Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 02.10.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19031002017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1903100201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1903100201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1903
-
Monat
1903-10
- Tag 1903-10-02
-
Monat
1903-10
-
Jahr
1903
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 02.10.1903
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
imt Der «sie wurde a. re» ^v. «über der -rrn voa RadebA. Ob., ich dt« beide» letzten ni «V» 'VLPkklNDeL »n Sckbrtk von Hevde» 1» «adebeul »wei Erplosiouen statt. So- Zwei Menschen veruncüuckt. Die Koruna eine «rohe. Das Dach laben, sämtliche Fenster hinaus- rikfeuerwehr waren auch di« nitz und Gerkowitz a» Platze, t» Tattgkeit traten, am Michaelt-tage, so kam auch am er Früh«, al» kaum Mitternacht vorüber war, eine Deputation au» Löbnitz, bestchend au» Vertretern der Lößnitzer Stadtkirche und de» Stadtrate» zu Löbnitz, in dar hell erleuchtete gräfliche Schloß »n Wilde nsel», um tne Lehen über GotteSwald bei Löbnitz von dem Besitzer der Herrschaft WtldenfelS, wie voraeschricben vor Sonnenaufgang, sich erneuern zu lassen. Der Lehnsherr, Friedrich MagnuS IV. Graf zu SolmSMildenfel». umgeben von seinem Rentamtmann, seinem Haushofmeister und anderen gräflichen Beamten, empfing, wie da» „Chemn. Togebl." mitteilt, die Abgeordneten und erteilte die Lehen auf Ansuchen unter dem gebräuchlichen Zeremoniell. Der fragliche, bei Lößnitz gelegene GotteSwald wurde im Jahre 1410 vom damaligen Verweser der Herrschaft Wildenfels, Konrad von Tettau» der Stadtkirche zu Lößmtz «S Lehen gegeben. Vor geschriebe» wurde, dab dl« Lehen alljährlich am MichaeliStage vor Sonnenaufgang zu erneuern seien, um derselben nicht ver lustig zu gehen. Al» BezeiaungSzins war ein in wenig Pfennigen einer bestimmten Münze festgesetzter Betrag zu zahlen. Da diese Münzen un Laufe der Zeit verschwanden und von den Lehn», träger» nicht hätten immer aufs neue erbracht werden können, so gaben die Lehnsherren jedeSmal die Münzen zurück, um der Lößnitzer Stadtkirche die Nutzung des Lehens zu erhalten. Die Grafen zu SolmS sind übrigens die einzigen Grundherren, welche noch LehnSrecht haben, so ist unter anderen Grundstücken das rote Gut in Schlema noch ein solches Lehn. Da der Lößnitzer GotteSwald infolge seiner UmsänAichkeit «inen nicht unbedeutenden Meingewinn adwirfi, versäumen eS die Vertreter der LehnS- trägerin niemals, sich rechtzeitig bei der Lehnskurie einzEnden, bei welcher Gelegenheit sie vom Lehnsherrn in feinem Schlosse festlich bewirtet werden. Selbst die Bürgerschaft der Stadt nunmt stets Anteil an dieser LchnSerneuerung und erwartet zur fest gesetzten Zeit die „Zinser", «nie die Lchnsträgcr im Volksmunde benannt werden. — Dieser Tage feierte Herr Fabrikbesitzer Robert Wilisch in Plaue bei Flöha daS 25jährige Geschästs- jubiläum seiner Firma. Herr Wilisch hatte aus Anlaß dieses Jubiläums, womit gleichzeitig Richtfest des Fabrikanbaues ver- Kunden war, nicht nur seinen Arbeitern ein Festmahl ausgerichtct, sondern ihnen auch, reiche Geldgeschenke übermittelt. Ebenso stiftete er 3000 Mk. zu einer zu gründenden Arbeiterunterstützungskassc. Der bisherige Werkführer Herr Beuch wurde zum Fabrikdirektor ernannt. Ferner erfreute Herr W'lisch den Dampfkesselheizer Scheunpflug für geleistete treue Dienste in dem Zeitraum von 13 Jahren durch ein namhaftes Geldgeschenk und Uebcrreichung eines Mrendiploms. — Aus ihr 200jährigeS Bestehen blickt in diesem Jahre eine segensreiche Sttftuna in Hainewalde bei Zittau zurück. Es ,ft die sogenannte Hospital-Stiftung. Sie wurde 1703 von Frau Viktoria Tugendreich geb. von Kyaw, in dritter Ehe verheiratete Oberst von Kanitz, infolge eines Gelübdes, welches sie während ihrer zweiten nicht glücklichen und im Jahre 1699 geschiedenen Eye getan hatte, errichtet. In demselben Jahre wurde das Hospitalhaus neben der Kirche erbaut. Arme alte Personen, je drei aus Hainewalde, Spitzkunnersdorf und Niederodcvwitz, über welche drei Gemeinden die Hainewalder Rittergutsherrschaft das Patronats- und Kollaturrecht ausübt, erholten wöchentlich Geldunterstützungen: 8 je 1,50 Mark, 6 je 1,25 Mark und falls sie davon Gebrauch machen wollen, im Hospitale Wohnung nebst Heizung und Beleuchtung. Außerdem gewährt die Hospital Stiftung beim Todesfälle 21 Mark Begrckbnisgeld. — Dieser Tage wurde in Grottau ein aus Neichenberg stcrm> mendes Brautpaar kontreband gemacht, das sich für die bevor- stehende Verheiratung verschiedene Sachen aus Zittau geholt hatte, welche sie billiger als in Böhmen ankaufen wollten. Das bc- hakige Pärchen erregte jedoch die Aufmerksamkeit der Zoll- beamten und wurde deshalb mit nach dem Zollamts genommen. Bei gründlicher Untersuchung ..seines" allzu auffälligen Bäuch- leinS entdeckte man hier ein seidenes Kleid, bei ,,ihr'^ fand man Vorhänge — na, auf der entgegengesetzten Seite! — Und das End-Resmtat? Er und sie hatten nicht weniger als 85 Kronen 18 Heller Strafe zu bezahlen. Daroo natürlich recht betrübte Gesichter. — Zu Ehren de» 160. Geburtstages des am 29. September 1753 in R eichenau bei Zittau geborenen Thomaskantors und Kirchenkomponisten Johann Gottfried Schicht, der am 23. Februar 1823 zu Leipzig gestorben ist, fand in seinem Ge burtsorte Reichenau eine Schichtfeier statt. An dieser Feier nahmen gegen 1000 Einwohner von Reichenau teil. -Landgericht. Der 1888 in Belgershain bei Leipzig geborene Küischnerlehrling Ernst Bruno Schmidt stahl in der Weihnachtszeit seinem damaligen Ledrherrn, einem in Riesa woh «enden Kimchnermeister, Hut» und Pelzwaren von nicht unbrdeu tendem Werte. Den Dienstmädchen des HanleS entwendete er in derselben Zeit etwa 3 Mk. Bargeld, mehrere Liebesbriefe und einige Schmucksachen. Der Angeklagte wird zu 6 Wochen Gefäng nis verurteilt. — Bei einem hiesigen Petroleninversandtgejchäst waren beschäftigt der Kutscher Wilhelm Heinrich Wähner auS Brleßnitz. der Kutscher August Lorenz auS Plauen b. Dresden, der Arbeiter Wilhelm Franz Bräuer auS Naußlitz, der Kutscher Wil helm Richard Dietrich auS Naußlitz und der Kutscher Friedrich Paul Marx auS Dresden. Am 18. Mai traten zwischen den Ge nannten und ihren Arbeitgebern Lohndlfferenze» ein. in dcren Verlauf die Arbeiter die Beschäftigung niederlegten. Am nachfol genden Tage stellten sie sich wieder in der Nähe ihres früheren Arbeitsplatzes aus und beobachteten den Zuzua der Ersatzmänner. Bon leiten der Ausgesperrten fielen gegen die Arbeitswilligen ehr verletzende und Drohreden. Die vor der 6. Strafkammer an stehende Verhandlung ergibt kein Verschulden des Angeklagten Lorenz, welcher freigelvrochen wird, dagegen werden verurteilt Wäbner zu 1 Monat 1 Woche. Bräuer zu 1 Monat. Marx nnd Dietrich zu je 2 Wochen Gefängnis. D«e beiden Letztgenannten wurden nur he» gemeinsamen Hausfriedensbruchs für schuldig be funden. — Der Kutscher Karl Gottfried Sonntag passierte mit seinem Fuhrwerk am 31. Juli die Leipziger Straße und brachte auS Fahrlässigkeit einen Straßenbahnwagen in Gefahr. Dieser Angeklagte wird zu 5 Mk. Geldstrafe oder 1 Tag Gefängnis ver urteilt. Wegen Hinterziehung der Zwangsvollstreckung hatte sick der Handarbeiter Johann Friedrich Utbmann auS Peritz be Großenhain zu verantworten. Der Angeklagte schuldete einem in Ortrand wohnenden Viehhändler einen Betrag von 863 Mk. und wurde durch Urteil des Grohenhainer Schöffengerichts zur Zahlung verpflichtet. Um weiteren Zwangsmaßregel» zu entgehen, ver äußerte der Angeklagte sein Besitztum für einen geringen Preis an einen guten Freund und machte dadurch dem Händler einen Zu griff »nmöglich. Die 6. Strafkammer diktiert dem Angeklagten 1 Woche Gefängnis zu. — Der artS Gruben bei Meißen gebürtige Handarbeiter Karl Gustav Schubert hat sich wegen versuchter Nötigung zu verantworten. Der Angeklagte hatte vor dem Amts gericht Meißen einen ZIvilprozetz zu rühren, unterlag jedoch darin und schickte vorauf dem Beistand seines ProzeßgegnerS. einem in Meißen wohnenden Rechtskonsulenten, einen Brief deS Inhalt-, daß die Ihm angerechneten Kosten viel zu hoch seien, das nicht einwandfreie Benehmen deS Rechtskonsulenten werde öffentlich zur Sprache gebracht werden. Die 6. Strafkammer beurteilt daS Ver gehen Schuberts sehr mild und erkennt aus nur 10 M Geldstrafe. " ' " wurde ff ver- S Monaten Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust" verurteilt, 9 Monate gelten als verbüßt. Felder hat gegenwärtig eine Zucht- hausstrafe von 5 Jahren 6 Monaten zu verbüßen und erhält 2 Jahre Zuchthaus Zusatz. Weber wird zu 1 Jahr 10 Monaten Gefängnis und 3 Jahre» Ehrverlust verurteilt. Der Zar ln Wien. Bei der FrühftückStafel im Schönbrunner Schloff« brachte KaiferFranzJoses folgenden in einem Teil der gestrigen Auf- läge bereit» kurz mitgeteilten Trinkspruch auS: „Es ist mir besonders angenehm, Ew. Majestät die große Freude auSzu- sprechen, die ich heute empfinde, indem ich Sie willkommen heiße. Dcckmrch, daß Ew. Majestät der Einladung zu den Jagden in e ich so glücklich war, an Sie zu richten, Folge ie mir einen neuen Bewei» Ihrer Freundschaft Steiermark, welch« leisteten, haben GH ... gewidmet, die ich hoch anschlage und die bei mir stets ein ebenso lebhafte» al» aufrichtige» Echo findet. Die Herzlichkeit, welche ich daran» für unser Verhältnis erblicke, hat schon wiederholt ihre wohltätige» Wirkungen auf die politischen Beziehungen unserer Staaten au »geübt, und ich schmeichle mir mit der Hoffnung, daß die vollkommene Uebereinstimmung der Anschauungen und Er wägungen» welche nun angesichts der bedauerlichen Ereignisse, deren Schauplatz gegenwärtig die Balkanhotbinsel ist, besteht, zu dem Erfolge der Aktion, welch« wir dort einverständtich im Interesse de» europäischen Frieden» durchführen, neuerdings bei tragen werde. Von diesen Empfindungen erfüllt, trinke ich aus da» Wohl meines lieben und treuen Freundes, Seiner Majestät Kaiser Nikolaus." — Kaiser Nikolaus erwiderte hierauf mit folgendem Toast: „Die Worte, mit welchen mich Ew. Majestät bewillkommnet haben, berühren mich lebhaft, ustd ich danke Ihnen dafür au» vollem Herzen. Mit großem Vergnügen habe ich die freundliche Einladung Ew. Majestät ausgenommen und bin glück "ch, Ihnen persönlich den Ausdruck -der Gefühle, die mich he fteten, wiederholen zu können. Unser herzliches Einvernehmen und die vollkommene Harmonie, die sich daraus für die Aktionen der Regierungen ergibt, sind, wie Ew. Majestät sagen, ein wert- volles Unterpfand für den Erfolg des großen pazisitatorischen Werkes, welches imr im gemeinsamen Einverständnis unter nommen haben. Der humanitäre Zweck, -welchen wir verfolgen, schließt jede Parteilichkeit aus und muß mit Festigkeit und Aus- dauer durch die zu einer wirklichen und dauerhaften Beruhigung geeignetsten Mittel erreicht werden. Unsere Bemühungen werden vielleicht, hoffe ich, zur Befestigung dcö allgemeinen Friedens beitragen. Ich trinke auf das Wohl meines lieben und ver ehrten Freundes, Seiner Majestät des Kaisers und Königs Franz Joses." In Mürzsteg fand ein Diner zu 18 Gedecken statt, an dem die beide» Kaiser und Erzherzog Franz Ferdinand teilnahmcn. Das Diner, daS einen intimen Charakter trug, verlies in an geregtester Stimmung. In dem reizend am Mürzufcr gelegenen kaiserlichen Jagdschlösse iverden die Monarchen bis zum Ende des Zaren-besuches verweilen. Aus dein Vestibül, in welchem prachtvolle Jagdtrophäen die Wände zieren, gelangt man einer seits in den Speisejaal, von dessen Fenster man einen schönen Blick über die geschmückte Ortschaft nach der hohen Veitsch ge nießt. Dem Speisesaale gegenüber liegt ein kleines Billardzimmer, in welchem die Monarchen nach dem Diner Cercle halten werden.. Im ersten Stockwerke befinden sich die Appartements der beiden Monarchen sowie des Erzherzogs Franz Ferdinand. Jeder der beiden Souveräne bewohnt je ein Arbeitszimmer und ein Schlaf, zimmer. Inmitten der Arbeitszimmer stehen, ans Zirbelhoiz ge fertigte Schreibtische auf weichen kostbaren Teppichen. Auch die übrigen Einrichtungsgegenstände sind aus Zirbelho'z gefertigt. Elegante Polstermöbel vervollständigen die Einrichtung. Während im Speiseiaale treffliche große Jagdbildcr die Wände zieren, bilden den künstlerischen Schmuck der Appartements der Kaiser Aquarelle von Künstlerhand. Auch das Zimmer des Erzherzogs Franz Ferdinand zeichnet sich durch einfache Eleganz aus. Im Jagdschlösse werden ferner das militärische Gefolge des Kaisers Nikolaus, Fürst Montenuovo, Geiierala-djutant Graf Paar, der russische Botschafter Graf Kapnfft nnd die Hosärzte untergebracht. 'Die Minister Graf Goluchowski und Graf Lamsdorff bewohnen die im Schweizers gehaltene Villa Schönauer. Zur Beleuchtung der Umgebung des Jagdschlosses sowie der .Hauptstraße ist eine eigene Beleuchtungsanlage mittels Spiritusglühlichts installiert. Die „Neue Fr. Pr." würdigt die politische Bedeutung des Zarenbejuches u. a. in folgenden Ausführungen: „In diesen psychologischen Moment fällt der Besuch des Zaren bei dem Kaiser Franz Josef. Und dies allein schon würde hinreichen, um seine große politische Bedeutung zu illustrieren. Auch wenn die ge meinsame Aktion Oesterreich-Ungarns und Rußlands nicht an einem Punkte angelangt wäre, an dem für den Erfolg des weiteren Zusammenwirkens verstärkte Bürgschaften in unmittelbarer Ans sprache geschaffen werden müßten, würde der Besuch des Zaren bei dem Kaiser Franz Josef ein weithin leuchtendes Friedens fanal sein. Es ist beinahe müßig, zu wiederholen, daß die beiden mächtigen Monarchen, welche morgen als Freunde einander die Hände schütteln Iverden, -ihre friedlichen Gesinnungen über allen Zweifel bewährt hab'en. Kaiser Franz Josef ist der einzige noch lebende von lenen drei Friedensfürsten, welche sich zur Tripel allianz vereinigten: in ihm verkörpert sich gleichsam Wie eine ehr würdig wandelnde Tradition der seit einem Vierteljahrhundert gewahrte europäische Friede. Und Zar Nikolaus II. hat die Welt in sympathisches Staunen versetzt durch sein unvergeßliches Friedensmanisest an die Völker und Regierungen, das lewer nur zu ideal -war, um in der harten Wirklichkeit zu einer erlösenden Tat zu führen. Zar Nikolaus ist kein Liebhaber höfischer Schau spiele oder geräuschvoller Empfangskundgebungen: er zieht es vor, in der Stille seinen Gedanken nachzuhängen, nnd ehe er, stürmischen Jubels gewärtig, vor sieben Jahren seine erste Pariser Fahrt antrat, sagte er mit resigniertem Lächeln: „Ich würde am liebsten dort ruhig in einem Hotel absteigen, die Stadt besichtigen und dann einige angenehme Stunden im „ThöLtre Fvanyais" verbringen." Wenn er nun — und gerade jetzt — von seinem Minister des Aeußeren begleitet, dem Kaiser Jtcmz Josef einen Besuch abstattet, so ist es also sicher nicht bloß ein Besuch der Courtoisie, sondern auch ein politischer Besuch, wenngleich dem Hange des Gastes zur Stille und unauffchlichen Zurückgezogenheit, gleichwie in dem dänischen Schlosse Fredens- borg ooer in dem hessischen Schlosse Wolfsgarten, durch den steie rischen Jagdausflug Rechnung getragen wird. Es kann nur ein Werk des Friedens und ein dringenaes Werk sein, das diese beiden Monarchen zusammenführt, den drciundsiebzigjährigen Nestor der Souveräne Europas und den jungen, nachdenklich», von großen humanen Menschheitsgedanken erfüllten Allein herrscher. Daß in Wien angesichts der politischen Tragweite des Besuches und des von ihm zu gewärtigenden Ergebnisses, aber auch m gebührender Würdigung der großen humanen Impulse, von denen sich Nikolaus II. schon wiederholt leiten ließ, der Gast unseres Kaisers freundlichen Empfanges sicher sein darf, versteht sich von selbst. Er kommt als der Repräsentant eines anderen Rußland, als desjenigen, gegen -welches wir in schwerer jahrhundertelanger Rivalität unsere Orientinteressen verteidigen muhten, und er kommt, um die Gemeinsamkeit der neuen Balkan politik zu festigen, die für di« Erhaltung des Friedens im Orient eine mächtige Bürgschaft ist. Der aufrichtigen Gastfreundschaft, die wir ihm zu bieten haben, können ganz vereinzelte mißtönende Zwischenrufe keinen Eintrag tun. Es ist kaum remals in einem bedeutsameren Momente der Orientpolitik ein Zar nach Oester reich zu Gast gekommen und niemals war daS Mißtrauen gegen die russisch-orientalischen Absichten Rußlands bei uns geringer. Durch mehr als ein Jahrhundert ist eine freundschaftliche und loyale Gemeinsamkeit Oesterreichs und Rußlands im Orient über haupt für eine Unmöglichkeit gehalten und der Glaube an sie als als eine Paradoxie belächelt worden. Seit sechs Jahren ist diese Gemeinsamkeit ein Element der europäischen Politik, ein Stütz- kalken de» allgemeinen Friedens, und wir grüßen den Zar, der kommt, um die große historische Wandlung persönlich zu be- reugen, sie an seinem Teile auch für die Zukunft verläßlich und fruchtbar zu machen." TageSgeschlchte. Deutsche» Reich. Zur preußischen Landtag »Wahl hat die deutsch-konservative Parte» beschlossen, keinen Wahlaufruf zu erlaffen. Wie ein parlamentarischer Berichterstatter schreibt, herrschte in der AuSschußsltzung volle Einmütigkeit, und wurde die Lage al» für die konservative Partei sehr günstig oufgefaßt. Die Sozialdemokratie richtet durch den „Vorwärts" einen Auf ruf an ihre „Genossen" zur umfassendsten Betätigung an den preußischen Landtaqswahien und vertraut dabei auf die eiserne Disziplin der Partei. Der Aufruf stellt schon jetzt fest, daß trotz der m der Partei herrschenden Meinungsverschiedenheit über den Wert der Beteiligung an den preußischen Landtagswahlen dennoch die Genoffen mit einander wetteiferten, die Ausführung des Mainzer Parteibeschusses erfolgreich zu gestalten. Es folgt «in Appell zur reichlichen Geldbeschaffung, der gleichfalls von national- liberaler und freisinniger Seite erlassen wird. ' Zur Geheim«-schichte de» Mittellandkanal» gab der Reichstags- und LandtagSabaeordnete Wallbrecht auf dem natlonalllberalen Delegiertrntage einen bemerkenswerten Beitrag. Er erzählte folgende»: -Al» im Jahre 1899 der Kanal abgelrhnt wurde, traten die Kanallnterrssenten »»lammen und sagten sich: -Wir müssen einfach den Kanal selbst bauen, wenn die Regierung die Konzession erteilt." Wir kamen nach Ausstellung einer Nenta- bllitälsbelechimiig zu dem Resultat, daß der Kanal auS Privat- nütleln zu bauen ist. ES ist mir damals gelungen, von den Interessenten 100 Millionen aufzubrlngen, die übrigen 200 Millio nen war der verstorbene Herr v. Siemen« zu übernehmen bereit. Der Plan wurde den Ministern und dem Fürsten Hohenlohe vor- gelegt. Der Bautenmlnister Herr v. Thielen stand der Sache lühl gegenüber, Mlquei war heute dafür, morgen dagegen, und nur RnchSkonzler Fürst Hohenlohe war ein entschiedener Freund des Prozekts. Wir wollten die ttonzeision nur für den Fall, daß der Kanal wieder abgclehnt würde. Die Verhandlungen wurden aber durch Thielen in die Länge gezogen; er sagte, er habe die Sache einer Kommission zur Prüfung überwiesen. Nachdem ich sünsmal in sechs Monaten bei ihm war. erhielt ich die Nachricht, die Negierung wolle die Konzession nicht erteilen. Inzwischen war auch Hohenlohe auS dem Amte geschieden, und der jetzige Reichs kanzler brachte der Angelegenheit anscheinend kein Interesse ent gegen ; ich habe wenigstens von ihm nicht einmal eine Antwort bekommen. Nachher habe ich auch erfahren, daß die von Herrn v. Thiele» (der dle Worte sprach: „Gebaut wird er doch!") ein gesetzte ..Kommission" überhaupt niemals zusammengetrcten ist." Auf der Generalversammlung deS Evangelischen Bun des in Nim a. D. redete Professor Dr. Arnold-Bresla» über: „Protestantisches Leben in den Vereinigten Staaten." Tie katholische Kirche in den Vereinigten Staaten wächst nnaushaltsam. Sie hat in den letzten 10 Jahren um 2 675 000 Seelen zngenomine» und noch strömen neue Blassen von Katholiken i»S Land: z. B. im Jahre 1900 813-16 Italiener. Darin liegt für de» aiiie»ika»ischen Protestantismus eine Gefahr. Man ist zwar im großen nnd ganzen noch unbesorgt, weil nicht alle Eingcwanderten der katholischen Kirche treu bleiben nnd Ge setze bestehen, dle ein Maximum beweglichen Eigentums sür sede Kirche seslkctzen. Die Hanvlschwierigkeiten des amecikanhchcn Luthertums liegen im Pastorenmangei und in der Sprachensragc. Die Kirche in Amerika ist eine vom Staat getrennte Genossen schaft. Als religiöse Körperschaft geht sie den Staat nichts an: mit ihrem Glauben unv Gottesdienst hat er nichts zu tun. Reli gion ist Privatiache und Fannlic»aiigtlcgr»hcit. Der Sonntag ist zwar staatlich anerkannt, die Sitzungen des Kongresses werden mit Gebet eröffnet. Die Amerikaner lege» Wert daraus, daß bei ihnen nicht Duldung, sondern Religionsfreiheit herrscht. Diese Grund lätze haben aber auch ihre Schattenscilen. Die völlige Trennung von Kirche nnd Staat begünstigt das Auftreten religiöser Schwarm geister : am bekanntesten sind die Gesundbeter nnd die Mormonen. Letztere sind fleißig, aber henschsüchtig. Vielweiberei haben sie nur scheinbar aiisgcgeben. Alle Christen stehen gegen sie. Wie der Staat mit ihnen fettig werden will, ist noch ein Problem. Zinn Schluß gab der Redner noch ein lichtes Bild. Tie amerikanische Gesellschaft im allgemeinen ist von Verehrung der Religion durch drungen. Die gebildeten Klassen besuchen in der Regel die Kirche und halten Tischgebet und Hausandacht. Die leitenden Männer gehöre» meistens engeren Kircheukörpcrn an. Ta die staatlichen nnd kommnnalen Schulen religionslos sind, sind freiwillige Sonn- tagsschulen absolute Notwendigkeit. Es gibt einen amerikanischen Nationalgeist, der aus urgermaniichcn Institutionen und vorwiegend protestantischer Religiosität beruht. Dieser Geist ist noch nicht er storben. Ec wird dir Kraft besitzen, auch der vorhandenen Schäden und Schwierigkeiten Herr zu iverden. — In vorgerückter Stunde »ahm, jubelnd begrüßt, Superintendent v. Meyer-Zwickau das Wort zu dem Vorträge: „Der Jesuitenorden und die deutsche Volksseele." JesuittsinnS und Christentum sind von einander so fern wie Mitternacht und Mittag. In die Kirche, die ohne Jesuiten nicht auszukommen meint, fällt die Anklage des Herrn hinein: Solang bin ich bei euch und ihr kennt mich nicht. Der Orden Jesu meinte, den Katholizismus zu retten und hat ihm doch die schwersten Wunden beigebrocht. so daß die Pariser Universität Recht behielt, als sie ihn den Zerstörer der Kirche nannte. Unser deutsches Volk kann de» Jesuittsmiis nie lieben. Welcher Deutsche freute sich nicht an der stolzen Reihe großer Männer, die aus ihm hervorgegangen sind, Luther. Francke. Schlciermacher, Kant, an der Zahl seiner Dichter: Goethe, Schiller. Herder? An den herrlichen Gestalten Wilhelms I. nnd Bismarcks? Wer blickte nicht stolz auf das rege Leben der Gegenwart in Wissenschaft und Technik? Gegenüber dieser Fülle der Gesichte muß der Jesuit uns Deutschen als störender Schleicher erscheinen. Unser Volk ist seiner ganzen Anlage nach ein geborener Ketzer. Daß es sich 1870 zu einheitlicher Macht zusammengeschlossen hat, ist den Jesuiten die größte Widerwärtigkeit; doch darf unser stolze- Reich nie zu dem Jesnitenspital werden. Deutlich zeigt die Geschichte die Wunden, die ihre Tätigkeit unS geschlagen hat; haben sie doch gebindert, daß die Reformation ganz Deutschland gewann. Möchten sie doch heute noch den katholischen Volksteil sernhalten von der Bekannt schaft mit uns und unserem Geiste! Warum will man die Jesuiten haben? Um der Freiheit willen, die der katholischen Kirche ge bühren soll und die doch nur zu unserer Unterdrückung würde ver wendet werden — um der Liebe willen, die doch nur unseren Schaden sucht. Wer will die Jesuiten zurück habe» ? Man sagt, das katholische Volk, aber dieses hat nur geringe Sehnsucht nach ihnen oder kennt die Geschichte und Ziele der Jesuiten nicht. DaS Zentrum will di« Jesuiten haben weniger aus Neigung, als um der Machtprobe willen, auf Betrieb des JesuitengeneralS in Rom. Wenn aber selbst der deutsche Reichskanzler ihnen die Türe des Reiches öffnen will, so eriveist er sich darin nicht als Schüler BlSmarckicher Politik, die stets den wahren Wert der deutschen Nationalkräste zu schätzen wußte. Für die Moral, für dle Ehrlich keit und Gewissenhaftigkeit unserer Volksseele, für unsere Wissen schaft würden die Jesuiten sein, was die Nonne ist für den grünen Wald. Darum muß, — so schloß der Redner seine mit lang andauerndem Beifall anfgenommene Rede — unser deutsches Volk dem Gedanken der Wicderzulassung des Jesuitenordens cln festes „Niemals" entgegensetzen. — Folgende Resolution zur Icsuitenfrage wurde einstimmig angenommen: „In Uebcr- eiilsliminung mit wiederholten frühere» Erklärungen ans den Generalversammlungen in Stuttgart, Bochum und Darmstardt er hebt dir Ulmer Generalversammlung detz Evangelische» Bundes von neuem Widerspruch gegen die Beseitigung des JeiuitengcjetzeS. Die Generalversammlung erkennt dabei mit Genugtuung an, daß nicht nur Kirchen. Regierungen und synodale Vertretungen, sondern auch politische Körperschaften sich gegen die Aufhebung deS Gesetzes erklärt haben. Die vom Reichskanzler in Aussicht gestellte Ans- hebung des 8 2 würde das ganze Gesetz hinfällig machen. Seit dem Jahre 1872 hat sich im Wesen »nd Verhalten der Jesuiten gegen den Protestantismus, den modernen Staat und das Deiltjchc Reich in Wahrheit nichts geändert. Nicht ans Besorgnis um nnsere evangelische Kirche, wohl aber in ernster Sorge um unser ohnehin durch Parteikämpse zerrissenes und von allerlei Gefahren bedrohtes Vaterland sprechen wir die Forderung aus, daß die Reichsregiernng. ihres hoben Berufes eingedenk, dem Drängen ans Wiederznlassung der Jesuiten endlich das notwendige „Niemals" entgegensetze» möge." lieber den Schutz der Arbeitswilligen schreibt di« „Köln. Ztg.": In der Besprechung des nunmehr völlig zu un- aunsten der Arbeitnehmer beendeten AusstandeS der Berliner. Omnibuskutscher ist bisher ein Moment nicht genügend ins Auge gefaßt worden, das unserer Meinung nach greller als irgend eine andere Tatsache nnsere Zustände, den Schutz der Arbeitswilligen betreffend, beleuchtet. Der Omnibus-Gesellschaft war es gelungen, sofort nach Ausbruch des Ausstcmdes eine so große Zahl Arbeits williger zu finden, daß der Betrieb leidlich aufrecht erhalten werden konnte. Da kam eine Verfügung des Berliner Polizei präsidiums, nach der vorläufig abends nach sechs Uhr ein Betrieb nicht mehr stattfinden könne, da befürchtet werden müsse, daß sich die aus den Fabriken heimkehrenden Arbeitermassen gegen die Arbeitswilligen wenden würden. Wenn eine solche Verfügung am ersten Tage noch zur Not zu verstehen gewesen wäre, so ist es doch völlig unbegreiflich, daß mehr als 24 Stunden nach Aus- bruch des Ausstandes das Berliner Polizeipräsidium nicht in der Lage war, genügende Vorkehrungen zum Schutz der Arbeit», willigen unter allen Umständen zu treffen. DaS Gegenteil stellt ohne Zweifel eine völlige Kapitulation vor dem hauptstädtischen Mob vor, denn ausständigen Arbeitern kann man doch Angriffe auf Arbeitswillige nicht zumuten. DicS Nachsehen legt die Frage nahe, ob nicht die Berliner Omnibus-Gesellschaft eine wirksame Entschädigungsklage gegen das Berliner Polizeipräsidium an- strengen könnte. Behördlicherseits'müssen unserer Ansicht nach in Berlin sowohl als in der Provinz Maßnahmen getroffen werden, die geeignet erscheinen, bei AuSständen den möglichen An griffen des Pöbels auf arbeitswillige Leute unter alle» Umständen zu begegnen Dresdner Nachrichten. Nr. 27S. Sette S. Freitag. 2. Oktober L»0»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)