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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021029022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902102902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902102902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-10
- Tag 1902-10-29
-
Monat
1902-10
-
Jahr
1902
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7204 Londoner Gefluaung-genoffen den versuch zu machen, Mr. Cdamberlain bereit- vor seinem Eintreffen in Südafrika zu beeinflussen. Diese Versuche werden sich ihrerseits, wie sich heute schon erkennen läßt, zu einem Zeitungskampse zuspitzen. Heute bereits zeigte sich, daß dieser Kamps sich um die Person deS Reick-ko mmissarSLordMiloer drehen wird. Die kon servative Presse versucht, den Besuch Chamberlains von feder Deutung zu Ungunsten MilnerS frei zu machen, und zum Teil den Eindruck zu erwecken, als erfolge die Reise mit »herz lichem Einverständnis" deS ReichskommissarS, während die liberale Presse, soweit sie Milner feindlich gegenüber- stevt, durchblicken läßt, daß der Besuch mehr oder weniger eine Untersuchung der Maßnahmen Lord MilnerS be deute. Nach dem amtlichen Erlaß wird die Reise von Ende November bi- Anfang März dauern. Danach würde Chamberlain sich etwa sechs Wochen in Südafrika ausbalten. — Tie „Times" schreiben ganz begeistert: Alle Engländer sind überzeugt von dem Werte einer unformellen Besprechung solcher Punkte, in denen ihre Meinung auS- cinandergeht, und zu deren Schlichtung sie sich gegenseitig zu helfen ehrlich bemüht sind. Mr. Chamberlain wird Leute aller Parteien hören, und er hat versprochen, die Ansichten aller zu prüfen, da er in erster Linie die zukünftige Politik zu bestimmen hat. Können wir daran zweifeln, daß die Weisheit und die Großmut Liese- Schritte- einen direkten und tiefen Ein druck aus die englischen und holländischen Kolonisten machen wird? Können wir zweifeln, daß der Schritt das Wachs tum der imperialen Idee mächtig fördern, und daß er auch einen tiefen Eindruck auf Europa, und vielleicht einen noch tieferen auf unsere Verwandten jenseits deS atlantischen Ozeans machen wird, da er die Aufrichtigkeit unsere- WimscheS zum Ausdruck bringt, da- Weltreick, das wir auf bauten, durch die Zufriedenheit und Loyalität seiner Völker zu zementieren?" — Uns wird noch gemeldet: * London, 29. Oklober. (Telegramm.) „Daily Chronicle" meldet: Infolge der Ankündigung der Reise Chamberlain- nach Südafrika hielten die Boerensührer Krnitzinger, Joubert und FouchL gestern eine Beratung ab und beschlossen, die For derungen der Boeren in einem Aktenstück zusammen zu iaffen und dieses Chamberlain zu behändigen. Auch ist die Frage erwogen worden, ob von den Boeren ein Ausschuß ernannt werden solle, der gleichzeitig mit Chamberlain ein« Rundreise durch Südafrika mache. VnndcSmndigkcit in Australien. AuS Sydney, 23. September, wird geschrieben: Wie Sie wobl bereits erfahren haben, wurde im Parlament von West australien die Ratsamkeit deS Austritts aus der Common wealth erörtert. Ende voriger Woche bat nun auch Mr. Plunlett im QueenSländer Parlament einen Antrag zu Gunsten der Trennung Queenslands von der Föde ration gestellt. Man vermutet, daß der Premier Mr. Pbilp mit dem Prinzip deS Antrags sympathisiert, wenn er auck nicht den ganzen Wortlaut desselben billigt. Mr. Phiip bekannte, daß er eine Rückkehr zu den alten Verhältnissen begünstige. Befragt, ob der Grund seiner Opposition zur Föderation irgend eine Handlung der föderalen Regierung oder seine Enttäuschung über die Arbeiten der Föderation im allgemeinen sei, sagte er, daß der größte Teil der Schuld an dem, was geschehen sei, auf die Schultern der föderalen Regierung zu legen sei; aber auch das ganze System erweise sich als unausführbar. Die föderale Regierung übernehme keine der finanziellen Obliegenheiten der einzelnen Staaten und letzteren sei eS überlasten, sich auf die beste Weise, wie sie lönn.en, durchzuhelien: alle Last der Anleihen halten sie zu tragen, die föderale Regierung aber habe die ertragsreichste Steuerquelle, das Zollamt, okkupiert und führe an die Staaten nach eigner Willkür ab, während letztere kein Wort milsprechen dürften. Dann aber werde auch Queensland schleckt behandelt. So habe er eben ge hört, daß die föderale Regierung beabsichtigt, die Perl- filchereicn von Queensland und die von West-Australien verschieden zu behandeln. Auf die Frage, ob der Plunketlsche Antrag von den Männern der Regierung unterstützt werden würde, sagte Mr. Philp: »Nun, Ihnen allen ist es schon ganz übel von Föderation" (tkox ure all prett)' <-ick ot keckeration). — Auch im Unterhause von Tasmania wurde beantragt, daß Tasmanien sich mit West-Australien und Queensland vereine, um eine Trennung von der Union herbeizusübren. Große Unzufriedenheit wurde laut über die unbefriedigenden Resultate der Common wealth-Regierung und ihre Extravaganzen. Hier aber wurde der Antrag fast ohne ernfthafte Debatte abgelehnt. — Alle nach Trennung gelüstenden Staaten haben große Eile, damit die Trennung stattfinde, bevor die Commonwealth Anleiben aufzu nehmen beginnt, worüber der föderale Fmanzminister schon Andeutungen gemacht hat. Auch zwischen dem Staate Neu süd-Wales und der Commonwealth ist wieder einmal eine Schwierigkeit aufgetaucht. Es handelt sich um das Eigentumsrecht über „DaweS Point", einer am Sydneyer Hafen gelegenen kleinen Halbinsel, ganz nahe dem »Cir cular Quai", dem geschäftigsten und wichtigsten Landungs platz der Stadt, wo die erste britische Flagge unter Kapitän Philipp in Neu-Süd-WaleS gehißt wurde. Dieses Stück Land will die Commonwealth übernehmen; aber Neu« Süd-Wale- will es nicht bergeben, obgleich schon Brigadier Finn (als Militär ein föderaler Beamter) seine Wohnung dort bat. Sir W. Lyne, der Bundesminister des Innern und früherer Premier von Neu-Süv-WaleS, erklärt, daß die Bundesregierung da- Grundstück absolut haben müsse, und wenn sie selbst Gewalt gebrauchen müsse, und daß die Commonwealth, wenn sie Opposition finden sollte, Truppen senden würde, um ihren Anspruch zu erzwingen. Darauf entgegnet Mr. See, der Premierminister des Staates, daß, wenn daS geschehen würde, er einfach seine Polizei die Truppen arretieren lasten würde. Er babe den Rat der besten Juristen der Krone konsultiert, welche ein stimmig behaupten, daß »DaweS Point" nicht einen Teil deS Grundstück- bilde, welche- von der föderalen Regierung er worben wurde. AuS allem Obigen geht hervor, daß die ganze Föderationsmaschine doch nicht ganz glatt arbeitet. Deutsches Reich. Berlin, 28. Oktober. (Konservative Sorgen.) Mit rührender Teilnahme beschäftigt sich die konservative „Hallesche Zeitung" in den letzten Tagen mit den inneren An gelegenheiten der nationalliberalen Fraktion und Partei, ohne ein Empfinden nach der Richtung zu zeigen, wie viel ersprieß licher für sic die Aufmerksamkeit und Sorge für die eigenen bedrängten und auseinander fallenden konservativen Partei schalticrungen sein müßte. Ihrem Blicke könnte eS dann nicht entgehen, daß die drei konservativen Fähnlein: derer um Wangenbeim mit dem 7,50 ^e-Zoll, derer um den Kom- vromißantrag und derer um Rettich, die herzlich gern die Regierungsvorlage annehmen möchten, durch schwere innere Kämpfe gegen einander leiden, wodurch die Geschloffenbeit der konservativen Partei in die Brüche geht. Aufrichtiger und klaren Auges die von der Partei seit vielen Jahren gemachten Fehler erkennend, spricht sich da- schlesische kon servative Organ, die „Schlesische Zrg.", gelegentlich des Amts antrittes deS neuen Generalsekretärs, MajorS a. D. Strossen, auS. Wenn letzterer auch erst vom 1. April ab die Ge schäftsführung im vollen Umfange übernimmt, so hofft die konservative Partei doch von seinem Einfluß in zwölfter Stunde die Reorganisation der konservativen Partei von der dominierenden Herrschaft deS Bundes der Landwirte. Die „Sckles. Ztg." bekennt offen, daß durch die Organisation deS Bundes die konservative Partei „überflügelt und geschwächt" worden ist. Und diese Organisation, durch die reichen Mittel der Konservativen in- Leben gerusen und genährt, fetzte sich an Stelle der Konservativen. Die alte Geschichte vom Igel und vom Hamster! Tas soll nun anders werben: die Konservativen wollen d,e eigene frühere Organisation wieder ausdauen und stellen an die Interessenvertretung des Bundes in erster Linie die Forderung, daß sie sich vor allem als Mitglieder der konseivativen Fraktion zu fühlen und danach zu bandeln haben. — Wenn diese Einsicht und der Einschluß zur Organi sation nur nicht zu spät kommt! Indessen ist eS immerhin anerkennenswert, daß die „Schlcs. Ztg." vor den wahren Verhältnissen und den unerbittlichen Tatsachen, die der Bund der Landwirte innerhalb der konservativen Partei geschaffen hat, nicht den Kopf in den Sand steckt. — Um noch mals zur „Halleschen Ztg." zurückzukehren, stellen wir fest, daß sie den Namen des angeblichen nationalliberalen Abgeordneten noch nicht genannt hat. Sie tritt aber bereits den Rückzug an: jene Veröffentlichung war doch darauf berechnet, den Anschein zu erwecken, als ob der angeb liche nationalliberale Abgeordnete selbst diese Zuschrift an daS konservative Blatt geiandl habe. Jetzt aber stücktet sich die »Hallesche" hinter einen Privatbrief an einen Verwandten deö angeblichen nationalliberalen Abgeordneten. Diese Aus flucht erinnert an dir alte Tante in Paris, mit deren Autorität einst ein ReichStagsabgeordneter sein verfehltes Urteil in hoch politischen Angelegenheiten der auswärtigen Politik vor dem Reichstage zu decken versuchte. * Berlin, 2S. Oktober. Und Herr v. Frege macht doch Schule! Friedensklänge zieheu der „Kreuzzeitung" wieder einmal durch die Brust. Sie weist darauf hin, daß Graf Bülow die Weiterberatung der Zollrarifvorlage wünscht und daß er noch immer an die Möglichkeit einer Einigung zwischen den tariffreundlichen Parteien untereinander, sowie zwischen diesen und den verbündeten Regierungen glaubt. Dann heißt eS weiter: Auf welcher Grundlage eine solche Einigung würde erfolgen können, wird sich, wie wir bereit- wiederholt ausgesprochen haben, erst nach Erledigung der zweiten Lesung übersehen lassen. Ist bi- dahin eine feste Mehrheit für eine bestimmte Fassung des Gesetze- gewonnen, so wird, falls bei dieser Einigung die bisherigen Erklärungen der Regierung die gebührende Berücksichtigung gesunden haben, auch die Regierung nicht anstehen, einige der ReichStagsmehrheit unentbehrlich erscheinende Abänderungen des Gesetzes zuzulassen. Man muß sich vor Augen halten,daß bis jetzt nur einige wenige, dir vitalsten Interessen der Landwirtschaft allerdings aus das allelengste berührende Posi tionen deS nahezu tausend Zollsätze enthaltenden Tarifs durchberaten > sind, und daß unter der ungeheuren Menge der in zweiter Lesung noch nicht erledigte« Position«« sich immerhin «ineAnzahl solcher befindet, die einer der Landwirtschaft erwünschten Umge- staltung fähig sind. Dah in diesem Falle aus der Verabschiedung des Entwurfs der Landwirtschaft Vorteile erwachsen könnten und daß die letztere dann vielleicht besser fahren würde, als wenn bei dem Scheitern des Entwurfs die alten Handelsverträge weiter lausen oder neue Verträge aus Grund des bestehenden aulo- nomen Tarif- abgeschlossen werden würden, kann auch von unserem Standpunkte auS bis zu einem gewißen Grade anerkannt werden. Ferner ist eS, wie ebenfalls zugegeben werden kann, schwer anzunehmen, daß unter den obwaltenden Verhältnissen im Falle eines Drechsels in der Person des Reichskanzlers eine der Landwirtschaft freundlichere oder auch nur gleich freund liche Regierung zu erwarten ist, als diejenige, au bereu Spitze Graf Bülow steht. Daraus würde aber folgen, daß, wenn der Taris jetzt fällt, er in einer der Landwirtschaft günstigeren Ge staltung zur Zeit schwerlich wieder kommen würde. DaS hat Herr vr. v. Frege mit anderen Worten auck gesagt — eS feblt nur noch, die Konsequenzen zu ziehen und für die Gelreice- und Viehzollsätze der Regierung zu stim men. Hoffentlich beißen vie Konservativen auch in diesen nur sauer auSsehenden Apfel mit dem doch ganz ange nehmen metallischen Beigeschmack; dann kann die Vorlage für die paar Bundeshäuptlinge „schlechthin und unter allen Umständen" so „unannehmbar" bleiben, wie sie wollen — wenn die „Unannehmbare" nur angenommen wird. — Der Kaiser und die Kaiserin trafen beute nach mittag um 4Vr Uhr hier ein, begaben sich nach dem könig lichen Sckloffe und fubren unmittelbar darauf mit dem Kronprinzen von Dänemark nach der Singakademie, in deren Saale die Herrschaften einen Vortrag deS RegierungS- daumeisterS vr. Borchardt hörten. Der Kronprinz von Däne mark batte nach seiner Ankunft in Berlin die SiegeS- allee und die Kaiser Wilhelm-Gedächtni-kircke besucht, Visiten bei den hier weilenden Prinzen und dem Reichs kanzler Graf v. Bülow gemacht und der Gemahlin deS zum Ehrendienst kommandierten GeneralltS. v. Moltke einen Besuch abgestattet. — Der Kaiser, die Kaiserin und der Kionprinz von Dänemark wohnten heute abend der Auf führung von Sardous „Tosca" durch Sarab Bernhardt und ihre Truppe bei und beteiligten sich lebhaft an dem vom Publikum gespendeten Beifall. — Aus die gelegentlich der Geburtstagsfeier der Kaiserin an die Monarckin gerichtete Adresse auS den Kreisen der Bürgerschaft ist jetzt die folgende Danksagung ergangen: Ja sinnig und kunstvoll ausgrstaiteter Adresse haben mir wiederum viel« Tausende von Bürgern, Frauen und Jungfrauen Berlins aus den weitesten Kreisen ihre Glückwünsche zu meinem Geburtstage Largebracht. Di« treue Gesinnung, die Liebe zum Königshaus« und zum Vaterland, die sich in den Worten der Adresse kundgibt, der mir für meine Anteilnahme an Len zahlreichen in unserer ReichLhauptstadt blühenden und jährlich zunehmenden Werken der Nächstenliebe auf kirchlichem und humanem Ge biete in so brrzlicher Weise ausgesprochene Dank ist mir eine der schönsten Geburtstagsgaben und beweist mir aufs neue, wie ich überall, wo rs gilt, geistige und leibliche Not zu lindern, auf zahllose Getreue in Berlin in allen Schichten der Be völkerung rechnen darf. Ohne Liese opferbereite, tatkräftige und unablässige Mithülfe wäre in unserer Hauptstadt, welche jetzt ein Vorbild im Gutestun ist, nicht daS erreicht waS in dem letzten Jahrzehnt erreicht worden ist. Ich weiß, Laß meine Bitte, mir auch weiterhin diesen Beistand zu gewähren, auf fruchtbaren Boden fällt, und so werden auch in Zukunft unsere gemeinsamen, für das Wohl des Volkes so wichtigen, vielseitigen Arbeiten voa Gottes Segen begleitet sein. Berlin, 26. Oktober 1902. Auguste Victoria. I. R. — Mit der in der Presse ausgesprochenen Vermutung, daß die Zentrumspartei zur Niederkämpsung der Obstruk tion im Reichstage einer Aenderuug der Geschäfts ordnung zustimmen werde, steht folgende Aeuße- rung der »Köln. VolkSztg." im Widerspruch: Man kann allerdings die Geschäftsordnung so abändern, daß überhaupt keine namentliche Abstimmung mehr staitfinbel; damit ist aber die Obstruktion noch nickt beseitigt. Ebensowenig helfen alle anderen Vorschläge, die bis jetzt auf getaucht sind. Und dann müßten sie erst auch noch zum Beschluß erhoben werden, waö wieder seine großen Schwierig keiten hätte. Wir sind mit der „Deutschen TageSztg." der Meinung, »daß eS keine mögliche und vernünftige Aenderung der Geschäftsordnung gibt, die eine durchgreifende Beschleunigung der Zollberatungen ermöglicht." — Die „Korresp. des Bundes der Landwirte" schreibt beute „zur Richtigstellung" gegenüber einem PaffuS auS der vom Abz. Dr. Heim im Reichstag gehaltenen Rede, in welchem eS heißt: „Man hat mich beschworen, schriftlich sogar — da kann nicht- geleugnet werden — ich möchte auf meine Parteikollegen ein wirken, daß diese elende Flottenpolitik zum Scheitern käme": „Demgegenüber können wir feststellro, daß ein solcher Brief von keinem der Herren des engeren Vorstandes des Bundes der Landwirt» an Herr» vr. Heim geschrieben worden ist." In einem sozialdemokratischen Blatte war bekanntlich vr. Habn, der al- Direktor auck Mitglied deS engeren Vorstandes deS Bunde- der Landwirte ist, als Verfasser angegeben, WaS durch die obige Erklärung dementiert wird. Nun muß Wohl Aba. Heim mit genaueren Enthüllungen berausrücken. — Die kaiierlichen Prinzen August Wilhelm und Oskar, welche die Herbsiserien bei den Eltern im Neuen Polais verlebten, sind in Begleitung ihrer Gouverneure zur Wiederaufnahme deS Unterrichts in daS Prinzenhaus nach Plön zurückgekchrt. — Der Ausschuß des BundeßratS für Justizwesen, so wie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute Sitzung. — Für den Heimscken Antrag, den Minimalzoll für Gerste auf 6 zu bemessen, hat auch der freisinnige VolkSparteiler Ritter, Vertreter deö 7. Wahlkreises Merseburg, gestimmt. Der „Vorwärts" bemerkt dazu: Nach dem Herr Ritter übrigens sein HeimsckeS Gerstcnherz bekannt, scheint man ihn in Parteimassage genommen zu haben, wenigstens hat er bei den folgenden Abstimmungen unentschul digt gefehlt. — Nach den Gepflogenheiten früherer Jabre dürfte am Sonnabend, dem 1. November, auf den das katholische Fest „Aller Heiligen" fällt, die Reichstags sitzung ausfallen. Da Präsident Graf Ballestrem, wie man hört, aber seine vornehmste Aufgabe darin sieht, die Beratung des Zolltarife- nach Möglichkeit zu fördern, dürfte eS dock frag lich sein, ob der Wunsch mancher rheinischer Abgeordneten, auch am Montag die Sitzung ausfallen zu lassen wegen halben Feiertages in ihrer Heimat, in Erfüllung gehen wird. — Der freikonservative Vertreter deS Wahlkreises Emden-Norden im preußischen Abgeordneten dause, AmtkgerichtSrat Menge, ist zum Kammer gerichtsrat ernannt worden. Infolge dessen ist sein Mandat erloschen. — Mit einem für alle Straßenbahnsckaffner prin zipiell wichtigen NechiSstreit hatte sich daS Reichsversiche- rnngSamt zu beschäftigen. Es handelte sich um die Frage, ob die Trinkgelder der Schaffner bei der Renten bereck- nun g zu berücksichtigen seien. Im Gegensatz zu einer früheren Entscheidung bat das ReichSversickerungSamt nunmehr ange nommen, das Trinkgeld gehöre zum Gehalt, da es ge wohnheitsmäßig gegeben und zum Teil an Stelle deS GebaltS tiete. Die Berufsgenoffenschaft will nun bei der Direktion der Straßenbahn vorstellig werden, damit den Schaffnern die Annahme von Trinkgeld verboten werde. — Der freisinnige Landtagsabgeordnete Wetekamp, Gym- nasial-Oberlehrer in Breslau, ist zum Direktor des neuen Schöne berger Realgymnasiums im Berliner Ortsteil gewählt und bestätigt worden. — Der Reichskanzler empfing heute Mittag den bisherigen brasilianischen Gesandten, Baron Rio Branco, der infoiae seiner Ernennung zum Minister Les Auswärtigen nach Rio de Janeiro zurückkehrt. — Landrat vr. von Meister in Homburg soll nach dem „Taunusdoten" einen Rus in das Ministerium nach Berlin er halten haben. — Am 25. Oktober ist in Berlin der Wirkliche Geheime Ober- Regierungsrat a. D. Christoph Hucke, einst langjähriges Mitglied des Reichspostamts, im 77. Lebensjahre verstorben. — Hier angekommcn sind der Kultusminister vr. Studt, der Handelsminisier Möller, beide auS Münster i. W. (D Königsberg i. Pr., 28. Oktober. Stadtkämmerer Körte aus Breslau wurde bei der heute erfolgten Wahl zum ersten Bürgermeister der Stadt gewählt. (-). Greifswald, 28. Oktober. In dem Prozeß wegen Beleidigung de- LandratS von Maltzahn wurde Ur. Wendorff zu 50 .F, Steckert zu 300 Geldbuße, Brandt zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Becker und Davidsohn wurden freigesprochen. D Hamburg, 28. Oktober. Eine Meldung, daß für den NeickStagswahlkreis FlenSburg-Apenrade Adolf Woermann als Kandidat in Aussicht genommen sei, be ruht nack Erkundigung an zuständiger Stelle ans vollständig falschen Informationen. Woermann denkt nicht daran, sich um ein Mandat zu bewerben. * Rinteln, 28. Oklober. Die von den Gerichten ver schieden behandelte Frage, ob das Wort „Sozialdemokrat" eine Beleidigung enthalte, bat durch eine bei dem hiesigen Schöffengericht anhängig gemachte Privalklage eine neue Beleuchtung erfahren. Der städtische ArmenbauSverwalter M. batte einem Arbeiter H., der in einer Unterstützungsangelegen- beit auf das Rathaus gerufen worden war, während der dienstlichen Verhandlung zugerusen: Sic sind ja ein Sozial demokrat! H. strengte eine Beleidigungsklage gegen den Verwalter an und gab die Erklärung ab, nicht sozialdemo kratisch gesinnt zu sein. Das Hauptverfahren wurde auch eingeleitet. Nachdem ein städtischer Angestellter als Zeuge den Vorfall bestätigt hatte, schlossen die Parteien unter Mit wirkung deS Gerichts einen Vergleich, dem die Anerkennung zu Grunde lag, daß die fragliche Aeußerung in der Tat be leidigend sei. Der Angeklagte nahm durch eine öffentliche Erklärung in der Kreiszeitung die Beleidigung „Sozialbemo- „So sagt jeder", erwiderte Isa kurz, ließ aber von wetteren Fragen ab, weil sie wußte, daß sie doch nichts er fahren würde, wenn Mozzo nichts sagen wollte oder durste. Aber seit dieser Zeit wurde sie den Gedanken nicht los, daß der Mozzo irgend ein Dtittel gefunden habe, nm mit Monsieur August zu verkehren, und daß er infolgedessen über sein Tun und Treiben unterrichtet war. Während ihres ersten Urlaubs war Isa auf Gastspielen in Wien und Petersburg. Sie reiste mit ihrem Vater, während der Mozzo zu Haufe bleiben mußte. Das ging ihm natürlich sehr nahe und er fluchte und weinte in ge wissenhafter Abwechselung, daß Isa Mitleid mit ihm hatte. Aber ihr Vater wollte die Kosten für Mozzos Beförderung nicht bewilligen und so blieb's dabei. Isa hatte die leise Hoffnung auf diesen Reisen, die natürlich durch die Jour nale bekannt nnrrden, etwas von Monsieur August zu hören, aber diese Hoffnung wurde nicht erfüllt. Sie kam mit Lorbeer und allerlei Kostbarkeiten schwer beladen inrück — sonst nichts. Im Anfang des darauf folgenden Winters wurde sie von ihrer Freundin Elise, der jetzigen Fran Doktor Habicht, nochmals gebeten, auf einer Hoch zeit zu erscheinen und einige Lieder zu singen. Es war die Hochzeit des Hauptmanns Kamenz mit — Fräulein Lore von Tbessen, die nun schließlich nach so viel Weh und Leid doch zu stände gekommen war. Auch der Bräutigam selbst gab >ich Mühe, Isa zur Teilnahme an der Feierlichkeit zn bewegen, aber diese schlug es rundweg ab. Da erschien Graf Kälteren wieder auf der Bildfläche. Er machte ihr einen Besuch und Isa empfing ihn in dem kleinen Gärtchen vor ihrem Hause, wo sie gern saß. Der Mozzo ging ab und zu, und obwohl er nichts von der Unterhaltung verstand, beobachtete er die Beiden doch sehr mißtrauisch. Graf Kälteren bat sie in seiner etwas vor lauten Art ebenfalls, auf der Hochzeit seines Freundes Kamenz zn erscheinen, und Isa war sehr liebenswürdig, fast kokett mit ihm, sagte nicht Ja und nicht Nein, und bat den Herrn Grasen schließlich, am nächsten Tage wieder ui kommen, angeblich weil sie Direktor Bennewitz erst um Erlaubnis fragen müsse. Graf Kälteren war von diesem Erfolge wie berauscht und stellte sich am nächsten Tage auf die Minute pünktlich wieder ein. Isa wußte aber wieder keine bestimmte Antwort und vertröstete ihn mit ver schmitztem Lächeln auf den nächsten Tag. Go ging da» eine ganze Woche fort. Graf Kälteren war im siebenten Himmel und erzählte seinen Bekannten, daß der Feind kapitulieren wolle und seine Verlobung mit Isa Eazador nur noch eine Frage der Zeit sei. Ter Mozzo war aufgeregter als je und Isa hörte vom Fenster herunter, wie er in seinen be kannten Selbstgesprächen dem Grafen den freundschaft lichen Rat gab, seine Knochen zu numerieren, damit er sie später wieder zusammen bringe. Wann dieses „später" aber eintreten solle, erfuhr sie trotz aller Selbstgespräche nicht. Nur so viel war ihr klar, daß die kleine Komödie, die sic eingcfüdelt hatte, das letzte Mittel sei, um dem Mozzo fein Geheimnis zu entreißen. Brachte die Eifersucht Monsieur August nicht mehr auf die Beine, dann war er überhaupt nicht mehr auf die Beine zu bringen. Dann war er tot. Tie hatte ihn seinerzeit aus dem Schnee und Eis Rußlands hervorge.zogen, halb erfroren und krank, sollte sie ihn jetzt ans der offenbar absichtlichen Ver borgenheit nicht hervvrziehen? Rascher als Isa eS vielleicht selbst gehofft, wurde ihre Kalkulation verwirklicht. Eines Mittags, als sie aus der Probe kam, fiel ihr ein sonderbares Plakat auf, das sie an allen Anschlagsäulen und Straßenecken sah. Es war darauf ein Herr in tadelloser Salontoilette abgebildet, der mit den ihn schattenhaft und gespenstisch um schwebenden Geistern sprach und als sie infolge dieser etwas rätselhaften Abbildung den Tert eines solchen Plakates las, erfuhr sie, daß der berühmte Ventriloquist Professor Mastrogiovanini, „der erste Bauchredner beider Welten" — so stand ausdrücklich auf dem Plakat — nach mittags um vier Uhr im großen Saale der Eoncordia feine erste Vorstellung gäbe und das hochverehrte Publikum einlade, sich seine Kunst anzusehen. Isa dachte an nichts und ging weiter. Sie hatte leider keine Zeit, sich solche Sachen anzusehen, so sehr sie auch daran Gefallen fand. Erst als sie zu Hause ankam und be merkte, daß der Mozzo ein solchas Plakat vor sich auf dem Boden ausgebrettet hatte und bewundernd studierte, wurde sie betroffen. „Was hast du da?" fragte sic rasch und aufgeregt. Der Mozzo war viel zu sehr mit sich und mit dem Plakat beschäftigt, als daß er auf ihre Frage hätte acht- geben können. „ES ist ein berühmter Mann, denn er kommt auS Amerika", sagte er, in seiner Art sich mit sich selbst unter haltend. „Ich möchte doch wissen, wer ein berühmter Mann sein sollte, wenn nicht er? Die Buchstaben seines Namens sind drei Zoll hoch und ans dem Plakat kann man sechs Theaterzettel machen. Es ist also ein viel größerer Künstler, als alle Leute, die im Theater auf treten." „Woher hast du das Plakat, Mozzo?" fragte sie wieder. „Er spricht mit den Geistern!" fuhr Mozzo enthusiastisch fort, „hier sind die Geister. Wer kann denn das? Das kann niemand auf er ganzen Welt, als nur er. Niemand hat je einen Geist gesehen, und er hat sie abgemalt und spricht mit ihnen. Er ist also der größte Künstler auf der ganzen Welt. Welche Zeit ist es, SeLorita? Ich muß fort." Wohin willst du?" „Hier ist das Billet. Es lag bei. Ich wußte, daß er mich nicht vergessen würde. Ist es schon vier Uhr, Seüorita?" „Noch lange nicht. Kennst du den Herrn Professor Mastrogiovanini?" Der Mozzo lachte mitleidig. „Ach was! Professor Mastrogiovanini!" fuhr er achsel zuckend fort und packte sein Plakat und sein Billet mit einer gewissen Überlegenheit und stolzem Bewußtsein zu sammen. „Sie werden fchon sehen, wer der Professor Mastrogiovanini ist. Ha, ha, ha! Mastrogiovanini ist gut." Dannt ging er nach dem Wohnwagen — den er auch jetzt noch als eine Art Privatwohnung oder Sommer wohnung für sich ansah — und ließ Isa in ihrem Staunen und in ihrer Verblüffung stehen. Nachdenklich ging sie in daS HauS. „Papa", sagte sie zu ihrem Vater, den sie in einem großen Buche lesen- antras, „möchtest du nicht mit mir heute Nachmittag in die Eoncordia gehen, um " „Natürlich wollen wir das, Isa" unterbrach sie der Direktor, „er war schon hier. Er hat mir die Billette gebracht." „Er! Wer?" „Natürlich, Monsieur A , ich wollte sagen, Herr Altmann. Aber begreifst du denn nicht? Der Name Pro fessor Mastrogiovanini ist nur der nom cke guerrs für Herrn Lltman«, wie er früher der Name Monsieur August war. Ich sage dir, Isa, Herr Altmann kann mehr als Brot essen! Er —" „Er war hier! Wann denn?" fragte sie, noch immer starr vor Staunen. „Vor einer halben Stunde! Er hat sehr bedauert, dich nicht anzutreffen, konnte aber nicht warten, da er mit seinem Sekretär verhandeln mußte wegen der heutigen Vorstellung." „Mit seinem Sekretär?" „Natürlich! Ja, was glaubst du denn? Herr Altmann hat in Amerika in vier Monaten dreitzigtausend Dollars gemacht. Das sind hundertundzwangzigtausend Mark. Tas nenne ich einen Schlager! Das ist anders, als da mals mit Mademoiselle Fifinc in AngoulLme. Natürlich kann er sich dabei nicht um alle Einzelheiten kümmern und deshalb hat er einen Sekretär oder einen Manager, wie man da drüben sagt." Ohne ein Wort zu sagen, ging Isa aus dem Zimmer. Still und niedergeschlagen, um nicht zu sagen traurig, setzte sie sich in ihrer Schlafstube auf einen alten Koffer und seufzte. Das also war der Grund, weshalb Monsieur August nichts mehr hatte von sich hören lassen? Er harre Geld verdient und war ein reicher Mann geworden. Isa begriff selbst nicht, warum ihr das so ungeheuer leid tar. (Ls war doch nicht unbedingt notwendig, daß er deshalb ein anderer geworden. Aber jedenfalls wünschte Isa herzlich und inniglich, Monsieur August möchte wieder so vor ihr liegen wie dmnals, als er aus Rußland kam, ohne einen Pfennig in der Tasche, krank und hülföbedüritig, daß sie ihn Hütte pflegen können. Wer weiß, wie er nnn geworden war, der «große Künstler beider Welten", da draußen unter den Menschen, als rcicker Mann! Sic weinte, weil sie daran dachte, was aus anderen unter solchen Umständen geworden wäre und geworden war. Sie stellte sich vor, daß ein Mann, der in der Welt reich geworden war, nicht mehr das natürliche, ursprüngliche und liebenswerte Geschöpf von früher sein könne, wie etwa ein klarer Quell, der sich mit einem großen Fluß vermischt, auch nicht mehr klar und rein bleiben kann. Etwas färbt immer ab, und das liebe Ich bleibt eben doch nicht daS, was es war. (Schluß folgt.)
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