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70. Fahrg<mg. HK 2S9 Sonnabend, 8. Duni 1928 Gegründet 185V Drahtanschrift: »achrtchi«, »,«»»«. E»rnipr»ch« - «ammcknumm«, SV S^I. Lnr wr vachtachpritch«: 20 VN. cNa»,.^Lvom l. dt» IS. Juni l»2« d»t Utqltch «v«tmalta»r Juitellun« ,r»> »au, Mark. >)aAUZ5*WLvUyk Poftb«M>»pr»t« tttr Monal^gunl S^Mard ohn«^Poft^uft«lluns^ebüdr. SchriMettunk, und Sa«pIg»schLft»fi«l>»i Iüarl«»!Ira>j« äZS/42. Druck u. D«taa von Ui»»i» ck Mrtckar»! tn Drr»d«n. Poftichrck-Äonlo 1OSS Lr-,dr». Nachdruck nur mtt txutltchrr SurUenanaad» < .Dresdner Nackr.'I zulSMq. Unvertanale Sckriüüvck« werden n:ch> auidewadrt. Nönissvillsue^uisissns Im «rsntg.pnek gslsgsn VoMcommsn mocksrnlnlsrt vielen ^sc^mittsg: Isnr im k^eisu Lomitsgb: ^oulstts-lsnr ?6N3ioN3PI'6iS6 sd K/IK. 9.— JorpmMer zum Nachfolger Lesers gewWt. Ueberraschend schnelle Wahl im Derwallungsrat -er Reichsbahn-Gesellschaft. Rallfizlerung Locarnos im Pariser Senak. — Die Fiilschungsmelho-en -es Kerrn Abegg. - Der Fall Dauer im Femeausschuß. Sitzung -es Reichsbahn-Derwallungsrakes. Berlin, 4. Juni. Zum Gencralbirektor der Deutschen Reichsbahngescllschast wurde vom Vcrwaltungsrat der bis herige stellvertretende Generaldirektor Dr. Dorpmüllcr ge wählt. zum stellvertretende» Generaldirektor der bisherige Direktor der Personalabteilung, Dr. Weihrauch. Die Be stätigung beim Reichspräsidenten ist «achgesncht. Die Wahl erfolgte am Schluffe der in der Zeit vom S. bis 4. Jnni in Berlin abgehaltencn regelmäßigen Tagung des BcrwaltungS- ratS. Das Andenken des verstorbenen Generaldirektors Oeser wurde bnrch eine besondere Tranerfitznng geehrt, in der die Verdienste des Verschiedenen «m das deutsche Eisenbahnwesen und die hervorragenden Eigenschaften feines Geistes nnd Charakters gewürdigt wurde«. . . - In den sachlichen Beratungen beS Verwaltungsrates stand neben zahlreichen technischen und Tariffragcn im Mittelpunkt der Erörterung der GeschüstSbertcht der Deutschen Neichs- bahngescllschaft für bas Geschäftsjahr 1625 ll. Oktober 1924 bis 31. Dezember 1625) zusammen mit der Bilanz- und Ge winn- und Vcrlustrechnung, di« in der nächsten Woche der Oefscntlichkeit übergeben werden soll. Der Abschluß für das Geschäftsjahr 1625 entspricht den Erwartungen, da der durch die Wirtschaftskrise bedingte starke Berkehrsrückgang erst in den letzten Monaten des Jahres 1625 einsctztc. Der Personalabbau kann, abgesehen von Len Werkstätten, in fast allen Bezirken als abgeschlossen gelten. Die be sonderen Verhältnisse des ersten Geschäftsjahres haben hohe Anforderungen an Beamte und Arbeiter der Reichsbahn gestellt, die bank verständnisvoller Zusammen arbeit und der beivährten Pflichttreue des Personals erfüllt werden konnten. Di« derzeitige Finanzlage des Unternehmens stellt sich wenig günstig dar. Die täglichen Einnahmen bleiben in folge mangelnden Verkehrs um etwa 1,5 Millionen Mark täglich gegenüber dem Voranschläge zurück. . Ter auf Grund der Beschlüsse des VcrivaltungSrates zu erwartende endgültige Abschluß der Verhandlungen über die Begebung von 150 Millionen Mark Vorzugsaktien wird die Vergebung von Arbeiten ermöglichen. « Die Wahl Dr. DorpmüllcrS zum Generaldirektor der Neichsbahngcsellschaft so unmittelbar nach dem Ableben des Generaldirektors Oeser bedeutet eine große Ucberraschung, die einiges Befremden erregen mutz. Nicht so sehr wegen der Persönlichkeit, auf die die Wahl gefallen ist. Denn daß mit Dr. Dorpmüllcr ein Mann mit bedeutsamsten persönlichen und vor allen Dingen fachlichen Qualitäten an die Spitze der Deutschen Eisenbahn treten würde, kann nach den unten wtcdergegebcnen Daten seines erfahrungsreichen Lebens laufes kaum angezwcifclt werden. Und daß ein ausgesproche ner Fachmann zur Leitung berufen wird, könnte einem so weitverzweigten technischen Riesenbetriebe an sich nur förder lich sein. Sonderbar ist dabei aber, daß der Bcrwaltungsrat mit der Neuwahl nicht einmal so lange gewartet hat, bis sich der Hügel über dem bisherigen Leiter gewölbt hat. Bis zu diesem Tage zu warten, ist eine stillschweigende Ehrenpflicht, deren Verletzung auch dadurch nicht abgeschwächt wirb, daß der Vcrwaltnngsrat gerade in diesen Tagen zusammen war. Daß man indessen nicht gewartet hat, deutet einmal darauf hin, daß man, wie Gerüchte in den letzten Tagen wissen wollten, tatsächlich bereits vor dem Ableben Generaldirektor OeserS über seine Ersetzung verhandelt haben dürfte. Im übrigen aber kann man sich des peinlichen Eindrucks nicht er wehren, daß das Moment der Ueberraschung von seiten des Berwaltungsrates nicht ganz unbeabsichtigt war. um nach Möglichkeit Einwirkungen der politischen Instanzen bei der Besetzung dieses Postens ausznschalten. Wir haben schon ans Anlaß des Ablebens Generaldirektor OeserS auf die außcr- rrdentlich große Bedeutung der Stellung des Leiters der Reichsbahn besonders in politischer Beziehung hingewicscn, weil ihm der größte deutsche Wirtschaftsbetrieb und seine Ver teidigung gegenüber den ausländischen Einflüssen in die Hand gegeben und die Frage der Erfüllung der großen, auf der Reichsbahn liegenden Reparationslastcn von größter politi scher Wichtigkeit ist. Es wäre darum, auch ohne baß es die Satzungen der Reichsbahn vorsehen, eine Pflicht der Lonalität gewesen, vor einer so bedeutsamen Wahl unverbindlich mit den verantwortlichen Stellen des Reiches Fühlung zu nehmen, um die Auswahl in möglichster Nebcrcinstimmung mit der NclchSlettung zu treffen. Diese Pflicht hat man versäumt, und daS ist um so bedauerlicher, als die Persönlichkeit Dr. Dorp- müllerS bei allen fachmännischen Qualitäten noch keinen Auf schluß darüber gibt, ob er auch den politischen Aufgaben, die ihm daS neue Amt stellt, gewachsen sein wird. Das letzte Wort Über die Besetzung des Postens wird der Reichspräsident sprechen, dessen Bestätigung der Mahl notwendig ist. DaS übereilte nnd selbstherrliche Vorgehen des BcrwaltungSrateS dürfte aber nicht geeignet sein, die Mißstimmung, die sich aus dem übertriebenen Pochen der RetchSbahnverwaltung auf ihre Selbständigkeit bisher schon ergeben hat, zu beseitigen. Der Lebenslauf Dr. Dorpmüllers. Der vom Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn- gcsellschaft zum Generaldirektor gewählte Dr. Dorp- müller wurde am 24. Juli 1866 in Elberfeld geboren, be suchte das Gymnasium und die Technische Hochschule in Aachen und wurde 1898 Regierungsbaumeistcr. Bis 1607 war er in der preußischen Eisenbahnverwaltung tätig, längere Zeit im Eisenbahndirektionsbezirk Saarbrücken. Im Jahre 1967 ging er zur Schantnng - Eisenbahn nach Tsingtau und wurde bald darauf Chefingenieur der chinesische« Gtaats- bahne». Unter seiner Mitwirkung wurden hervorragende Bahnbauteu in China «uSgesührt. Wegen seines hervor ragenden Organisationstalents wurde er bald der Leiter des gesamten chinesischen Bahnwesens, das ihm einen großen Aufschwung zu verdanken hat. DaS chinesische Bahnwesen leitete er elf Jahre lang bis zum Eintritt Chinas in den Welt krieg im Jahre 1617. Im Jahre 1918 gelang es ihm, auf einer abenteuerlichen Flucht sich durch die Mandschurei, Sibi rien und Rußland nach Dentschlaud dnrchznschlagc«. Sofort nach seiner Ankunft wurde er zur Organisation der trans kaukasischen Bahn «ach Tiflis geschickt, wo er bis Kriegsende wirkte. In den darauffolgenden Jahren war er als Obervaurat und Dezernent bei den Eisenbahndirektionen Essen und Stettin tätig. 1622 wurde er Präsident der Reichsbahn direktion in Oppeln, von wo er die schwierigen Ausgaben des oberschlesischcn Eisenbahnwesens in hervorragender Weise löste. Im September 1624 wurde er Präsident der Eisenbahndirektion tn Esten. Als Eisenbahnsachver- stänbiger nahm er an den Beratungen über das Dawcs - Gutachten in London und Parts teil. Am 1. Juli 1825 wurde er stellvertretender Generaldirektor der Deutschen Reichsbahngescllschast. Wegen seiner groben Verdienste um daS deutsche und ausländische Eisenbahnwesen ernannte ihn 1625 die Technische Hochschule in Aachen zum Dr. e. h. Wichtige Beschlüsse -es Aeichsrates. Sachsens Bedenke« znm schwedischen Handelsvertrag. Berlin, 4. Juni. Der Rctchsrat, in dessen öffentlicher Sitzung heute abend Minister Dr. Külz dem verstorbenen Generaldirektor Dr. Oeser einen Nachruf widmete, erklärte sich damit einverstanden, daß als Nachfolger des in den Ruhe stand tretenden Oberreichsanwalts Dr. Ebermayer Geheimer Negicrungsrat Karl Werner IReichsjnstizministcrinmj dem Reichspräsidenten vorgeschlage« werde. Der Rctchsrat nahm weiter den deutsch-schwedische« Handelsvertrag an. Der Vertreter deS Freistaates Sachsen gab dazu eine Erklärung ab, in der es heißt: Die sächsische Regierung be dauert lebhaft, daß cs nicht möglich gewesen ist, de« deutschen Zolltarif für Pflastersteine anfrechtznerhalten. Die zollfreie Einfuhr von Pflastersteinen wird die deutsche Hartstein- tndustrie, namentlich die bedeutenden sächsischen Stein bruchunternehm ungen, in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigen und zu wesentlichen Betrtebseinschränkun- gen zwingen. Die sächsische Regierung erwartet, daß es der Retchsregiernng möglich werden wird, die Hartsteinindustric wenigstens dadurch zu stützen, daß die Eisenbahn, frachten entsprechend ihren Wünschen geregelt werden. Der Reichsrat genehmigte sodann die Ausprägung von MV «Ml Dreimarkstücke« znr Erinnerung an die Lübecker Jubiläumsfeier. Der Rctchsrat stimmte einer Verordnung zu, wonach der Eigenverbrauch im HanShalt von Landwirten von der Umsak- stcner befreit bleiben soll, wenn die Gesamtsumme der im vor- ansgrgangcncn Wirtschaftsjahre vereinnahmte« Gelder 16 66« Mark nicht übersteigt. Die Vorzugsaktien der Reichsbahn im Betrage von 156 Millionen Golbmark, für die das Reich eine Dtvi- benbengarantie - übernommen hat. wurden für mündel- sicher erklärt. Angenommen wurde ein Gesetzentwurf, wo nach für die Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Vor- krtcgSbcstimmuug wieder cingeftthrt wird, wonach das Stammkapital mindestens 26 666 M. nnd die Stammrinlage eines jeden Gesellschafters mindestens 566 M. betrage« soll. Bereits bestehende kleinere Gesellschaften können von der Ver ordnung nur betroffen werden, wenn sie ihren Hauptbetrieb wesentlich ändern. sW. T. B.) Der neue OberreichSanwalt. Geheimer Rcqiernngsrat Karl Werner ist am 14. März 187« ln Mülhausen lm Elsaß geboren. Nach seiner StaatSanaehvriakclt ist er Bauer. Er Ist an« dem elsaß-lothrinaischen LanbcSsusttzdicnst her- uvrgcaangen. Die erste juristische Staatsprüfung bestand er lim», Amtsrichter wurde er 1667, Staatsanwalt beim OberlandeSgericht volmar 1»M. will wurde er Geheimer Negierunasrat und Bor- traaendcr Nat im NclchSinstjizministerium. Seit 1628 ist ihm die Leitung der Abteiluna deS Ministeriums übertragen, tn der politische Strassachen und BersassungSsragen bearbeitet werden. Politik im Rundfunk. Viel ist schon gesagt worden über die außerordentlich volkscrziehcrische Bedeutung des deutschen Rundfunks un sicher mit Recht. Die meisten, die vor drei Jahren erst malig die Muschel ans Ohr nahmen und nicht viel mehr als ein unangenehmes Acchzcn und Krächzen als der Bruder, sphärcn Wcttgesang vernahmen, waren wohl zunächst skeptisch eingestellt gegenüber der neuen Einrichtung und ihren Aus. sichten für die Zukunft. Inzwischen hat aber die sich über stürzende Technik im Siebcnmeilcnschritt die ersten Kinder krankheiten überwunden und mit Hilfe einer noch immer im weiteren Ausbau begriffenen Organisationsarbeit ist heute schon Tatsache geworden, woran man nur schwer glaube« wollte: der Rundfunk als ein billiges, modernen Anforderun gen in hohem Maße gerecht werdendes UntcrhaltungS-, Be- lehrungs- und Erziehungsmittel für die breiten Schichten des Volkes. Wer in letzter Zelt die Uebcrtragung von Opern aus Dresden und Leipzig hören konnte, der freute sich nicht nur darüber, daß er in der Bequemlichkeit des eigenen Heims die stillen Abendstunden mit einem erhebende» Kunstgenuß verschönen konnte, sondern mehr noch vielleicht an dem Gedanken, daß viele Tausende in Stadt und Land, solche, deren Einkommen zum Kauf einer Theaterkarte nie mals hinrcicht, und all die anderen, die wegen ihrer räum lichen Entfernung von den Metropolen der Kunst die Zer streuungen des Großstädters entbehren müssen, gleichzeitig eine technisch nnd künstlerisch hochstehende Wiedergabe der besten Werke deutscher Kunst mit anhören durften. Wer schließlich aus eigener Erfahrung weiß, welch glückliche Wen dung der Rundfunk im Leben jener unglücklichen Mitmenschen bedeutet, die, von der Statur enterbt, als Blinde, Lahme oder Sieche von allen Freuden des Lebens ausgeschlossen sind, wer cs gesehen hat, wie diese Acrmsten begierig nach dem Hörer greifen und ihn nicht mehr oblegen wollen, um alles auf- zunchmen, was dem geschärften Ohr geboten wird, dem ein zigen Organ, bas sic noch mit der Sinnenwelt verbindet, -er wird nur um dieser einen Wirkung willen den Rundfunk un bedenklich als die segensreichste Steuerung der Zeit preisen. Und das um so mehr, als nach den Erfahrungen dieser Jahre die»Gewißheit besteht, daß auch die technischen und organisatorischen Unvollkommenheiten, die dem Ganzen noch an- hastcn, ebenso schnell und sicher überwunden werden, wie die viel größeren Mängel der ersten Jahre. Fast ebenso alt wie der Rundfunk selbst sind aber die Klagen, daß das dem Ohr Gebotene, soweit cs nicht rein berichtend ist, wie die Presse-, Wirtschafts- und Sportnach richten, nicht immer allen Anforderungen entspricht, die man vom künstlerischen und auch vom volkscrzicherischcn Stand punkte aus zu stellen berechtigt ist. Gewiß, cs allen recht zu machen, ist eine Kunst, die niemand kann, und die Art der Darbietungen soll auch nicht auf das Niveau einer geistigen Eliteklaffe zugeschnitten sein, sondern auf den Durchschnitt deS Vvlksganzcn, dem der Rundfunk gehört! Fehler und Miß griffe im einzelnen können überall Vorkommen: sie nach Möglichkeit auszuschließcn und die Programmgestaltung noch zu verbessern, auch durch Uebertragung von Stadt zu Stadt und von Land zu Land, sowie durch geeigneten Künstler- austausch, ist Sache des Külturbcirats bei der Rcichsrundfunk- gescllschaft. Was aber ohne Einschränkung gefordert werden kan» und muß, das ist die Vorbedingung, da ß der deutsche Rundfunk politischen Einflüssen in irgend welcher Form verschlossen bleibt. Unter keinen Umständen darf geduldet werden, daß einzelnen Parteien oder politischen Strömungen die Möglichkeit gegeben wird, von einer Scndestcllc aus vor Hunderttausenden auch noch so verschleierte Propaganda zu treiben. Ausnahmen sind natür lich möglich nnd ihre Berechtigung ergibt sich von selbst, wenn, wie das geschehen ist, etwa in Zeiten wichtiger außen politischer Entscheidungen der Reichsaußenmtnistcr oder der Reichskanzler vor das Mikrophon tritt, um das ganze Volk durch amtliche Erklärungen ans eine national-einheitliche Linie zu sammeln, oder wenn vor einer Präsidentenwahl Persönlichkeiten wie Hindcnburg und Marx, deren Namen allein für Sachlichkeit und Ehrlichkeit der Absichten bürgt, fast gleichzeitig im Rundfunk ihr Programm vertrete». Aber alles, was über solche klar abgcgrcnzte Ausnahmefälle hin- auögeht, ist vom Ucbel und wird auch von den Teilnehmern abgelchnt. Leider muß fcstgesteNt werden, daß sich die Leitung unseres Mitteldeutschen Senders Leipzig und Dresden gegen diesen Grundsatz der' Unparteilichkeit immer und immer wieder versündigt. Schon vor Jabres-