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86 Nachrichten aus dem Buchhandel. ^s§ 8, 1l. Januar 1896. dem in England so verhätschelten Geschlecht der »kuss^«, die sich hier vor einem mächtigen, im Lichterglanze erstrahlenden Wcihnachtsbaume tummeln. Der Text des Heftes — woran ebenfalls schriftstellernde Damen mitgearbeitet haben — ist teils durch Zinkätzungen, teils autotypisch reich illu striert, und auch der Druck der Textbildchen ist zu loben. Wenn nun selbst in diesem für jugendliche und Kinderkreise bestimmten Hefte Inserate nicht fehlen und außer dem Um schlag fünf zwischen die letzten Textbätter eingcschobene Seiten füllen, so beweist dies eben nur, daß in England das In serieren so zu sagen zum Bedürfnis geworden ist für den Ge schäftsmann, der im vorliegenden Falle von der richtigen Voraussetzung ausgeht, daß der »halber Obi-wlmas« zuerst durch die Hände der Erwachsenen wandert, die dann wohl ebenfalls einen aufmerksamen Blick hineinwcrfcn. Und auch an einer Kunstbeilage in Chromolithographie, Format 62 : 75 cm, fehlt es dieser Kinderausgabc nicht, und zwar stellt diese »llittls Lcvestbearts« — kleine Liebesleutc — dar: ein netter schwarzlockiger kleiner Junge von sechs bis sieben Jahren bietet einem kleinen blauäugigen Mädchen — blauäugig in höchster Potenz, denn auch das Weiße des Aug apfels ist hellblau geraten — ein Blumensträußchen dar; beide sitzen auf einem roten Sofa, und ihre Helle Kleidung hebt sich lebhaft davon ab. Tie Verlegenheit der kleinen Donna, die schon mit sich selbst im Zweifel zu sein scheint über das Passende oder Unpassende der Annahme eines solchen Geschenkes, ist in dem Bilde, der Reproduktion eines Gemäldes von L. Waller, sehr glücklich zum Ausdruck gebracht. Das Kunstblatt ist, gleichwie eine Anzahl der schon vorhergehend erwähnten, von Oxford Smith in St. Albans gedruckt. »Ms ^Ibuw« ist eine elegant ausgestattcte Londoner Monatsschrift, und seine Weihnachtsnummcr, ein Hochquart von 25:33'/r em, entspricht diesem Charakter; ihr Umfang aber ist ein ganz ungewöhnlicher, denn sie bildet ein Heft von 24 Seiten Text, dem ein illustrierter Almanach von 28 Seiten und ein Kunstblatt von 79:53 ein in lithogra phischem Sepiadruck beigegeben ist, — und das alles für einen einzigen Schilling! Prüft man aber den Inhalt der beiden ersten Publikationen, so muß man noch mehr staunen über die Billigkeit dieses Preises, denn es wird hier nicht nur viel, sondern in graphischer Beziehung auch Vor treffliches geboten. Beide Hefte sind durch Autotypicen und Zinkographieen, letztere nach Federzeichnungen, illustriert; das »^Ibum« enthält deren 6 resp. 3 in ganzen Seitei:, und im Text ist auch noch eine ansehnliche Zahl von beiden Jllustrationsarten beigegeben; der Almanach ist durch fünf derselben geschmückt, bringt aber überdies sechs chromolitho graphische Vollseitenbilder, Orchideen darstellend, ebenfalls gedruckt bei Oxford Smith in St. Albans, — zwar keine Meisterwerke, indes immerhin gut ausgeftthrte Blätter, die schon allein den Wert der ganzen Weihnachtsnummer repräsentieren. Unter den Vollseitcn-Autotypiccn befinden sich einige mit äußerst feinem Netz hergestellte und ganz vorzüglich gedruckte; die Federzeichnungen der Zinkätzungen sind mit sicherer, kühne Linien zu zeichnen gewohnter Hand ausgeführt und bilden Illustrationen zu Gedichten bis auf eine, die auf dem Titelblatte des Almanachs eine Ansicht des Observatoriums zu Greenwich darstellt. Zieht man all diese graphische Ele ganz, die uns auf feinem Velin geboten wird, in Betracht, wozu sich die Thatsachc gesellt, daß der Almanach außer auf 3 Umschlagsseiten gar keine, das »Albuin« neben dem Umschlag nur 2 Seiten Inserate enthält, so muß man zu dem Schlüsse kommen, daß es dessen Herausgebern weniger um das Verdienen, als um Erzielung einer ganz ungewöhnlichen graphischen Leistung zu thun gewesen sein kann. Ein großer Erfolg wurde indes erreicht: sofort nach Erscheinen war die ganze Auflage vergriffen! Der Umschlag des »Albuin - ist nur in Rot und Schwarz gedruckt; auf seiner Titelseite erblicken wir eine Frau in alt englischer Tracht, die uns einen der gewaltigen, mit dem traditionellen Hollyzweige geschmückten Plumpudding präsen tiert; auf der Vorderseite des Umschlags vom »Almanach«, gedruckt in Rot und Blau, tritt ein Mann in Narrentracht, begleitet von einem großen weißen Kater, hinter einem Vor hang hervor, — eine etwas sonderbare Einführung für das neue Jahr! Die Ausführung des Kunstblattes, ein im freien Felde in einem Buche lesendes junges Mädchen, für das Schelm Amor eine Rose schneidet, steht graphisch gegen die der beiden Hefte zurück; der Amor namentlich scheint ein halber Kame runer zu sein, und sein Körper hat durch die dunklen Schatten, für die sich die Ursache schwer in allen Teilen finden läßt, das Zarte und Duftige verloren, das man diesem losen Schlingel in der Regel andichtet. Die Firma zu St. Albans, die das Blatt ebenfalls druckte, kann es keineswegs zu ihren Triumphen zählen. Die letzte der mir vorliegenden englischen Weihnachts nummern gehört der »Me IwäZLts« genannten Monatsschrift an und bildet ein Heft von 160 Seiten Oktav von 18:28 ew. Sein Titel ist einem zwischen Fleetstrcet und der St. Pauls- Kathedrale, so recht im litterarischcn Centrum Londons ge legenen Distrikte entnommen, der seinen Namen auf einen märchenhaften König Lud zurückführt, nach dem hier, wo sein Schloß gestanden haben soll, noch mehrere Straßenteile benannt sind; »Mw lluckgats« soll somit wohl die Vertretung por sxcelleoes der Londoner Litteratur andeuten. Was das Heft für 1 Schilling bietet, ist aber auch ungemein reich und mannigfaltig. Von seinen 160 Seiten fallen 21 den Inseraten zu außer dem Umschlag, der auf allen Seiten und selbst auf seinem Titel von ihnen eingenommen wird bis auf die Titelworte und die recht geschmacklose Darstellung einer lie genden, rotbekleideten weiblichen Gestalt. Die Zahl der aus Autotypicen und Zinkätzungen bestehenden Illustrationen ist eine außerordentlich große; 38 Seiten sind ihnen ganz ge widmet; zu ihnen kommen noch 6 Vollscitcn-Modebilder, 83 Abbildungen, Kopfleisten und Schlußvignetten im Text und 19 Porträts, die Englands qravcl olä man, Gladstonc und seiner Familie, zurück bis zu Großvater und Großmutter, gewidmet sind. Diese Abbildungen sind in ihrem Werte sehr verschieden, im allgemeinen aber gut und auch gut gedruckt, welch letzteres durch das kräftige weiße Papier des Heftes allerdings erleichtert worden ist. Einige der Autotypicen sind Ergebnisse von seitens »Ms ImäAccke« veranstalteten Preis ausschreiben; der Kopf eines alten Mannes, eine Studie, ist eine vortreffliche Wiedergabe der photographischen Aufnahme; auch die Zinkätzungen, meist nach Federzeichnungen, verdienen alles Lob. Was den Inhalt des Heftes anbclangt, so fehlen darin trotz seiner Herkunft aus dem litterarischcn Centrum Englands, doch auch Räuber- und Mordgeschichten nicht, denn diese gehören im englischen Volke nun einmal zu einer rechten und echten Weihnachtsfeier gleich dem Plumpudding und dem gebratenen Truthahn. Auch eine Kunstbeilage, und zwar eine recht ansehnliche, von 54:73 em, erhält man zu den 160 Seiten des Heftes für seinen Schilling; sie ist, wie die von Mä/s Lietorial, in der königlichen Kunstanstalt von Otto Troitzsch in Berlin hergestellt und gehört mit dieser zu dem Besten, was die englische Weihnachtslitteratur und Weihnachtskunst auf den diesjährigen Markt gebracht hat. Das Blatt ist betitelt Ms ^oZel ot tbs Houss, und dieser Engel des Hauses wird durch eine blühende, aber ziemlich offenherzige junge'Dame dar gestellt, deren Augensterne uns leuchtend entgegenstrahlen — ein hübsches und anziehendes Bild. Mit diesem endet die Liste der mir bekannt gewordenen