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76. Jahrgang. AS 295 Sonnabend- 26. Juni 1926 Gegründet 18SS «e-dl-mIckkMi «ach^chla» »«,»«>. gerniprecher- Sammetmimmer, SV S41. «u, wr «a«t,»Iprach»! SO 011. Bezugs - Gebühr Si»zrl»»»«rr I» PI»»»>,. D>» «njetgen werden nach Soldmard derechnel, dt» «mipaMa« SV mm drett» Anzeigenteile: KÄ^».ÄÄ»"?LÄ," »ußewalb 200 PI«. Oilerlenaedudr >0 Pig. Au»w. iUuilrtiq» gegen vorausdezahl. SchrtMeXnng und AaupigetchSft»stell« Marienltr»!,» SS,»2. Druck u. Vertag von Ulepich » «etchnrdi in Dre.de». Poftlchech-Aonto 10SS Dre.den. Ilachdrurt, nur mlt deutlicher Quellenangabe .Dresdner Vachr >> zuiitMg Unverlangre Schrillftück» werden nicht auibemahrt. ^nvi-kannl guls pfslg^si-ls Wslns unci XUclis I-imbäeker sssmspi-scksi' 13777 ^loksrin-Eeoi'gsn-^t»6s 3 bin Jawes-Plan für Frankreich. Vorschläge -es Aeparalionsagenlen zur Sanierung -er französischen Finanzen. Eine Verschwörung in Spanien enl-ecki. — Italien bleibt im Völkerbund. - Vereinbarung zwischen Reichsbahn und Gewerkschaslen. Rücksichtnahme aus -ie nationalen Empfindlichkeiten. Re« york, SS. Juni. Gntunterrichtcte amerikanische -reise deute» an. dag der Generalagent sür Reparations zahlungen. Gilbert. Richtlinien erhalten habe, die er mit dem sranzösischen Finanzausschuß dnrchsprcchen soll, nm Frank reich zur Annahme eines DameS-PlaneS zu veranlassen, »er di« Eisenbahnen rentabler gestalten und die Herbeisührung der Stabilisierung in di« Wege leite« soll. Man hütet sich jedoch vor Antastung der französische» Souveränität schon des halb. «»eil Frankreich «ms solch« Pläne nicht eingehcn würde. Kabinellsberatung in Paris. Paris, 2S. Juni. Das neue Ministerium Briand- Eaillaux hat heute nachmittag seinen ersten Kabinetts- rat abgehalten. Die Beratungen waren in erster Linie der sinanziellen Situation gewidmet, über die Latllaux eingehend berichtete. Im Anschluß daran fand eine eingehende Meinungöanscinandersetzuiig über die Regierungs erklärung statt. Diese wird voraussichtlich zum größten Teil von einem Expos« über die sinanziellen Schwierigkeiten bestritten werden und wahrscheinlich auch Andeutungen über Caillaur' Resormpläne enthalten. Das Kabinett wird die gleiche Mehrheit haben wie die war. mit der Briand in den letzten Wochen rcgietzt hat. Die Frage, die die Oesfentltchkeit am meisten beschäftigt, ist daS mit großer Spannung er wartete Sanierungsprogramin. Eaillaux und seine Mitarbeiter hüllen sich aber darüber noch in undurchdringliches Schweigen. Die Negierung hat die Vorsitzenden von Kammer und Senat ersucht, die Parlamente für DicnStag nachmittag zu- sammenzuberusen. LatUaux nn- das SachVerstSn-i-rnkomUee. Paris, 25. Juni. Die Pariser Mittagspresse verbreitet heute einige Angaben aus dem Bericht des finanziel- lenSachverständigenkomiters. ES wird allerdings nicht gesagt, aus welchem Wege hie betreffenden Angaben er mittelt worden sind, da der Bericht des Sackverständigen- komiteeS gehcimgehaltcn werden soll. Die wichtigsten Schluß folgerungen des Berichts gehen daraus hinaus, daS sranko- amerikanische Schuldenabkommcn schleunigst zu ratifizieren. Die Sachverständigen halten die Ratifikation für die erste und wichtigste Maßnahme, weil sie die Voraussetzung für die stufnahmc einer Dollaranleihr in Amerika bildet, und erst da mit die Möglichkeit einer Stabilisierung des Franken gegeben wird. Die Stabilisierung soll, wie die Sachverständigen weiter auSsiihrcn, zu einem Dollarkurs, der sich zwischen 1ÜU und 18Ü Franken bewegt, durchgcsiihrt werden. Der Präsident des Sachverständigcnkvmitecs, Serge nt, hat dem Finanz minister gestern die Empfehlungen des Komitees unterbreitet. Fm Anschluß daran begann eine längere Aussprache zwischen Eaillaux, Scrgent und den beiden Unterstaatsickretären !m Finanzministerium. Nach den Ausführungen der Mittags- prcsse zu schließen, bestehen zwischen dem Finanzminister und dem Sachvcrständigcnkomitee weitgehende Meinungsver schiedenheiten. Erhöhung des Drvlprelfes. Paris, 26. Juni. Angesichts des Steiaens der Mehlpreise wird der Brotprcis in Paris ab 1. Juli von 2,30 aus 2,45 Franken für das Kilogramm herausgcsctzt. (W. T. B.j Paris, 25. Juni- Von den Fricdensvrrbandlungen über Marokko war in der Zeit der Krise wenig zu hören. Frank reich und St-anien bemühte» sich, über die Organisation deS Nif und das Schicksal Abd el Krims einig zu werden, ohne daß bis jetzt etwas Endgültiges über den Abschluß zu erfahre» war. Während i» Paris verhandelt wird, wird in Marokko bombardiert. Dem „Petit Parisien" meldet ein Telegramm, beim Tischnk im mittleren Atlas beginne ein kombinierter Angriff durch Flugzeuge und Artillerie. Zebu Bataillone sind am Fuße des BergcS zusammengezogcn und haben die Eroberung des Bergmassivö begonnen. * Paris. 25. Juni. Nach einer im „Temps" veröffentlichten Meldung scheint es sich zu bestätigen, daß sich in der Gegend non Scheschauen bei Tetuan und südlich der Tangcrzone, wo der ehemalige Unterführer Raisnli Bheriro einmütig als Führer anerkannt wurde, ein neuer Wider st and geltend macht. Raisuli habe vor Tetuan von verschiedenen Stämmen Verstärkungen erhalten. Zwei Stämme, die sich in der Nähe von Scheschauen befanden, hätten beschlossen, Teilstämme der Beni Merstara als Verstärkung zur Verfügung zu stellen. Ab ordnungen verschiedener Tcilstäminc der Gomara hätten sich zu den im Ris wohnenden Mi Tina begeben, um sich mit ihnen über die Fortsetzung des Kampfes zu verständigen. Man wisse nicht, ob sich diese aggressive Haltung gegen Spanien oder gegen Frankreich richte. <W. T. B.) Die russisch-englische Spannung. Einlcnkcu der englischen Regierung. London, 25. Juni. Bet Eröffnung der heutigen UnterhauS- debatte über -ie russischen Geldsendungen fragte ein konservatives Mitglied, ob e» erlaubt sei, Bemerkungen von Kabinettsmitglieüern, die außerhalb deS Hauses gesallen seien, zu zitieren, wie zum Re. spiel »ie Aenßcrnng Churchills, der die Mitglieder der Somjetregiernng als Schurken bezeichnet habe. — Der Stellvertreter de» Vorsitzenden erwiderte, solche Zitate seien nur erlaubt, wenn sie keine Beleidigungen ent hielten. Hieraus brachte Locker Lampion (Kons.) in längerer Rede den Standpunkt der konservativen Gruppe zum Ausdruck, die den Abbruch der Beziehungen zu Rußland fordert und verwies dabet aus die aufrührerische Propaganda, die die Sowjetregierung in allen Teilen des britischen Reiches treibe. Ponsonby (Arbeiterpartei) erklärte, der Minister des Innern HickS habe seine Behauptung, daß die Sowjetregte- rung auS Anlaß deS Generalstreik» Gelder nach England ge sandt habe, nicht ausrechterhalten. — Lloyd George bezeichnet« die Svwjetregiernng als eine furchtbare, aber leistungsfähige Tyrannei, die an Stelle einer furchtbareren, verdorbenen und verräterischen Tyrannei getreten sei. ES sei unmöglich, nur mit Ländern Handel zu treiben, mit deren RegierungS- sqstem man einverstanden sei. Zu« Schluß sprach Lloyd George ironisch über da» gestern veröffentlichte Blaubuch. — Hier aus führte Chamberlain au»: Hinter der Sowsetregierung, der roten Internationale und den russischen Gewerkschaften stehe eine andere Körper, schaft, nämlich da« politische Bureau, das in Wahr heit die wirklich regierende Autorität In Rußland sei. Man beklage sich über die Ausdrücke, bte einige von seinen Kollegen i» bezug aus die Somsrtreaiernng gebraucht hätten und ver- lange von ihm. baß er den Zensor spiele. Er könne nur sagen, daß e» für einen Staatssekretär deö Aenßeren bester sei, sich weniger scharf zu äußern, alS er r» nach Lage der Dinge tun könnte. Wenn die Arbeiterpartei von ihm die Erklärung »erlange, daß da» nach England gesandt« Geld kein von der Sowietregterung gesandte» Gel» sei. sei er nicht bereit, die» zu tun. denn der Vorsitzende des Generalrats der russischen Ge- werkschaftSunion sei ein Mitglied des vorher erwähnten poli tischen Bureaus. Die Regierung hat zwar Grund zur Klage über die Um triebe der Svwjctbehördcn. Indessen märe es unklug, die Be ziehungen abznbrechcn und das Handelsabkommen auszukün- oigcn. Die Sowsetregierung hält die Bestimmungen des Handelsabkommens nicht ein. Die englische Regierung hat zu verstehe» gegeben, daß sic die Einleitung von Verhand lungen zwecks Abschlusses neuer Abkommen solange für zweck, los halte, als die allen Abkommen nicht cingchalten werden. Ein Abbruch der bereits bestehenden Beziehungen würde »ns bei der Bekämpfung von Unordnung oder Umsturz innerhalb unserer eigenen Grenzen schwächen, außcrd»m die Ungewißheit und die Furcht vor der Unsicherheit in Europa vergrößern. Infolge von Unterbrechungen durch Arbeiterparteiler wurde die Sitzung des Unterhauses abgebrochen. (W. T. V.) Sin englisches Blaubuch über Moskaus Wühl arbeit. London, 25. Juni. Dem Wunsche der konservativen Mit glieder des Unterhauses entsprechend, hat die Regierung in einem Blaubuch eine Auswahl der bei den kommunistischen Führern am 14. und 21. Oktober deS vergangenen Jahres beschlagnahmten Dokumente veröffentlicht. Im ganzen sind 52 Dokumente veröffentlicht. Die Dokumente zeigen die Zusammenhänge der drei kommunistischen Gruppen in England mit der Dritten Internationale und der Noten Internationale in Moskau, sowie die damit in Verbindung stehenden verschiedenen Verabredungen finanzieller Natur. Moskau, 25. Juni. Im Zusammenhang mit dem Kon flikt zwischen Rußland und England verlautet hier, daß der russische Geschäftsträger in London, Rosenholz, dem- nächst von seinem Posten abberufen werden soll. (T. U.) Unruhen ln Delhi. Delhi. 24. Jnni. Hcnte vormittag kam es anläßlich eines muselmanischen Festes z« Unruhe«. Britisches Militär hält die Hauptstraßen mit Pauzerantos besetzt, «nb Kavallerie patrouilliert durch die Stadt, die fest in de« Hände» de, Behörden ist. (W. T. In der Sackgasse. Die Hoffnung, daß die Willenskundgebung deS Volkes am 20. Juni die Verhandlungen über das Fürstcnkomprvmtß fördern würden, hat getäuscht. Immer noch hängt diese Frage wie rin schwerer Klotz an den Füßen der Negierung und der Parteien und verhindert die Inangriffnahme der dringlichsten politischen und parlamentarischen Arbeiten. Nach wie vor scheitert jeder von den Regierungsparteien unter nommene Versuch, aus der Sackgasse herauszukommen, daran, daß man mit dem Ftirstengesetz immer noch die Quadratur des Zirkels innerhalb unserer parlamentarischen Verhältnisse lösen will. Diese Unmöglichkeit besteht darin, daß man in einer Frage, die wie nicht leicht eine andere die Volksleiden schaften aufwühlt, die beiden Gegenpole aller überhaupt mög lichen Auffassungen, Sozialdemokraten und Dcutschnationale, unter eine Kappe bringen will. Die nüchternen Tatsachen liegen so, daß der Kompromißcntwurf über die Fürsten abfindung als ßerfaffungsändcrnd anerkannt ist und deshalb zu seiner parlamentarischen Erledigung einer Zweidrittel. Mehrheit bedarf. Diese Mehrheit bekommen die Regierungs parteien weder allein mit den Sozialdemokraten, noch allein mit den Deutschnationalen. Da die Sozialdemokraten auch nach dem Volksentscheid in einem Sinne arbeiten, der den verfassungswidrigen Charakter des Gesetzes nicht abzu- schwächen, sondern noch mehr zu verstärken geeignet ist, ist mit ihrer Hilfe allein also überhaupt nichts anzufangen. Das Angebot der Deutschnattonalen, das Graf Westarp dem Kanz ler gemacht hat, würde dagegen eine Lösungsmöglichkeit er- öffnen. Nach diesem Vorschlag sollen die Fürsten einfach genau so wie jeder andere Staatsbürger behandelt werden» d. h. die verfassungswidrigen Bestimmungen, die eine Zwei drittelmehrheit vorausietzen, sollen aus dem Gesetz heraus genommen werden. Daun würde zur Annahme des Ent- wurfeS eine einfache Mehrheit genügen, und diese wäre ge sichert, wenn die Deutschnationalcn, wie sie das in Aussicht gestellt haben, die Kvalitionsparteien voll unterstützen. Diese einfachste Lösungsmöglichkcit, für die die Volks» Partei nach Kräften eintritt, wird aber gleichfalls unmöglich gemacht durch daS Verhalten des Zentrums und der Demo kraten. Das Zentrum steht bei Beurteilung der von ihm einzuschlagenden Taktik ganz unter dem lähmenden Eindruck der Erkenntnis, daß im Volksentscheid etwa 40 Prozent seiner Wähler entgegen der Partciparole und gegen das Gebot der Kirche der radikalen Lösung zugestimmt haben. Unter dem Zwang dieser Tatsache wollen sich die Führer der Partei den marxistischen EnteignungSanträgcn nähern, soweit das irgend geht. Die Prinzipien einer christlichen Staatspartei sind vergessen, der Kampf um -ie Durchsetzung dieser Grundsätze bet der Anhängerschaft aiisgcgcben, die Beugung unter das Joch deS revolutionären Marxismus beschlossen. Die Demo kraten haben sich ihrerseits schon im Kamps um die Enteig nung so sehr ans Gedeih und Verderben mit den Radikalen verbunden, daß ihrer Parteileitung ein anderer Weg gar nicht übrig bleibt. Die Mittelparieien mögen, so wie die Dinge für sie liegen, mit der von ihnen neuerdings ein genommenen Haltung, die darauf abzielt, die Vorlage un verändert durchzupcitschen, durchaus recht haben, und doch können sie, wie die Verhandlungen dieser Woche gezeigt habe», praktisch damit nicht vorwärts kommen. Nachdem die in „Verbesicrungsanträgen* formulierten Forderung«» der Sozialdemokraten jetzt bekannt geworden sind — sie lausen im wesentlichen auf stärkere Mitwirkung von Laienrichtern. Revision früherer Urteile und Vergleich«, Rückwirkung des Gesetzes bis 1873 und Streichung aller Fibeikommißrenten hinaus —. kann kein Zweifel mehr dar über bestehen, daß diese radikalen Forderungen die erstrebt« Verständigung in noch höbercm Maße verhindern, als di« Wünsche der Deutschnattonalen. Die sozialdemokratisch« Taktik ist so eingestellt, daß sie just in dem Augenblick, da di« Deutschnattonalen zum Einlenkcn bereit scheinen, immer weitergebende Forderungen aufstellen, die nicht einmal »ie nach rechts neigenden Mittelparteien, geschweige denn die Deutschnationalen bewilligen können. Dieses Störungswert wird, wie schon beim Volksentscheid, besonder» gefährlich deshalb, weil dadurch notwendig auch neu« Auseinander setzungen in den süddeutschen Staaten erzwungen werden sollen, gegen die sich Kiele nach ihrer inneren Einstellung natürlich heftig zur Wehr setzen. Die Sozialdemokraten be weisen damit auf» neue, daß ihnen die Einheit de» Reiche» gleichgültig ist. wenn sie nur auf Koste» deö Reichssriedeas ihr Parteisüppche» kochen können. . .