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88. Fahrgang. O 387 Mittwoch, 24. September 1924 4»al»I»n>chrtI>: ««chrtcht», L-»»»»»> F«n>Ipr»ch»r-San,m»Inumm»r: 2S241 Vor lür Vachl-stpräch«: 20 011. ^XLO. 8c«oxo^vk «/E VMküNL fivms gsgv. 1838. SchrtMeitun- un» ^>»upI»elchLft»II»IIk: Marteillra^r 36^0. Verla- von Ltrplch ck Vrlchar»! in Dr-rd-n. P»ftlchekk-Äonlo 1083 Drei»»». ÄeäUk>S»Ee!>ÜI)I' I Klnroiclvn-Kstroisv Zi» Anzeigen werden nach «oldmarkd, rechne!. d>» Ispail. «mm dr. 2»i>»80z,t. ausw. 88 z. yamiilenanjeioen u. Slellengeluch« ohne 0 « / Pondeiu-.pret« i.W»na>8»ptt>r.1D.-»Ii. 8I»zein»«mer >8 G.-Pf-. f --1klg"iA?ll- ^öktzls", 1tadaUI0°>. auberh.Mz. dreil-ReklamezeNe ISvz, auderh.MV^. Offerieng-dtidrlvz. Lusw. Aunri!-»«»o.Dorausdezad>. Vachbruck nur mV »rn»>chei 0«»ll»«,n,»ve ,.Dresdner Vachr." lUlSHto. - Unveriannie Schrnlilück« werdrn nicht auidewadrl. ^ l-snüsssssibsuverem illr 8sek8vn ^ ^ I ^ Ix ^1 I X o II 6 I II re 83 r Von icrakt 8t33tlilcher Verloikunx- Ori^insl- und anerkannt« IXs^tbmilen beim ^snclsrkulturrst, 0r«r«Ivn-N. 24 ksmspc. z?517 u. 13?17 Ainclcolmsnnrtr. < (gm tisoplbsimdot) Bereitschaft zum Bölkerbuildsbeitritt. Vorläufige Zurückstellung -es Beitritlsgesuchs bis zum Vorliegen von Garantien. Eine Debatte Marx-Slresemarm im Reichsnabinett. — Grobe Versehtungen -es thüringischen Slaalsbankpräsi-enlen Loeb. Deutschland will tu den Völkerbund! Die amtliche Erklärung über daö Ergebnis dcS Kabtnelts- rats besagt, das, nach einmütiger Ausfassung der Mitglieder -er Negierung der Antrag ans Ansnabme Deutschlands i» den Völkerbund gestellt werden fall, sobald durch Verhandlungen mit den Mächten abschltcficnd festgcstellt ist, bah die not wendigen Garantie» für die deutsche Gleichberechtigung und für die Behandlung und Erledigung „bestimmter anderer hiermit im Zusammenhang stehender Fragen" gegeben sind. Damit hat das Gereiste und Gezerre um die Teilnahme Deutschlands an der „Liga der Nationen" zunächst einmal ein Ende gefunden, und zwar dadurch, dast die „grundsätzliche" deutsche Bereitwilligkeit offiziell erklärt worden ist. Nun handelt es sich nm die weitere sehr wichtige und zuletzt aus schlaggebende Frage, ob die Entente auch die Voraussetzungen erfüllen wird, non denen rin solcher Schritt Deutschlands im Interesse seiner nationalen Ehre und Würde unbedingt ab hängig gemacht werden must. ES ist daher die oberste Pflicht der nationalen öffentlichen Meinung und der sic vertretenden Organe, in der Zwischenzeit bis zur Stellung des deutschen Antrags scharf, klar und deutlich die Bedingungen zu betonen und herauszumeisteln. von denen keine deutsche Negierung ab gehen darf, ohne der deutsche» Gleichberechtigung etwas zu vergeben und eine gedeihliche Lösung der „bestimmten anderen Fragen", zu denen vor allem die Kricgsschnldlüge gehört, zu verhindern. Leider ist bereits das Präludium in Gens derartig ge wesen, dast dadurch allein schon eine starke Schwächung Ver deutschen Stellung hcrbcigcsührt wurde. Der pazifistische und sozialistische Bienenschwarm in Gens bot rin Bild der voll- endeten nationalen Würdelosigkeit, indem diese Herrschaften unausgesetzt in der ausländischen Presse versicherten, dast Deutschland ohne den Odem des Völkerbunds überhaupt nicht mehr leben könne und dast diese Erkenntnis alle Wider stände wie Butter in der Sonne HInwegzuschmclzen beginne. Eine derartige überstürzende Eile ist sogar einigen links stehenden Kreisen auf die Nerven gefallen. So schreibt z. V. daö demokratische „Berl. Tagebl": „ES war doch wohl richtig, nicht gleich mit blindem Eifer loSznstürmen. sondern erst ei» bistchen nachzuschen, ob nicht irgendwo ein Stein mitten im Wege liegt." Einen solchen recht beträchtlichen Stein findet dann auch dasselbe Blatt gleich selbst heraus, und zwar in den Artikeln 16 und 17 des Völkerbundstatuts, die icdeS Mit glied zur militärischen Hilfeleistung gegen einen Friedens störer und zur Duldung des Truppendurchmarsches ver pflichtet. Dadurch würde, wie das genannte Blatt zutreffend bemerkt. Deutschland in die Gefahr geiaten. z»m allgemeine» Kriegsichauplatz zu werden, »nd deshalb müstten diese beiden Artikel in dem deutschen BölkerbnndSvakt gestrichen werden. Auch sonst sind vom nationalen Standpunkt ans noch mancherlei kritische Bedenken zu erheben und verschiedene Ge- wisscnsfragen zu stellen. In erster Linie fällt ins Gewicht, dast die Versicherung unserer Pazifisten, der „Geist von Baden" herrsche jetzt im Völkerbund und verbürge eine gleichberech tigte Behandlung Deutschlands, keineswegs den Tatsachen ent spricht. Gerade die jetzige Genfer Tagung hat aufs neue be wiesen. insbesondere durch die mistachtende Zurück weisung der deutschen Beschwerden in der Saarfrage, dast der Einflust Frankreichs noch immer den Ausschlag gibt. Das bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger, als die fortdauernde Herrschaft der Pariser Auffassung, wonach der Völkcrbnndspakt ein wesentlicher Bestandteil dcS Versailler Vertrags ist, so dast sich Deutschland durch die Unterschrift des Völkerbundsvertrags noch mals freiwillig auf dav Versailler Gemalt diktat und damit auch aus die Kriegsschuldlüge fest legen würde. Ein ganz böser Punkt ist ferner die Militär- kontrolle. Dadurch, dast Deutschland nicht berechtigt sein soll, in der Völkerbundskommission, welche die Kontrolle ans übt, mitzuraten und zu taten, wird eS in die zweite Klasse der Nationen verwiesen. Es ist bezeichnend, dast die Londoner Negierung sich nicht dazu herbcigclassen hat, nach dieser Nich- tung bindende Zusicherungen zu erteilen, mit denen sich Deutschland zufrieden geben könnte. Mit Sitz und Stimme im Völkcrbnnddrat allein ist die deutsche Gleichberechtigung noch lange nicht genügend gewahrt. Und dann noch der Art. IN, der die Mitglieder verpflichtet, den durch den Versailler Vertrag begründeten territorialen Besitzstand anzuerkcnnen und zu gewährleiste»! Selbst wenn man von Elsaß-Loth- ringen absieht, so erhebt sich die beklemmende Frage, ob eine nationale dcntsclx Regierung cs verantworten kann, den ober- schlesischen Gcbictsraub und den polnischen Korridor, die beide in unser Lebensmark etnschneiden, in solcher Weise förm lich und feierlich zu verewigen. Ti« Fragen stellen hcistt sie verneinen. Wenn also irgendwo in unserer auswärtigen Politik der Satz gilt: „Eile mit WeileI". so ist bas hier der Fall. Die Schädigung unseres Ansehens und unserer Interessen, die unsere Pazifisten und Sozialisten durch ihr ansdringlichcs Gebaren gegenüber der Entente und durch ihre lakaienhafte Eilfertigkeit bewirkt haben, kann nur. soweit es überhaupt möglich ist, wieder gutgcmacht werden, wenn die Ncichsregic- rung sich bei der weiteren Verfolgung der Sache einer selbst bewussten Zurückhaltung beslcistigt und nichts über das Knie bricht. Gedenken mir der Worte Dr. StresemannS, die er an Herriot richtete: „Herr Herriot hat soeben noch den Versailler Vertrag einen Frieden des Rechts und der Gerechtigkeit ge» nannt. Wenn dieser Ausspruch als Motto über die Pforte gesetzt ivird, durch die Deutschland in den Völkerbund ein- trctcn soll, so wird das nicht als eine Geste der Einladung, sondern als eine solche der Abschreckung wirken." In Paris herrscht aber diese Auffassung noch immer: der Beweis des Gegenteils ist noch durch keine Tatsachen erbracht worden. Es wird also nun alles darauf ankommen, daß die Netchs- regieruug unbeugsam auf ihrem kundgcgebenen Entschlüsse beharrt, den Antrag auf Ausnahme in den Völkerbund nur dann zu stellen, wenn wirklich genügende Garantien für die volle deutsche Gleichberechtigung gegeben sind. Die Art, wie sie diese Bedingung erfüllt, wird ein Maßstab für den natio nalen Gehalt der Negierung und für ihre größere oder ge ringere Abhängigkeit von der pazifistisch-sozialistischen Neben regierung sein, die bas jetzige Wettrennen nm die Gunst der Entente in der Vülkcrbundsfrage in Szene gesetzt hat. Das Ergebnis -es Kabineltsrals. Der amlliche Bericht. Berlin, r». Sept. Das offiziöse W. T. N. berichtet: Unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten wurde heute ein Ministerrat abgcljaltcn. Nach eingehender Erörterung der Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund ergab sich Einmütigkeit darüber, dast die Reichsrcgicrung den alsbaldigen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund an strebt. St« geht dabei von der Erwägung a«S, das, die vom Völker bund behandelten Fragen, insbesondere die des Schuftes der Minderheiten, der Regelung der Verhältnisse des L a a r g c b i c t e s, die Frage der allgemeinen Abrüstung in Verbindung mit der Durchführung der Militärkon trolle, sowie die ihrer Lösung harrende grobe Frage der Sicherung friedlichen Zusammenarbeiten» der Völker nur unter Mitwirkung Deutschlands in befriedigender Weise ge regelt werden können. Selbstverständlich kann Dentschlands Mitwirkung »nr die einer gleichberechtigten Hauptmacht sein. Nachdem die aus der Londoner Konserenz erzielte Lösnng der Reparationssrage nach Aussassnng der lmnpt- sächlich beteiligten Mächte den Weg zu einer aktiven Behand lung der Frage deo E »tritt» Deutschlando in den Völkerbund für die Neichsrcgicrnng eröffnet hatte, sind im Anschluß an dir Uonscrenzvcrhandlungcn Besprechungen in diese», Sinne ausgenommen worden. Da» Ergebnis dieser Sondierun gen bildet eine wesentliche Grundlage sür die heutige Entkchlicstnlig der ReichSrcqierung. Fn Anosübrnng dieser Entschliestung wird die Neichsrcgicrnng durch daS Answärtigc Amt bei de» im Völkcrbundsrat vertretenen Mächten ab schließend seststcllcn, ob die sür die Stellung des dentschcu Antrages crsordcrlick>en Elarantien. die sich sowohl ans Dentschlands Stellung im Völkerbund wie auch ans bestimmte andere hiermit untrennbar zusammenhängende Fragen be ziehen, gewährleistet sind. (W. T. B.s Ein -eulscher Kommentar. Berlin, N. Sept. Zu der heutigen Entscheidung dcS Reichskabinetts in der Frage dcS deutschen Beitritts zum Völkerbund wird von gnknntcrrichtcter Seite noch mitgctcill. daß der Beschluß der Reichsrcgicrnna daö Ergebnis einer sehr eingehenden Debatte war. die sich im wesentlichen zwilckwn dem Reichskanzler Dr. Marx und dem Ne ichs- austcnminister abspicltc. Ter Reichskanzler habe da bei mit den Mitteilungen argumentiert, die er von Frithjof Nansen erhalten habe. Der Rcichsanstenminister Dr. Strescmann machte seine Darlegungen auf Grund der An fragen. die er an authentische englische Stellen, gerichtet hatte. Das Kabinett sei aus Grund dieser Aus sprache zu einer Entschließung gekommen, durch die der not wendige Antrag Deutschlands in den Völkerbund nm Aus nahme zwar vorbereitet wird, aber noch nickt sofort erfolgt. Die Reichsrcgicrung sei sich darüber klar ge worden. dast der Eintritt Dentschlands in den Völkerbund erfolgen müsse, daß aber icder Uebereiscr vermieden werden müsse. Deutschland müsse die unbedingte Gewißheit haben, im Völkerbünde nickt nur eine gleichberccktiate Macht zu sein, sondern auch einen Sitz im V ö l k e r b u n d S r a t e zu er halten, da der Völkcrbundsrat ia die eigentlich maßgebende Zentralorganisativn des Völkerbundes sei, innerhalb deren die maßgeblichen Beschlüsse gefasst werden. Scho» die Mission Nansens lasse erkennen, dast ein großer Teil der Mitglicd- staaten des Völkerbundes diesen Wünschen Dentschlands an scheinend Rechnung tragen wollen. Man dürfe als ganz sicher annchmcn. dast Nansen in »nmitielbarer Ucberein slimmiina mit Lord Parmoor »nd den führenden englischen VölkerbundSdelcgierten gehandelt habe. Heber die englische Anlwvrl aus die Reihe von Fragen, die von der deutschen Regierung über den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund nach London gerichtet wurden, heißt es, dast die englische Note im diktato rischen Sinne gehalten sei. England erkläre sich nur bereit, da für einzntrctcn, dast Deutschland einen Sitz im Völkcrbnndsrat erhalte, vermeide aber jede feste Zusicherung, daß Deutschland als Mitglied des Bölkerbnndsratcs dann auch iu der Militär kontrolle gleichberechtigt mitwirke. Mit dieser Forderung steht und fällt aber die Bedeutung des Völkerbundes sür Deutschland. Der deutsche Standpunkt ist bekanntlich der, daß Deutschland sein Mandat im Völkerbundsrat nur mit den selben Rechten ausführen will, wie jede andere Großmacht. Auch bezüglich der übrigen dentschcn Forderungen stellt Eng land nur wohlwollende Prüfung iu Aussicht, ohne positive Zusicherungen zu geben. Es sei aber wahrscheinlich, so wird in der englischen Antwort noch angegeben, daß im Frühjahre eine außerordentliche Session des Völkerbundes cinberuscn werde, die neben anderen wichtigen Fragen auch über die Ausnahme Deutschlands beschließen solle. Die amtliche Slerlantbarnng läßt die entscheidende Frage, ob ein diplomatischer Schritt beim Völkerbund unternommen werden soll oder nicht, noch in der Schwebe. Wenn auch der Wortlaut der englischen Antwort auf die deutsche Anfrage über die Vorbedingungen unseres Eintritts in den Völker bund nicht bekanntgegeben ist. so steht doch so viel fest, daß die Elarantien sür eine angemessene Behandlung Deutschlands im Völkerbund bis jetzt noch nicht aus reichend sind. Die englische Regierung ist durch ihre schwache innerpolitischc Lage zu starken Rücksichten ans die Opposition gezwungen. Aus der anderen Seite scheint auch die französische Regierung nicht bereit z» sein, einer Ausnahme Dcntschlands in den Völker bund unter der Bedingung vollster Gleichberechtigung znzn- stimmcn. Nicht einmal der Sitz im Völkerbnndorat ist ge währleistet. Man bezeichne« diesen Anspruch Deutschlands als Forderung einer Sonderbchandlung, die nach den Satzungen des Völkerbundes nicht zulässig sei, und vergißt ganz, dast die vier Großmächte, die jetzt im Völkerbnndsrate sitzen, diese Sonderstellung als eine Selbstverständlichkeit für sich von Anfang an beansprucht haben. lieber eine befriedigende Regelung der Kontroll- und der Abrüstnngssragc verlautet ebenfalls nichts. Aus dieser Lage ergibt sich ohne weiteres, dast die Reichsrcgicrung die endgültige Stellungnahme zur Frage unseres Eintritts in den Völkerbund vorläufig vertagen muß. England »nd Frank reich haben es in der Hand, jederzeit die Bedingungen zn schassen, die es Deutschland ermöglichen, seine Mitarbeit an ihrer Seite zur Verfügung zu stellen, lieber eine Stcilnng- nahmc der Reichsregierung zur Kriegsschuldfragc verlautet vorläufig noch nichts. In Kreisen der Deutschen Volkspartei tritt man dafür ein. daß Deutschland grundsätzlich seine Be reitwilligkeit, in den Völkerbund hincinzugchen, erklären sollte, wenn gewisse Vorbedingungen von seiten -er Entente erfüllt wären. Riicklrill D'Abernons. Berlin, Sst. Sept. Wie cs heißt, hat der englische Bot schafter in Berlin Lord D'Abcrnon seine schon seit längerer Zeit bestehende Absicht, von seinem Posten in Berlin znrückzntretcn. durch Einreichung seines A b s ch i e d ö g c s u chs durchgcsührt. Das Rücktrittsgesnch soll von Macdonald be reits angenommen worden sein, doch soll der Botschafter bis zur Ernennung seines Nachfolgers in Berlin verbleiben.