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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.06.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-06-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020612021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902061202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902061202
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-06
- Tag 1902-06-12
-
Monat
1902-06
-
Jahr
1902
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Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Osfertenannahme 25 H (rxcl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung 60.—, mit Postbesürderuug 70-—. Änuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeige« sind stets an dle Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh V bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Pol- in Leipzig. Str. 28t. Donnerstag den 12. Juni 1902. 98. Jahrgang. Der Friedensschluß. Es kann nunmehr, wie der „Fkf. Zlg." auS dem Haag gemeldet wird, für sicher angesehen werden, daß Krüger in Holland bleibt; er bat auch den Wunsch ausgesprochen, hier stets ein Glied seiner Familie bei sich zu haben. Die Berichte, daß über die Rückkehr Krüger'S verhandelt werde, dürften schon aus dem Grunde unrichtig sein, weil sofort nach Be kanntwerden deS Friedensschlusses darnach getrachtet wurde, Krüger hier zu halten, da die ihm Nahestehenden der sichere» Meinung sind, der herzzerreißende Anblick alles Elends in der Heimath würde den alten Mann tödten. Daß die Rück kehr der übrigen Boeren nicht so ohne Weiteres möglich ist, geht daraus hervor, daß während der Militärverwaltung jeder Boer im Ausland erst um einen Erlaubnißschein Kitchener's nachsuchen muß, ehr ihm erlaubt wirb, in London oder in Durban den zur Rückkehr nöthigen Treueid zu leisten. Alles erreicht. Colonialminister Chamberlain führte gestern Abend auf einem Banket der Colonialbeamten den Vorsitz und dielt eine Rede, in der er auSführte, eS sei für beide Theile ein ehrenvoller Friede zu Stande ge kommen. England habe Alles erlangt, wofür eü gekämpft habe. Es sei ein großmülhiger Gegner in Allem gewesen, waS persönliche und private Verhältnisse angehe, es habe aber nichts von wesentlicher Bedeu tung geopfert und habe nichts gethan, was die schließ liche Lösung der südafrikanischen Frage schädigen könnte. Die Art, wie die Boeren die Bedingungen angenommen hätten, fei ein gutes Vorzeichen für die Zukunft. England habe viel zur Befestigung des Reiches gethan. * London, 12. Juni. (Telegramm.) „Standard" berichtet aus Durban unter dem 10. Juni: Schalk Burger hat den Blättern den Wortlaut der Resolution mitgetheilt, die in Bereeniging von den versammelten BurgherS am 31. Mai angenommen worden ist. Die Resolution spricht ihr Bedauern darüber aus, daß die englischen Bedingungen genau, wie sie sind, angenommen oder ab- gelehnt werde» mußten, und beklagt ferner, daß England ein Unterhandeln auf der Grundlage der Unabhängigkeit oder die Erlaubniß, mit den Vertretern der Boeren in Europa in Verbindung zu treten, verweigert habe. Tie Resolution bemerkt sodann, es bestehe kein angemessener Grund mehr für die Er wartung, daß eine Weiterführung des Krieges die Unabhängigkeit sichern werde, und keine Berechtigung mehr für eine Verlängerung der Feindseligkeiten. Die Resolution spricht daher die Annahme der gestellten Bedingungen und die Zuversicht aus, daß die Lage sich bald bessere und die Bevölkerung in den vollen Genuß der Privi legien treten werde, aus die sie Anspruch habe. Die baprebcllen. AuS Kapstadt, 12. Juni, wird unö depeschirt: Eine Pro klamation besagt, baß alle Aufständischen, die nicht Feld- cornetS oder Friedensrichter sind, wenn sie sich vor dem 10. Juli ergeben, nur mit Entziehung des Stimm rechtes für Lebenszeit bestraft werden. Die Feldcornets oder Friedensrichter unterliegen irgend einer anderen Strafe, die Todesstrafe ausgenommen. Bedingung in beiden Fällen ist, daß die Betreffenden nicht des Mordes oder irgend anderer gegen die Kriegsgebräuche verstoßenden Handlungen sich schuldig gemacht haben. Aufständische, die sich nicht bis zum 10. Juli ergeben, unterliegen der ganzen Slreuge deS Gesetzes. * Newcastle (Natal), 11. Juni. General Lyttleton, der das Commando über die Truppen in Natal niedergelegt hat, um demnächst den militärischen Oberbefehl über ganz Süd afrika zu übernehmen, ist gestern nach Port Natal abgereist. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. Juni. Nicht weniger als 0^4 Stunden lang hat gestern der Reichstag bcrathcn, mn seine Vertagung bis zum Herbste zu ermöglichen. Und dabet war das Haus in einer Weise besetzt, die an seine besten Zetten erinnert. Es geht also unter Umständen auch ohne Diäten — ob auf die Dauer, ist freilich sehr fraglich. Den größten Theil jener langen Zett beanspruchte die Berathung des Süßstoff gesetzes, und das war begreiflich genug. Ebenso gut, wie das Verbot der Süßstofffabrikation zum Vortheile der heimischen Zuckererzeugung, könnte man das Verbot der Margarincfabrikation zu Gunsten der heimischen Butter erzeugung verlangen und beschließen, und wer weiß, ob das Verbot der Sllßstofffabrikativn nicht der erste Schritt auf dem Wege des Verbotes anderer Fabrikate ist, die dem landwirthschaftlichcn Gewerbe Concurrenz bereiten. Es ist daher sehr begreiflich, daß die Berathung des Süßstoff- gesctzes einen ziemlich erregten Charakter annahm und die Annahme -er Vorlage am Ende gegen eine erhebliche Minderheit erfolgte. Freilich errang die Regierung durch die Opferung des Saccharins einen erheblichen Erfolg da durch, daß die Annahme der Z u ck e r c o n v e n t i o n mit einer weit stärkeren Mehrheit erfolgte, als man hatte vorausschen können. Als ebenso befriedigend vom Stand punkte der Regierung ist cs anzusehcn, daß die Ver braust) sabgabe auf Zucker in einem mit dem Bedürf nis; der Rcichsftnanzcn vereinbarten Betrage aufrecht er halten geblieben und die von ihr bekämpfte Cvntin- gentirung -er Zuckerproduktion fallen gelassen worden ist. Innerhalb der deutschen Zuckerproduktion sind zwar die Meinungen darüber gctheilt, ob die An nahme oder die Verwerfung der Brüsseler Convention das kleinere Nebel sein würde. So viel aber ist doch sicher, daß cs sich bet dieser Gelegenheit wiederum auf das Klarste hcrausgestellt hat, auf wie unsicherer Grundlage eine Production steht, die für den größeren Theil ihres Erzeugnisses auf den Absatz im Auslände angewiesen ist, nnd wie abhängig eine solche Production von den Maß regeln ausländischer Staaten bleibt. Unter diesem Ge- sichtspuncte muß es als ein wesentlicher Fortschritt in Be zug auf die Sicherung der Grundlage der Zuckerproduktion angesehen werden, daß durch die gleichzeitig mit dem In krafttreten der Brüsseler Convention einsetzende starke Entlastung des Zuckcrverbrauches eine beträchtliche Zu nahme des Jnlandvcrbrauches an Zucker und demgemäß auch des Inlandabsatzes für die deutsche Zuckerpro duktion in sicherer Aussicht steht. Den Hauptvortheil von der Zuckerconvention und der Aenderung des Zucker- stcucrgesetzes aber haben die deutschen Zuckcrconsumentcn. Wenn, wie anzunehmen ist, durch beide Maßnahmen eine Verbilligung des Zuckers im Detailhandel um nicht weniger als 10 Pfg. ans das Pfund herbeigeführt wird, stellt sich die Gesammtentlastung der deutschen Zuckcrvcr- braucher schon bei der gegenwärtigen Höhe des Consums auf rund 00 Millionen Mark tm Jahre. Diese starke Ent lastung des heimischen Verbrauches ist social um so werth voller, als der Zucker bekanntlich längst zum nothwendlgcn Nahrungsmittel auch der bretteren Schichten der Be völkerung geworden ist und man daher in der starken Ent lastung des Verbrauches von Zucker auch einen Ausgleich für die demnüchstige Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle zu erkennen haben wird. Mit gleicher Befriedigung, wie das Zustandekommen der Zuckerconvention und der Novelle zum Zuckersteuergesetzc, muß die Verabschiedung der Novelle zum Branntwetnsteuergesetze erfüllen. Durch diese Novelle wird den landwirthschaft lichen Brennereien die ihrer Bedeutung für die Rentabili tät der heimischen Landwirthschaft entsprechende Vorzugs stellung gesichert und überdies durch die Wiederherstellung der Brennsteucr die finanzielle Möglichkeit geschaffen, die Ausfuhr und den Jnlandvcrbrauch von Spiritus zu ge werblichen Zwecken kräftig zu fördern und so die Brennereien in den Stand zu setzen, in einem dem land wirthschaftlichen Bedürfnisse entsprechenden Umfange zu lohnenden Preisen zu produciren. Das lebhafte Inter esse, welches die Reichsregierung und die preußische Regie rung an dem Zustandekommen der Branntweinsteuer novelle genommen und auf das Wirksamste im Reichstage selbst bethätigt haben, liefert der Landwirthschaft zugleich einen neuen Beweis, wie sehr der Regierung das Wohl der heimischen Landwirthschaft am Herzen liegt und wie sehr sic darauf bedacht ist, dasselbe soweit zu fördern, als dies nur irgend die Lebcnsinteresien anderer Erwerbs zweige gestatten. Die deutschen und preußischen Land» wirthe werden auch hieraus wiederum erkennen müssen, wie sehr sie darauf vertrauen dürfen, daß die Negierung auch bei der Neuregelung unserer Zoll- und Handelsver hältnisse zum Auslände die Interessen der deutschen Land wirthschaft bis zu der äußerst möglichen Grenze kräftigst wahruehmcn wird. Die fcharfe Znrcchtweisüng, die der Staats sekretär des Auswärtigen Amtes, Freiherr v Nichthofcu, wahrens eines parlamentarischen Abends beim Grafen von Posadowsky -em Berliner Korrespondenten der „Times", SaundcrS, hat zu Theil werden lassen findet bei dem größten Theile der deutschen Presse rückhalt lose Zustimmung. Wenn einige wenige Blätter es beinahe als eine Verletzung des Gaslrcchtes betrachten, daß der Staatssekretär sich den „Timcs"-Correspondentcn gerade bei einer festlichen Veranstaltung „vorgebunden" hat, so scheinen diese Blätter zu verlangen, daß fremden Gästen gegenüber, die das Gastrecht gröblich verletzen, der deutsche Michel in höflichster Zuvorkommenheit verharre. Nun, diese Blätter und ihre Vertreter mögen cs halten, wie sie wollen, und womöglich die Hände küssen, die ihr Vaterland schädigen nnd mit Koth bewerfen. Deutschen Staats männern ziemt ein anderes Auftreten, namentlich, wenn sic, wie Herr v. Nichthofen, als Gäste anderen Gästen gegcnüberstehcn. Herr Saunders hat sein Gewerbe so systematisch und so unanständig betrieben, daß gerade die Form einer öffentlichen Beschämung durchaus angemessen war. Man wird nicht fehl gehen, wenn man in dem Vorgänge gewissermaßen das „Konsilium abouncki" erblickt, nnd wir wollen hoffen, das; Herr Saunders die ent sprechende Consegucnz daraus ziehen werde. Zu bedauern ist bei der Sache blos Eins: daß nämlich Herr Smmders nicht schon vor Jahr und Tag a u s D eu ts ch l an d aus gewiesen worden ist. In -en Zeiten des Fürsten Bismarck wurde Herr Eirmeni auSgewiesen, ohne so viel auf dem Kerbholze zu haben, wie Herr Saunders, und ebenso wies einige Jahre später die italienische Regierung den Korrespondenten der „Frankfurter Zlg ", Grunwald, aus. Diese beiderseitigen Ausweisungen erfolgten, obwohl Deutschland und Italien politisch in einem sehr viel engeren Zusammenhänge stehen, als Deutschland und Großbritannien. Hätte man mit Patronen L la Bashford und Saunders weniger Geduld gehabt, so wären vielleicht die Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland bessere, denn die Mißstimmung des größten Theiles der deutschen Presse gegen England ist nicht zum kleinsten Theile auf die durch die Berliner Korrespondenten englischer Blätter herrührcnden hämischen Angriffe gegen Deutschland zurückzuführen. Ueber die von dem Präsidenten deS österreichischen Ab geordnetenhauses und deS Ministeriums in würdiger Weise zurückgewiesenen Pöbel Hastigkeiten tschechischer Ab geordneter gegen den deutschen Kaiser spricht auch die „Neue Freie Presse" ihre Entrüstung aus. Sehr schön, aber cS sei denn doch daran erinnert, daß gerade dieses Blatt nach der Marienburger Rede ein großes Gezeter darüber erhob, was wohl die Polen im österreichischen Reichs« rathe dazu sagen würden. Das Blatt hat also — wir wollen nicht sagen, mit Absicht, aber mit großer Ungeschicklichkeit — die slawischen Parteien geradezu gegen den deutschen Kaiser gehetzt; daß dann statt der Polen die Tschechen die Attacke auSgesübrt haben, ist sachlich gleichgiltig. Das größte deutsche Organ Oesterreichs hätte eben von vornherein Wohl daran gethan, daran zu denken, daß der deutsche Kaiser in seinem Lande gesprochen hat. Die Preßproccsse gegen die Deutschen in Ungarn neh men nach -em glücklichen Anfänge, den die Verurtheilung des Redakteurs des „Deutschen Tagblatts für Ungarn" zu 3 Monaten Gefüngniß und 1000 Kronen Geldstrafe gemacht, ihren munteren Fortgang. Am 10. Juni findet in Sze - gcdin die Schlußverhandlung gegen deck Nedacteur der „Groß-Kikindacr Zeitung" Arthur Korn statt. Seine Verurtheilung wird in den magyarischen Blättern den Geschworenen als patriotische Nothwcndigkcit suggerirt. Inzwischen haben sich dagegen einige Siebenbürger Sachsen entschlossen, den Spieß umzu kehren. Der Rcichstagsabgeordnete Lutz Korodi hat in Folge der gemeinen Beschimpfungen, die sich „Budapests Napl5" gegen ihn leistete, gegen dies Leibblatt Szell'S die Strafanzeige wegen Ehrenbclcidignng und Verleumdung erstattet und zugleich gegen dasselbe Blatt die Klage wegen „Aufreizung gegen eine Nationalität" erhoben. Es ist dies dieselbe stereotype Klage, mit der die Nichtmagyaren und in letzter Zeit ausfällig ost die Deutschen in Ungarn behelligt wer den. Voraussichtlich wird auch Reichstagsabgeordneter I)r. Karl Lurtz und ebenso Stadtpfarrer und Landes- consistorialrath I). Franz Obert klagen. Letzterer wurde wegen seiner Theilnahme an der Burschenschafterfeier und am Commers des „Alldeutschen Verbandes" in Eisenach, wobei er eine Tischrede von denkbar loyalster Art hielt, in unflüthigster Art angegriffen. Von besonderem Interesse ist, daß in den Artikeln, in denen Lurtz und Korodi behandelt wurden, auch das Pester deutsche Generalconsu- lat in einer Art attackirt worben ist, daß eine deutliche Antwort ans Berlin auf diese dreiste Provokation des Szell'schen Leibblattes geradezu eine politische Nothwen- digkcit wäre. Das Generalconsulat wird nämlich beschul- Feuilleton. 101 Verfehlte Liebe. Roman von E. Hein. Nachdruck verboten. VorAllem war es Weithaas darum zu thun, über Merkel etwas Näheres zu erfahren. Er sowvirte deshalb sehr vor sichtig den Kellner im Hotel und der gab ihm die Auskunft, daß der Herr wohl der Cur wegen in Baden-Baden sei. Der Herr heiße Wilhelm Merkel, sei aus C. und augenscheinlich ein sehe vermögender Mann, anscheinend auch solid. Das genügte nun freilich unserem Spürer durchaus nicht. Jedenfalls wollte er ihn beobachten und ihn ausforschen. Er benutzte deshalb das Anerbieten Merkel'S, ihm Auskunft zu geben, unv suchte ihn am Abend auf. Er mußte freilich vorsichtig zu Werke gehen. ES war ihm nämlich darum zu thun, weder von Friedrich, noch von seiner Tochter gesehen zu werden. Warum es dies eigentlich war, darüber war er sich wohl selbst nicht klar. Es war mehr «ine Gefühlssache, er hatte die innerlich sich ihm aufdrängende Meinung, daß sein Auftauchen vor Friedrichs seiner Sache den Erfolg benehme. Er ließ also Merkel hcrauSbitten, und dieser war auch so gutmüthig, zu kommen. Draußen wollte ihn Merkel in den Speisesaal hereinnöthigen, »der WeithaaS lehnte dankend ab, und so begaben sich die Zwei nach dem Lesezimmer. Es wurde Werthaas sehr schwer, einen plausiblen Grund für sei» Drängen zu finden, schließlich verfiel er auf Las Anerbieten eines Scates. Merkel fand die ganze Wache sehr komisch und schöpfte Argwohn, daß Weithaas etwas gegen ihn im Schilde führe, allein «t war gerade aufgelegt, einen kleinen Spatz sich zu machen, und da auch Minna etwas unpätzlich war, so bedurfte es nicht erst langer Entschuldigungen. Merkel führte WeithaaS in eine klein« gemüthliche Kneipe, in der man böhmisches Bier verschänkte und wo man immer einen Fremden traf, der ein Spielchen mitmachte. Es war nur wenig Besuch im Locale. An einem Tische sah Katzenstein. Als dieser die beiden Herren eintreten^sah, grüßte er vertraulich und fragte Merkel, wie es ihm ging«. Sie hatten sich seit dem Auszuge Katzenstein'S aus dem Hotel nicht gesehen. Die Unterhaltung entspann sich und daraus wurde dann «in gemüthlicher Scat. Es waren drei tüchtige Spieler und die Karten flogen auf den Tisch. Katzensiein war fast fieberhaft erregt, äußerlich freilich erschien er kalt. Merkel war sehr ruhig, aber Weithaas war noch gelassener. Nach -wei Stunden war da» Spiel beendet und Weithaa» war der glückliche Gewinner einiger Mark. Merkel war augenscheinlich vom Spiel ermüdet und paßte nur schlecht auf. Weithaas beobachtete das und em Lächeln zog über seine strengen Züge Wer den Scat nicht ruhig spielen kann, der spielt gern etwas anderes, wo es noch mehr Aufregung giäbt, so calculirte er. Er brachte dann das Gespräch auf das Hazardspicl und wunderte sich anfangs, daß Mertel der Sache sehr gleichgiltig gegenüberstand. Katzen stein freilich ging darauf rin und meinte, daß so ein kleines Jeu gar nicht ohne sei. Er wüßte «in kleines verschwiegenes Kneipchen, wo man auf jeden Fall Spieler treffe. Weithaas ging darauf ein, Merkel hatte erst gar keine Lust dazu, dann ging er aus Gesellschaft mit. Das Local war nicht weit gelegen. Von außen hatte es den Anschein einer kleinen bürgerlichen Kneipe, und in der That saßen im vorderen Raume einige Leute, denen das Spiel wohl fremd war. Aus dem ersten Raume mit seinen weißgescheuerten Tischen kam man in ein« schmale, halb erhellt« Stube, dann durch einen Gang, der dem Hof parallel führte, und dann macht« man vor einer großen Portiere Halt. Katzenstein bat, einen Augenblick zu warten; er verschwand hinter der Portiöre und klopfte mehrmals an die Thür. Man hörte wieder «in leises Klopfen, darauf antwortete Katzensiein und die Thür öffnete sich. Ein paar Wort«, und die Drei wurden ein gelassen. Das Spielzimmer hatte nichts besonders Auffallen des. Ein langer Tisch mit einer Roulette, «ine Reihe Stühle um den Tisch, die Fenster dicht verhängt und in den Ecken einige Lehnstühle, an einer Wand «in Sopha. Es waren vier bis fünf Herren anwesend. Man stellte sich vor. Weithaas be zeichnete sich als Fabrikant. Gespielt wurde noch nicht. Die Herren hatten .dagesessen und geraucht und hin und wieder an einem Schoppen Wein genippt. Weithaas studirt« sorgfältig die Physiognomien. Wenn Merkel nicht der Einbrecher war, viel leicht war es einer unter den Anderen. Aber es wurde ihm sehr schwer, «inen Verdacht zu begründen. Zwei der Herren waren fremde Kurgäste, der Sprache nach hielt sie Weithaas für Russen, obgleich sie deutsche Namen hatten, «in Anderer war augen scheinlich ein Jurist, er hatte sich als Assessor vorgestellt, der Vierte war ein älterer Herr, der sich ziemlich unbehaglich fühlte und den ohne Zweifel der Fünfte, ein junger verlebter Mann, hier elnaeführt hatte. Der Letztere und Katzensiein schienen sich näher HU rennen. Katzenstrin fragte nun auch, ob man noch -nicht ange» sangen habe. Nein, man batte geglaubt, zu wenig zu sein. Jetzt würde man ganz gern spielen. WaS man spielen wolle. Lot terie. Wer die Bank hakten wolle? Katzensiein und der Andere warfen sich einen Blick zu, den Mergel auffing. „Wenn einer der Herren vielleicht so freundlich sein will?" fragte Katzensiein. „Gewöhnlich -Skt ja txr Baron die Bant. Er ist aber feßt noch nM da.* Merkel erbot sich dazu. Ein leises Staunen Kastenstein's. Mertel übernahm die Bank. „10 Uhr 45 Minuten", sagte er, nach der Uhr sehend, „12 Uhr 45 Minuten höre ich auf." Er nahm aus seiner Brieftasche eine Anzahl Banknoten, und sein Portemonnaie voll Gold und Silber legte er vor sich hin. „Die Bank hält", damit eröffnete er das Spiel. Man setzte erst wenig. Einen Thaler, ein Fiinfmarkstllck; die Russen verstiegen-sich zu Einsätzen bis zu zwanzig Mark. Weit haas ging, als er einige Thaler gewonnen hatte, bis zu fünf Mark. Merkel hielt die Bank in einer eleganten, vornehmen Weise. Keine Wimper zuckte, als er einmal gegen fünfhundert Mark herauszahlen mußte und sich dies drei Mal wiederholte. Die glücklichen Gewinner waren Katzensiein und sein Freund. Am meisten verlor der Assessor und der ältere Herr, dem Russen schien di« ganze Sache auch nicht im Geringsten aufregend zu sein. Während der ersten Viertelstunde des Spieles hatte sich kein dienstbarer Geist sehen lassen. Jetzt erschien eine sehr elegant« zierliche Dam« im Alter anfangs der Dreißiger, begrüßt« die Herren und fragte nach etwaigen Wünschen. Der Assessor hatte gerade wieder zwanzig Mark verloren. Der Verlust schien ihm zu Herzen zu gehen. „Man verliert, weil man nichts trinkt", rief er. „Lucy, bringen Sie Champagner!" „Zahlen wir Jeder einzeln oder auS der Pinke?" fragt« Katzensiein. Er blickte sich um. Es antwortete Keiner. „Also aus der Pinke", stellte er fest. Nach wenigen Minuten kam Luch mit einem jungen Mäd chen wieder. Sie brachten die Kühler mit dem Eis und stellte die Fleischen hinein. Lucy öffnete die Flaschen, das Mädchen schenkte ein. „Glück in der Liebe, Glück im Spiel!" rief der Assessor, sich erhebend, und stieß mit Lucy an. Ein Blick von ihr, ein« leise Berührung der Finger schienen ihn in einen Taumel zu ver setzen. DaS Spiel ging weiter. Weithaas hatte sich die einzelnen Mitspieler genau angesehen. Er war aber nicht im Stande, zu sagen, ob sich darunter ein Verdächtiger befinden könnte. Auch Lucy faßte er inS Auge. Während seiner ziemlich langen Criminalistenlaufbahn war ihm eine solche verführerische Person noch nicht vorgekommen. Er suchte in keinem Gehirnkasten, wo er wohl da» Gesicht und den Ausdruck schon gesehen bade. Endlich erinnerte er sich. Klinger's Salome war e» Ja seinem Polizeiberzen wüthete e». Hier saß er nun und beging »in vergehen um da» ander« gegen da» Gesetz. Er spielte, er sah, wie Andere spielten und verspielten; er sah zwischen dem Assessor und Lucy, die allein weiter bediente, einen Roman sich entwickeln, der gewiß zu nichtss Gutem führen konnte, und doch konnte er nicht eingreifen — wollte auch nicht. Ja, wenn er nur wenigstens seinen Verdacht auf Merkel bestärkt fand. Allein dieser sah gar nicht wie ein Einbrecher aus. Sein Gleichmuth beim Spiel war zwar überraschend, doch nicht unauf fällig. Der junge Mann schien in der That sehr viel Geld zu haben und es mit Gleichmuth auszugcben. Der Assessor freilich, dem jetzt schon der Champagner zu Kopf stieg, schien nicht allzu viel zu baben; auch er, Weithaas, berechnete seine Casse und fand, daß sein Verlust schon zwanzig Mark betrage, und daß dieser Verlust recht traurig sei, wenn er kein Resultat für seine Zwecke zeitige. Er setzte daher verschiedene Male nicht. Auch sonst schien man dem Spiele nicht recht anzugehören. Die Russen bc mühten sich ebenfalls um Lucy, und Katzenstrin und sein Freund schienen bei ihren Verlusten auch keinen Geschmack am Spiele zu haben. Nur der ältere Herr, der in der letzten Zeit einige Mal recht hübsch gewonnen hatte, fing Feuer und pointirte mit eine: Halsstarrigkeit hoch, daß es unangenehm wurde. Nachdem mau anderthalb Stunden gefpielt hatte, erklärte Merkel, die Bank nicht mehr zu halten. In diesem Augenblicke trat ein neuer Herr ein, der geräuschvoll von Katzenstein und den Anderen begrüßt wurde. „Gut, daß Sie kommen, Herr Baron. Halten Sie Bank. Wo waren Sie, lange auf Sie gewarter." Der Bcron machte einen recht angenehmen Eindruck auf den ersten Blick. Für Unbefangene schien er wirklich einer feinen Familie zu entstammen, Jemand aber, der ein wenig die W-lt kennt, sah sofort, daß der ganze Kerl nur aufs Äeußerliche dressirt war. Das merkten Weithaas und Merkel sofort. Für sie ging von diesem Baron Rossigk ein Dunst aus, der nach dem Parfüm bübscher, aber wenig vornehmer, Damen, nach Stall, aber nicht voll Rasse-, sondern voll Droschkenpferden roch. Sein Gebühren war zwar zurückhaltend, er war sich seines geistigen und erziehlichen Mancos bewußt, allein gerade die Reserve konnte die wenig welterfahrenen Leute bestechen. Mit Freuden über nahm er die Bank. Merkel bat, die Zeche zahlen zu dürfen, da er gewonnen habe. Man war damit einverstanden. Er setzte dann noch einige Male, gewann und verlor und spielte dann gar nicht mcdr. Um so wüthender ging der Assessor ins Zeug, und auch der ältere Herr schien nur noch Augen für di« Karten zu haben, obgleich sich ihm Lucy, als sie seine sehr ge^ spickte Brieftasche gesehen hatte, mehr als einmal bemerklich ge macht hatte. Weithaa» beschäftigt« sich nur mit dem Baren. Er kam ihm bekannt vor. UnaukhSklich blättert« er sSmmtltch«
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