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Dresdner Nachrichten : 26.06.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192606265
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19260626
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19260626
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-06
- Tag 1926-06-26
-
Monat
1926-06
-
Jahr
1926
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 26.06.1926
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S «matzend. 2S. Juni 1S2S — «Dresdner Nachrichten" — Nr. 29» Seite Z Das MietabSnderungsgesetz im Reichstag. Annahme -es Luftfahriabkommens. verli«, ». Auut. I« der Heutinen ReichSta-Ssttzu«, »«rlatz Priistdeut L»be zuuSchst ei« Schreiben de» Neichsinueu. «tniper». wouach da» 8. «e s e tz ü b « r d e » «olk-eut, scheid, da» eine« Volksentscheid i« AufwertuuaS« suche« für unzulüsstu erklärt hatte, »o« der Reich»» resterung zurückaezoge« wird. Der völkische Ab. aeordnete Dr. Best richtete an den NetchStnnenminifter dir Frage, in welchem Ginne die Zurückziehung ersolat lei. ob nun der Weg für den Volksentscheid frei sei, oder ob die Regte- runa glaube, bah schon da» geltende Recht bestimme, daß ein Volksentscheid in AuswertungSsachen nicht zulässig sei. Al« der Präsident an Dr. Külz die Frage richtete, ob er eine Ant- wärt erteilen wolle, schüttelte dieser verneinend den Kopf. Damit war diese Angelegenheit erledigt ES solgte dann die 8. Beratung de» Lnftfahrtabkommen». Der volkSpartetliche Abg. Dr. Schnee schlug im Namen de» Auswärtigen Ausschusses die Annahme de» Ab- kommen» vor. Der deutschnationale Abg. Frhr. ». Frey« tagh«Lori»ghoven stimmte dem Abkommen zu. Da» Ab kommen wurde dann in 8. und ». Lesung gegen die Kommu- «ifteu angenommen. In 2. und 8. Lesung angenommen wurde «benfaNS der Gesetzentwurf über die Aushebung der Preis- treibcrciverordnnng. Danach wurde die 8. Beratung der Mlcterschntzvorlage fortgesetzt. Ein Regicrungsvertreter hob normal» hervor, daß e» noch nicht möglich sei, die Zwangswirtschaft aus diesem Gebiet völlig auszuheben. ES sollen aber gewisse Härten ge- mildert w'-'-den. Der Mieterschutz soll, führte der NegterungSvertreter weiter auS, bestehen bleiben, aber daneben müssen die Verbesserungen vor- genommcn werden, die znr Schonung der Hausbesitzer unter Berücksichtigung der sozialen Interessen der Mieter notwendig und erträglich sind. DaS Kttndlgnngsrecht mnsi erleichtert werden gegenüber den Mietern, die schuldhafter Weise mit ihren Zahlungen in Rück stand bleiben. Zu den Anträgen auf Herausnahme der gewerblichen Räume aus dem Mieterschutz be merkt der Redner: Schon die Bestimmungen des Entwurf», die die gewerblichen Räume schlechter stellen als die Wohn- räume, hätten ln den beteiligten Kreisen groben Widerspruch gefunden. Darüber hinan» werde man kaum gehen können. Abg. Lucke lWtrtichtl. Vergg.) erklärt, das Mieterschutz- gesetz sei «in greuzeulose» Uuglitck sür da» dcutlchc Volk und führe die deutsche Wirtschaft tn den Abgrund. Den Wohnungssuchenden habe diese» Gesetz nur Schaden gebracht, ebenso wie de« Hausbesitzern. Die Freizügigkeit lei dadurch beseitigt und da» in den Häusern investierte Kapital vernichtet. Wenn die WohnungSzwangSwirtschast nicht bald aufgehoben werde, bann werde niemand mehr Ncalkrcdit aus Häuser geben und die bestehende« Hänser mühten Unfällen. Der Redner führte eine ganze Reihe grober wirtschaftlicher Organisationen an. die sich für die Aushebung der Wohnung», zwaugSwirtschaft ausgesprochen haben. Es sei nicht zu ver- stehen, warum sich die Negierung diesen Forderungen der Wirtschaft widcrsctze. Der vorläufige Gesetzentwurf bringe nicht den notwendigen Abba« der WohnungSrwanqswirtschast. Der Redner beantragt die Einführung des KündtgungSrcchtS für den Hausbesitzer und des Einspruchsrechts kür den Mieter. Abg. Bartschat tDcm.i sieht in den Mlsichuscheschlüssen die richtige Mittellinie und bittet daran festzuhalten. — Ab«. Schirmer lVanr. Vv i inarnt vor einer allgemeinen Aufhebung deS DdieterschutzeS bezüglich der gewerblichen Räume im Interesse de» Mittelstandes. — Abg. Seifert iBölk.i hält eine Aushebung de» Mieterschutzes gleichfalls noch nicht für an gängig. Der Redner fordert die Beseitigung der unsozialen MietzinSsteuer. die vollkommen versagt hätte. Die Zwangs wirtschaft sei ein falsch verstandener Sozialismus. Damit schliefst die allgemeine Aussprache und das Haus wendet sich der Einzelberatung der Vorlage zu. Ta die Abstimmungen erst am Sonnabend vvrgenomm-en werden sollen, wird dann die Beratung abgebrochen, und das Hau» vertagt sich aus So n no>b endnachmit ta g. » Berlin, 2ö. Juni. Der Neltestenrat de» Reich», tags bestimmte heute die Dispositionen für den Nest des gegenwärtigen Tagungsabschlnsses. Am Montag werden daS Mleterschutzgesetz tn dritter Lesung sowie ErwcrbSloscnsragcn behandelt werden. Für die DicnStagösitznng ist die zweite Beratung des Gesetzes über die Fürstcnabsindung vorgesehen. Die nächsten Tage daraus sind sür die dritte Lesung bestimmt. An dem Schlußtermin des 2. Juli wird scstgehalten. Die Immunität einiger Prager Abgeordneten aufgehoben. Di« dentsch«« Partei«« stimmte« sür die Auihebuug. Prag, 25. Juni. Der JmmunitätSauSschuß deS Abgeordnetenhauses hat beschlossen, von den 27 wegen der Exzesie im Abgeordnetenhaus von der StaatSanwaUschast zur Auslieferung beantragten Abgeordnete» fünf, vier Kom- muntsten und einen Naiionalsozialisten. aus Grund des LchutzgesetzeS und verschiedener Paragraphen des Strafgesetz buches sofort der Staatsauwaltschast auszulicsern. Bezüg lich sechs weiterer Abgeordneten ivier Kommunisten und zwei Nationalsvzialistcns hat sich der AuSschub «ine längere Be- ratungSfrist auSacbcten. Die übrigen Abgeordneten, dar» unter der berüchtigte Minister Dr. Franke, sollen straflos anSgchcu. Für die Auslieferung stimmte die dcutsch-tschcchisch- ungartsche Mehrheit. Die deutschen Parteien der Mehrheit, die Deutsch- agrarische und die Christlich-soziale Partei, begründen ihre Stellungnahme in dieser Angelegenheit in einem Kommuni que, das für die weitere Haltung dieser Parteien von prinzt- viriler Bedeutung ist. Zunächst wird hierbei fcstgestellt, daß die beiden deutschen Parteien wirtschaftliche Fragen ge meinsam mit den Parteien der anderen Nationen nach wirtschaftlichen Grundsätzen gelöst hätten. Deswegen ver suchten die Kommunisten und Nationalisten mit Tätlichkeiten das Parlament zu zerschlagen, da die Entscheidung in der Hand einer ihr nicht genehmen Majorität lag. Gegen diese gewalttätige Beweisführung muhten die Parteien der gegen wärtigen Mehrheit Stellung nehmen. Sie hätten dies nicht leichten Herzens getan, aber in dem Bewusstsein, den ein geschlagenen Weg im Interesse des Volks konseaucnt weiter- gehcn zu müssen, hätten sich die deutschen Parteien in ihrer Mehrheit entschlossen, für die Aushebung der Immunität einiger Abgeordneter zu stimmen. Sie hätten damit das Be kenntnis ablcgen wollen, dnh sic jeden nationalen Terror und jede Klassendiktatur im Parlament zu bekämpfen ent» schlossen sind. Raloj wieder Sejmm^rskbqll. Warschau, 2.5. Juni. In der heutigen Bormittagßsitzung deS Sejms wurde Notas zum S e j m - M a r s ch a l l wiedergcwählt, und zwar mit 176 gegen 123 Stimmen» die aus de» nationalistischen Abgeordneten Glvmbinski entfallen sind Nataj hat die Wahl angenommen. Der Sejm genehmigte dann in dritter Lesung den Budgetvorschlag der Regierung. Die Abstimmung war von der Regierung als Vertrauensfrage er klärt worden. Die Geschäftslage -er Reichsbahn. Berlin, 25. Juni. Dem Reichstag ist setzt der Bericht über bie Bctriebsverhältnissc, Verkehrsleistungen und GcschästS- «racbnisie der Deutschen Reichsbahn im Vierteljahr Januar/ März 1828 zugegangen. Danach betrugen die Gcsgmtetnnahmen in diesem Vierteljahr VI8N22llllN, die Gesamtausgaben 1628 658 606 Mk„ es war also eine Mehrausgabe von 168 686 Reichsmark zu verzeichnen, die auS Rückstellun gen sür 1625 gedeckt wurde. Gegenüber der Gesamteinnahme deS ersten Vierteljahrs bleibt die deS gleichen Abschnittes im Jahre l626 um 126 381066 Mark zurück, d. h. 1626 brachte gegenüber 1625 eine Einbnhe von 12,8 Prozent. Die Ein nahmegestaltung ist. wie der Bericht bemerkt, die Folge der allgemeinen wirtschaftlichen Notlage. Im Güterverkehr waren entsprechend bedeutende Einnahme» auSfälle durch den äußerst mäßigen Bedarf n» Kohle für den Hausbrand und für Indnstriczwecke. Die Mindereinnahmen erforderten wesentliche Einschränkungen bei den Ausgaben. Dorpmüller und -er Dawes-Plan. Berlin, 25. Juni. Bei den Verhandlungen innerhalb deS McichSkabinettS über die Bestätigung der Wahl Dorp- Müllers zum Generaldirektor der Reichsbahn handelt cs sich vor allem um die Klärung der Frage, ob Dr. DorpmUllcr die bestehenden Dawcs-Abmachungcn über die Deutsche Reichs- bahn unbedingt anerkennt. Dorpmüllcr soll sich wiederholt ab lehnend über das Dawes-Gesctz geändert haben. Ueberetnkommen zwischen Reichsbahn und Gewerkschaften. Berlin, 25. Juni. Nachdem das Ncichsbahugcrtcht tn dem Streite »wischen der Deutschen Reichsbahngesellschaft und der Reichsregierung über die Wirksamkeit der BerbiudlichkritS- erklärung des tn dem bekannten Lohnstreit gefällten Schieds spruches entschieden hat, daß die Verbindlichkettserklärung deS ReichSarbeitSministeriums wirksam ist. hat sich die D e u t s ch e Reich-bahngesellschast sofort mit den Gewerk schaften über die Durchführung des Schiedsspruches tn Verbindung gcisctzt. Nach der heute abgeschlossenen Ver einbarung werden, um die Arbeiter möglichst bald und in einfacher Weise in den Genuß der ihnen zustchcndcn Mehr beträge kommen zu lasten, die Ansprüche aus der Zeit vom 1. Januar bis 86. Juni pauschaliert. Die mindestens 24jäh° rigen Arbeiter erhalten sür jeden Kalcndermonat, der in dies« Zelt fällt, eine Pauschalabfindung, wclcl>c beträgt: für die Arbeiter der Lohngruppen 1 bis 5: 2.86 Mk., der Lohn gruppen 6 und 7: 4,66, soweit sür Dicnstorte Lohnzulagcn von 25 Prozent und darüber bestehen, 6.66 Mk. Vom 1. Juli 1626 an werden die durch den Schiedsspruch festgesetzten höheren Löhne der Berechnung der Bezüge der Arbeiter zu grunde gelegt. Das Defizit im preußischen Eial. Berlin, 25. Juni. Im Preußischen Landtag gab heute der Finanzmtnistcr H ö p k e r - A s ch o f f bei der Beratung des Haushalts der allgemeinen Finanzvcrwallung einen Ucberblick über die Finanzlage Preußens. Der Fehlbetrag sür i625 sei tn der Hauptsache durch die Ucbcrschüsse des Jahres 1624 ge deckt worden. ES sei jetzt mit einem Fehlbeträge von 181 Mil lionen zu rechnen. Der Stand der preußischen Schatzscheine belaufe sich auf 166 Millionen. An Ausgaben mußten 167 Millionen mehr eingesetzt wer de«, wovon aus die ErwerbSlosensürsorge allein 140 Mil lionen entfiele«. Durch Maßnahmen verschiedenster Art werde eS aber ge lingen, eine Verbesserung von rund 171 Millionen zu erzielen, die die Mehrausgaben zunächst theoretisch übersteigen,- praktisch bleibe aber ein Fehlpostcn offen, da das HauSzinsstcuergesctz nicht das Ergebnis für den Staat bringe, mit dem die StaatS- rcgierung bei Aufstellung deS Etats rechnete. Dadurch wurde erneut ein Fehlbetrag im Gesamtetat von über 63 Millionen Mark entstehen. Demgegenüber kann man bei den Hoheits verwaltungen mit gewissen Verbesserungen rech nen. ES würde aber unvermeidlich sein, zur Deckung des Fehl betrages Einnahmen aus Steuern und Abgaben einzusctzcn. DaS Ergebnis von 1626 würde bedeutend günstiger sein, wenn man die Ausgaben für die E r w e r b s l o s e n nicht hätte. Man müsse damit rechnen, daß die Erwerbslvscnzisser im Lause dieses Jahres nicht zurückgchcn werde. Aus die Dauer werbe cS nicht möglich sein, bie Mittel für die Erwcrbslosenuntcr- stützung auS laufenden Einnahmen zu decken. ES werde des halb an einem NcfcrentcnauSschilß gearbeitet, der für die ErwerbSlosensürsorge eine NcichsauSgleichSkasie schaffen wolle. Der Minister schloß seine Ausführungen über ^ die Finanzlage Preußens mit den Worten, daß, wenn auch die! Lage ernst sei, so man doch immcrbin mit einer gewissen Zn-! verficht in das neue Jahr hincingehen könne. I Der neue österreichische Unlerricklsminisker. Wien, 25. Juni. Im HauptauSschuß des National- rate» wurde, nachdem die Sozialisten unter Protest die Sitzung verlassen hatten, LandcShauplnrann Dr. Rintele» zum Bundesmini st er für Unterricht gewählt. Aufdeckung einer Verschwörung in Spanien. Paris, 25 Juni. .Lournal" berichtet aus Madrid über die Aufdeckung einer Verschwörung zur Beseitigung der gegen wärtigen Negierung. Als Urheber dieses Anschlages, der gestern abend zur AussUhrnng kommen sollte, werden, wie das Blatt erfährt, republikanische und liberale Elemente bezeichnet. Zahlreiche Persönlichkeiten, darunter der Chesreüaklcur der Zcituna »La Libcrtad", sowie zwei frühere republikanische Abgeordnete sind verhaftet worden. Auch Gcneralkapitän Wcyler und der frühere Kriegs minister General Agmulera. sollen in die Angelegenheit verwickelt sein. <WTB.) * Madrid, 25. Juni. Zu den Nachrichten über einen Anschlag gegen die spanische Regierung teilt die Agentur Fabra mit: ES ist eine Verschwörung ausgcdcckt worden, deren Bedeutung allerdings nur geringfügig ist. Sic war ihrem Charakter nach nicht liberal, sondern im wesentlichen kommunistisch ein- gestellt. In dieser Bewegung haben einige MUitärpersoiicn eine Nolle gespielt. Sie gehören aber keiner aktiven Forma tion an und waren an der Verschwörung lediglich persönlich beteiligt. Die in diese Angelegenheit verwickelten Personen sind verhaftet und den zuständigen Gerichten zugcsührt worden. Die Regierung hat ihrerseits die notwendigen Maßregel er griffen. Der ganze Anschlag kann als voll gescheitert gelten. <W. T. B.) Italien bteibt im Völkerbunde. Berlin, 25. Juni. Die Agenzia Stcsani ist zu der Er klärung ermächtigt, daß daS in der ausländischen, besonders tn der französischen Presse verbreitete Gerücht, baß Italien sich mit der Absicht trage, ans dem Völkerbunde auszutretcn, durchaus jeder Grundlage entbehre. Die führenden italieni schen Kreise könnten sich nicht erkläre«, wie und zu welchem ! Zwecke diele Ente entstanden sei. Besuch bei Corinlh. Von Nubols Grobmann. Etwa ein Vierteljahr vor icinem Tode hatte ich Gelegen heit. LoviS Corinth anläßlich des Porträts, das er von mir machte, öfters zu sehen und von ihm selbst eine Bildnis zeichnung zu mache». Ich schrieb damals meine Eindrücke nieder und gebe sie heute unverändert wieder, obwohl er heute schon historisch und mit dem Nimbus eines der größten Heroen für manche in der Kunstgeschichte steht. Am Telephon eine etwas zaghafte Stimme, tn den Pausen wie au» einem Seufzer neuen Atem schöpfend — etwas ferne, gequält. — In zehn Minuten klopfe ich ganz oben im vierten Stock an eine Tür ohne Klingel. Corinth öffnet. Hier ist ein Abseitiger des Leben», der an seinem eigenen Ich säst zerborsten ist, ein vom Dämon Besessener, einer, der deS Leben» ganze Lust und Fülle getrunken hat. Jetzt aber, nach den Wirbelstürmen der Krankheit, ein Rationierter — ei» ungewollt Distanzierter. Ein Drama, das langsam zur Tragödie wird, erfüllt diesen kalten, nur mangelhaft geheizten Raum. Es hat waS Rühren des, diesen Mann zu sehen in dem alten zerschlissenen Kittel, tn dem staubigen Durcheinander von Skizzen und Zeichnungen. Ein« Menge Stafselcien stehen herum, auf ihnen fertige Bilder, in diesem Wust allein liebevoll zurecht gerückt — etwas ver» kaufSmäßig —, so daß man alle gut übersehen kann. Am Atelierfenster schichten sich wie zu einem Scheiterhaufen etngetrocknete Paletten. Corinth nahm zu jedem Bild eine neue Palette: diese wurde dann nicht mehr benutzt, erledigt tn die Ecke geworfen. Er war kein technisch Disziplinierter, tn diesem Sinn war er eigentlich ganz unmodern und unsranzö- tsch. Er war vom Objekt so ergriffen, daß er gar keine Zeit jatte zu irgendeiner Maldiszipltn Eine teutonische Maler aust packt zu, kein Gedanke an die Art des Vortrages, an da» Wie deS Entstehens. Es schasste tn ihm. Er brauchte nicht wie Matisse, um die brillierende Reinheit eines „contra,tc cic coulcur" zu halten, verschiedene Terpentin» Näpfchen, hatte keine Gummiringe anfcrtigen lasten, damit bie verschiedenfarbigen Pinsel in der Palettenhand sich nicht be rühren. In der Ruhe hatte er oft was MlldcS, wie eine kranke Wildkatze. Venn er arbeitete, riß er die Augen wett auf, eine Wut faßte ihn. wie er sagte, seine Züge spannten sich, die Nüstern wetteten sich — er ist so besessen vom Eindruck, daß alles andere um ihn herum versinkt. Daß er meist motorisch gehemmt war, wußte er zu nutzen: nichts mehr vom leichtflüssigen Pinselstrich seiner früheren, oft etwas akademischen Bilder. Die Hand tappt tn die Platte, färbt sich allmählich krapprot, während er mich malt. Oft kommt wie ein Malstock die andere zitternd als Stütze zu Hilfe, um irgendeinen Ton genauer zu formen, ost läuft er hin und her, um ans dem Malkasten Zinkweiß zu holen. Im Freien malend, läuft er sogar xmal ins Haus zurück für jede Tube, bie Arbeit sich selbst noch erschwerend. Niemand kann ihm Helsen, niemand bars ihm Helsen. Am Ende, nach zweicinhalbstündiger Arbeit ohne Pause — ich mußte dabei stehen und ihn immer ansehcn — sanken seine Hände blutrot, als hätte er in meinen Eingewetden gewühlt. Während ich ihn dann zeichne, wird viel erzählt, wie es ge rade so während der Arbeit nebenher einfällt. Als Liebcrmann und er sich gegenseitig geschcnkweise malen wollten und jeder dann doch daS Sclbstgcmalte, er den Liebermann und Lieber mann den Corinth, mitnahm, da jeder seine Malerei für die beste hielt, soll Liebcrmann zu ihm gesagt haben (damals set er noch nicht so berühmt gewcscns: „Wissen Se. Corinth. Sie kenn ik jetzt so gut. Sie piß ik in den Schnee!" Münchner Erinnerungen tauchen auf. — Er fragt nach seinen Freunden von damals, nach Th. Th. Heine und dessen Freund Strahtmann, nach PrölS, erzählt reizende Anekdoten. „Gehen Sie noch in die Kneipe?" fragt er ganz unvermittelt wie ein Burschenschafter. Er hatte jahrelang keine mehr ge sehen und trank nicht mehr. Münchner Fasching fällt ihm ein, bet dem ihn daS Los traf, einen unliebsamen Kommilitonen zu verhauen — stürmischer Beifall! DaS Los traf ja den Stärksten. Er fühlte sich aber gar nicht so stark und die Exe kution war ihm höchst peinlich. Wie kam er zu diesem Rus des starken ManncS? Womöglich täuschte sein künstlerisch expan- siver Furor auch physisch einen Niesen vor. Nebensächliches äußerer Wirkung kommt wohl hinzu. Schematisch gesehen, sah er, so vor mir stehend, mit breiten Hüften, zu denen kurze Arme kaum hernnterreichen, nach oben zu hohem, spitzem Schädel sich verjüngend, wie ein Mauerbrecher, ein Sturm- bock auS. War der mal im Gange, elektrisierte er sich selbst, die Um gebung versinkt, oder wird vielmehr mit in sein Ich hinein- gezogen. So soll er früher tn der Berliner Gesellschaft sich oft be. trunken, wie ein bärenhafter Dionysos hcrumgetanzt haben. Die Selbstfaszinierung verlangt nach psychischer Selbst, kontrolle. Immer wieder griff er zum Sclbstporträt. Oft ge- rät eS ihm, ohne baß er cS will, i»S Ueberlcbcnsgroße, der Kops scheint wie geladen den Raum sprengen zu wollen, wird birnenförmig, pathologisch, im objektiven Sinn meistens un ähnlich. Ein zweiter Corinth ist da, nicht mehr der objektiv von unS gesehene, ein Gesicht, eine Interpretation seine» momcn- innen Inneren, das ihm Wirklichkeit wird, daS er auch uns auszwingt. Wenn er andere zeichnet, geht cs ähnlich. Auf einer Zeichnung, die er von mir machte, faßt er das Clowneske, auf einer anderen sah ich aus wie ein Pfaffe, dicke, etwas willenlos sinnliche Wulstlippen kontrastieren zu Helle», wäßrig verträumten Augen. Wir gehen unten zum Esten in die Wohnung: da Ist cs anders, neutraler. Ein Besuch im Atelier, mit dem er ge wissermaßen verwachsen ist, hat bei einem so unbewußt dem Instinkt ausgelieferten Künstler immer was von einer lieber- rumpelung. Brachte irgendein Kunsthändler — Corinth verkaufte meist selbst im Atelier — unangemeldet seine Frau mit, geriet er außer sich! „Zwei gegen cincnl" Sie mußte ost stundenlang unten auf der Straße warten. Im Salon standen Louis-setze-Möbel mit Bezügen, wie karnevaleske schmetternde Fanfaren — ein korinthisches Blumenbukett —, bunt und ausdringlich und eigentlich nur möglich, wenn Leute drauf sitzen! In der Wohnung war er ruhiger, fast bürgerlich behäbig, wie einer, der von einer schweren Arbeit nach Hanse kommt. Seine Frau redet. — Eine große Lässigkeit kommt über ihn. er sitzt da und hört zu. Die Welt, bie er vorher aus Hell zu Dunkel zu einem Jenseits dramatisch zu ballen versuchte, erregte ihn jetzt an scheinend nicht mehr, sie. die seine Seele vorher bald ver finsterte, bald korybantisch erhellte, strahlte ans ihn jetzt eine große buddhistische Ruhe zurück, er saß unbewegt — nur schauend. Vielleicht liegt auf der einen Seite de» Daseins ebensoviel Lust wie aus der anderen Leid, beide Wagschalcn balancieren sich langsam auS — erstarrend im Totcnkvpf. Kunli unö Wissen ckasf. -f Dresdner Theaterspielplan für heute. Opernhaus: „Zar und Zimmcrmann" s7). Schauspielhaus: „MrS. Cheneys Ende" l^8s. Albertthcatcr: „Gespenster" lsi4), Drama von Ibsen: „Antonia" Residenz- Theater: „Die Försterchristel" s8s. Neues Theater: „FigaroS Hochzeit" s!48s. Zentraltheater: „Die Frau ohne Kuß" s8j. -f* Gesellschaft für Philosophie der Gegenwart zu Dres den. Professor Friedrich Brodaus sprach über „Die Phnsio- gnomie des Menschen". Der Redner warf zunächst die Frag« auf, ob dieses Gebiet Wissenschaft sein könne, da es doch voll ständig ans Intuition beruhe. Bis tn die heutige Zeit haben sich noch keine allgemeinen Regeln für die Phiistvgnomii finden lasten, nur GaU hat tn seiner Schädcllehre einige Regeln ge«
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