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^ 64, 18. März 1896. Nachrichten aus den: Buchhandel. 539 Zur Lohnbewegung im Buchdruckgewerbe. (Vcrgl. Nr. 58, 61, 62, 63 d. Bl.) 4. Verzeichnis. Der in Nr. 58 d. Bl. von Leipziger Verlagshandlungen veröffentlichten Erklärung zur Lohnbewegung der Buchdrucker gehilfen haben ferner zugestimmt: Becker <L Laris Gießen. Bcsser'schc Buchhdlg W. Hertz Berlin. S. Calvary L Co. Berlin. Moritz Dicstcrweg Frankfurt a. M G. Franz'schec Verlag I. Roth München G. Freytag Leipzig. Oskar Gottwald's Verlag Leipzig. Wilhelm Gronau Berlin. Berliner Lith. Institut Julius Moser Berlin. Neiuhold Kühn Berlin. Gerhard Kühtmnnu Dresden. Theodor Leibing Leipzig. Ernst Mohr's Verlag Freiburg i. B. Walther Peck E Picrson's Verlag Berlin. Dresden. C. Regenhardt Berlin. Neichcnbach'sche Buchhdlg. Leipzig. Wilhelm Rommel Frankfurt a/M. Adolf Titze Leipzig. Leopold Voß Hamburg. Die Volksbibliothek in Schweidnitz*). Im November 1894 stand in den Schweidnitzcr Zeitungen ein Aufruf zur Begründung einer Volksbibliothek, die täglich für das Publikum geöffnet und mit einem Lesezimmer ver bunden sein sollte. Dieser Aufruf, von einer großen Zahl angesehener Bürger aus den verschiedensten Bcrufsklasscn unter zeichnet, fand guten Widerhall; man hatte in dieser Stadt offenbar erkannt, ein wie nützliches und notwendiges Bildungs mittel eine Volksbibliothek ist. Wenn in einer Stadt mit 25 000 Einwohnern in kurzer Zeit für den Zweck einer Volks bibliothek — die zahlreichen Büchcrspenden nicht gerechnet — die Summe von 24 000 ^ zusammenkam, also auf den Kopf der Bevölkerung ein Beitrag von etwa einer Mark entfiel, so war das gewiß ein sehr erfreulicher, ja man muß sogar sagen, ein ungewöhnlicher Erfolg. Am 20. Oktober 1895 konnte die Bibliothek mit 5000 Büchern eröffnet werden Der dortige Gewerbeverein, der, angeregt von dem Gymnasialprofessor vr. L. Huebner, das Zustandekommen der Volksbibliothek mit be sonderem Eifer betrieb, hatte der neuen Stiftung außer einem Fonds von 800 ^ eine eigene Bibliothek überwiesen; der evan gelische Gesellenvercin folgte diesem Beispiel nach und gab seine Vereinsbibliothek ebenfalls dorthin. Wenn Vereine ihre Büchersammlungen allgemeiner zugänglich machen und mög lichst Vielen Gelegenheit geben wollen, daraus Nutzen zu ziehen, so können sie gewiß gar nichts Besseres thun, als sie der Volksbibliothek des Ortes zu überweisen, wo sie bequem und an jedem Tage benutzt werden können. Es wäre recht sehr zu wünschen, daß diese Beispiele auch anderwärts nachgeahmt würden. Außer den Bürgern schenkten Verlagsbuchhandlungen, wie das Bibliographische Institut, Otto Spanier, Phil Reclam jun. und Ferdinand Hirt L Sohn in Leipzig, Otto Hendel in Halle, Eduard Trewendt und M. Tictzen in Breslau, Frommann in Frankfurt a. O, eine größere Anzahl von ge- *) Das Material zu diesem Berichte verdanken wir den freund lichen Mitteilungen des Herrn Professors Or.Huebner in Schweidnitz und einem Aufsatze des Herrn vr. Nörrenberg im General-An zeiger für Düsseldorf und Umgegend vom 28. Januar 1896. eigneten Büchern und gaben damit ihr Interesse für die Volks bibliothek kund. Nichts kann doch für die allgemeine Ver breitung guter und volkstümlicher Schriftwerke besser wirken als eine stark benutzte Volksbibliothek. Die Schweidnitzer Bibliothek umfaßt drei Räume, in einem gemieteten Parterre-Geschoß: einen Eintrittsraum mit der Bücherausgabe, ein drcifenstriges Lesezimmer mit 24 Sitz plätzen und einem zweifenstrigen Bücherraum Daneben be findet sich eine Dienstwohnung für die Bibliothekarin. Das Lesezimmer ist täglich von —1 Uhr mittags und, worauf cs am meisten ankommt, des Abends von 6—9 Uhr geöffnet; die Bücherausgabe findet statt an den Wochentagen von 12 —1 Uhr mittags und von 6—7 Uhr abends, an den Sonn- und Feiertagen von 12 — 1 Uhr. Für die Einrichtungen der Bibliothek war die Otten- dorfer'sche Volksbibliothck in Zwittau, die in Nr. 43 der »Nachrichten« eingehend geschildert wurde, maßgebend. Als Herr Ottendorfer von der Absicht hörte, daß in Schweidnitz eine Volksbibliothek begründet werden sollte, ermöglichte er es durch eine dem Komitee überwiesene Geldspende, die Zwit- tauer Einrichtungen an Ort und Stelle zu studieren. Gegen wärtig besitzt die Schweidnitzer Bibliothek 5400 Bande, die in fol gende 14 Fächer eingekeilt sind: H. Allgemeines, t>. Biographieen, U. Erdkunde, U. Fremdsprachliches, 6l. Geschichte, li. Kunst, U. Littcratur, lll. Naturwissenschaft, U. Pädagogik, Philo sophie, Religion, 8. Soziales, Rechtskunde u. s. w., ll. Technik, U. Unterhaltung, >V. Gesammelte Werke, 2. Zeitschriften. Diese Facheiuteilung, die vr. Nörrenberg in seiner vortreff lichen Broschüre über die Volksbibliothek (Kiel, Gnevkow L v. Gellhorn, 1896; Preis 40 -H) auf S. 26 cmgehend behandelt, hat den großen Vorzug, daß sie schnell überschaut werden kann und, da die Abteilungen mit dem Anfangsbuchstaben der Wissenschaften bezeichnet werden, sich sofort im Gedächtnis behalten läßt. Wird bei größerem Anwachsen der Bücher in einzelnen Fächern eine weitere Teilung nötig, so lassen sich durch das Hinzufügen kleiner Buchstaben, z. B. La, Lb, l'r leicht Unterabteilungen schaffen. Für die Abteilungen U. U. (4. U. II. IV. 2. ist bereits ein gedruckter Katalog vorhanden. Ob an einem Orte wirklich das Bedürfnis vorhanden war, eine Volksbibliothek zu begründen, das ergiebt sich sehr bald aus der Zahl der Benutzungen Bei der Schweidnitzer Bibliothek sind gegenwärtig bereits an 1200 Leser eingetragen, die berechtigt sind, Bücher in ihre Wohnung zu entleihen. Die Zahl der täglichen Entlehnungen ist in den wenigen Monaten des Bestehens der Bibliothek schon auf mehr als 100 Bände gestiegen; die höchste Zahl eines Tages war bisher 135. Das Lesezimmer war an den Sonntagen so stark be sucht, daß die 24 Sitzplätze bei weitem nicht ausreichten; an Wochentagen ist der Besuch nur mäßig, würde sich aber, wenn das Lesezimmer noch länger geöffnet sein könnte, voraus sichtlich erheblich steigern. Die Volksbibliothck besitzt eine große Zahl von wert vollen belehrenden Werken; man macht aber auch hier wieder die Erfahrung, daß die belehrenden Bücher im Anfang lange nicht genügend benutzt werden Der Geschmack der Leser hebt sich erst allmählich; erst wenn das lebhafte Bedürfnis nach Unterhaltung befriedigt ist, äußert sich der Wunsch nach Belehrung. Wer im Anfang vielleicht nur an Jugendschriften Gefallen findet, geht von diesen erst zu leichterer, dann zu gediegenerer Unterhaltungslektüre über, bis er durch Reisebe schreibungen und Biographieen zu den belehrenden Büchern kommt. Außerdem bleibt für diese Thatsache zu berücksichtigen, daß die »Gebildeten« bei uns in Deutschland im allgemeinen noch ganz in der Meinung befangen sind, eine Volksbiblio thek sei nur für den einfachen Mann, für das untere Volk da. Wir müssen aber dahin kommen und werden es auch —, daß auch bei uns die Volksbibliothek für das ganze Volk 71*