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Abend-Ausgabe SS. Jahrgang. Nr. 17 Dienstag den 10. Januar 1905. A»»eh»eschl»ss ftr A»zei,e»: Abe»d-Autgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: nachmittag» 4 Uhr. Liese «n»»-r kastel H/ssMe auf alle» Bahnhöfe» und bei de» Zettungt-UertLnfern s Vezugs-Yrei» in bar tzanptrxpMtio« ob« der« Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich 8.—, bei zweimalig« täglich« Aust,llnug in» Han» 8.7Ü. Durch bi» Post bezog« für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich ^8 4.50; für di« übrig« Länb« laut 8ettuug»pre1»ltst«. «rduttia» un» «rtzedttiour 1L3 Fttnsprech« 828 Johannisgaffe 8. HuuHt-Kiltnle DreStzettr Marieustratze 84 Dernsprech« Amt I Nr. 1718). H«dt.KUtnl« verN«: LarlDunckr r, Hrrz^l.»^lyrHost»4ha»Llg^ (Fernsvrvh« Amt VI Nr. 4603). Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile >5 Familien- - und Stellen-Anzeigen 20 Finanziell, Anzeiaen. Geschäfttanzeigeu unter Text oder au besonderer Stelle »ach Laris. Die 4gespalt«e Reklamezeile 7b xj. MpMer.TagMM Anzeiger. Amtsblatt des königlichen Land- «nd -es königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und -es Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeige» sind stet» an die Expedition zu richten. Extra-vrila-e« (nur mtt brr Morgen- Ausgabe) nach besonderer vereiubaruag. Die Expedttia« ist wochentags ununterbrochen geöffnet vou ,'rüh 8 bi» abend» 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Paiz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Klinkhardt). Var WichNgrte vom Lage. * Die Reichsbank hat heute ihre« DiSkout vou 5 auf 4 Prozent uud den Lombardzinsfuß von 6 auf S Prozent herabgesetzt. (S. Bolksw. Teil.) * Ein schweres Gewitter mit Schneesturm entlud sich heute morgen über München. Der Blitz schlug in da» ElektrizitLtSwerk. (S. il. a. W.) * In Marseille ist gestern die Anarchistin Louise Michel gestorben. (S. Ausland.) * In zwei uuverlässtgen Meldungen wird der Rücktritt Swiatopolk-Mir-ky» zu Gunsteu Witte» für heute «gesagt. (S. Ausland.) Der ittablirampl in vavrr«. (Don unserm Korrespondenten.) 88 München, 10. Januar. Der allmählich einsetzende Wahlkampf in Bayern hat uns die erste Ueberraschung gebracht: die Einigung d«S Liberalismus aller Schattierungen von rechts nach links. ES ist drS insofern eine Ueberraschung, als sich einer solchen Einigung die ver schiedensten Schwierigkeiten in den Weg stellten, die zu beseitigen fast unmöglich schien. Daß es Loch gelungen ist, wird jeden wirklich liberalen Mann aufrichtig freuen, denn man ist damit endlich einen Schritt weiter gekom men im Feldzug gegen den KlerikaliSmuS, -er alle frei- heitlichen Regungen und alle wissenschaftlichen Be strebungen zu überwuchern und im schwarzen Morast -er Reaktion zu ersticken drobtc. In diesem Sinn spricht sich die Resolutton aus, die vor kurzem eine aus Vertretern der Nationalliberalen, Freisinnigen, Nationalsozialen, der demokratischen und der jungliberalen Partei be- stehende Versammlung faßte und die lautete: „Die am Sonntag, den 18. Dezember 1904, auf Einladung de» liberalen KreiSverbandeS für Schwaben und Neuburg im Museum zu Nürnberg versammelten Delegierten haben sich nach eingehenden Beratungen auf ein gemeinsames Wahlprogramm für die Landtagswahlen 1905 geeinigt. Sie haben in voller Würdigung der Bedeutung «ineS pro- grammatischen Zusammengehens aller freiheit- lichGesinnten gegen die Reaktion einheitliche Grundsätze zur energijchen Vertretung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen de» bayerischen Volkes aufgestellt. Vor allem haben sie einmütig die überragende Bedeutung der Er reichung eine» freiheitlichen, d. h. allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht» für die bayerische Kammer der Abgeordneten anerkannt. Die in Nürnberg vertretenen Gruppen werden die hier vereinbarten Grundsätze ihren spe- ziellen Organisationen zur Annahme dringend empfehlen und sich bemühen, vor dem 8. Januar 1905 eine Entscheidung der- selben herbeizuführen, damit der für die Zukunft de» Vater- lande» so bedeutsame Wahlkamps de» kommenden Jahre- recht- zeitig eingeleitet werden kann unter dem Zeichen eine» festen und entschiedenen Zusammenwirkens aller liberalen Elemente »um Kampfe gegen den Rückschritt und zur Wahrung der ma teriellen und ideellen Interessen de» bayerischen Volke»." Freilich müßte es als eine vollkommene Verken nung -er tatsächlichen Verhältnisse be- zeichnet werden, wenn man sich jetzt etwa -er Hoffnung hingeben wollte. Laß damit der Sieg der liberalen Koa- lition schon gesichert sei. Das hieße die Macht einerseits der Ultramontanen auf dem Lande und andererseits der Sozialdemokraten in den Städten unterschätzen. DaS Mißtrauen eines großen, man kötmte fast sagen deS größ ten Teils deS bayerischen Volkes gegen den Liberalismus, wie er sich in den letzten Jahren präsentiert hat, ist zu groß, um jetzt einfach auf programmatischem Wege be seitigt zu werden. Und was die anderen Parteien der Koalition anbetrifft, so haben sie im Wahlkampf nie eine ausschlaggebende Bedeutung gehabt, sie waren höchstens in einzelnen Wahlbezirken das Zünglein an der Wage. Sich also einem allzugroßen Optimismus hin- zugeben, könnte nur eine Enttäuschung bringen. Einen so mächtigen und ausschlaggebenden Faktor in der Berech- nung der Wahlaussichten wie das Zentrum einer ist, kann man nicht so leicht auf -en Wert herabsetzen, dar ihm in unserem geistigen und kulturellen Leben zu- kommt. Was man seit Jahren und Jahren aus Grün den, die man hier wohl nicht des Näheren zu erörtern braucht, versäumt hat, läßt sich nicht in einem einzigen Wahlkampf von wenigen Monaten wieder gut machen. Dazu gehört Zeit und rastlose Arbeit. Aber man ist jetzt daran, es wieder gut zu machen, und daS ist daS Bedeutsame an der Einigung der liberalen Elemente Bayerns, denn diese Einigung ist die Basis, auf der der Liberalismus weiter bauen, von der auS auf den gemeinsamen schwarzen Feind losmarfchiert werden kann. Und um die Wichtigkeit dieses Ereignisses richtig würdigen zu können, muß man sich stets vor Augen halten, daß hier im Kampf gegen den Ultramon- tanismus nicht allein politische Motive in Frage kommen, sondern daß hier sich zwei entgegengesetzte Weltanschauungen gegenüber stehen, die um die Herrschaft kämpfen. Von diesen höheren Gesichtspunkten aus, kann man die jetzt zustande gekommene Einigung aller Liberalen alsdieWiedergeburtdes liebe- ralen Gedankens bezeichnen, und deshalb darf man sich nicht entmutigen lassen, wenn in diesem Wahlkampf praktisch die Erfolge noch nicht den Erwar tungen entsprechen sollte. Tas Programm der Einigung umfaßt folgende Punkte: Festigung und freiheitlicher Ausbau der gemeinsamen Reichseinrichtungen unter Wahrung der bundes- staatlichen Verfassungsgrundlagen. Schaffung eines Wahlgesetze» auf der Grundlage des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechtes, wenn möglich nach dem Grundsätze der Verhältniswahl, sonst auf Grund einer unparteiischen Wahlkreiseinteilung. Erweiterung der Ersten Kammer deS Landtages im Sinne einer zeitgemäßen Zusammensetzung. Freiheitliche Gestaltung de» Versammlungs- und Vereinsrechtes, insbesondere durch Zulassung von Frauen zu politischen Vereinen und Versammlungen. Forderung für da» Heer: Schutz gegen Mißbrauch der Dienstgewalt, Öffentlichkeit des Militärgerichtsverfahrens, Einschränkung der Offizierspensionen, Verbesserung der Stel- lung der Veteranen. Ungeschmälert« Aufrechterhaltung der verfassungsmäßigen Staatshoheit auf k i r ch «n p o I i t i s ch e m Ge biet« und Abwehr klerikaler Eingriffe besonders im Schul- wesen. Bekämpfung deS Mißbrauch» der Religion zu poli tischen Zwecken, Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und Lehre, sowie der Kunst, Abwehr der konfessionellen Einwirkung auf das Hochschulwesen, Schaffung eine» neuen Schulgesetzes, Verstaatlichung der Volksschule, allgemeine Einführung der Simultanschule, allgemeine Fachaufsicht. Umgestaltung de» S t e u e r s y st e m S unter Ueberweisung der Ertragssteuer an die Gemeinden unter Zugrundelegung einer allgemeinen progressiven Einkommensteuer mit er gänzender Vermögens- und Erbschaftssteuer. Herbeiführung einer Betriebsmittelgemein schaft. Mithülfe bei Ueberwindung der in der Landwirt schaft bestehenden mißlichen Verhältnisse. Aufrechterhaltung der Gewerbefreiheit. Sicherung und Ausbau des Koali tionsrechtes für alle Arbeiter. Rechtsfähigkeit der Be- russvereine, Arbeitskammern, gesetzliche Festlegung des zehn stündigen Maximalarbeitstages. Staatliche Ar- beitslosenfürsorge. vn turrirch-sapanstche Weg. Ein« geheimer Bericht -er General» Aebama. Das „Echo de Paris" beginnt mit der Veröffentlichung eines geheimen Bericht-, der 1902 an den Präsidenten des japanischen Ministeriums Katsura vom General K o - bama, dem jetzigen Generalstabschef in der Mantschurei, gerichtet war. Kodama war damals Bizegouverneur der Insel Formosa. Im ersten Teil des Berichts erklärt Ko dama, durch welche Gründe Japan nicht China, son dern Rußland anzugreisen genötigt sei ange sichts der großen Fortschritte, die Rußland in China gemacht habe. Der Bericht schließt unter Hinweis auf die Notwen digkeit, Rußland den Krieg zu erklären und rech- net mit der späteren Eventualität eines Krieges mitFrank - reich. Der Bericht prüft auch Mittel und Wege, einen Krieg mit Frankreich mit Aussicht auf Erfolg führen zu können. Englisch-französische Frievensmeetingr. Di« „Daily News" berichten, daß eine Anzahl eng- lischer Parlamentarier die Absicht haben, m Paris und London gleichzeitig Versammlungen abzuhalten, um die Regierungen zu bestimmen, einen freundlichen Druck aus die beiden kriegführenden Mächte zur Beendigung des Krieges auSzuüben. Wenn diese Versammlungen gut auf- genommen würden, sollen ähnliche Konferenzen in anderen europäischen Staaten stattfindcn, um durch die öffentliche Meinung einen Druck auf die Regierungen auszuüben. Die Vorbereitungen zu einer derartigen Versammlung in Paris haben bereits begonnen. Eine Rrankheit Auropatkin»? Das „Peüt Jcurnal" meldet aus Petersburg, daß Kurv- patki«. tatsächlich an einer Unterlelbskrankhert leide. Chinesisch« Kontrolle von Schanghai. Die „Morningpost" erfährt aus Shanghai von gestern, die chinesische Regierung sei bemüht, die in Shanghai in ternierten Russen wirklich zu kontrollieren. Bei Shanghai liegen gegenwärtig vier chinesische Kreuzer. Di- Rückkehr. Da» „Petit Journal" meldet aus Marseille, die Rückkehr de» Dampfers „Australia", an dessen Bord sich General Stössel nebst zahlreichen anderen russischen Osfi- zieren befindet, erfolge am 21. Februar. Japanische Aspirationen. Aus Tschifu wird über Petersburg gemeldet, General Nogi habe den Offizieren der Belagerungsarmee erklärt, Port Arthur werde auf ewige Zeiten japanisch bleiben. Zu Beginn des Krieges habe es sich nur um Korea und die Mantschurei gehandelt, heute werde Japan aber auf alles andere verzichten, als aus Port Arthur, das so viel Blut gekostet. Ganz Japan würde zur Behauptung von Port Arthur ausrücken und eher dort ver bluten, als eine Flagge von der Festung verschwinden lassen. In Tschifu wurden überall große Anschläge angebracht, die den Chinesen die Einnahme vou Port Arthur an kündigen, wodurch die gelbe Nasse die weiße glänzendbesiegthabe. Darüber müsse das chinesische Volk Freude empfinden. General Nogi und sein Stob werden nicht so bald nach Japan zurückkehren. An» -em Hauptquartier Noglr wird dem Reuterschen Bureau gemeldet: In ausgedehnten Zügen gelangten dl« Trümmer der Besatzung von Port Arthur — 5000 Mann — aus dem Lager an der Taubenbucht auf dem Bahnhof von Tschanlingtou an und wurden mit der Bahn nach Dalny weiterbesördert, vpn wo sie in Transportdampfern unmittelbar nach Japan Weltergehen. Die Gefangenenzüge boten einen ergreifenden Anblick dar. Zuerst langten in vier Wagen die Offiziere des Stabes an. Die Linienoffiziere passierten an der Seite der Soldaten. Die Soldaten erschienen in guter Gesundheit, zeigten aber Spuren der erduldeten Strapazen. Die ja panischen Soldaten boten den Russen Bier, Nahrungsmittel und Cigarren an. Die Eisenbahnlinie ist bis in die Nähe von Port Arthur ausgebessert, so daß bald wieder Züge ver kehren können. Telephon und Telegraph sind wieder her- gestellt. Japanische Ingenieure besichtigten die Zer- störungen des Forts. Kur Vorgeschichte -er Aaxitnlatkon. Baron von Kleist, ein russische Marineoffizier, der nach Tschifu entkam, machte dort dem Vertreter der „Daily Mail" einige interessante Mitteilungen über die Vorgeschichte der Kapitulation. General Stössel Hab danach am 24. De- zember alle Hoffnung auf Entsatz aus. An diesem Tage er hielt er vom Zaren ein Telegramm, durch welche» Stössel, von seinem feierlichen Versprechen, Port Arthur blS zu seinem Tode zu verteidigen, entbunden wurde. In einem früheren Telegramm hatte der Kaiser auf die Meldung Stössel», daß er die Festung nur bis Ende November halten könne, ge antwortet, er habe die Festung bis zum Aeußersten zu halten, da ein Entsatz bald zu erwarten sei. Auch General Kuropatkin» Meldungen lauteten bis auf die letzte, die den Belagerten jede Hoffnung nahm, stets sehr vertrauensvoll. Baron von Kleist versichert, daß der Mangel an Munition für die schweren Geschütze die Kapitulation herbeiaeführt habe. Das japanische Geschützfeuer gegen die Forts sei außerordentlich genau gewesen. Baron von Kleist zählte einmal 185 gegen das Fort von Songschuschan abgefeuerten Grnaten, von denen 103 trafen. Ganze Äeschützmannschaften wurden durch das Krepieren dieser Granaten weggefeat. Bereit» zu Beginn der Belagerung hatte die Artillerie solche Verluste aufzu weisen, daß Infanteristen an die Geschütze kommandiert werden mußten. Die Leute betrachteten dieses Kommando wie ein Todesurteil. Viele der in den JortS umgekommenen Leute zeigten keine Spur von Verwundung. Die Gewalt der Explosion der großen Granaten war derartig, daß den Leuten das Blut aus Augen, Mund und Nase hervorbrach und daß sie tot zusammensturzten. Die Offiziere baten Stössel in den letzten drei Monaten häufig, zu kapitulieren, j?) Der General lachte sie dann aus und tadelte sie dann wegen ihres unmilitärischen Benehmens. Schließlich wurde man so gleichgültig, daß der Tod absolut keinen Eindruck mehr machte und daß man diejenigen glücklich pries, die durch ihn befreit wurden. Der russische Offizier behauptet, die Japaner hätten in der Verkleidung von Chinesen die Bohrungen für ihre Minen voraenommen. Die Russen hatten nämlich den Chinesen erlaubt, sich zum Schutze gegen daS Feuer des Feindes einzugraben, und diese Erlaubnis machten sich die Japaner angeblich zu nutzen. Die letzten Behauptungen ent stammen, wie die „H. N. bemerken, vermutlich der Phantasie des englischen Berichterstatters. Kun, Zwischenfall In -er Nor-see. Ueber den Zwischenfall von Hüll will der Pariser „Eclair" die Wahrheit mitteüen können. Nach Erkundigungen, die er in Petersburg an geeigneter Stelle eingezogen hat, verhält es sich damit wie folgt: Gleich nach der Eröffnung der Feind- selrgkeiten hatte Japan die russische Hauptstadt und die Ostsee- Häsen mit einem Spioncnnetz überzogen und dabei weder Geld noch Mühe gescheut. Ter Mittelpunkt der Informationen war zuerst S t o ck h o l m, wo der japanische Gesandte Kurino sich nach dem Abbruche der diplomatischen Beziehungen mit Rußland niedertieß. Das Treiben war aber so offenkundig, daß die russische Regierung Schweden einen Wink erteilte, in- solgedessen Kurino ersucht wurde, sich mehr an di« Regeln der Neutralität zu halten. Hierauf wurde ein Versuch mit Kopenhagen gemacht, der ebenfalls mißlang, und end- lich schlug die japanische Spionage ihr Hauptquartier im Haag aus, von wo nun alle Befehle und Weisungen aus- gingen, und wo alle Fäden zusammenliesen. Davon unter richtet, setzte Rußland eine Gegenpolizei ein, welche den An- chlägen des Feinde- nachzuspüren hatte und in der Tat er- uhr, was die Japaner gegen die Ostseeflotte im Schilde ührten. Als die letzten Schwierigkeiten beseitigt schienen und >ie Ostseeslotte sich anschickte, nach dem Kriegsschauplätze abzu- geben, wurden dänische Lotsen bestochen, welche die russischen Kriegsschiffe in den dänischen Meerengen aus Klippen oder auf den Strand auslausen lassen sollten. DieLotsen erhielten zunächst ein Handgeld mit dem Versprechen einer weiteren Summe, die nach der Größe des Unfall- bemessen würde. Tie russische Geheimpolizei unterrichtete die Admira- lität von dem Komplott, so daß Admiral Roschdjest - wcnsky die nötigen Vorsichtsmaßregeln treffen konnte. Er Feuilleton. Um je-e« Preis. 12j Roman von Sergei D . . . . Ma0di»»e „Ach so?" lächelte er und griff in seine Rocktasche. „Eintausend Pfund." „Da» habe ich wirklich nicht gemeint", versicherte sie, nahm aber da» dargebotene Geld an sich. „Ich meinte — nichts spezielle» für mich?" „Doch, Camille — parckav, du heißt ja jetzt Nettie!" Sie lachten ausgelassen. „Also pah mal auf, mein Kind. — Zu House möchte man gerne wissen, ob «in absolutes Abkommen besteht zwischen hier und den gelben Affen. DaS kannst du doch leicht rausbekommen?" „Kleinigkeit!" versicherte Nettie spöttisch, „eine Frage an den Lord!" „Das dachte ich mir, du Süße." Boris Suworow liebkoste daS Weib auf seinen Knieen in seiner wilden Art, ab und zu erwiderte sie seine Küsse. Eine ganze Weile verstrich auf diese Art, bis MrS. Hamilton auf ihre Füsse sprang und die Arme in die Luft streckt«. — „Oh, Doris, — ich habe eS so 'satt, dieses London", sagte sie, ein Gähnen gr- schickt unterdrückend, aber doch so, Lass er «S merkte. „Do satt! — Dieser ewige Nebel und der Regen! — Wie war es doch schön in Petersburg!" „Nicht wahr, Camille, —" erwiderte er, seine Augen an dem Anblick ihrer Gestalt weidend, „eS war schön!" „Ich möchte zurück, Boris, — mit dir — und leben wie früher —" Er sprang lebhaft auf und ergriff ihre Hände. „Nun — und?" «Ob's geht?" „Unsinn! So viel Einfluß habe ich auch noch! Er ledige deinen letzten Auftrag hier — und wir kehren zusammen dorthin zurück, woher wir gekommen!" „Und Mrs. Hamilton wird wieder die Gräfin Della Torre!" vollendet« daS schöne Weib. „ES wäre auch end lich Zeit", setzte sie nachdenklich fort. „Die bürgerliche, philiströse MrS. Hamilton und den sentimentalen Lord, — daS ertrag ich nicht mehr viel langer!" „Mein liebeS, süsseS Kind! Ich weiss, du tatest es um meinetwillen. Meinetwegen hast du der Gesellschaft in Petersburg ade gesagt, um hier ungestört mit mir Verkehren zu können", meinte Suwarow zärtlich. „Aber", fügte er hinzu, „als meine Frau soll dir alles vergolten werden, wa» du für mich getan!" Und er küsste sie heiss und innig. — „Schön waren die Kahnpartien auf der Newa, Boris. Weisst du noch?" Ob er wusste? Dein Herz pochte ihm heut« noch bei dem Gedanken an diese einsamen Rüderexkursionen. „Kann man daß nicht hier auch? Ach möchte so gern wieder einmal! So ganz allein, weißt du — wie — wie damals." Suwarow war freudig erregt. „DaS ist eine großartige Idee", rief er. „Nur", — er blickte zweifelhaft zum Fenster hinüber — „dieses scheussliche Londoner Wetter —" Sie eilte hinüber zum Barometer. „Schau, — Boris — schön, morgen! Oh ja, ja — fahren wir morgen —" jubelte sie und klatschte in ihre feinen, schmalen Hände. Boris belächelte ihre schier kindische Freude. «Also fahren wir morgen", erwiderte er, sie um di« Taille fassend, „und zwar —" „Von Tower bridge aus", unterbrach sie. Er blickte sie von der Seite an. „Du bist gut informiert!" „Oh, ich habe schon öfter daran gedacht und die Pläne nachgcschlagen", erwiderte sie ruhig. „Doch willst du jetzt wissen, wa» der Lord auSgeschwatzt hat? Dann sehe dich neben mir, — hier — s» — und höre hübsch zu." Es war beinahe elf Uhr, als Boris Suwarow, Zentralagent für russische Spionage in England, seiner Braut, Gräfin Della Torre, in London al» MrS. Hamil ton bekannt, adieu sagt§„um nach Hause zu eilen und di« Berichte seiner Spione und Agenten anzuhören. Diese Berichte beförderte er weiter nach Petersburg. Auch MrS. Hamilton gehörte zu seinen Agenten, nur, dass sie nebenbei auch noch sein« — Geliebte war; von Peters burg her. Dort hatten sie sich kennen gelernt und auf ihr Anraten hatte er es nachher mit Hülfe seines ein flußreichen Vaters, eines Generals, durchgesetzt, daß ihm der verantwortliche Posten eines Zentralagenten in Lon don verliehen wurde. „Also morgen nachmittag zwei Uhr am Tower- bridge-landing", hatte Mrs. Hamilton nach dem letzten Abschiedskuß noch einmal wiederholt. Dann hatte er sie verlassen. Und während seine Schritte auf dem noch immer nassen Trottoir verhallten, stand die Gräfin Della Torre mitten in ihrem Zimmer und blickte hasserfüllt und mit fest zusammengepreßten Lippen auf die Tür, durch die eben ihr Liebhaber, Boris Suwarow, ver schwunden war. — „Also", sagte der eine der beiden Männer, die Mrs. Hamiltons Haus beobachtet hatten, und schenkte sich be dächtig einen neuen Sherry Brandy ein, wir sind uns darüber einig, daß e» gar nicht anders sein kann, nicht wahr? Wenn der Lord bei dem Weib mit dem Russen, dem Russen", betonte er noch besonder», „zusammen treffen — und sie trafen doch zusammen!" unterbrach er sich und sah den anderen fragend an. Der nickte stumm. „Also", fuhr der erste fort, „wenn d i e Zusammentreffen, dann muß es doch stimmen!" Der andere nickte wieder. Tann bezahlten sie ihre Zech« und verließen da» Cafö, gingen zum nächsten Telegraphenamt und gaben «in« Depesch« auf. Die Drpesche «nthielt nur «in Wort