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promißantrag Gröber mit der Maßgabe, daß der Antrag Stumm in denselben eingeschaltet werde. Abgeordneter Cassel mann sfr. Bolksp.) hält die Einschränkung des Detailreisens für bedenklich, da von einer solchen Maßregel nur die kleineren und mittleren Geschäftsleute Nachteile haben würden zu Gunsten der großen Waren- und Versandhäuser. Die Detailrcisenden sähen in der Gleichstellung mit den Hausierern eine Degradation. Abgeordneter Vogtherr lSoz.) erklärt sich gegen Artikel 8, weil derselbe eine durchaus reaktionäre Maßregel sei und eigentlich lediglich den Finanz-Ministern der Einzelstaaten eine neue Ein nahme zusühre, da die Kausleute dann Hausierscheine lösen müßten, vielleicht sür die Bezirke der kleinen Einzelstaaten mehrere zu gleicher Zeit. Besonders lästig sei die Bestimmung sür die An gestellten-, sie könnten in Zukunft erst mit dem 25. Lebensjahre als Detailreisende austretcn, verlören also dadurch mindestens fünf Jahre ihres Lebens; denn mit dem 20. Lebensjahre wären sie wohl bcsähigt sür diese Arbeit. Wie umstritten die ganze Frage sei, zeigten die zahlreichen Anträge und Gegenanträge, die cin- gebracht und geändert würden, so daß man sich kaum hineinfinden könne. Für den Weinreisendcn wären alle zu Ausnahmen bereit, sogar der Bundesrat sei in den Motiven dafür. Im übrigen nähme jeder die ihn interessierenden Jnduslriecn aus und überließe sonst alles der Vollmacht des Bundesrats, der neue Erlaubnis geben, aber auch alte Erlaubnis widerrufen könne. Die Sozial demokraten würden jedoch gegen alle Anträge stimmen, da solche gesetzlichen Maßregeln nur ein schwacher und nutzloser Versuch seien, der Entwickelung der gewerblichen Verhältnisse entgegen- zutreten. Abgeordneter von Wolszlegier-Gilgenburg (Pole) erklärt sich für den Antrag v. Stumm, den er in den Antrag Gröbcr-Hol- leuffer aufnehmcn will; für die Weinreiscnden will er keine Aus nahme machen. Abgeordneter vr. Hasse (nl.): Die Mehrzahl meiner politischen Freunde steht der Vorlage sympathisch gegenüber. Wenn so viele Anträge vorliegcn, so zeigt das, wie richtig unser Antrag war, eine Kommissionsberatung stattfinden zu lassen; daß einige Anträge jetzt zurückgezogen werden konnten, erklärt sich durch die inzwischen stattgchabte Vereinbarung, wobei ja auch der Buchhandel in ausgiebiger Weise berücksichtigt worden ist. Redner empfiehlt ferner Ausnahmen für den Wein und die Wäschesabrikation. Abgeordneter Fischbcck (fr. Volksp.): Der Staat scheine jetzt die Berechtigung sür sich in Anspruch zu nehmen, die Bürger in solche erster und zweiter Klasse zu teilen. Man nehme cs als Pflicht des Staats in Anspruch, den seßhaften Handel in erster Linie zu schützen gegen die Ausdehnung des Hausierhandels. Diese Ausdehnung sei aber eine Folge der falschen Durchführung der Sonntagsruhe. Die Bielefelder Leinenindustric sei durch die Güte ihrer Fabrikate größer geworden, und zwar deshalb, weil sie durch Reisende die Waren dem Publikum ins Haus bringe. Gerade die einsam wohnenden Beamten der Forstoerwaltnng, der Zollverwaltung, die Lehrer und Geistlichen auf dem Lande würden gar keine Gelegenheit haben, Einkäufe in gewissen Artikeln zu machen, wenn ihnen nicht die Detailrcisenden die Sachen ins HauS brächten. Nachdem Abgeordneter vr. Schädler (Centr.) sich gegen eine Ausnahme zu Gunsten der Weinreisenden ausgesprochen hat, be zeichnet Abgeordneter Fuchs (Ctr.) cs als eine große Härte, daß plötz lich das Detailreisen aushörcn solle; man müsse eine Uebergangs- pcriode schaffen, während deren das Dctailreisen ganz allmählich verschwinden würde. Abgeordneter vr. Hahn (b. k. F.) tritt für den Antrag Gröber- Holleuffer ein und wendet sich dagegen, besondere Uebcrgangs- bestimmungen zu schaffen. Die Landwirte hätten die Schädigung durch die Handelsverträge auch ohne jeden Ucbergang auf sich nehmen müssen. Brotlos würden die Detailreisenden nicht, sie würden höchstens etwas höher besteuert. Abgeordneter Fritzen (Centr.) tritt ebenfalls für die Leinen, industrie ein. Staatssekretär des Innern, Staatsminister De. von Bo etticher: Meine Herren! So viel ist mir aus den Diskussionen klar geworden, daß der Wunsch in weiten Kreisen des Hauses besteht, an der Regierungsvorlage irgend welche Ncnderungcn vorzunehmcn. Ich muß indessen betonen, daß auch nach aufmerksamer Ver folgung der Gründe, welche für die verschiedenen Anträge vor- gcbracht sind, ich von der lleberzeugung nicht lassen kan», daß die Regierungsvorlage bei weitem den Vorzug verdient. Zunächst ist von verschiedenen Seiten der Wunsch geäußert worden, daß im Gesetz eine Ausnahme von den neuen Bestimmungen über das Dctailreisen zu Gunsten des Buchhandels gemacht werde. Meine Herren, ich halte es nicht für unwahrscheinlich, daß der Bundesrat, ivenn er nach der Fassung der Regierungsvorlage die Befugnisse erhielte, seinerseits Ausnahmen von den Bestimmungen über das Detailreisen zu statuieren, auch den Vertrieb von Druckschriften unter diese Ausnahmen aufnehmen würde. Nach den in dem hohen Hause hierüber gepflogenen Verhandlungen und nach der Begründung der Petitionen, die auf diesem Gebiete auch an die Neichsregierung gekommen sind, verkenne ich nicht, daß sich manches dafür anführen läßt, hier den Druckschriftenvertrieb besonders zu berücksichtigen. Nun kommt aber der Appetit bekanntlich beim Essen, und wenn man eine Ausnahme macht, so findet man sehr bald Veranlassung, eine Erweiterung des Kreises der Aus nahmen zu wünschen. So ist es auch hier gegangen. Wir haben jetzt schon Wünsche nach Ausnahmen zu Gunsten des Weins, der Textilien, Baumaterialien, Nähmaschinen u. s. w.; und ich bin nicht zweifelhaft darüber, daß sich bis zur dritten Lesung noch weitere Wünsche geltend machen werden. Aber aus der Eröterung über die Ausnahmen haben wir, glaube ich, den Schluß zu ziehen, daß das pro und contra sich in einzelnen Fällen stark die Wage hält: und deshalb halte ich es nicht für richtig, Laß der Reichstag sich über diesen Streit mit der Wirkung schlüssig macht, daß nun durch das Gesetz festgelegt wird, welche Aus nahmen bezüglich des Detailreisens stattfinden sollen. (Sehr richtig I) Ich halte es für viel richtiger auch vom Standpunkt der Interessenten, die ihre Wünsche geltend machen, daß der Reichstag dieses schwierige Geschäft, das pro und contra zu ergründen und das Rechte zu finden, dem Bundesrat überläßt, der in dieser Beziehung bekannt lich einen breiten Rücken hat und es auch gerne übernehmen wird. Was wird die Folge sein? Schlagen Sie hier eine nachgesuchte Ausnahme ab, so ist der betreffende Industriezweig schwer imstande, die Vergünstigung, die ihm seine Vertreter hier zu teil werden lassen wollten, nachträglich vom Bundesrat zu erlangen, und nehmen Sie die Ausnahme an, so nehmen Sie vielleicht dabei nicht die gebührende Rücksicht auf die Gegenstände, aus denen gerade sür den speziellen Zweig die Ausnahme sich nicht empfiehlt. Wenn nun aber geändert werden soll, so könnte ich, wie ich vorhin schon angedeutet habe, mit dem Antrag der Herren Gröber, von Holleuffer, vr. Hitze und Jacobskötter aus Nummer 176 der Drucksachen noch am ersten einverstanden sein; nur werde ich mir gleich den Vorschlag zu machen erlauben, daß auch in diesem Antrag eine Korrektur vorgenommen werden möge. Der frag liche Antrag statuiert zunächst nur eine Ausnahme durch das Gesetz selbst zu Gunsten des Druckschristen Handels. Er erweitert außer dem den Kreis der Befugnisse des Bundesrats, worüber sich reden läßt. Dagegen enthält er gegenüber der Regierungsvorlage eine Ab weichung, welche meines Erachtens bei der Feststellung des Para graphen beseitigt werden muß. Der Antrag Gröber und Genossen will nämlich das Aussuchen von Bestellungen nur zulasscn bei solchen Personen, in deren Gewerbebetrieb Waren der angebotenen Art Verwendung finden, und er weicht von der Regierungsvorlage darin ab, daß diese auch noch das Aufsuchen von Bestellungen bei Kaufleutcn unbeschränkt zulassen will. Meine Herren, wenn Sie nach diesem Antrag beschließen, so schaffen Sie mit Rücksicht auf unsere Handelsverträge zwei Kategorieen von Personen, die dasselbe mit verschiedener Befugnis treiben. Im deutsch-schweizerischen Handelsvertrag — im deutsch-rumänischen ist der Wortlaut der Bestimmung derselbe — heißt es ausdrücklich: --Kaufleute, Fabrikanten und andere Gewerbetreibende, welche sich durch den Besitz einer von den Behörden des Heimatlandes aus- gesertigtcn Gcwerbelegitimationskarte darüber ausivciscn. daß sie in dem Staat, wo sie ihren Wohnsitz haben, zum Gewerbebetrieb berechtigt sind und die gesetzlichen Steuern und Abgaben ent richten, sollen befugt sei», persönlich oder durch in ihren Diensten stehende Reisende in dem Gebiet des anderen vertragschließenden Teils bei Kaufleuten oder in offenen Verkaufsstellen, oder bei solchen Personen, welche die Waren produzieren, Warenankäufe zu machen, oder bei Kauslcuten oder Personen, in deren Ge werbebetrieb Waren der angebotenen Art Verwendung finden, Bestellungen zu suchen.» Meine Herren, nach diesen Verabredungen sind die Handels firmen der Schweiz und aller derjenigen Staaten, welche sich in gleicher Lage befinden, berechtigt, innerhalb Deutschlands unter den entsprechenden Voraussetzungen bei Kauslcuten unbeschränkt Waren bestellungen suchen zu lassen. Sie stellen also, wenn Sie den An trag Gröber ohne Einfügung der Worte der Regierungsvorlage »bei Kaufleuten oder» annchmcn, die deutschen Kausleute schlechter als die Kausleute derjenigen Staaten, für welche jene Handclsvertragsfestsetzung gilt. (Hört! hört! rechts.) Ich möchte deshalb glauben. Sie thun wohl, die Fassung der Regierungsvor lage in dieser Beziehung anzunehmcn. Ich kann auch keinen Nach teil hierin erblicken; denn gegenüber dein Detailreisenden ist der etablierte Kaufmann unter allen Umständen am widerstands fähigsten; er wird den ihm unbequemen Detailrcisenden sehr ivohl abzuwehren imstande sein. Viel weniger widerstandsfähig ist der Privatmann, dem der Detailreisende, sei es ein Wein-, Tabak oder Textilreisender, unter Umständen denn doch recht unbequem werden kann. Ich gehe nicht so weit, daß ich den Detailreisenden