Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021223021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902122302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902122302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-12
- Tag 1902-12-23
-
Monat
1902-12
-
Jahr
1902
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Mge M LeWr ÄMt ml» AhM Nr. 8W, AMU, Azcickr 1S8?. (Abkiiii-Mlsck.) Amtlicher Teil. Handelskammer Leipzig Am »Ilttmveli, a«n »4. a. I»., werden unsere Geschäftsräume und die Bibliothek vvw L» VNr «I» ^«»vNI«»8nvi» sein. rrr«pi-u»«»««ux«l«»v find an diesem Lage I»tn LL VNr einrureichen. Leipzig, den SS. Dezember 1SV2. Die Handelskammer. L v«1»tg;er. Borfitzender. vr. jiir. rr«oätl»»ä, Syndikus. Die Flucht der Lronprilyessm Friedrich August. * Es ist erklärlich, daß die Entfernung der sächsischen Kronprinzessin von den Ihrigen und vom KönigShofe ein Ereignis ist, daö in ganz Sachsen und weit über seine Grenzen hinaus das größte und peinlichste Aufsehen erregt, ein Aufsehen, welches durch die begleitenden Neben umstände, über die wir heute früh zuerst zuverlässige Mit teilungen machen konnten, ins ungemessene gesteigert wird. Wie eS aber bei dem innigen Verhältnisse, in dem in Sachsen Volk und Herrscherhaus stehen, gar nicht anders sein kann, regt sich allenthalben die aufrichtige Teilnahme und das herzliche Mitgefühl mit den durch den Vorgang so schwer geprüften Mitgliedern unsere- Königs- haust-, in erster Linie den Kronprinzen und dem greisen Könige, dessen vor 10 Tagen erfolgten Erkrankung nunmehr noch in etwas anderem Lichte als bisher erscheint. Ueberall, in unserem Sachsenlande, in der Oeffentlichkeit, sowohl wie in allen privaten Kreisen, bildet seit gestern Abend die Dresdener Hiobspost, deren Gewicht durch die quasi amtliche Publikation noch verstärkt wird, den Mittelpunkt des Gespräches. Die Zeitungen waren zumeist nur in der Lage, die kurze Mitteilung der Regierungs blätter wiederrugeben, da ihnen Details noch nicht zu Gebote standen. Zn den kurzen Bezleitworten spiegelt sich aber überall der niederschmetternde Eindruck der Nachricht wider. Ain ausführlichsten berichten die „DreSd. Nachr.", wenngleich auch ihnen der Hauptpunkt unserer Mitteilung im heutigen Morgenblatt noch nicht bekannt war. Zm übrigen mögen die folgenden tatsächlichen Angaben des ge nannten Blattes zur Ergänzung unserer Meldung dienen: „Am 9. Dezember ist die Frau Kronprinzessin gemäß einer längere Zeit vorher bekannt geweienen Disposition in Begleitung des Herrn Hosmarschalls von Tümpling und der Hosdame Frl. von Schönbecg-Rothschönberg nach Salzburg abgereist. Als Zweck der Reise hatte Ihre K. und K. Hoheit die Absicht angegeben, Ihren kränklichen, betagten Herrn Vater, den Großherzog von Toscana, vor seiner Abreise nach dem Süden noch einmal zu besuchen. Nach ihrer Ansunft in Salzburg hat die Frau Kronprinzessin mit ihrem Gefolge in dem dortigen Schlosse des Äroßherzogs, der Residenz, Wohnung genommen. Die Rückkehr nach Dre-den, wo kurz vor der Abreise von Ihrer K. und K. Hoheit die Veranstaltung der großen Wohltätigkeits-Vorstellung zum Besten der Arbeitslosen in die Wege geleitet worden war, sollte am 18. De zember erfolgen. Die Vorbereitung dieser Wohliätigkeits-Vorstellung war guch die Veranlassung, daß die Frau Kronprinzeisin von dec Frau Oberhofmeisterin v. Fritsch, Exc., nicht begleitet werden konnte." Am 17. Dezember meldete das „Dresdner Journal": „Ihre Kaiser!, und König!. Hoheit die Frau Kronprinzessin ist nach von Salzburg eingegangenen Nachrichten erkrankt und wird infolgedessen voraus sichtlich erst nach einiger Zeit nach Dresden zuruckkehren können." Diese Meldung hat, wie die jetzige Meldung des „Dresdner Journal-" beweist, kaum den tatsächlichen Vorgängen ent sprochen, denn hiernach hat die Frau Kronprinzessin schon in der Nacht vom 11. znm 12. d. M. Salzburg verlassen. Bereits während der letzten Tage in der vergangenen Woche gingen nun hier Gerüchte um, welche jene erste Meldung des „Dresdn. Journ." in Zweiset zogen, aber niemand wollte dem Gedanken Raum geben, daß sich durch ein unbegreifliches Verhalten der Kronprinzessin ein unheil barer Bruch mit allen Angehörigen unteres Königshauses vollzogen habe. Wie verlautet, soll sich die Frau Kronprinzessin erst nach Brüssel und von dort alsbald nach der Schweiz begeben haben." Der vorstehenden Darstellung fügen wir zwei dem „Berl. Lok.-Anz." zugehende Meldungen aus München und Salz burg an: München, 22. Dezember. Hier liegen Nachrichten aus Salz burg vor, welche bestätigen, daß die Kronprinzessin von Sachsen nach lebhaften Zerwürfnissen mit ihrem Vater, dem Großherzoge von Toscana, da» Elternhaus verlassen hat und nicht mehr dorthin zurückkehren wird. Die Kronprinzeisin traf vor etwa acht Tagen aus der Durchreise hier ein, und er fiel damals auf, daß sie jeden Verkehr mit dem hiesigen Hose mied, doch erklärte man diese Iso- lierung mit dem Zustande der Priuzeisin, welche einer Entbindung entgegensah. Auf österreichischer Seite scheint di« Absicht vorzu liegen, diesen peinlichen Familienzwist aus Rechnung nervöser Er- regunq der Prinzessin zu schreiben, wenigstens erklärt die diesige österreichische Gewndtschast aut direkte Anfrage, ihr sei nur bekannt, daß die Prinzessin seit längerer Zeit schwer leidend sei. In ein- geweihten Kreisen überrascht diese ^amilienkatastrophe wohl weniger, als man erwarten sollte. Es war längst bekannt, daß die junge und sehr temperamentvolle Fürstin sich nur schwer in die strenge Etikette des religiösen Dresdner Hofes finden konnte und daß Lies aus dos Verhältnis zu ihrem Galten all- mählich feinen Einfluß üben mußte. Es gab zu erregten Scenen Anlaß, als die damalige Prinzessin Friedrich August den Wunich aussprach, daS Radfahren zu erlernen und der König Albert, namentlich aber die Königin Carola hiergegen ein ent- schieden»- Beto einlegtrn. Trotz dieses Einipruches sah man di» Prinzessin bald darauf in chiken Kostümen die Straßen Dre-den» durchradrln, und zwar in Gesellschaft ihre- amerikanischen Zahn- arzteS, welcher schließlich ihrem Drängen nachgegeben hatte, sie d-ese verpönte Kunst zu lehren. An diesen vielleicht harmlosen, aber sicher uuilberlegten Streich knüpften sich viele Kommentare und Klatichgerüchte, welche dem Ansehen der Prinzessin jedenfalls nicht förderlich sein konnten. Salzburg, 22. Dezember. Die Abreise der Kronprinzessin erfolgte um 8 Uhr früh mit ihrem ältesten Bruder dem Erzherzog Leopold Ferdinaud ohne Borwilsen der Eltern. Um 8 Uhr früh wurde das Bett der Prinzessin zerr gefunden. Seitdem war ein ofieabar fingierte» Telegramm aus Brüssel eingetrosfen, woraus Oberhofmarschall Baron Tümpling und die Oberhofmeisterin der Kronprinzessin nach Brüssel abreiste». Diese Fahrt blieb ersolgloS. Man vermutet die Flüchtige nun in der Schweiz, da auS Genf ein zweites Telegramm einlangte. Die Kronprinzessin Friedrich August steht gegenwärtig im 82. Lebensjahre. Sie wurde am 2. September 1870 als Tochter des GroßhrrzogS Ferdinand IV. von Toscana zu Salzburg geboren. Sie führt die Namen Luise, Antoi nette, Maria, Theresia, Josepha, Johanna, Leopolda, Karolina, Ferdinand«, Alice, FrentrudiS, Slcphania. Am 21. November 1891 vermählte sie sich zu Wien mit dem Prinzen Friedrich August von Sachsen, unfern jetzigen Kron prinzen, dem sie in der nunmehr 11jährigen Ehe mit fünf Kindern beschenkte. Es sind dies der Prinz Georg (geb. zu Dre-den am 15. Januar 1893), der Prinz Friedrich Ehristian (geb. zu Dresden am 31. Dezember 1893), der Prinz Ernst Heinrich (geb. zu Dresden am 8. Dezember 1896), ferner die Prinzessin Margarethe (geb. am 24. Januar 1900) und die Prinzessin Alice (geb. am 27. September 1901) Man steht angesichts aller vorstehend angeführten Tat sachen tatsächlich vor einem Rätsel! Um die ganze Unge heuerlichkeit des Verhaltens der flüchtigen Prinzessin zu er messen, wird man, so schreiben die „Dr. N." am Schlüsse ihres die betrübende Angelegenheit behandelnden Artikels, daran erinnern müssen, was sie hier aufgegeben bat: einen Gemahl, der von ganzem Herzen und ganzer Seele an ihr hing; fünf entzückende Kinder, drei Prinzen und zwei Prinzes sinnen, die zu jeder Stunde, namentlich aber um die Weih nachtszeit, daS unermeßliche Glück jeder Multer ausmachen müßten; einen weiten Kreis Verwandter, an dessen Spitze ein siebzigjähriges Familienobei Haupt steht, dessen Leitsterne nn Leben nur die treueste Pflichterfüllung in seinem Beruf und das herzlichste innigste Zusammenleben mit seinen Kindern und Enkelkindern sind; die Anwartschaft auf die Krone eines Landes, dessen Volk ihr vom ersten Tage ihrer Anwesenheit aus innerster Zuneigung zujauckzte und in ihr die Trägerin der Zukunft leineS Herrscherhauses verehrte! Kaum ist ein Menschenschicksal denkbar, welches von Gott und der Vor sehung begnadeter war, als das dieser Fürstin, und so steht Venn der logisch denkende Mensch vor einer unseligen Ver irrung, die schließlich fast Mitglied mit der Urheberin all' dieses Wehes erwecken muß. Kurz vor Schluß des Blattes gehen uus noch folgende telegraphische Meldungen zu: 2. Dresden 23. Dezember. (Privattelegramm.) Bon einer Stelle auö, die in der Lage ist, die gesamte durch die Flucht der Prinzessin Luise geschaffene Situation zu übersehen, wird die Sachlage folgendermaßen be urteilt; Es ist nicht richtig, daß in der Ehe des kron- prinzttchen Paares, wie im Lande vielfach angenommen wird, schon früher ein Mißton geherrscht habe; vielmehr hat der Kronprinz seine Gemahlin stets auf den Händen getragen; um so schlimmer und unbegreiflicher ist das V'orgefallene. Die Frage einer Ehescheidung kommt nicht in Betracht, wenigstens nicht nach den augenblicklich in Dresden maß gebenden Ansichten. Die katholische Kirche kennt, wenn nicht ein besonderer päpstlicher Dispens erteilt wird, nur eine Trennung von Tisch und Bett. Betreffs des Kindes, besten Geburt im März n. I. erwartet wird, ist die Rechtslage eine vollständig klare: ES ist der auch vom Bürgerlichen Gesetzbuch acceptierte Grundsatz maßgebend: Later est, quöm roctao nuzstino llemon^traut. Eine Trübung des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen dem sächsischen und österrei chischen Hofe ist durch den Vorfall nicht cinge treten. Man war in Men mit der Abgabe der offiziösen Erklärung durch die sächsischen Amtsstellen einverstanden. Auch die maßgebenden Berliner Stellen waren rechtzeitig verständigt worden und hatten ihr Einverständnis erklärt. In den amtlichen sächsischen Kreisen ist man, wie schon aus der Kundgebung im „Dresdner Journal" zu ersehen ist, überzeugt, daß eine öffentliche Diskussion des Betrübenden Falles nicht zu um gehen und daß es besser ist, Klarheit zu schaffen, und die Schuldfrage richtigzustellen, als allerhand Gerüchten Vor schub zu leisten. — Der frühere Sprachlehrer der kronprtnzlichen Kinder heißt Giron ; er ist ein hübscher, junger Mann im Anfang der 20er Jahre, mit schwarzem Haar und lebhaften, dunklen Augen. Vermischtes. ---- Kaltsch, 22. Dezember. Der Mörder der Frau Bud- wig ia Berlin ist, wie dem „B. L.-A." telegraphiert wirb, hier verhaftet worben. Die Verhaftung wurde durch einen russischen Handelsmann veranlaßt, der LeszczynSki in Kalisch erkannt halte. Russische Beamte nahmen daraufhin ten Mörder fest. Seit Donnerstag befand er sich bereits in Kalisck. Einige Gold- und Wertsachen wurden bei dem Verhafteten, in den Stieseln verborgen, vorgefunden. — Esten a. d. Ruhr, 23f Dezember. An einem Neubau in Heißen brach ein Gerüst. Zwei Arbeiter wurden leicht und zwei schwer verletzt. — Auf der Zeche „Franziska- Tiefbau" sind zwei Bergarbeiter von einem in den Brems berg stürzenden Wagen erschlagen worden. iBerl. Tgbl.) — Linieutaufe vor Ehamberlain. Mr. und Mrs. Chamberlain haben auf ihrer Reise nach Südafrika an Bord der „Good Hope" den Aequator zum ersten Male passiert und am Vorabend dieses Ereignisses wurde auch richtig vom Bug deS Schiffes her eine gewaltige Stimme gehört, die nach dem Namen des Dampfers fragte und wer die Passagiere seien. Die Schiffswache antwortete äußerst respektvoll, nnd gleich darauf kroch, vom Wasser triefend, mit Seetang und Muscheln bedeckt, -er Meergott an Bord und kündigte feinen Besuch für den nächsten Tag an. Pünktlich zur bezeichneten Stunde erschien dann auch Neptun mit seiner Frmi, Mrs. Neptun, wie er sie vorstellte, und seinem Baby (einem Schiffsjungen), alle entsprechend gekleidet und von Wasser triefend. Der göttlichen Familie folgte ein Karren mit dem Hosgesolge, unter dem sich auch zivei allegorische Figuren, die Britannia und Südafrika, befanden. Mrs. Neptun gab Mrs. Chamberlain ein Bouqnet aus Korallen, während Neptun Mr. Chamberlain den Freibrief der See überreichte und sagte: Es gereiche ihm zum besonderen Vergnügen, Mr. Chamberlain das Großtreuz des Sardinenvrdenö mit der Kette, und Mrs. Chamberlain den Orden des alten Bücklings allergnädigst zu verleihen. Mr. Chamberlain antwortete in humo-^ ristischer Rede, in der er sagte, er fühle sich außerordentlich geehrt, Sr. Majestät zu begegnen, dessen glorreiches Reich sich über alle Meere erstrecke, und ebenso freue cs ihn und seine Gemahlin, auch die Bekanntschaft seiner schönen königlichen Frau (eines rothaarigen Matrosen) und ihres lieben Kindes zu machen. Es gereiche ihm zum be sonderen Stolze, die Bemillkommnungsadressc und den Freibrief der See aus den Händen Sr. Majestät empfangen zu haben, und er freue sich auch, durch die Verleihung der hohen Orden ausgezeichnet worden zn sein. Er lMr. Chamberlain) und seine Fran würden diese Orden immer hochschützcn und mit stolzem Bewußtsein tragen, und er bitte Se. Majestät, der sein weites Reich so weise und gut regiere, den untertänigsten Dank entgegen zn nehmen. Neptun begab sich dann mit seinem Gefolge zu den für ihn und seine Frau auf dem Achterdeck errichteten Thronen, hinter denen sich ein großer, mit Seewasser gefüllter Wasserbehälter befand, worin sich vier Eisbären hexum- tnmmeltcn. Die Kandidaten für die Taufe wurden nun vorgeführt, nach althergebrachter Weise eiuvernommen, dann von dem Hosbarbicr ziemlich unsanft auf einen Stuhl gesetzt, mit einem großen Pinsel eingeseist nnd mit einem hölzernen Messer rasiert, nm sodann den Eisbären in dem Wasserbehälter zugcwvrfen zu werden. Unter den Ge tauften befanden sich auch drei Offiziere, die sich geduldig der Prozedur unterwarfen nnd gute Miene zum bösen Spiele machten. Mr. und Mrs. Chamberlain sahen dem Schauspiele von der Schiffsbrücke ans zu. iHamb. Korr.) — Von den sizilianischen Banditen wird auö Pa - l e r m o wieder etwas Neues berichtet. Gegenwärtig kann man sagen, daß die Insel in Zonen geteilt ist, in denen die Banditen ihre Macht ausüben, ohne daß sie sich trotz des Aufmarschiercns von Streitkräften gegen sie sehr gestört fühlten. Sv gibt es den Bezirk von Candino und Ge nossen und den Varsalonas, die den östlichen Teil der Provinz Palermo, Girgeuti und Caltanissetta mnfassen, und dann den Bezirk Mirtos und Settimos in der Pro vinz Trapani und im westlichen Teil der Provinz Palermo. Mirto ist erst 34 Jahre alt und wird seit 1897 gesucht. Seit einem Jahre hat er sich mit seiner Bande mit Antonio Scttimo und Girvlamo Azarv verbunden. Alle diese Räuber sind nnaussindbar, nnd die Verbrechen wieder holen sich fast täglich. Die von ihnen auf den Landstraßen begangenen Angriffe sind von einer Kühnheit ohne gleichen. Ihre letzten Heldentaten sind folgende: In Passo- di-Rigano, das wegen der seit langem schnell aufeinander folgenden Verbrechen eine traurige Berühmtheit erlangt hat, begab sich der Steuerbeamte Antonio Candiera mit dem Gardisten Sebastiano Calumara zu den Zollwächtern, nm ihnen den Sold ausznzahlcn. An einem bestimmten Orte «»gekommen, sah er plötzlich hinter einer Maner sieben maskierte Banditen erscheinen, die von Kopf bis zu Fnß bewaffnet waren, auf die beiden anlcgtcn und ihnen bei Todesstrafe befahlen, sich mit dem Gesicht auf die Erde hinznwcrscn. Die beiden Unglücklichen mußten gehorchen, und während vier Banditen immer angelegt hielten, nahmen die drei anderen ihnen ihre Revolver und die Geldkatze mit 3500 Lire fort, worauf sie entflohen. . Auch mehrere Morde sind in den letzten Tagen vor gekommen. (Hamb. Korr.) Nach der Festnahme der Humberts. Paris, 21. Dezember. („Köln. Zig") Die Humberts sind gefaßt! Venezuela, die Scnatswahlen, die Enthül lungen, womit die Nationalisten dem Dreyfushandel einen neuen Aufguß für die skandalsnchtigen Gemüter geben möchten, altes muß verstummen vor dieser Kunde! An- fänguch begegnete sie infolge der früher» zahlreichen fal schen Meldungen ungläubiger Aufnahme. Die ZeitungS- vertäuser, die sic um die Wette auf den Boulevards aus brüllten, machten schlechte Geschäfte. Dann aber, als sie sich bewahrheitete, elektrisierte sie die Boulevards, die Cafös, die Häuser von der Loge des Hausmeisters aus bis in den fünften Stock hinein, den Gerichtspalast, die Mini sterien, die ganze Stadt! Ein Camelot, den ich am Abend nach seinem Zeitungsabsatz fragte, antwortete mir mit be friedigtem Lächeln: Fünfmal so viel als sonst. Die große Wandelhalle des Justizpalastes, in der sonst Richter und Advokaten einen würdigen Amtston selbst in der Privat unterhaltung anschlagcn, glich einem aufgejagten Wespen nest. Aufmerksame Beobachter wollen gesehen haben, daß die ehemaligen Verteidiger und Notare der Humberts lange, fragende Gesichter machten, während Untersuchungs richter und Staatsanwälte freudestrahlenden Anges ihren Amtszimmern zustürzten und der abgesetzte Untersuchungs richter Lemcrcier mit triumphierender Genugtuung seinen Amtsgenvssen zuricf: „Madrid! Madrid! Das war die Spur, die ich verfolgte!" Am größten aber scheint die Freude im Justizministerium bei Herrn Balls gewesen zu sein. Ein Zeitungsrcportcr, der sich nach der Stimmung dort erknndigen wollte, stieß im Vorzimmer auf eine» mit einem halben Dutzend Champngncrflaschcn beladenen Diener nnd drinnen auf eine Anzahl Senatoren und Ab geordnete, die hcrbcigccilt waren, um die zweifelhafte Kunde aus dem Munde des Justizministcrs selbst sich be stätigen zu lassen. Der aber gab ihnen die Antwort mit dem Knallen der Champagncrpfropsen! Vor vierzehn Tagen erst noch hatten die Feinde der Republik den Schat ten der Therese Humbert im Volkspalast anfsteigen lassen und unter wütenden Angriffen gegen die Regierung, gegen die republikanische Justiz und den Justrzminister insbesondere vorgeschickt. In wildem Fanstkampse hatte man Marianne verteidigt. Jetzt war sie gerächt! Man versteht es, daß der Weltruf Thcrescns auch die Spanier ganz stolz auf ihren Fang nnd den ihrer ganzen Sipp schaft gemacht hat. Der Spanier kennt sich und es ist ihm ein beschämendes Gefühl, dem übrigen Europa, nament lich seinem blutsverwandten Nachbar im Norden gegen über im Punkte der Kultur und Wissenschaft und der poli tischen Größe zurück zn sein. Mit nm so größerer Freude verzeichnet er daher die Großtaten jedes seiner Söhne, nnd seien es die eines einfachen Polizeikommissars. Mit einem Lächeln der Genugtung nahm daher auch der spa nische Botschafter, Leon n Castillo, die Huldigung entgegen, die ihm ein Pariser Reporter mit der Anerkennung dar brachte: „Exeellenz, Spanien hat die Ehre des Tages!", indem er ihm erwiderte: „Allerdings. Die spanische Poli zei hat sich ausgezeichnet. Aber darüber braucht man sich nicht zu wundern, denn sie ist die beste der Welt!" Der junge König von Spanten selbst hat, wie die Madrider Meldungen berichten, persönlich den Polizciprüfekten zu seinem Erfolge beglückwünscht nnd ihm huldvollst die für seine findigen Untergebenen erbetenen Belohnungen be willigt. Die arme Therese! Sie hatte sich in das roman tische Land des „timo ckol entisrro" geflüchtet, Ivo die inter nationale Gaunerei mit dem vergrabenen Schatze zu klai sischcr Blüthc gekommen war, in der Hoffnung, hier viel leicht mehr Verständnis, mehr Nachsicht, mehr wahlver wandtschaftliche Freundschaften und Bewunderer ihres Genies zu finden, und nun setzt gerade dieses Land seinen Stolz darein, sie -cm Arme -er irdischen Gerechtigkeit überliefert zu haben! Der erste Akt des Dramas Humbert ist damit zu Ende und es beginnt der zweite Akt. Der Vorhang des ersten ging auf über den leeren Riesengeldschrank in dem statt lichen Palastc der Avenue de la Grande Armee in Paris. In raschem, spannendem Scencnwcchsel siiihrte uns die Handlung über den Zusammenbruch der 100-Millivncn Erbschaft durch den Pariser Justizpalast, die Arena des Palais Bourbon mit dem Schauspiele ihrer Masscnprüge lei in die Straßen und die Gefängnisse von Madrid. Keines Dichters Phantasie hätte solche scenischcn Bilder, eine solche Fülle von Gestalten und Begebenheiten schassen tön neu, wie hier die Wirklichkeit des Lebens sie dem Ange der Gegenwart bot und wo in den Persönlichkeiten der Helden sich so die individuellen Schicksale mit den kultu rellen und politischen Seiten des Landes verknüpfen. Der zweite Akt wird nun demnächst wieder in Paris anheben, und zwar aller Voraussicht nach in dem Saale des Pariser Znchtpolizeigerichts, wohin die Anklage ans „Betrug. Fitz schung und Gebrauch von Fälschungen" Therese als Haupt- angcklagte und ihren Mann, ihre Brüder, ihre Schwester und Tochter als Helfershelfer verweist. Wenn nicht altes täuscht, so wird auch hier die Wirklichkeit dem Beschauer noch mehr bieten, als seine Phantasie sich jetzt schon er träumt. Die Schwindler, vor allem Therese, sind nicht ans dem Holze geschnitzt, das annehmcn läßt, sie würden sich willenlos in ihr Schicksal ergeben. „Wagen und nicht wägen" war während 20 Jahren die Losung, nach der das Genie Theresens in willcnSstarker Entschlossenheit halb Paris und einen Teil der Provinz an der Nase herum- siihrtc. Ihre Drohungen, die Kaltblütigkeit, mit der ihr Hanptgcnosse Romain Daurignac selbst seinen Wärtern im Gefängnis noch seinen Teres und seinen Biskuit nach lan- deShöflicher Sitte mit einem gefälligen „17-stcxI gv^a — beliebt'S Ihnen, mitzuspeisen?" anbvt, bekunden, daß sie die Rolle, zu der sie jetzt verurteilt sind, nickst allein sortzn- ietzen gedenken. Noch viele der Mitspieler gibt eZ in den > Conlissen nnd nicht wenige darunter, von denen man sich j zuraunt, daß sie in diesem Drama eine größere Rolle mit- svielen können. Der Vorhang, der sich über dem höflichen Worte Romains in Madrid senkte, gebt eben fiir sie mit demselben Worte zum zweiten Akte ans: Hstock gvKta? — Beliebt'?» Ihnen, mitzu spielen? * Madrid, 22. Dezember. (Telegramm.) Die § chriftstücke, welche sich auf die Auslieferung der Familie Humbert beziehen, werden hier am Mitt woch eintrefsen. Wenige Stunden dürften für die Ans- lieferungsformalitäten genügen. Auch Fran Humbert hatte mit einem Berichterstatter eine Unterredung, in wel cher sie erklärte, die Acußerungen, welche ihr Bruder Romain Daurignac gleich nach der Verhaftung dem Ver treter einer Zeitung gegenüber getan haben sollte, habe er in Wirklichkeit nicht getan. Frau Humbert weist ferner die Beschuldigung, eine geriebene Abenteurerin zu sein, zurück. Sic werde, wenn sie erst in Paris eingetroffen sei, Enthüllungen machen, die allgemeines Erstaunen Hervor rufen würden. Fran Humbert weigert sich mit Ent schiedenheit, irgend einen Pariser Berichterstatter zn em pfangen. Lücherbesprechungen. GrnrralCbr. R. DeWet. DerKampfzwijchen Boer und Brite. (Der dreijährige Krieg.) Für die Jugend irei bearbeitet von A. OSkar Klaub mann. Mit Karten und Illustrationen. Kaitowitz und Leipzig, Verlag von Karl Siwinna. Ein billiges, vortreffliches Buch für den Weihnachtstisch, dessen Anzeige sür Viele wchl noch nicht zu spät kommt. Man sagt, der erste Entschluß sei der beste; beim WeihnachtSeinkau? ist aber erfahrungsgemäß ost der letzte der beste. Und wer im letzten Augenblick erst nach diesem Buche greist, der tut, dessen können wir ihn versichern, ganz gewiß keinen Fehlgriff. Für daS reifere Knaben- alter ist das Buch wie geschaffen, denn de Wet, der tapfere und kluge Boerengeneral, ist sür dasselbe vorbildlich in allen seinen hervorragenden Eigenschaiten, seiner Energie, seinem Olotl- verlrauen, seinem Mute, seiner Ausdauer, seiner Ruhe, seiner Zähi..- keit in der Ausiührung bedeutungsvoller Pläne und »einer ö>eistcc- oegenwart in den schwierigsten Verhältnissen, in den verzweistltsien Lagen. Die beigegebenen Karten sind ein sehr guter Hulssiniit. l. Ohne sie bekommt man nicht das richtige Verständnis für Lar, war De Wet und seine Leute geleistet haben. Man darf nickst die riesigen Entfernungen vergessen, um die eS sich auf dem südafrikanischen Kriegsschauplätze handelte. Tie Länge dieses KriegSstaalcS eni- spiach ungefähr der Entfernung von Dresden nach Barcelona, d e Breite dem Abstand zwischen Straßburg und Triest. — Te Wels Originalwerk (Ter Kamps zwöch-n Boer und Brite), nach welchem Las oben angezeigte bearbeitet ist, erschien unlängst im gle eben Verlage. Unseren Lesern ist cs Lurch umlangreiche Auszug, bere.t-'- empsohlen. Es ist gleichfalls ein Weihnachtsgeschenk allere,,!cn Ranges und nicht minder preiswert. «,/- Verantwortlicher Redakteur Or. Herrn. Küchling in Leipzig, für den musikalischen Teil Adolf Ruihardt in Leipzig. psu! ÄS 8ssux Uknsnk«n«IIung 41. ksgnünilvl 1877. Grüßte Auswahl in: Glashütter und Schweizer Taschenuhren, stilvolle Zimmeruhren, Polyphon-Musik-Werke, moderne Uhrketten, kür jeäs vkr - Isckrrv rsslkts Larnnlie. tiokksr u. Danolmn, -»wwuiod? «inkorswin, »ainstr 2
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)