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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 21.07.1930
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1930-07-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19300721024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1930072102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1930072102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-07
- Tag 1930-07-21
-
Monat
1930-07
-
Jahr
1930
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Nr. rs» r«it«r ^Vr«dv«r Nochrichtm Monlav. 21. 2«ll 1«0 Sr. Weber« SEI»« M ReglermgMbmi in Slublen Sin letzter versuch In Verfolg der von wirtfchaftSparteMcher Seit« aus» gestellten Grundsätze der Regierungsbildung hat Finanz- minister a. D. Dr. Weber am Montag a« die Fraktionen -er Deutschnattonalen BolkSpartet, der Deutschen volk»partei, der Deutschen Demokratischen Partei, de» Sächsischen Land volks, der Natioiialiozialistlschen Arbeiterpartei, der Volks- rechtpartei und des tzhristlichsozialen BolkSdienstes sowie der Vvlksnationalen Reichsvereinigung folgende» Schreibe» gerichtet: „Nach de» eingehenden Bemühungen und Perhandlungen um die Bildung einer nationalen Negierung in Lachsen sehe ich keine andere Möglichkeit siir das Zustandekommen einer parlamentarischen Negierung, als Ihnen den nachjolgenden Borschlag zu unterbreiten: Es war nicht möglich, die Forderung der National» sozialistischen Arbeiterpartei aus Uebertragung des Innenministeriums zu ersiillen. Das Reich hat bekanntlich die Polizeizuschüsse an den thürin gischen Staat gesperrt und begründet in seiner Streitschrist an den Liaaiogerjchiolivs diese siir ein Land mit einschneidender finanzieller Schädigung verbundene Masinahme damit, dass die Ausübung der Polizeigeivalt durch einen Berireter der Nationaliozialisti'cheu Arbeiterpartei gegen die vom Reiche ausgestellten Richtlinien über die Gewährung von Polizeikosten. Zuschüssen überhaupt verstöfit. Der StaatSgcrtctitShos hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli >830 die von der thürin gische» Regierung beantragte einstwetltge Verfügung a b g e l e h n t und stellt in seiner Begründung fest, daki nicht nur formelle, sondern entscheidend sachliche Gründe dasiir maß gebend waren. Ich bin daher zu der Ueberzeugung gekommen, das, im Interesse des Landes die Erfüllung der Forderung der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei so lange zurück- gestellt werden muh. bis die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes des Deutschen Reiches vorliegt. Unter Berücksichtigung dieser Sachlage schlage ich fol gende Znsgnimensetznng der Negierung vor: Ministerpräsident und Finanzministerium: Wirts ch astSparte i. Stellvertreter des Ministerpräsidenten. Justiz ministerium und V o l k S b > l d u n g s Ministerium: Deutsche B olksparte i. I n n e n Ministerium: DcutschnationaleVolkS- Partei. WirtschastS Ministerium, Rrbeits - nnd Wohl« s a h r t s Ministerium: Nationalsozialistische Arbeiterpartei. Soweit zwei Ministerien einer Partei zufallen, werden sie Personalunion beseht. Die zn berufenden Minister haben erklären, das; sie mit einer Lenkung ihrer Bezüge einoerslanden sind. AIS grundsätzliche Richtlinien der Gesamtpolitik zu gelten: Die Einheit nnd Autorität des Deutschen Reiches ist zu wahren und zu stärke«. Die staatliche Ordnung im Lande wird gewährleistet. Der Siaatohaushaitplan ist ohne Lteucrerhöhung zu balaneiercn. Die Beictznng der Beamtenstellen ersolgt nach Vor- bildnng und Tüchtigkeit. Ich bitte die verehrlicheu Fraktionen dringend, alle be rechtigt erscheinenden Wünsche zurückzustellen, da ich einen anderen Weg zur Bildung einer nationalen Regierung aus parlanieniarischer Grundlage nach ernsthaftester Prüfung der Verhältnisse zur Zeit sür ausgeschlossen halte." * Hierzu wird von wirtschastSparteilicher Seite mitgeteilt: Während der erste Versuch zur Bildung einer Regierung lediglich darin bestand, einen Kandidaten als Ministerpräsidenten zur Wahl zu stellen, hat Dr. Weber ernste Beratungen mit allen den Parteien gepflogen, welche sür die Bildung einer nationalen Negierung überhaupt in Frage kommen. Bei diesen Besprechungen traten die un geheuren Schwierigkeiten für das Zustandekommen einer bürgerlichen Negierung besonders stark in Erscheinung. Für die Besetzung des Innenministeriums wurde von allen Seiten aus die Gefahr der Sperrung der Polizetzuschüsse durch das Reich hingcwicien. Entscheidend sür die endgültige Ent- schlieknug Dr. Webers muhte daher sein, dah eS der Staats- gcrichtshos ablchntc, eine einstweilige Verfügung an daS Reich zu erlassen, die Polizcivorschiisse au Thüringen zu zahlen. Würde Lachsen bei der Zusammensetzung seiner neuen Negierung dem Vorbildc von Thüringen folgen, so würden höchstwahrscheinlich auch sofort die Poltzeivorschüne an Sachsen 1 S. in -u haben 1. 3. 1. ft»«»tel, , R«sch»» »lel «» »«sperrt. Für ««chsen ober ist eine »perrnna schwerer »u ertrage«, da «» sich hter um et»e« . . schuh von 10, s Millionen handelt. Vir glanhen auch, daß dies« Befürchtungen nicht nur auf Vermutungen. sondern aus positive Kenntnisse aegründet sind. Li» Stnnahmeau»fall in Höh« von rund SO Millionen Mark muß Sand «n» Ge meinden in die schwerste finanziell« vebrängnt» bringe» und schwächt die Kraft de» Lande«, alle Hebel zur Ueberwtndung der Erwerbslosigkeit anzusetzen. Wir sind der Ueberzeugung, daß die Oeffentlichkett der Ansicht Dr. Webers ausnahmslos beitritt. daß es richtiger ist, die Entscheidung des Staatsgerichtshofes abzuwartcn nnd nicht das Land nnuötigermeise finanziell zu schädigen und es in Zlouslikte mit dein Reiche zu stürzen, deren Auswirkungen nicht abzusehen sind. Der Kampf um die Auslegung der reichsrechtlichen Richtlinien kann nur im Reichstage auSgetrage« werden. Das Land Sachsen hat aus legalem Wege nur die eine Mög lichkeit. einen energischen Vorstoß im Reich» rat zu unternehmen, damit die ReichSregterung ihre Stellungnahme ändert. ES ist zweifellos eine entschlossene staatSmännisch« Handlung, dah nnnmchr die Parteien durch einen bestimmten Vorschlag vor eine klare Entscheidung gestellt sind. Die vor- gcschlagene Ziisanimeiisetziiiig des Kabinetts trügt den Wünsche» der einzelnen Parteien weitgehend Rechnung nnd stellt trotzdem das Wohl des Lande» an die Spitze. Es wird den in Frage kommenden Parteien schiverfallen, den gemachten Vorschlag abziilehncn, wenn sie sich in de» Augen der Oeffentlichkett nicht ins Unrecht sehen wollen. Die Verminderung der Miuistersitze, die allerdings an die Arbeits kraft »«» einzelnen Minister« außerordentlich Hotz« Unsorde- runge« stellt, tft nicht nnr et» Gastot da, Gpa»fa«r,tr s„. dern entspricht ebenso de« Villen de» Botte» «t« di, Herab- s«»un, der Mtnifterdezüge. «uch dt, wenig,» Grundsätze für dt, politischen Richtlinien de» Kabinett» lasten arkennen. daß luter L«. »«der e«e» stellt. , da» Wohl de» Botte» «Bar all, Partei- Die Demokraten lehne« ah Vte wir erfahr««, -atdiedamokrattsche Grupp, d«z Sandtag» der «trtichaflidpartet anf deren obig,» Brief folgende Antwort gesandt: „»u« Ihrem Schreiben entnehmen «ein« politische« Freunde nnd lch mit Bedauern, baß Sie meinen Vorschlag, zunächst ter von den Goztaldemo- kraten gegebenen Anregung entsprechend mit dtesen über die Möglichkeit einer Regierungsbildung zu verhandeln, nicht folgen wollen, sondern es vorztehen, nochmals den Versuch zu machen, ein« aus bl« Nationalsozialisten sich stützende Rechtsregierung zn bilden. Die demokratische Gruppe hält e» demgegenüber nach wie vor für unbedingt geboten, das, zu- nächst durch die von der Sozialdemokratie angebotene Aus sprache festgestellt wird, ob die Möglichkeit einer Regierungs bildung mit der Sozialdemokratie besteht. Denn nur eine aus die koalttionSwilligen Teile des Bürgertums und die Sozialdemokratie sich stützende Regierung würde genügend stark im Parlament verankert sei», »m sich ans die Dauer zu halten und ersprießliche Arbeit leisten zu können. Jede andere Lösung der Regierungskrise würde nur ein Notbehelf sein nnd so lange nicht tn Frage kommen können, als nicht alle Möglichkeiten, eine starke.Koalitionsregierung z» bilden, erschöpft sind. Bei dieser unserer Etnstellnng wird es Ihnen verständlich sei», wenn wir davon absehen, an der von Ihnen etnberufeiic» Besprechung teilzuttehmen." Wie wir hören, werden auch die B olkSnationalen an der heutigen Besprechung über die Regierungsbildung nicht teilnrhmen. — Die Nationalsozialisten halten, wie ferner verlautet, ihre Forderung auf Besetzung de» Jnnen- mtnistertumS unbedingt aufrecht. Am-enbmo am Rhein Bingen, 21. Juli. Der Reichspräsident verbrachte die Nacht aus dem Besitztum des Reichskommissars Lang >verth von L i »i m e r n und fuhr am Moutagvormittag im Auto »ach Bingen, Kreuznach und dem HunSrück. In allen Ortschaften, die er durchfuhr, begrüßten ihn jubelnde Menschen. Der Kreisdirektor von Bingen. Freiherr v. Gemmin- gen, begrüßte Hindenburg bei der Ankunst und geleitete ihn zum Marktplatze, wo er vom Bürgermeister begrüßt wurde. Der Bürgermeister erinnerte in seiner Ausvrache an die schwere wirtschaftliche Lage der solan'ge besetzt gewesenen Stadt und bat den Reichspräsidenten, Bingen auch fernerhin sein Interesse zu bewahren. Seine Rede klang aus in einem TrengelöbniS zum deutschen Vaterlande. Die Menge fiel brausend in das auf den Reichspräsidenten auSgebrachtc Hoch ein. Hieraus überreichte der Oberbürgermeister Hindenburg einen Pokal edlen Weine». Der Reichspräsident begrüßte daun die Altveteranen. Er erinnerte daran, daß er bereits während des Feldzuges 1370 als Oberleutnant in Bingen geweilt habe. Die Autokolonne mit dem Reichspräsidenten fuhr hierauf langsam durch die von Menschen umsäumten und festlich geschmückten Straßen bis zur D r u s u S - B r n ck e, der preußisch-hessischen Grenze. Dort morde der Reichspräsident von dem Landrat Müfem als Vertreter der preußischen Behörden in Empfang genommen und durch die Orte Münster, Sarmsheim, Lanbenheim nach Bad Kreuznach geleitet, überall von der Bevölkerung stürmisch begrüßt. In Kreuznach wurde der Reichspräsident im Kur park vom Stadtoberhaupt empfangen. Der Reichspräsident schritt die Front der Altveteranen ab, die ans dem ganzen Kreise Kreuznach erschienen waren. Ein Mädchen überreichte Hindenburg einen Strauß Kornblumen. Pariser Blatter zur Rhetnlan-seier vrndtdtzrlekt unoor«, korloor Korroopoaüoatoa Paris, 21. Juli. Die Pariser Presse gibt über die Re- sreiungsseiern des Nhcinlandes eingehende Berichte, vhne ledaktionell zu oen Vorgängen und zu den von den offiziellen Persönlichkeiten gehaltenen Reden Stellung zu nehmen. Aus der Rede des Reichspräsidenten v. Hindenburg in Mainz werden allgemein die Stellen hcrvorgehoben, in denen er des Außenministers St r e s e m a n n gedachte und die Lösung der Saarsrage fordert. Einen längeren Raum nehmen die Berichte der sranzösischen Sonderberichterstatter über die Zu sammenstöße mit Angehörigen des Stahlhelms und des Reichsbanners ei». Der gestrig« Tag sei ei« Triumph des Stahlhelms gewesen. Man könne den Stahlhelm mit den italienischen Schwarz. Hemden unmittelbar vor ihrem Staatsstreich vergleichen. Die „monarchistische Gruppe" hätte bei der Bevölkerung von Mai», nnd Wiesbaden eine begeisterte Ausnahme gefunden, wogegen das Reichsbanner t» einer wenig günstigen Atmosphäre vor- beimarschiert sei. Der Frem-enstrom tn Mainz Mainz, 21. Juli. Ans alle» Gauen des Deutschen Reiche» waren an de» beide» Besreiungöseiertagcn die Gäste hierher geeilt, um teilznnehmen an den sür jeden Deutschen unvergeß lichen Gedenktagen eines weltgeschichtlichen Ereignisses. Allein am Sonntag beförderte die Eisenbahn zum Hauptbahnhvs über 30 000 Fremde. Schätzungsweise betrug die Zahl der mit der Eisenbahn angekommenen Fremden ungefähr 120 000 bis 130 000. Die Feiern haben einen überaus würdigen Verlaus genommen. Rache an Separatisten tn Euskirchen Euskirchen, 21. Juli. In der Nacht von Sonnabend zum Sonntag wurden gegen Separatisten Racheakte verübt, indem an drei verschiedenen Stellen der Stadt Fensterscheiben ein- gcworfen wurden. Die Polizei nahm sofort die Verfolgung der Täter auf, die jedoch in der Dunkelheit entkommen konnten. Rheinlan-feier tn Reuyork Neuyprk, 21. Juli. Auf der eindrucksvollen Rheinland- besreiungsseier, die die deutschen Vereinigungen tn Neunork unter Führung der Pfälzer veranstalteten, hielt die Festrede der rührige Deutschenfreund Professor Barnes. Der Redner wies die Kriegsschuldlüge scharf zurück und ließ seinen Vor trag in der Forderung nach einer Revision des Versailler Ver trages ausklingen. Nur die Wiedergutmachung des Ver sailler Unrechtes könne Europa den wahren Frieden bringen. Auf den Voungpla» übergehend und ihn kritisierend, betonte Prof. Barnes, daß die Pariser Sachverständigen nur gefragt hätten, was Deutschland unter Anspannung aller Mittel viel leicht zahlen könne, nicht aber untersucht hätten, ob es über- Haupt noch etwas zu zahlen habe. Die Bergungsarbeiten in Hauodorf. Aus dem Nnglücks- schacht in Hausdorf sind ivieder acht Leichen geborgen worden. 17 Opfer der Katastrophe liegen noch im Schacht. Kunst un» Wissenschaft Hans Psitzner über -te neue „Ring" Anszemerunv In Dressen Generalmusikdirektor Professor Dr. Hans Psitzner, der Komponist des „Armen Heinrich" und des „Palestrina", hat die Neueinstudierung der „Götterdämme rung" t n d e r D r c s d n e r O p e r besucht und knüpft daran in den „Münchner Neuesten Nachrichten" Betrachtungen, von denen wir im Folgenden einige wesentliche Sätze Mitteilen. Was mir bei dieser Aufführung als Stilprinzip so hoff nungsvoll war und meine Meinung erhärtete, daß ein „Problem" bei Wagner im Sinne von Widerspruch mit der fortschreitenden Zeit nicht vorliegt, war die durchgehenbs zu beobachtende Verbindung von genauester lnicht geistlos pedan tischer» Beachtung der Vorschriften des Meisters mit dem Streben nach neuartigen und kühnen Lösungen. Hier muß neben den beiden Hauptleitern der Vorstellung, Busch und Erharbt, noch ein dritter Name genannt werden: der des Architekten und Malers Oskar Strnad aus Wien. Ein, wie mir scheint, für Lösungen malerischer Bühnenaufgaben be sonders begabter Künstler mit genialischem Einschlag Im treu esten Einvernehmen mit Erhardt gab er dem Werk eine bild liche Gestalt, die ihm alle Phantastik beließ, und dennoch das Reale aller Vorgänge in deutlicher Plastik entstehen ließ. Neberhanpt lag der Zauber dieser Ausführung darin, baß man deutlich fühlte: hier arbeitet nicht seder auf seinen eigenen Erfolg hin, sondern <um setzt nur von der L e i t u n g zu sprechens hier streben drei Männer nach einem Mittelpunkt hin. nämlich dem Geist des Werke»: kämpfen zu dritt, einen Gedanken zu verwirklichen. Der Svielletter oben interessiert sich kür den musikalischen Ausdruck genau so wie der Musiker am Pult für die szenische Geste, daS Bildhafte im Zusammenaeben mit der Musik: so wie der Maler be müht ist. sein Bild nicht im Widerspruch zu der Svrache der Musik und der lebendigen Handlung zu stellen. Wenn alles i"ch nicht restlos gelungen war. so ist das erstens bei keinem Meulchenwei k zn oerwnndern. dann aber konnte eben vieles nicht ganz so bewält'at werden, wie eS gevlant war. Der Weg aber, der bier bescliritten ist. scheint mir der einzig rich tige zv 'ein im Sinne nicht nur einer Waaner-Pllege, sondern der Pflege i""sikalisch-dramatilcher Kunst überbgnpt. Nicht e>n einziges Mal batte ich während dieser Anfsöbrnng den Eindruck, daß ein Effekt nm des Effektes willen, eine Neuheit nm der Neuheit willen, kurz, eine gewvllte Abweichung von dem Gemeinten gebracht worden wäre. Ich halte die Wagnerschen Vorschriften für vollkommen. Demgemäß wird sich auch jede Ausführung um so mehr der Vollkommenheit nähern, als sie sich bestrebt, alles Vorgeschrie bene zu verwirklichen. Wenn es mich dennoch nicht im ge ringsten störte, ja, ich es als nur begrüßenswert empfand, baß Grane, das Roß, ganz fehlte, so hat bas wohl darin seinen Grund, daß die Vorführung eines lebendigen Tieres aus der Bühne, und noch dazu eines so großen und nervösen wie eines Pferdes, seine ganz handgreiflichen Nachteile hat. die bi» zur Gefährdung der Gesamtstimmung gehen können. Die Hauptsache ist, daß daS Streben nach der Verwirklichung von Wagners Vision nicht Nachlassen darf. Ohne Zweifel kann bei fortschreitender Technik eine Lösung gefunden wer den, die auch die Sichtbarkeit des Pferdes vortänscht. Jeden falls war der „Wille zum Pferd" bet dieser Ausführung darin erkennbar, daß man Waltraute aus dem Roß mit er- schlagenem Krieger durch die Wolken ankommen und ivieder absahren sah: leider viel zu schnell, was die Deutlichkeit der Erscheinung sehr beeinträchtigte. Schlimmer als das Fehlen des Pferdes war das Fehlen der Gibichungenhallc, an Stelle derer der Vorraum vor der Halle erschien, so wie er im zweiten Akt verlangt wird. Dieses Bild kam also dreimal als zweites, viertes und letztes Bild. Im zweiten Bild mußte der Eindruck bei Aufgehen des Vorhanges der sein, daß die Familie Gibichung niemals zu Hause ist. sondern immer im Freien vor der Türe sitzt. Dies wäre allerdings eine Todsünde wider die Wagnerschen Gebote, wenn nicht diese leidige Hallenfrage anf eines der Hindernisse zuritckzu- führen wäre, von denen schon gesprochen wurde. Die Halle wurde einfach nicht fertig, wobei die Furcht vor geschichtlicher Architektur wohl eine Nolle gespielt haben mag. Aber eS ist zu hoffen, daß mit der Zeit tn den folgenden Vorstellungen man die „teure Halle wieder grüßen" kann. An sich ist dieses Bühnenbild eine großartige malerisch« Konzeption, an der man sich nicht sattsehen kann. Und zwar ist sie bas ganz im Sinne des Gesamtwerkes. Dies Bild wirkt absolut ahistorisch. Nichts von Architektur sichtbar außer einer Andeutung der Hallcnwanb rechts. Riesenpfähle fassen den Weg zur Woh nung ein, an „Pfahlbauten" erlnnernd. Links seitlich fließt der Rhein vorbei, auf dem nachher daS Vorderteil des Schiffes erscheint, bas weit in die Bühne hineinraat, ein so großes Fahrzeug glaubhaft machend, daß anf Ihm Mann. Weib und Roß und auch Gefolge Platz haben. Allerdings: der sich von immer stärker glühendem Morgenrot färbende Rhein", wie er ans der einfachsten Dekoration sonst immer zu sehen war — wird einem unterschlagen. Aber für die Svielmöalichkeiten »nd Gruppierungen ergeben sich große Vorteile, die gegen das andere abzuwägen sind. Vor allen Dingen: Durch die seitliche Annahme des Rheins wird eine Möglichkeit geschaffen, im Schlußbild des ganzen Werkes die Halle vom Rhein über fluten zu lasten, daß gegen diesen Gewinn man gern manches andere. Gewohnte, dreingibt. Nebenbei gesagt: der Verwand lung der Halle in den Vorraum der Halle stimme ich für das letzte Bild zu. Man muß diese Dekoration gesehen haben, um diese Zustimmung zu verstehen. Zum ersten Male in meinem Leben tauch meine Straßburger Inszenierung nicht ausgenommen) habe ich die Vorschrift Wagners deutlich erfüllt gesehen, baß Hagen sich wie wahnsinnig tn die Flut stürzt, dann von den Rhetntöchtern umschlugen, in die Ticic gezogen wirb. Das ist eben dadurch möglich, daß die Uebcr- slutung sich nicht im Hintergrund abspielt, sondern im Vor dergründe. Uebrigens bleibt auch noch diese Lösung hinter der noch nie halbwegs erfüllten szenischen Forderung Wag ners zurück, die ich den, den es interessiert, nachzulesen bitte. Der „vom Ufer her salso von der Hinterbühne) sich über die Brandstätte nach vorne wälzende Rhein", die „nach dem Hintergründe zu zurückschwtmmenbe Floßhilbe "ob das jemals zu lösen ist? Wenn ich schon die lebendige Grane gern vermisse, so möqte ich doch mit der Hexe im Faust fragen: „Wo sind denn Eure beiden Raben"? Diese dürfen bet dem Tob Siegfrieds nicht fehlen und sind durch nichts zu ersetzen. Diese Raben sind nicht lebendig, und es können von ihnen nicht wie bei einem lebendigen Pferd störendes Hufschlagen, Scheuwerdcn oder sonstige Imponderabilien oder Improvisationen befürch tet werben. Und die sichere Theaterwtrkung, die bas Er scheinen der Raben über dem todgeweihten Haupt Siegfrieds erzeugt, darf nicht unterschlagen werden.. Die Seele des Geschehens auf der Bühne war Otto Erhardt. Die Rolle beS Spielleiter» — wenn er nicht eine Primadonna und unehrlich gegen da» Kunstwerk ist — ist die wenigst dankbarst« bet dem Gelingen einer Theatertat. Ein Mann von Sachlichkeit, «in Fanatiker des GesamtgelingenS hat e» gegenüber Menschen im allgemeinen nicht leicht. Dresden war, so lange ich eS kenne, eine richtige Prima- donnenbiihne. Einen Regisseur von Gewicht und Bedeutung, von Willen und Autorität hat eS bislang dort nicht gegeben. Erhardt ist ein solcher. Aber ich bin überzeugt, baß trotz allen Reibungen, die au» seiner unbequemen Sachlichkeit entstehen, alle künstlerisch ernsten Sänger misten, was sie an ihm haben. Fritz Busch hat als Dirigent einen großen Weg auf wärts gemacht Er, der als Musiker eigentlich von der Reger- fchen Welt kam — derjenigen, die in seiner Generation viel leicht allein ganz von Waanerscher Kunst unberührt blieb —. bat sich selbst als dramatischen Dirigenten entdeckt; nicht durch Zwang und Mühe, sonder« wie e» seiner Natur entspricht, hat
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