe: vormittags 10 Uhr. Morgeu-SuSgabe: Nachmittags 4 Uhr, Anzeigen stad stets an di« Expedition zu richte». Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet vo» früh S bi« abeudS 7 Uhr. Druck und Verlag vo» E. Pol» t»Leipzig. Str. 575. Dienstag den 11. November 1902. Sk. Jahrgang. Politische Tagesschau. » Leipzig, 11. November. Weiter in der Versumpfung! Gestern also wieder ein beschlußunfähiger Reichstag! Es wäre zum Lacken, wenn es nicht gar zu kläglich wäre. Man war zusammengekommen, um mit den namentlichen Abstimmungen über tz 5 des ZolltarifgrsetzeS fertig zu werden ; cS war auch zu Anfang die nötige Anzahl von Mitgliedern anwesend, aber nachdem eine Anzahl sozialdemokratischer und freisinniger Anträge teils in einfacher, teils in namentlicher Abstimmung abgelehnt war, verkrümelte sick ein Teil der mühsam rusammengetrommelten Herren, so daß bei der nament lichen Abstimmung über einen sozialdemokratischen Antrag zu Nr. 12 des tz 5 die Beicklußunfähigkeit sich herauSstellte. Also ganz die nämliche Geschichte wie am Freitag, mit dem einzigen Unterschiede, daß damals Hum Schlüsse die Link streikte, während sick gestern Angehörige der Rechten an dem „Begräbnis erster Klasse" beteiligten, — derselben Rechten, die sich über die Obstruktionsmanöver der Opposition empört und Aenderungen der Geschästsordnung in AuSsickt nimmt, die die Opposition noch mehr reizen! Heute muß nun infolge des gestrigen schimpflichen Ausganges der Sitzung die Ab stimmung über Nr. 12 des tz 5 wiederholt werben und dann kommen noch einige andere namentliche Abstimmungen. Und was dann weiter? Der Antrag Aichbichler auf Acnderung der Geschäftsordnung ist für heute nicht mit auf die Tagesordnung gesetzt. Einen Vorschlag hierzu zu machen, lehnt auch der Präsident ab; die Antragsteller selbst müssen dafür sorgen, daß ihre Anregung zur Besprechung kommt. Das stellt eine uferlose GeschäftSordnungßdebatte in Aussicht, da bei einer solchen kein Antrag auf Schluß gestellt werden darf. Zum Antrag Aichbichler haben die Sozialdemokraten eine Unmenge von Uuteranträgen gestellt — — man spricht von 100 solchen Anträgen! Kein Wunder, wenn angesichts solcher Tatsachen selbst die „Berliner Pol. Nachr", di- bisher noch immer an der Hoffnung auf eine rechtzeitige Verabschiedung der Zollvoriagen festhrclteu, nunmehr schreiben: „Angesichts der Stärke der Schutzzollmchrheit kann man den Vorwurf, die parlamentarischen Zustände einer unabsehbaren Krisis entgegen treiben zu lassen, schon nicht mehr allein gegen die Obstruktion der Minderheit richten, sondern muß leider gestehen, daß die unverantwortliche Säumigkeit eines großen Bruchteils der Mehrheitsparteien eine ebenso schwerwiegende Mitschuld trägt. Die Hoffnungen auf ein dem Laude heilsames positives Ergebnis sind nach der gestrigen, von niemandem erwarteten Erfahrung begreiflicherweise stark herabgestimmt." UebrigenS scheinen die Aussichten dcS Antrags Aichbichler insofern mehr ab- als zuzunehmen, als auch im Schoße der Mehrheit die Zweifel zugenommen haben, ob mit diesem AuöbülfSmittel etwas Wesentliches erreicht wird. Die „Kreuz- Zeitung" redet der Mehrheit stark ins Gewissen. Sie gibt die Hoffnung auf, daß der Reichskanzler sich noch ernstlich sür Durchdringung des Zolltarifs in« Zeug legen werde, und ermahnt daher die Mehrheit, ihre Pflicht zu tun. Da» konservative Blatt schreibt: „Sollte in der Tat Graf Bulow, wie aus der in Wien veröffentlichten Unterhaltung mit einem ReichStagsabgeordnetcn herauSgelefen wird, sich neuerdings in so „resignierter" Stimmung befinden? Wer will daS sagen? Neuerdings erfährt man ja die Anschauungen unseres leitenden Staatsmannes immer erst auS zweiter oder dritter Hand. Es scheint wirklich, als habe Graf Bülow an der Zolltarifvorlage kein Interesse mehr. Dafür spricht auch seine von Wien aus kundgegebene Aeußerung über die Obstruktion. Er will nicht mehr in diese Sache eingreifen, sondern glaubt, daß die Linke die Obstruktion selbst auigeben werde. Möglicherweise aber hat er sich inzwischen überzeugt, daß er in dieser Hinsicht sich in einem starken Irrtum befindet. Möglicher weise auch gelangt er zu der Ueberzeugung, daß es dem An- sehen der verbündeten Regierungen nicht gerade dienlich ist, wenn eine oppsitionelle Minderheit in so unerhörter Weis« mit einer ihrer Vorlagen umgeht, die von ihnen selbst als eine der wichtigsten, die jemals eingebracht worden sei, bezeichnet worden ist. Je gleichgültiger aber die Regierung sich gegenüber dem Zolltarif zeigt, desto entschiedener muffen die Mehrheitsparteien ihre parlamentarische Pflicht tun. Zunächst handelt es sich darum, die zweite Lesung möglichst rasch zu beendigen und damit zur Entscheidung zu gelangen. Graf Limburg» Stirum hat erst vor kurzem im Reichstag hervorgehoben, daß, da wir uns jetzt erst im ersten Stadium der Verhandlungen be finden, eS sich darüber, ob die Vorlage gescheitert sei oder nicht, erst urteilen lasse, wenn man am Schluß augelaugt sei. So sei es stets gehandhabt worden und so werde man die Sacke auch diesmal handhaben. Glauben die verbündeten Negierungen schon jetzt, der Obstruktion gegenüber «ine resignierte Stimmung markieren zu sollen, so darf sich dadurch die positive Mehrheit, die noch immer fest entschlossen ist, das Ihre zu tun, um die Vorlage zu verabschieden, nicht irre machen lassen. Die Verantwortung im Falle eines Scheiterns der Zolltariivorlage infolge der Passivität der Regierungsvertrcter oder der Obstruktion werden die positiven Parteien, sofern sie bis zum Ende ihre Pflicht erfüllen, nicht zu tragen haben." Während die „Kreuzztg." so ihre Mannen zum Kampfe gegen die Obstruktion ausrp't, twobt die „Deutsche Tageszt,- ", selbst für den Fall, daß die verbündeten Negierungen Vie Verlängerung der bestehenden Handelsverträge auf eine längere Reihe von Jahren Vorschlägen werden, mit der Anwendung der Obstruktion dagegen im Reichstage: „Daß die Mehrheit des Reichstages sich dazu verstehen sollte, zu einer Verlängerung der Handelsverträge die Hand zu bieten, können wir nicht glauben. Im Gegenteil, das wäre rin Fall, wo sie sich ernstlich die Frage vorlegen müßte, ob sie nicht alle geschäftZordnungsmäßigen Mittel rück sichtslos anwenden sollte, um eine derartige Vorlage zum Scheitern zu bringe»." Die „Deutsche Tagesztg." spricht dadurck die grundsätz liche Anerkennung der Berechtigung der Obstruktion auo. Für die Sozialdemokratie hockst eifreulick! Und nicht minder erfreulich für diese und die Freisinnigen wird die folgende Meldung der „Nat.-Lib. Corr." sein: „Von Bemühungeu, welche stattsänden, um die vielberusene Zollverständigung herbeizuführen, ist es zur Zeit durchaus still. In Regierungskreisen verstäikt sich, wie wir hören, der Eindruck, die beiden Rechtsparteien sprächen zwar von Verständigung, wollten aber nichts thun, um ihrer seits von einem Standpunkt abzugehen, den die verbündeten Regie rungen als Grundlage einer Verständigung verworfen haben. Das Gefühl der Abhängigkeit vom Bunde der Landwirte scheint sich in den Reihen der Rechtsparteien immer mehr zu verstärken. Das Zentrum möchte sich, wie anzunehmen ist, gern und lieber beute wie morgen mit der Regierung verständigen» eS scheint aber die Verantwortung dafür allein nicht auf sich nehmen zu wollen." Ist eö so, so ist eS allerdings begreiflich genug, wenn die konservativen und die klerikalen Abgeordneten sich nicht zu dem Sitzungssaale des Reichstags drängen, und so werden auch die Mahnungen der „Kreuzztg." nicht viel helfen. Es wird freilich eine Zeit kommen, da daS Zentrum daS Feuer aus die Nägel brennen fühlt und seinen sich dann entwickelnden Eifer auch aus die Konservativen überträgt. Aber die Be fürchtung läßt sick nicht abweiien, daß es dann zu spät sein werde, daS Versäumte nachzuholen. Zu dem Mittel, die Krauen und dieKinder der „unverbesserlichen Schwänzer" auf,»reizen, ibren Gatten und Vätern die warme Kost und deu Gehorsam so lange zu verweigern, bis sie ihre Pflicht thun, kann man ja doch nicht greisen. BnndeSratSeiitschlief;ui»gcn über NeichStagSbeschlüfse. Im Laufe der letzten Jahre ist eS bekanntlich im Reichs tage mehrfach bemängelt worden, daß BundesiatSentichließunzen über Reickstaasbeschlüsse, seien eS Militär-Gesetzentwürfe, leien eS Resolutionen, so außerordentlich lange auf sich warten lassen. Mit vielleicht noch größerem Rechte darf darüber Klage geführt werden, daß dergleichen bundes- rätliche Entschließungen selbst dann, wenn sie bereits erfolgt sind, dem Hause und der Oeffentlichkeit überhaupt ungebühr lich lange vorentbalten werben. Zumal in Fällen, wo eine Seision die normale Dauer überschreitet und sich über mehr als nur ein Jahr erstreckt. In solchen Fällen kommt eS vor, daß die sonst zu Beginn der parlamentarischen Arbeiten im November ober Dezember übliche offizielle Bekanntgebung der „Enlschließnnaen des Bundesrats Uber die in der letzten Seision vom Reichstage gefaßten Beschlüsse" sick entsprechend ver,^.,. - Wenn «ruck über, die BundeöralS - Sitzungen, wie sie mehrmals im Laufe eines Monats statisinden, als bald kurze offiziöse Mitteilungen in die Presse gebracht zu werden pflegen, so ist das doch nur ein ganz unzulänglicher Ersatz. Tenn in der Regel beschränkt sich die offiziöse Notiz aus Feststellung der Tatsache, daß ter Bundesrat „dem be treffenden Aussckußanlrage zugestimmt" habe. Was eigentlich der betreffende BnndeSratö-Ausschuß beantragt und was dem gemäß das Plenum des Bundesrats beschlossen hat, darüber bringen die offiziösen Notizen keine Angabe. So war eS vor einiger Zeit, im Sommer, hinsichtlich der Reichstagsresolution wegen des kaufmännischen Vertriebs von Essigessenz, und so auch neuerdings mit der vom Reichstage in seiner letzten Sitzungsperiode beschlossenen Resolution wegen Ernennung einer Eiiquvte-Kommission in Sachen der Arbeilölosen-Versiche- rung. Hinterher erfuhr zwar bekanntlich die „Soz. Praxis", der Bundesrat habe beschlossen, die arbeltsstatistische Abteilung des Statistischen Amtes zu beauftragen, das Material über die im Reiche bestehenden Einrichtungen zur Versicherung gegen Arbeitslosigkeit zu sammeln. Aber noch immer ist un bekannt, ob sich hierin der BundeSratsbeschluß erschöpft oder ob der Bundesrat vielleicht doch noch außerdem in irgend einer Weise zu der Frage der Ein,etzung einer Euquste- Kommission Stellung genommen hat. Englands, Frankreichs «nd Deutschlands afrikanischer Kolonialbesitz. Durch die Einverleibung der ehemaligen Boeren- republikcn in britischen Kolonialbesitz hat das Flächen gebiet der britischen Territorien in Afrika eine Ausdehnung von nahezu 4 Millionen englischen Quadratmeilen (1 englische Ouadrattneile — etwa 2,5 Quadratkilometer) erreicht, und damit das Kolonialgebict der französischen Republik übertroffen, die bisher der größte Grundbesitzer in Afrika war. Allerdings macht ziemlich die Hälfte des französischen Kolonialbesitzes das Saharagebiet aus, das 2 Millionen Quadratmeilen mißt, auf dem etwa ebensoviel Bewohner leben, so daß für den einzelnen Bewohner 1 Ouadratmeile zur Verfügung steht. Außer Egypten und dem egyptischen Sudan sind gegen wärtig folgende Gebiete britischer Besitz oder stehen unter britischer Verwaltung: Basutoland, Kapkvlvnie, Natal, Oranje- und Transvaal-Kolonie, Gambia, Goldküste, Lagos, Nigeria, Sierra-Leone, Rhodesia, die Schutzgebiete von Britisch-Zentral- und Britisch-Ostafrika, von Bet- schnanaland, Somali-Küste, Uganda und Zanzibar. Frank reich und Belgien besitzen in Afrika 3,8 Millionen, Deutsch land 933 400, Portugal 790 100, die Türkei 398 900, Italien 188 500, Spanien 169150 englische Quadratmeilen; die un abhängigen Staaten umfassen insgesamt ein Flächengebiet von 149 000 Quadratmeilen. Es sind also außer den Ver einigte» Staaten, Rußland und Oesterreich-Ungarn alle größeren Mächte in Afrika durch Kolonialbesitz vertreten. Von der auf etwa 200 Millionen geschätzten Einwohner zahl des Kontinents stehen 40 Millionen unmittelbar unter britischer Herrschaft, und cs wird kaum zu niedrig ge griffen sein, wenn man die Gesamtzahl der unter britischer „Kontrolle" stehenden Afrikaner, einschließlich der .Be völkerung Egyptens und des egyptischen Sudan, auf über 100 Millionen annimmt. Deutschland besitzt in Togo <87 200 Quadratkilometer), Kamerun <495 000 Qua dratkilometer), Deutsch-Südwestafrika <835 100 Quadrat kilometer), Dcutsch-Ostafrika <995 000 Quadratkilometer) einen afrikanischen Kolonialbesitz von insgesamt 2,4 Millio nen Quadratkilometern Flüche, während die englischen Territorien fast 10 Millionen, die französischen 9,5 Millio ncn Quadratkilometer umfassen. Immerhin rbird der Flächeninhalt des Deutschen Reiches von dem der deutschen Territorien in Afrika um mehr als daö Fünffache über troffen. Die Einwohnerzahl der deutschen Besitzungen und Schutzgebiete, unter denen die zweitgrößte Kolonie, Deutsch-Südwestafrika, am schwächsten bevölkert ist, wird auf etwa 12,2 Millionen Seelen geschützt. Die Bevölke rungsdichtigkeit ist in den bisher genauer erforschten oder der Kolonisation erschlossenen Teilen Afrikas außerordent lich verschieden; sie beträgt, wie schon erwähnt, tm fran zösischen Sahara-Schutzgebiet durchschnittlich 0,4 pro Qua dratkilometer, in Britisch-Nigeria 28, in Kamerun 0,7, in Deutsch-Tüdwestafrika 0,25, in Deutsch-Ostafrika etwa 6 pro Quadratkilometer. Mag aber auch der deutsche Kolo nialbesitz in Afrika hinsichtlich seiner räumlichen Ausdeh nung und seiner Bevölkerungsdtcktigkeit erheblich hinter den Territorien Frankreichs und Englands zurückbleiben, die bisherige, wiewohl kurze, Entwickelung der deutschen Kolonien hat gezeigt, daß diese sowohl bezüglich ihrer klimatischen Verhältnisse, wie an Mannigfaltigkeit und Reichtum der Produktivität gleich günstige Vorbe dingungen besitzen, wie die afrikanischen Besitzungen der beiden anderen Kolonialmächte. Allerdings wird es, um die vorhandenen Quellen zu erschließen und für den deutschen Handel nutzbar zu machen, der Aufwendung Feuilleton. Vas Findelkind. Roman von Ern st Georg y. Viachdruck verboten. Werner von Ncckcnburg stand still und betrachtete das junge Mädchen, welches sein Nahen noch nicht bemerkt hatte. Tie sah nicht krank aus, schien ihm sogar stärker geworden. Ihre Gesichtsfarbe war bleich, aber nicht un gesund. Unnatürlich war bloß der starre, schwermütige Ausdruck. Gram und ein merkwürdiger Zug von innerer Verstörtheit lagen nm den blassen Mund, zwischen den dun keln Brauen, um die weit aufgcrissenen Augen, die vor sich hinstarrten. — Ihre Haare leuchteten wie gesponnenes Gold» die feine Nase mit den etwas breiten Flügeln vibrierte beständig. Die Lippen lagen fest auseinanocr gepreßt. — Er schaute und schaute. Sein Herz wurde weich. „Erna!" sagte er leise. Ein Zucken glitt durch ihren Körper. Sic blickte auf und stand zitternd, bis ins innerste ergriffen, vor ihm. Er öffnete die Arme, und mit einem Schluchzen warf sic sich hinein. Wie ein Freund hielt er sie umfaßt. Er koste sanft ihre Haare und biß die Zähne zusammen, um sie in überwallender Liebe nicht an sich zu pressen: „Weine dich aus, mein Liebling!" flüsterte er dann leise und weich wie eine Mutter. „O, ich danke dir, danke dir von ganzem Herzen, daß du mich gerufen hast, Erna, daß du den Bann durchbrochen, der uns von dir ab sperrte!" meinte er. „Es ehrt mich, daß ich derjenige bin, der dich wieder der Welt zuführen kann und den andern, deinen Eltern, die sich um dich sorgen und grämen!" Mitten im Weinen hielt sie inne und lachte spöttisch auf: „Meine „Eltern" und „um mich grämen"? Ha, die gut mütigen fremden Leute, die das Bettelkind bet sich auf nahmen und hegten, bis sie im eigenen Kinde Ersatz sanden!" „Erna, du versündigst dich wider dein besseres Wissen!" rief er streng. „Die Liebe, das Glück mit -em Kleinen war natürlich und begreiflich. Dir ging ihre Liebe nicht ver loren, und sie hätten dich für dein ganzes Leben sorglos ausgestattet!" Gellend lachte sie auf und rief mit blitzenden Augen: „Lüge nicht! Sie haben so viele Millionen und ließen den Mann, -er mich, den ich liebte, um der geringen Summe willen in den Tod gehen! Ottos Selbstmord lastet auf ihnen. Sie sind die Mörder, sie, die ich hasse und ver achte! Jeder Bissen wird zum Gift in diesem blutbefleckten Hause. Werner, Werner — der arme Otto!" „Woher weißt du das?" fragte er entsetzt. Sie riß mit zitternden Händen einen zerknitterten Brief heraus. „Ta, lies, du bist der Einzige, der ihn je lesen wird! Weil du allein mein Freund bist!" Reckcnburg entfaltete das Schreiben. Es lautete: „Geliebte, über alles geliebte Erna! Wenn diese Zeilen von meinem Burschen zum Post kasten getragen werden, dann wird der Revolver seinen Dienst tun. In der Todesstunde lügt man nicht. — Glaube mir, Geliebte, nur mir! — Armes, stolzes Lieb! Tu ein Kind aus der Hefe, du ein Findling? Es ist nicht wahr! Eine Königin, die ich achte und liebe, und wenn du die Tochter des Mörders wärest! Er glaubte mir nicht, ver traute meinem Charakter nicht, der Krämer! Meine Briefe an I. benutzen sie gegen mich. Ich soll dich nicht lieben, Schöne, Stolze! Spekulation wäre es! Wie schnöde! Wenn ich spekulierte, dann brauchte ich nur die reiche Kohn zu heiraten, sie ist reicher als du! — Ich ver zichte, weil ich dich liebe. Der Beweis dafür ist mein Tod! Gehe aus dem engherzigen Kreise fort, Geliebte, du gehörst nicht dahin. Gott schütze dich, einzige, teure, geliebte Erna! Bis in den Tod dein! Otto." Der Offizier ließ den Brief sinken. Vor innerer Be wegung konnte er nickt sprechen. Nach einer Pause sagte er heiser: „Unglücklicher Mensch! Er ist tot, und diese Zeilen beweisen, wie verstört er war. Ter -Haß, den er predigt, entspringt der düstcrn Verzweiflung. Er ist leicht sinnig, aber gut gewesen! Onkel Bolmann glaubt es selbst; aber Erna, versetze dich in die Lage deines Vaters! Einen» solchen Manne vertraut man sein geliebtes Kind nicht an. Onkel bewilligte ihn, sogar eine Prüfungszeit von einem Jahre in Amerika. Aber er wollte ohne dich nicht hinüber. Dies beweist dir seine Schwäche!" „Nein! — Ich habe keinen Vater! Jene Leute da hasse ich!" „Liebling, du bist setzt krank und verbittert!" „Ja! Das bin ick!" rief sie. „Aber das wird sich mit der Zeit wieder legen, wenn du sichst, mit welcher Liebe Bolmanns und wir alle an dir hängen. Hennigs sind mit Eduard deinetwegen fast ver feindet. Und wir Reckenburgs, kurz wir alle, liebe, gute Erna, spüren in unserer Zuneigung zu dir absolut keine «enderung. E» hat sich doch auch nicht» geändert!" Sie lauschte, dann aber flannnte ein grenzenloser Hoch mut in ihren Zügen auf. „Alles hat sich geändert, alles! Vor allem ich! — Ick kann Bolmanns Mitleid und das eure dazu nicht ertragen. Nein! Ich kann nicht, ich will nicht! Der Reichtum, die Verwöhnung kommen inir nicht zu! Ein Forschen nach meiner Herkunft ist ebenso erfolg los. Hier gehe ich zu Grunde, und darum muß ich fort. Ich habe kunstgewerbliche Arbeiten immer gern und gut gemacht. Damit will ich mir mein Brot verdienen! — Fühlst du denn nicht, Werner, daß ich in diesen Wohltaten ersticken muß? Ach, ich wünschte, ich könnte ihnen auf ein Mal all die Tausende hinwerfen, die ich sie gekostet!" Sie verschränkte trotzig die Arme und sah ihn an. Er schüttelte traurig den Kopf. „Kannst du ihnen auch all die Verwöhnung, die Liebe zurückgcben, die sie an dich verschwendet? Die durchwachten Nächte, die Tante Adel heid bangend an deinem Bett verbrachte, Erna? Wohin, zu welchen schlechten Begriffen führt dich dein Gram?" Betroffen schaute sie zu Boden und schwieg. — Die Vögel zwitscherten im Gesträuch und der Flieder duftete fast berauschend. Werner kämpfte mit sich. Tann begann er stockend: „Erna, noch ist dein Herz schwer verwundet um des armen Ottos willen; aber du wirst mit der Zeit ruhiger werden und den Schmerz überwinden. Du weißt, daß mich, seitdem ich denken kann, nur ein Gefühl be herrscht, das ist die große, innige Liebe zu dir. Ick kann dir nachfühlen, wie schwer dir der weitere Aufenthalt in Hamburg wird; aber ertrage ihn noch einige Zeit! Ich lasse mich in irgend eine kleine, ferne Garnison versetzen und hole dich als mein Weib, daS ich bis an mein Lebens ende als daS höchste und teuerste Kleinod auf Händen tragen will!" Seine Stimme bebte. Sie schaute ihn gequält an. „Laß mich!" flehte sie heiser. „Ich kann keine Liebesworte mehr hören. Du weißt nicht, wie du mich peinigst damit. —- Werner, noch bin ich wund und krank. Noch ein Monat hier, und ich werde wahnsinnig und ihr könnt mich dort aus der Alster holen! — Du bist meine einzige Rettung, darum habe ick dich hcrgebcten, du sollst mit den El—, mit meinen Wohltätern, — sprechen, baß sie mich fortlasscn — oder ick fliehe bet Nackt und bettle mich durch. — Ich will nach Paris, dort kenne ich Künstler, die mir helfen werden mein Brot zu finden! Bald muß ich fort! Hilf mir Werner, wenn du mich liebst!" Der Offizier ballte die Hände, um sich zu beherrschen. „Und wir? - Ich?" „Später! Nur vermittle, daß ich morgen schon fort komme!" Totenblaß starrte er sie an. Auf seinem guten Gesicht lag so viel Leid. Sie konnte es nicht ertragen und wich langsam zurück. Er schritt ihr nach. „Gut, Erna, ich werde mit deinen Eltern sprechen. Ich werde dir helfen, selbständig zu werden. Ich werde meine Liebe in mich verschließen. Alles soll geschehen; aber ein Versprechen verlange ich unbedingt von dir — ein Versprechen, daö heiliger als dein Eid ist!" „Was verlangst du?" Werner ergriff ihren Arm. Er sah so männlich «nd energisch aus, daß sic willenlos wurde. „Ich appelliere an dein Herz und deinen Verstand, Erna! Darum wünsche ich, daß du in Frieden von Bolmanns scheidest und ihnen dankbar bist. Heute scheint dir das unmöglich! Wen» du erst allein im Leben stehst und kämpfst, wirst du sehen, was du, — gerade weil du „angenommen" bist — sie zuckte zu sammen; aber er sprach unerbittlich weiter — ihzien schuldest! Du wirst sie im Geiste zehntausend»»»»! nm Ver zeihung bitten für das, was du ihnen angetan! — Ich ver lange von dir, daß du eine kleine Geldsumme und deine Sachen, all ihre Geschenke, dankbar mitniinmst, damit du gegen die ersten Kämpfe ausgerüstet bist. Und weiter ver lange ich von dir, daß du mir stets deine Adresse und die Veränderungen in deinem Leben mittctlst. Dein störri scher Sinn drängt darnach, dick von uns allen zurückzu ziehen, für uns auf immer zu verschwinden! Ick babe dick jetzt kennen gelernt! — Ich aber will in Zukunft dein Freund und der Vermittler zwischen dir und deinen Wohl tätern — er betonte das Wort — bleiben. Die Sorgen qual und Angst um dich will ich ihnen ersparen! — Du bist unmündig, nnd wenn du mir jetzt nicht mtt deinem Ehren wort die Einhaltung meiner Wünsche beschwörst — bei Gott, so sorge ich dafür, daß man dich gerichtlich zum Ge horsam zwingt!" Das Mädchen sah ibn unbeweglich und überrascht an. Tie erkannte ihren sanften Verehrer nicht mehr wieder. Aber seine wilde Entschlossenheit imponierte ihr. Sie wagte keinen Widerstand. „Du kennst jetzt meine Be dingungen, Erna. Willst du sie erfüllen und gleich mtt mir mr Tante kommen und dich bis zum Schlüsse benehmen, wie cs sich gehört?" — Seine kräftige Han- umklammerte dabei ihren Arm. Erna, vergrübelt, vergrämt und matt, hauchte schwach: „Ich wilU"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite