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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.01.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19050102017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1905010201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1905010201
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- ab Image 9 enthält Beilage: " Mußestunden, 02.01.1905, Nr.1"
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-01
- Tag 1905-01-02
-
Monat
1905-01
-
Jahr
1905
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-er VennitworNi<h*r R,dott„r: pa«l Ifchoellch in Leipzig. e»t- ver- öem hingen, geschrieben war. sagte er sich .Minestra!" - DaS ist kein denlicl.yr Name, zwe.sellos joll das heißen .Mine Ctral". Ader „Srral" — Stral leime ich ebenfalls nicht, vernntttich ist da zu- fällig ein Buchstabe ausgelassen, und da uw» einen Namen nicht verstumme!» soll, so will ich der Sicherte t wegen auf die Zelle! drucken lassen .Mine St.". So gejct)ah cs denn, Last bei jäml- l clren Vorstellungen „Mine St." als Verfasserin des überaus schwungvollen Marchendramas genannt wurde. Jnzwisck-en rvar der Rudi» des jungen Dramatikers auch dessen Vater zu Ohren ge kommen. und um des phänomenalen Erfolges seines Schnes willen» verzieh er diesem nicht nur seine poetischen Bestrebungen, sondern lieh sich auch ein Eremplar des Stückes, einen Theaterzettel und Zeitungen, in denen über die Aufführungen berichtet wurde, kommen. Als er dann aber das Pseudonum sah, geriet er in eine unbeschreibliche Wut. Solchen a bernen Narren, wie seinen Sohn gäbe es auf Erden nicht mehr — behauptete er — es wäre sck>on eine Derrmktheit. daß der Junge unter einem Frauenzimmernamen schriebe, aber zum mindesten hätte er sich doch einen anstündiz kl ngenden auSsuchen können, aber Min« — einfach Mine, wie doch Köckstniien H etzen, sich zu nennen, das — daS wäre läppisch und hirnverbrannt. Mein Oheim erzählte, daß alle, denen gegenüber der vornehme alte Herr seine Entrüstung über den Gegenstand aus« gesprcckn'n. noch nach Jahren in der Erinnerung an die Szene Tränen gelacht hätten. Zu welch läckrerlichen Zwischenfällen ein Pseudonym unter Um ständen führen kann, wenn es durch irgend einen Zufall verstümmelt wird, sollte man überhaupt nicht giaubcn. Vor einigen Jahren wurde in einem Londoner Spezialitätcntheater eine Pantomime unter dem Titel „My brothcrs" ausgcführt, in der die Darsteller Äffen — das heißt Menschen in Afscnmaskrn — waren. Der Ver fasser war ein Franzose, welcher sich auf -em Theaterzettel nach seiner deutschen Mutter „Singer" nannte. Ter Truckfehlerkobold hatte daS .r" fortgelasscn und aus „Singer" „Singe", was bekannt lich auf Französisch „Affe" heißt, gemacht. Also eine Affenkomöü e, gedichtet von einem Assen, der »durch den Titel seines Werkes die Affen ausdrücklich als seine Brüder anerkannte. Eine sehr spaßhafte Gcsch'chte ist seinerzeit dem Schriftsteller Emile Marie Vacano passiert. Es schwebtia überhaupt bis heutigen Tages ein mystisches Dunkel über dem Mann, n eniand weiß, wer er so recht war. einer vielvcrbreitetcn Lesart nach soll er aus der Reihe der Artisten hcrvorgcgangen sein. Richt einmal seinen rich tigen Namen kennt man, denn Emile Mario Vacano ist nicht der seinige, sondern der einer Kunstreiterin, die er geliebt haben soll; natürlich hieß dieselbe nicht Emile Mario, sondern Emilia Maria. Später trat sie unter dem Namen „Miß Ella" auf. Dies gab zu dem Gerücht Deran assung. da; der erwähnte Sch entstell er früher als Schulreiterin Triumphe gefeiert habe. Ich habe selbst als Kin in einer großen Zeitung die folgende Notiz gelesen: „Wie wir hören, soll Emile Mario Dacanc der Schriftstellerlaufbahn entsagen wollen, um als Miß Ella wieder zu seinem früheren Beruf zurück zukehren." Seltsamerweise wählen gerade diejenigen Schriftsteller, von denen rnan meinen sollte, daß Pseudonyme ihnen am nühiichsten sein müßten, am seltensten solche, nämlich die. welche die nicht ganz unbekannten Familiennamen „Müller" und „Schulze" führen. Man werke nur einen Blick in den Kürschner und man wird sich von der Wahrheit des Gesagten überzeugen. Das Mädchen und der Vogel. Ein Lied von Heinz Georg Müller. „Vöglein, sag' an: Wohin?" „Noch weiter, viel weiter^ Gen Norden steht mir jetzt mein Sinn. Dort lacht der Frühling so heiter." „O Vöglein, flieg' zum Liebten mein And singe ihm ins He^ hinein Ein Lied aus frischer Kehle: Daß ich in Liebe ohne Ruh' An ihn nur denke immerzu Mit sehnsuchtsvoller See e." ,.Ja, ja; ich richt' es aus Vor deines Liebsten Haus." „Vöglein, kommst du zurück?" „Gar balde, gar balde. Wenn kälter wird der Sonne Blick Und Winter cs wird im Walde. O Mägdlein mit den Augen braun Stehst du wie heute dann am Zaun, — Da flüster' ich versteh en: Der Liebste denkt dein allezeit, Und wenn es scl'ge Weihnacht schneit. Kommt er, dich Heimzubolen. Trilli, mit Hellem Klang Ueb' ich dann Wiegensang." Vöglein flog flugs davon Durch lauliche Lüste. Der Lenz, der neue Lebensbronn, Schuf wonnig würzige Dufte. In Hoffnung alles grünt und blüht, La sang ein selig' Liebeslied Des Mädchens Minnebote . . . Doch als am Ziele er im Flug — Der Liebste geht im Hochzeitszug, Die Treue kam zu Tode - Vöglein verstummt im Leid. Tröst' Gott dich, arme Maid . . . So Hobe ich ganz genug", sagte mir einmal ein alter Redakteur. „Mit Erstlingswerken mag ich nichts zu schaffen haben." „Aber manche Autoren behalten die genannten Pseudonyme ooch auch für ihre späteren Arbeiten bei", wandle ich ein, worauf der Herr mir entgegnete, „in diesem Fall bewahren auch diese st'äteren Werke den Hilettantiichcn Charakter." Tas ist natürlich ein sehr kühner Aus spruch, dem man schwerlich so ohne we teres bcizupslichtcn vermag, «der -ag schriftstellerische Anfänger eine ganz rätsell-afte Vorliebe für das Pseudonym Waldau, wie für andere auf „au" endigende besitzen, ist dessenungeachtet wahr. Wenn meine Kollegen, wc.che diese Plauderei lesen, über den Gegenstand uackweukcn, so werden sie finden, daß ich recht habe. Vielleicht, — wer kann es w.ssen — unter zeichnen sie ihre unsterbliä-en Werke auch dereinst nut „Waldau", „Feldau" oder „Schönau". Ein Pseudonym, welches ein Schriftsteller unter seine sämtlichen Werke zu letzen beabsichtigt, erheischt natürlich ungle.ch mehr Ueber- tegunz, <us das unzählbare Heer der Pieuoonyme, tvecche die meisten weljchreibenden Feuillelouisten, deren Arbeiten in allen erdenklichen Zestungen erichecnen, notgedrungen brauchen, Im ersteren Fall ist die Wahl wirklich nicht leicht, denn erstens >oll das Pseudonym einigermaßen wohltlingen, zwciten.s joll cs die Neugier des Publi kums erregen und drittens fall es leicht in der Erinnerung hasten. Manche Autoren setzen eS sich aus ihrem eigenen Name» zusammen, wie z. B. Frau Vely. die von ihrem Mädchennamen Eouve»y die erste Süde sortließ. ander« drehen ihn um ujw. usw. Laß jemand dies tun könnte, ohne eS selbst zu wifjen, sollte man n cht für möglich holten, und -och ist auch das schon postiert. Zu Anfang der jeck-z ger Jahre -eS vorigen Säkuluuns schrieb ein gewisser Rolf eine Art Komplimentierduch in Tialogform, das zuerst stückrveise in illu- Hrerten Zeitschriften erschien. Er unlerzeichuete sich dabei ^son Flor". „F.or klingt sc poetisch, so vornehm", äußerte er zu einem Bekannten. „Ich hatte noch ein Dutzend anderer Pseudo nymen von gleichem Wohlklang auf Lager, aber dies gefiel mir am besten." „Nun ja. die übrigen können doch unmöglich fo gut für Sie Lepaßt haben", meinte der andere, worauf Herr Rolf erstaunt fragte, «worum der Name „Flcr" sich gerade für ihn jo besonders gut eignete. Er holte keine Ahnung davcn, daß „Flor" die Umdrehung von „Rolf" war. In gewisser Hinsicht erinnert diese Geschichte an den -Fall Clauren. der seinerzeit viel Aufsehen gemaclst hat. Unter dem Pseudonym Äauren verbarg sich bekanntlich der Hofrat Heun, Vcr- stisser von „Mstnili, die Schweizerin" und anderen w deriich jüß- kichen Romanen. Der Hofrat lvar ebenso wie sein unglücklicher Soh» ein großer Ton Juan, u»rü man nannie die beiden nach einem noch Heute zuwesten aufgeführten Stück, in dem Later und Lohn sich auch bei -er gleichen Dame Konkurrenz machen, „die beiden KlingSbcrg'. U.s Heun gerade mit -er Absicht umging, seine Feder dem Dienste der Musen zu wekhen, bewunderte er eine Französin, eine Madame H« Elaurent, deren Gatte sehr eifersüchtig war. Der Hofrat wandte Sich nun an einen Freund mit der Brtte, ihm ein Pseudciiym für Seine» Gebrauch suchen zu Helsen. „Nennen Sie sich doch Ckauren", riet jener im Scherz, und ohne auch nur von fern auf den Gedanken zu kommen, daß der Hofrat die Pointe nicht merken würde. Wie erstaunte er und alle Welt, als Heuns erster Roman umer dem Pseudonym Clauren erschien. Der Gemahl von Heuns Herzens königin soll diesen gefordert hoben. Zu allem übrigen behauptete er noch, daß der betreffende Roman Anspielungen auf seine Ehe Hielte. Da das französische Ehepaar bald darauf Deutschland ließ, so behielt Hcfrat Heun das Pseudonym Claurcn, unter er die ersten Erfolge geerntet, bei. Sehr beliebt find fremdsprachliche Pseudonyme. Als Hannöversche KabinettSrat Meding, veranlaßt durch Hallberger in Stuttgart, mit der Komposition seiner ersten großen Romanfolge be- Dann, riet chm sein Auftraggeber, ein russisch tlinaenües Pseudonym wählen. „Da Samowar das einzige russische Wort war, welches UH kannte" — sagt Meding in einer Autobiographie —, „sc bildete ich mir daraus durch Verstellung einiger Buchstaben Samarow." Uder auch -e fremdsprachlichen Pseudonyme haben ihre Tücken, das beweist der Fall eines jungen Deutschen, den es vor ungefähr lüaszig Jahren nach den Lordeern des Dramatikers gc üstetc. Ich Habe die sehr drollige Geschichte von einem längst verstorbenen Oheim von mir gehört, -er mit einem „Dichter" zusammen studiert Hat. Wie der letztere Hieß, weiß ich nicht mehr, cs kommt auch weniger darauf an, da er nicht zu jenen gehörte. Sie sich emen Platz st» -er Literaturgcjclstchte erobert Haden; jedensalls aber war er der Sohn eines der ersten Beamten des Landes. Kurz, dieser junge Poet hatte eine Anzahl hcchpoetlscher Dramen geschrieben, von denen »eines das Licht der Lampen erblickte; da gelang es einem seiner Kreunde, durchzusetzen, daß in irgend einer italienischen Fremden kolonie, die sich hauptsächlich aus Deutschen ziisamiiiensetzle, das kürzeste jener Stücke aufgeführt wurde. Man wollte dort e n Klub- Haus oder sonst etwas Aehnliches bauen und durch Lebhaberauf- Führungen daS nötige Geld oder t<xh wenigstens einen Teil des- Seiden zusammenbringen. Tas erwähnte Stück bot Gelegenheit zu Großer Prachtentfaltung und fand daher auch bei der italienischen Bevölkerung so großen Beifall, daß es immer von neuem wiederhclt wurde. Leider war weder der glückliche Antor, noch dessen Freund Heim Einstudieren der Dichtung gegenwärtig, denn sonst hätte erimmermehr das passieren können, wovon ich hauptsächlich berich:cn will. Ter junge D'chter wagte nämlich aus Angs» vor seinem ge- strengen Herrn Papa, welcher den dramatischen Ncianncien seines SohneS nicht ho'd war. nicht, seinen Namen unter das Kind seines Geistes zu setzen, sondern beschloß, ein Pseudonym zu wählen — «der nicht ein beliebiges, scndcrn eines von fremdartigem, pacsie- Hollem Klang. Weiß Gott, wie er auf das Wort „Mincstral" kam! Gun dekümnierlen sich bie Leiter der Theatervorstellungen dort «»len im schönen Süden wohl um Ausstattung und Darstellung des Opus, aber leider nicht um alles andere, was mit der Sache zu- ßommenhing. Ter geschäftlich« Teil -er Aufgabe. Beschaffung von rkheaterzetteln usw. usw. ruhte in den Händen eines kleinen deutschen Schreiber-. A S dieser das Pseudonym Mincstral sah, welches mit Umter verschnörkelten Majuskeln, di« nicht untereinaiwer zusammen Mußestunden Rr. l L. Januar IftOZ. Gott der tragischen Muse? Rühmt man ihn als Führer deS eng- lijchen Mujcnchors? »Sagt man von ihm, er habe jich besonders um die Pcgaiusrunste ve.menr geumchte Nicht für die große Menge und nicht für die damalige Gegen wart waren diese Worte der Zeitgenossen und Freunde geschrieben, denn sie erschienen in lateinischer Sprache uno sämtlich nach dem Tode Bacons. Weist unter diesen Umständen aber nicht alles daS, was diese Männer nieüerschneben. darauf hin, da»r sie noch von Schriften wußten, die Bacon nicht unter seinem eigenen Namen veröffentlicht hatte, von Schriften dichterischer, vermutlich drmna- tijcher Natur, die er anonym oder pstusonym, ohne Namen oder, mit falschem Namen -erausgegeben hatte? Laß Bacon in der Tat vielerlei derartiges verfaßt hatte, darauf deutet eine ganze Reihe von Stellen der zeitgenössischen Literatur hin. Vor allen Bacon selbst. In der Unterschrift eines w chtigen Briefes aus dem Jahre 16(13 nennt sich Francis Bacon einen heimlichen Dichter An einer anderen Stelle sagt er: ich ge stehe nicht, Lichter zu sein. In einem Briefe an einen intimen lite rarischen Freund spricht er vcn Schriften, die seinen Namen noch vel berühmter machen könnten, als die, die er mit seinem eigenen Namen herauSgidt. In seinem Essay über Simulation und Dis- simu'ation empfiehlt er, wo kein anderes Mittel hilft, ein Macht der Verstellung. In feinem Essay über Neü sagt er, große und weife Männer brächten immer jemand auf die Bühne, der sie mit seinem Namen zu decken hätte, und dazu finde sich immer einer. Ai, anderer Stelle hören wir ihn: Ich habe (obgleich in einem ver achteten Gewände) das Gute der Menschheit ge,ordert. An seinen König schreibt er: Ich habe oft die Würde me nes Namens und meines Ingeniums weggcworfen, um der Menschheit zu dienen. In feinen wissenschaftlichen Schriften empfiehlt er die Sitte der Alten, gewiste Bücher mit dem Namen e nes anderen Zeitgenosten zu beti:eln. Und gleich nach feinem Kanz ersturze schreibt er: Ich will mich nun ganz der Literatur widmen und die wirklichen Schau spieler unterrichten. Deutet das nicht alles darauf hin, ja, spricht es nicht eigentlich ganz unMeifelhaft die Tatsache aus: ich, Francis Bacon, habe unter anderem Namen vielerlei gedichtet und herausgegeben? Daß dem wirklich so ist, und daß daS, waS er gedichtet, Gro' eS, sehr Großes gewesen, davon überzeugt uns eine Nachschrift in einem intimen Briefe seines Freundes Sir Toby Matthews ums Jahr 1623. Diese Nachschrift lautet: Der größte Dichtergeist, den ich je diesseits und jenseits des Kanals kennen gelernt habe, ist vcn Eurer LorüsckxNt Namen, obgleich er unter einem andern bekannt ist. Hier haben wir das direkte Zeugnis, daß Francis Bacon unter dem Namen eines anderen, wahrscheinlich eines anderen Lebenden, die größten Dichterwerke der englischen Sprache verfaßt bat. Un eins Stelle in der Briefsammlung, die derselbe Sir Toby MatthewS hinterließ, sagt, welche Tichterwerke eS waren und unter welchem Namen sie kcrausgetommen sind. Nachdem in diesem Buche eine lange Zeit ausschließlich von Francis Bacon die Rede war. heil t es: Der schmerztich Erwartete. Ein Scherz von Philipp Berges. irnn»o Hiinvn, »»«>, Herr Maaß, der junge fesche Zollbeamte, dem die knappe Uni form so gut stand, befand sich noch zu Haufe, obgleich es auch für ihn die höchste Zeit war. Er hatte sein guten Gründe; viel sei un Spiele, bildete er sich ein. Mit großen Schritten ging er in seinem M.etzimmcr auf und ab, lachte ingrimmig in sich hinein, sah häufig in den Spiegel und ballte die Fäuste. Er kommt nicht . . . wahrhaftig, er kommt überhaupt nicht ... oh, das ist stark, das ist eine Frechheit, eine Niederträchtig keit". murmelte Herr Maaß und begann nach einem Blick auf die Uhr wieder wütend hin und her zu lausen. Und der Zeiger der Uhr tat einen höhnischen Sprung nach vorwärts, das Zifferblatt schnitt ein schiefes Gejictst. Tas war zu viel: Herrn Maaß traten Tränen der Wut in die Angen, und mit dem verzweifelten Rufe: „Er kommt nicht, wahrhaftig, er scheint überhaupt nicht zu kcmmen, der Elende!" stürzte er sich in seinen Hcrbstüberzichcr und mit ihm zusammen die Treppe hinab. Aber er ging, oder vielmehr lief einen anderen Weg a's den gewohnten. An der Ecke -er Kochstraße blieb er einen Augenblick stehen und bespiegelte sein Beamtcngesicht in der Glas scheibe eines Schaufensters, dann schüttelte er schrecklich lächelnd den Kopf und schlug einen anderen Weg ein. Und doch saß Fräulein Amalie Brümmer wie gewöhnlich hinter dem Fenster und »»artete. Allein daS Gekickt des Herrn Maaß blieb unsichtbar. Als cs neun Uhr war, erhob Fränkcin Bviimmer sich mit beleidigter Miene, nahm einen rosaroten Brief auS ihrem Kästchen, zerriß ihn in hundert kleine Stückchen und weinte bitterlich. Auch dies hatte Er auf -cm Gewissen — er, dar schmerzlich Erwartete. Was nun den Kaufmann Herrn Martin Magnus betraf, so muß man zugeben, daß seine Leiden uiibeichrciblickre waren. Die Leute in der Parterrewohnung würden sicher!ich binausgeschickt haben, wenn die Magiiusiävi, Zimmer nicht mit dicken Tcppiä^n versehen gewesen wären. Den Hut auf dem Kopfe, den Mantel über dem Arme, den Stock in der Rechten, sozusagen gestiefelt und gespornt, sprang Herr Magnus ven einem Zimnter ins andere und schimpfte Der Gymnasialprosessor Tr. M. Niklas Feddersen war wie ge wöhnlich um sieben Uhr ausgeslandeu und hatte gearbeitet. Dann. Zwischen ackl und tialb neun, lvähreild er mit Babette -en Kasfee trank, eiivartete er schnierz ich ihn, der nicht kam. Endlich drängte die Zeit zum Ausbruch, um neun Uhr hatte -er Herr Professor in seiner Klasse zu sein. „Babette", sagte er und schob die Brille ganz über seine kahle Stirn hin, „ein merkwürdiges Valium; er kommt nicht. Ich erwartete ihn seit acht Uhr bewußt- ' vngeivußt. denn ich bin kein Kommen gewöhnt. Seit mehreren, ich darf jagen, seit zehn Minuten, erivarte ich ihn jedoch bewußt-gewußt. das heißt, ich bin mir seines Spälkommens nicht nur bewußt, sondern ich denk? auch daran, es ist mir also bewußt-gewußt gcivordcn. Daß das Herz klopft, Babette, ist uns stets bewußt, allein nicht immer vuch gewußt. Tu siehst an dickem Beispiel, daß es nötig ist, be- wußt und bewußt-gewußt zu uuter'ckerden. Wenn ich nun jedoch tagen würde, und man beachte gefälligst das folgende . . ." „Er'aubcn Sie. Herr Professor", warf Babette bescheiden ein, „es ist dreivicrtel neun." „Wahrhaftig! So muß ich gehen. Er ist also nicht gekommen, das steht fest, cs ist mir bewußt-gewußt. WaS tun, Babette?" „Erlauben Cie, Herr Professor, eS ist zehn Minuten bis neun." „Wahrhaftig! Es ist die höchste Zeit. Adieu. Babette. ES ist wir bewußt - uugowußt . . . meine Aussätze . . . danke; meine» Hut . . . danke. Adieu, Babette. Bei den letzten Werten »>ar -er Professor schon vor der Haus tür «nd «Ute in langen Schritten die Straße Hinab. MochrnbeUage des „Leipziger Tageblattes n. InliiWim Anhalt: Die Lulutesseuz »eS Stzcttespeare- Vetzkt»«tsseS. von Edwin Bormann. Der Humsr »er Pse«»«ntz»L. Sink Plauderei »o» M. Dossak. Las Mä»chc» ««» »er vozel. Ern Lied »o» Heinz Georg Muller. Der schmerzlich Erwartete. Ein Echer, von Philivvverß««. Die Quintessenz des Shakespeare-Geheimnisses. Don Edwin Vormau«. «a-bdru« derSote». Francis Baron (1561—1626) schrieb und veröffentlichte mit Seinem Namen eine Reihe wijfenschajltichrr Bücher. Nur drei davon können als jchönwijscnschasllich oder sruittelonistijch bezeichnet werden; es find de „Essays", das Buch „Ueber die Weisheit der Atten" und de „Aiieldo:enjamn»lung". Nur ein ganz dünnes Ländchen zeigt Versform; cs ist sie Uebertragung von zwölf Psalmen in gercnntes Englijch. Alle diese Bücher sind in den Jahren 1597 d»s 1626 encyiencn, tcin einziges also vor dem 86. Lebensjahre des Verfassers. Welch höchst aufsäll'ge Tatsache bei einem so vielseitigen, fleißigen, geistvollen und schnell arbeitenden Schriftstellerl E n am Manne, -er bis zu seinen« 36. Jahre auch «och durch kein öffentliches Amt ettva stark in Anspruch genommen Gewesen wäre! Wie ganz eigentümlich aber muß es jeden, -er diese Werke Krvncis Bacons überschaut, berühren, wenn -er große englijche Dramatiker Ben Jonscn, jein um einige Jahre jüngerer Londoner Zeitgenosse, sagt: Francs Bacon ist der, deralle Versmaße aus- jüllte; und wenn Bacons eigener Sekretär Rawlcy schreibt: Was er zu schreiben versuchte, ward immer zum Vers. — Sagt man vernünftigerweise so von jemandem, der nichts «IS zwo f gereimte Psalmen in Versen hinterlassen hat? Und w e noch auffälliger klingt es, wenn derselbe Ben Jonson fontfährt: Bacon kann als der Markstein und d':chöchstcCpitzc unseren Sprache genannt werden. — Spricht ein großer englischer Dichter «ns Verskünstler, wie Ben Jonson selbst einer war, sc von enein Manne, der nur lateinische und englische wissenschaftliche Werke >nö drei feuilletonistische Schriften nebst zwölf Psalmen ge- Schrieben hat? Und doch steht Ben Jonsons Anschauung nicht vereinzelt da. Denn gleich nach Vaconö Tode, 1626, ward eine Samnilung von 82 lateinischen Trauerged'chtcn von ungefähr zwanzig Cambridger Gelehrten und Dichtern veranstaltet und durch Sekretär Rawley Herausgegeben, die den verstorbenen ehemaligen Lordkanzler «icht ols Staatsmann und Ge ehrten, sondern vor allem als zehnte Muse, > ols den Führer des Musenchers, als den bezeichnen, der die Pegasuskünste wachsen ließ, al!S den Apoll der tragischen Muse Melpomene preisen. Nennt man einen Mann, der nur wissenschaftlich und als Dichter oder Nachdichtcr von zwölf Psalmen aufgetreten war. den
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