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W Zum 106. Todestage (L>. c)unt 1926). Dres-ner Larl-Marla-v.-Weber-Sliillen. Der 100. Todestag des liebenswerten Meisters -es „Freischiitz" lenkt mit Stecht wieder einmal die Aufmerksam keit auf jene Glätten in unserem Dresden, an denen Earl Maria v. Weber längere oder auch nur kürzere Zeit gciveilt hat. Zu den eigentlictie», man möchte fast sagen stadt bekannten Weber-Häuser» in Dresden gehören zwei: das HauS Allmarkt 12, früher », das sogenannte Reiiner-Haus, an dessen dritten Stockwerk die iiihaltichwere» und denkwürdi gen Worte stehen: ,Dtter schuf Encl Maria v. Weber 1820 den .Freischütz,," und weiter das alle, historische, mvnmnentale tick Haus Elalerieslraße 0, Ecke Frauenstrafte. Im dritten Stock werk des erstgenaniUen Hanfes lmt Earl Maria v. Weber vom 1. September 1817 bis Ende September 1822 gewohnt und Im letzgeutuinteu war der „Freischitv"-Kv»ipvnist Be- wohner vom 28. September 1822 bis 16. Februar 1826, dem Tage seiner Abreise »ach London zur dortige» Uraufführung Das Hosterwltzer ^Weberhäus^en seines ,/Oberon". Au den Weber-,„Häuschen" rechnet man vor allem das heute noch in seiner fast ursprünglichen Gestalt er halten gebliebene, idnllischc Sommerhaus in Hvstcrwih, in dem Weber verschiedene Sommer lang zwischen >818 und 1820 gewohnt und sich auSgeruht hat. Ein ziveites »Meber- Häuschen" in Dresden ist die inmitten eines prächtigen alten Gartens gelegene, im italienischen Stil gehaltene Sommer villa in „Cosels Garten" gewesen, in der Weber im Mai 1820 eine Reihe von Wochen hindurch ein Svmmcrlogis bezogen hatte, um dort ungestört die Ehöre zu seiner „Prccivsa" zu komponieren. Schließlich muß man der Vollständigkeit halber noch daran erinnern, daß Earl Maria v. Weber vom Januar bis September 1817 eine kleine, mehr provisorische Wohnung im Italienischen Dorschen in ne Halle, und daß er bei seinem überlmupt ersten Auscntlmlt in Dresden gelegentlich eines hiesigen Konzertes am l-1. Februar 1812 zwei Nächte in dem bekannten Gasthaus „Zu den drei goldenen Palmcnzweigcn" am heutigen Wilhclmplatz logierte. Die Menschheit vergißt Das Jrelschütz-Kaus am Ältmarkt nur allzu schnell den Stimmuugswert solcher Wohnstätte» ihrer berühmten Männer, lind wenn man sich vergcgen- nnirtigt, uni3 unser Earl Maria v. Weber in jenen Dresdner Häusern und Landhäuschen im einzelnen als Mensch und Künstler erlebt hat, dann erinnert man sich heute gern an einen künstlerischen Scherz seines musikalischen Nachfahren, de? Dresdner Altmeisters Felix Draeseke, der eines AbcudS in launiger Stunde nach einer Weber-Feier im Tonkünsilcr- vcrein sich an de» Flügel setzte und in geistreich-scherzhafter Meise einer gcu>ähltcn Zuhörerschaft die verschiedenen Wohn stätten Earl Maria v. Webers gleichsam ton male risch vor Klugen führte. Fmiantino .. . Februar 1812. Earl Maria v. Weber mit seinem lustigen Fahrtgcscllcn, dem Münchner Klarinet tisten Bürman, ans ihrer Konzertreise zum ersten Male in Dresden. Langweilige Postkutschensahrt von Prag über Tcplitz, verspäteter StclaiSwechsel, ein verschnupfter Fahrgast in der Kutsche, der mit Weber und Bärman» im gleiche» Gast- hos in de» „Drei goldenen Palmenzweigcn" wohnt, ein Fisch händler Schichter aus .Passau, der dann einer der wenigen Besucher von Webers Dresdner Konzert ist. Auf diesen selbst hat Dresden keinen besondere» Eindruck gemacht. ,Dresden erwischt uns nicht wieder, Ade!" sagte Earl Maria, als er die „Goldenen Palmcnzweige" verließ. Es kam aber anders, wie so oft beim Theater. Fünf Jahre später mar Weber wieder in Dresden. FIlagro . . . Italienisches Dörfchen. Dort haust Weber in zwei muffigen Zimmern. Ein richtiges ,„Kape11meister-Loch". ,Dncr stinkt's nach Oel," sagte Freund Theodor Hell, zu dem vielgcplagten „König!. Musikdirektor", der Weber inzwischen geworden ivar. Jeder Tag hatte sein gerüttelt und geschüttelt Maß voll Arbeit. Ansprache an das Personal, Notizen in der Zeitung, Primadonnen-Lannen, böse Intrigen des italienischen Rivale» Kapellmeisters Signor Mvrlaech-i, der cs mit dem Kabiuetts- minister v. Einsiedel dnrchius nicht begreifen konnte, daß Earl Maria v. Weber von seiner Mission durchdrungen waren, „justament" in Dresden die deutfcR Oper neben der italieni schen durchzusetzcn. Und dazu Proben, endlose Proben! „Guter Weber, in den Hundelöchcrn gehst du noch zugrunde," meinte eines Tages Friedrich Kind zu seinem Freunde, dem er dann später die Novelle „Der Freischütz" aus Apels „Gespensterbuch" zu seinem Operntexte umformte. Friedrich Kind vermittelte auch die neue, größere, anständige Wohnung im heutigen Renner- Haus, im dritten Stockwerk, im Hause Altmarkt 12, heute Nr. 0. Weber war damals glücklich. Das Tempo seines Lebens hieß nun „Allegro vivace". Am 1. September 1817 zog er in seine neue Wohnung am Altmarkt ein, vierzehn Tage später brachte ihm der Hoftheaterdiencr das Dekret auf lebenslängliche Anstellung in sein Heim, und dann ging es nach Prag, um dort Caroline Brandt, seine geliebte Braut, zu ehelichen, mit der er nach einer längeren Reise am 20. Dezember in das Dresdner Heim am Altmarkt ein zog. Die Freunde des „Dichter- tces", Kind, Gehe, Böttiger und der brave Chordtrektor Micksch, hatten für allerhand Ueber- raschnngcn gesorgt: Blumen, einen neuen Leuchter, saubere Mnllgardincn, und eine be geisterte Wcber-Nerchrerin, eine eine Klavierlchrerin Anna Seume, hatte dem jungen Paar gleich den ganzen Keller voll gespaltenes Holz vom Ertrage ihrer Klavierstunden füllen lassen. Im Weber- Hans am Altmarkt häufte sich freilich bald die Arbeit derart, daß der „Freischütz"->Komponist, dem eines Tages das Markt gewühl und das lärmende Ausrufen der Waren durch die Siäcknitzcr und Gorbitzer 'Bauernfrauen zu arg wurde, Freund Hell beschwor, ihm irgendivv in -er 'Nähe ein stilles Plätzchen zum Ruhen und Schaffen zu zeigen , . . ^ckugio . . . Das Sommerhäuschen in Hosterwitz inmitten prangender Obstgärten und zwitschernder Bvgelstimmen, mit dein Blick auf das trüge sich hiuschlängelnde silberne Band der Elbe, den nahen Bergen der Sächsischen Schunftz und den in blauer Ferne verdämmernden Höhenzttgcn des Erzgebirges, wurde nun so recht ein wahres Musikanten-Jdyll. Oft kamen die Freunde hinaus, um mit Weber dort zu bechern und zu plaudern. Man speiste Forellen und trank Burgunder, und wenn ein Wetter drohte, nahm sich der regenscheue Hell Webers festen Regenschirm mit nach Dresden . . . Weber freilich hatte damals schon Todesahnungen. Dienstliche Kränkungen und Thcaterkabalcn aller Art verleideten ihm daS Leben. Er fühlte sein baldiges Ende nahe und wollte um des Brotes willen für die Zukunft seiner Familie schaffen. Als er in seinem Stadt- ^ Haus am Allmarkt an seiner „Frcischütz"-Partitur schrieb. ! zählte er förmlich die Tage bis zu deren Vollendung. Am > ^ 10. Mai 1820 mar es so weit. Nene Arbeit häufte sich und im ! „korto" stürmte mit ihr die Zeit dahin. Wieder flüchtet« sich 'Weber, nun hinüber nach der stillen Neustadt, in „Cosels" ltzartenhäiioche», unweit des Linckeschen Stades, mit dem Blick auf das Altstüdter llfergclände und dem Zugang von der l>cutigcn Hvlzhvsgasse ans. In diesem lauschigen Sommer- sitzc eines ehemaligen Mitgliedes der Familie der stolzen Maitresse August des Starken wurde di« „Preciosa"-Musik komponiert, und von hier aus verhandelte dann Weber wieder holt mündlich und schriftlich mit der Äkrliner Intendanz wegen der Uraufführung seines ,/Freischütz" in Preußens Hauptstadt. Am 18. Juni 1821 schlug die Schicksalsstunde der deutschen Oper, als im Berliner Opernhaus« der letzte Ton der „Frci- schütz"-Mnsik verhallt war. Der Erfolg war beispiellos. Nur in Dresden — und das schmerzte den ,/Freischütz"-Komponisten mit am tiefsten — nahm man von dem Siegeszug seines Werkes zunächst keine 'Notiz. Nach den Erfolgen in Leipzig» Breslau und namentlich in Wien führte man endlich am 26. Januar 1822 auch in Dresden den Freischütz" auf. Triumph über Triumph! Weber wurde eine Berühmt heit — auch in Dresden. Er wurde „empfangen" und mutzte empfangen, so daß die Wohnung am Altmavkt für die neue Geselligkeit, die der Königliche Musikdirektor pflegen mutzte, zu eng nmrdc. Frau Carolin« und die Freunde gingen abermals auf Wohnungssuche. Weber selbst steckte schon wieder in schwerer Arbeit — „Eurnanthc". Dazu quälte ihn heimlich seine Hals schwindsucht — der TodeSengel nahte . , . „b'ortisaiwo" hieß es zunächst in der neuen und letzten irdischen Wohnung des „Frcischütz"-Schöpfcrs in der mittleren Frauengasse 879, der heutigen Galeriestraste 9, an deren Front nach der genannten Straße zu heute noch eine verrostete Gedenktafel uns daran erinnert, daß hier im ersten Stockimrk Earl Maria v. Weber gewohnt hat. Bon hier aus trat er dann seine letzte Fahrt nach London als Lebender au, als ihn der Reisewagen an einem dunklen Februar-Abend des Jahres 1826 für immer von seinem Dresden entführte, das er inzwischen — ach so lieb gewonnen hatte und an daS er oft denken mußte, als er in London dann als todgeweihter Mann von dem schönen Er folg seines ,/Oberon" hörte und — sterben musste. ,/Jch habe einen Sarg zuschlagcn hören", hatte ahnungsvoll Caroline ge sagt, indem sie weinend am Fenster znfammengcbrochen mar, als sie nuten den Wagen mit ihrem Gatten daponfahrcn sah. I'iimlo . . . Jahre sollte es dauern, bis man endlich die sterblichen Uebcrrestc des großen Meisters nach seiner ehe maligen Dresdner Wirkungsstätte brachte. Auf Richard Wagners Beranlassung wurde» endlich Webers Gebeine von London, »ntcr Führung seines Sohnes Max Maria v. Weber, nach ihrer deutschen Heimat übergeführt, nm am 15. Dezember nach ihrer feierliche» Einholung in Dresden durch eine tausend- köpfige Weber-chiemeinde, die sich in schweigender Ehrfurcht am Elbufer ausgestellt hatte, als der Sarg auf einem banner- gekrönte» Säiisf feierlich herangcsührt wurde, auf dem katho lischen Friedhof in der Fricdrichstraßc bcigcsetzt zu werden. Gottfried Semper, Wagners genialer Jugendfreund, hat einst mit diesem zusammen bei einer nächtlichen Aussprache Im ,/Goldenen Engel" auf einem Stück der »„Konstitutionellen Zeitung" die erste Skizze zu Webers heutigem monumentalen Grabmal entworfen, das gleich seinein Denkmal auch mit zu den Dresdner Earl-Maria-v.-Weber-Slälten gehört. Vierzehn ^sahre später ivnrdc auf Veranlassung fast derselben Männer, die einst die Uebersührung von Webers Gebeinen nach Dresden durchgesetzt hatten, das heutige Weber-Denkmal, das Rietschels 'Meisterhand >858 enlwvrsen hat, ain II. Oktober 1800 feierlich enthüllt. Als die Hülle des Denkmals sank, war der alte König Johann der erste, der seinen sedergekröiitcn Drei master in sichtlicher Ergriffenheit lüstete und die denkwürdigen Worte vor sich hinsprach: „An dem dort haben wir manches wieder gutznmachen" Gleich einem Vermächtnis grüßt uns heute das lichte Weber-Denkmal an der Seite des Zwingers und zeugt mit den anderen historischen Dresdner Weber- Stätten von der großen romantischen Sendung des „Frei- schütz"-Kompvnisten. dessen hundcrlstcr Sterbetag sich nun er füllt hat ... „ L. II. ^Weber-Denkmal am ^Zwinger Zum 100. Toöeskaq L. M. v. Webers. Von Prof. Dr. Eugen Schmitz. Am 5. Juni 1926 gedenkt die Musikwelt der hundertjäh rigen Wiederkehr des Todestages von Carl Maria v. Weber. Nirgends, wo man von deutscher Tonkunst weiß, wird dieser Tag unbeachtet vorübergehen. In Dresden aber weckt er besonders warm und stark die Kräfte der Erinnerung. Denn Dresden ist ja doch eigentlich die Heimat, die künstlerische Heimat des Freischütz-Komponisten gewesen. Daß Carl Maria Grabstätte auf dem inneren kath. Friedhof Dresden-Jriedrichstadt ph°c. v. Weber hier als Begründer der deutschen Oper beiläufig ein Jahrzehnt gewirkt hat, gilt als eines der besonderen Ruhmesblätter der Dresdner Theatergeschichtc. Freilich knüpft sich gerade daran auch eine etwas beschämende Er innerung. Nämlich die, das, trotzdem keine der berühmten Opern des Meisters ihre Uraufführung in Dresden erlebte. Denn der „Freischütz" ist ja i» Berlin, die „Eurnaitthc" tu Wien, der „Oberon" in London heraiisgekommen. Den Ruhm, diese Werke der Welt zu scheiilc», hatte sich Dresden entgehen lassen. Und auch sonst war die einheimische Kiinstpolitik. die eben auch in der guten alten Zeit schon gelegentlich Fehler machte, nicht immer sehr weitblickend dem Meister gegenüber.' Was Weber als Künstler zu bedeuten hatte, das mußten die damaligen Dresdner Thcatcrgeioaltigcn durchaus nicht voll zu erfasse», so daß sein Wirken auch sonst durch mancherlei Kränkungen, Zurücksetzungen und Schikanen „von oben" ge-