Volltext Seite (XML)
76 Nachrichten aus dem Buchhandel. 7, 10. Januar 18S6. Lebens angepatzt sind, als wenn sie konsequent eine wissen schaftliche Theorie zum Ausdruck bringen, weil dadurch die mit Rücksicht auf den Gegenstand selbst sehr schwierige juristische Konstruktion des Gesetzes über das Urheberrecht noch mehr verwickelt und kompliziert wird, als es schon in unserem Gesetzentwürfe der Fall ist, um nur den H 21 des Beschlusses des hohen Herrenhauses zu zitieren. Bei der Normierung der Autorenrechte sind einerseits die Interessen des Urhebers und anderseits die Interessen des Publikums ins Auge zu fassen. Die Ansichten über das gegenseitige Verhältnis dieser zwei Gruppen von Jnteressengehen sehr weit auseinander; es giebt viele Theoretiker, welche gerade in diesen Interessen eine Kollision finden. Ich muh einfach gestehen, ich gehöre zu denjenigen, welche gar keine Kollision finden. Der Urheber findet sein Interesse darin, daß sein Werk soweit als möglich verbreitet werde, ihm aber dabei die materiellen Vorteile gesichert werden. Das Publikum findet sein Interesse darin, daß ihm die Benützung der Werke der Litteratur und Kunst zugänglich sei; dabei aber mutz es im eigenen wohlverstandenen Interesse auch eine entsprechende Honorierung des Urhebers wünschen, weil dies auch dessen Thätigkeit anspornt und auf den Wert seiner Leistungen einen entschiedenen Einfluß hat. Kurz, es giebt in dieser Beziehung zwei verschiedene Ansichten. Professor Exner, der Referent dieser Angelegenheit im Herrenhause, hat — wie ich glaube — die erste Ansicht für richtig gehalten, und infolgedessen hat sowohl sein Elaborat als auch der Beschluß des Herrenhauses etwas mehr das Interesse des Publikums als das Interesse des Autors berücksichtigt. Daher ist es erklärlich, daß, wenn in 8 23 festgesiellt wurde, daß das Urheberrecht unter anderem auch das Ueber- setzungsrecht umfaßt, in 8 28 dieses gerechte Prinzip stark ein geschränkt wurde und das Uebcrsetzungsrecht vom Vorbehalte desselben abhängig, nur auf diejenigen Sprachen beschränkt wurde, welche vom Autor ausdrücklich genannt wurden, und schließlich dieses Uebcrsetzungsrecht dem Urheber nur innerhalb dreier Jahre von der Veröffentlichung des Originalwerkes zuge standen wurde. Diese Einschränkungen sind der Berner Kon vention vom Jahre 1886, welche ja doch der richtige Ausdruck des jetzt geltenden Urheberrechtes ist, gänzlich unbekannt. Und mit vollem Rechte. Wenn das Urheberrecht das Uebersetzungsrecht umfaßt, so soll die Ausübung desselben, sowie die Ausübung des Urheberrechts selbst nicht vom Vorbehalt desselben abhängig sein. Die Benennung der Sprachen ist in den meisten Fällen für den Urheber unmöglich, weil er im Momente der Ver öffentlichung des Originalwerkes nicht wissen kann, in welchen Ländern sein Werk Absatz finden wird. Der dreijährige Termin zur Veröffentlichung der Uebersetzung ist zu karg bemessen. Die Berner Konvention giebt dazu zehn Jahre. Den besonderen Rücksichten auf das Interesse des Publi kums ist es auch zuzuschreiben, daß, wenn im § 31 bestimmt wurde, daß das Urheberrecht an Werken der Tonkunst das Recht der Veröffentlichung und der öffentlichen Aufführung umfaßt, gleich in folgenden Paragraphen das Aufführungs recht wieder vom Vorbehalte desselben 'abhängig gemacht und das Recht der Veröffentlichung dadurch geschmälert wurde, daß die Orchestrierung desselben erlaubt wurde. Durch diese Bestimmung wird der Autor nicht nur materiellem Schaden, sondern auch in seinen ideellenJntercssen der Gefahr ausge setzt, daß sein Gedanke durch schlechte Orchestrierung in un richtiger Form dem Publikum übergeben wird. Die einzelnen Bestimmungen des vorliegenden Gesetz entwurfes werden kaum einer strengen Kritik entgehen können. Ich finde zum Beispiel, daß es nicht entsprechend ist, was im Z 39 bestimmt wurde, daß dem Eigentümer eines Werkes der plastischen Kunst die einzelnen Kopieen desselben zu ver breiten gestattet ist, und nur der Verlauf derselben so masss verboten ist. Diese Kopieen, deren Zahl nicht beschränkt ist, können nicht nur dem Namen des Künstlers Schaden zufügen, wenn sie schlecht verfertigt sind, sie können ihm auch in materieller Hinsicht schädlich sein, weil durch diese Kopieen das Interesse der Besichtigung des ausgestellten Originals beträchtlich vermindert werden kann. Das sind die die wichtigsten Schattenseiten des Gesetzent wurfes. Entschieden aber überwiegen seine Lichtseiten. Der Gesetzentwurf ist gewiß ein einheitliches, ein originelles, großes, tiefgefaßtes Werk, welches nicht nur in dem Detail konsequent sein Grundprinzip durchgeführt, sondern auch alle heutigen Verhältnisse in umfassendem Maße berücksichtigt hat. Man kann streiten über die einzelnen Vorschriften; man muß aber bei objektiver Beurteilung anerkennen, daß im großen ganzen das Gesetz an die heutigen Verhältnisse angepaßt ist, und daß die Werke der Litteratur und Kunst einen viel größeren Schutz unter diesem Gesetze finden werden als unter dem jetzt geltenden Rechte. (Sehr richtig!) Nur in einer Beziehung steht der vorliegende Gesetz- I entwurf hinter dem jetzt geltenden Patente, nämlich in Be zug auf die ausländischen Werke. Der Gesetzentwurf sichert den Schutz nur den in Deutschland ausgegebenen Werken, die anderen werden nach den existierenden Staatsverträgen > behandelt. Diese besondere Berücksichtigung — ich möchte sagen — Privilegierung der deutschen Litteratur scheint mir nicht ganz gerechtfertigt zu sein. In den Staatsverträgen l kommen verschiedene Grundsätze zum Ausdruck, infolge dessen die ausländischen Urheber auf verschiedene Weise in Oester- / reich behandelt werden, und zwar nicht aus sachlichen Gründen, nur weil sie den verschiedenen Staaten angehören. Schließ lich genießen die Urheber, deren Staaten mit Oesterreich keine Staatsverträge geschlossen haben, keinen Schutz. Dadurch ist der jetzt in Beratung stehende Gesetzentwurf schlechter als das Patent vom Jahre 1846, welches im Z 39 den ausländischen Werken in der Regel den Schutz der Gegen seitigkeit zugesichert hat. Die Frage des entsprechenden Schutzes für die aus ländischen Werke könnte am besten gelöst werden, wenn Oesterreich der internationalen Union zum Schutze der Werke der Litteratur und Kunst beitreten würde. Diese Union sichert in jedem Staate Len ausländischen Urhebern, die den Staaten angehüren, welche die Union bilden, denselben Schutz wie den einheimischen Autoren, nur mit einer einzigen Einschränkung, nämlich daß der Schutz eines ausländischen Urhebers nicht länger dauern kann, als das in seinem Staate der Fall ist. Um diesen Schutz genießen zu können, brauchen die Urheber keine besonderen Formalitäten zu erfüllen. Dieser Schutz steht ihnen ipso fürs zu. Die Bestimmungen der Berner Konvention vom Jahre 1886, auf welche sich die in Rede stehende Union stützt, sind im liberalsten Sinne gefaßt. Die Vorschriften der Konvention zeichnen sich durch Einfachheit und Klarheit aus, so daß sie zu keinen Ver wechslungen im internationalen Verkehre Anlaß geben können. Diese Union hat ihr exekutives Organ »Uursau intsr- vatiovsl«, welches am 1. Januar 1888 in Bern eröffnet wurde. Dieser Union gehören Deutschland, Frankreich, England, Italien, die Schweiz, und eine Anzahl von Staaten zweiten Ranges, zusammen zwölf Staaten an. Im wohlverstandenen Interesse seiner Bürger sollte Oesterreich-Ungarn dieser Union beitreten. Denn dadurch gewinnt es den Schutz für die litterarisch-artistische Produktion seiner Angehörigen und, was außerordentlich nächtig ist, deren Behandlung nach den liberalsten und einförmigen Grundsätzen beinahe in ganz Europa. (Sehr richtig!)