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Sie Grundzüge der Besolduligsresorm. Erhöhung aller Grundgehälter. — Das Schlüfselungsfystem beseitigt. Die Potsdamer Tagung -es Wehrwolfs. — Ehamberlain lehnt das Genfer Protokoll nachdrücklich ab. — Neue Deukschenhehe in Dinank. Die große Rede des Aeichsfinanzminislers. Magdeburg, 11. Sept. Auf der heutigen Tagung des Deutschen Beamtenbundes sprach Reichsfinanzminister Dr. Köhler in einstlindiger. mit lebhaftem Beifall aufgenomme ner Rede tiber die Grundzüge einer Besoldung-» reform, mit denen sich die Retchsregierung in der gest rigen zehnstündigen Sitzung in allen wesentlichen Punkten einverstanden erklärt habe. An die Spitze seiner Ausfüh rungen stellte der Minister den Satz: Eine sofortige Reform der Besoldung der dentschen Beamten ist eine absolute Notwendigkeit. Aber in vollem Umfange ist sie auch jetzt noch nicht möglich. Unsere Finanzlage stelle Schranken aus, die nicht überstiegen werden können. Absoluter Leitsatz müsse auch bei dieser Reform sein und bleiben: Die Finanzen des Reiches müssen unter allen Umständen in Ordnung bleiben. Aber innerhalb des von mir so festgesetzten Rahmens muh das letzte getan werden, um der deutschen Beamtenschaft wieder die Lebensmögltchkett zu geben, auf die sie kraft ihrer Leistung Anspruch hat und die in sie ein neues Vertrauen zum Staate bringt. Das jetzige Besoldungswescn muh nicht nur geändert werden hinsichtlich der Höhe der Bezüge, sondern auch, was den Aufbau des ganzen GchaltSsystemS anlangt. Die neue Besoldungsordnung baut sich grundsätz. lich wieder auf dem Gruppensystcm auf und bleibt in der Zahl der Gruppen sowohl bei den auf- steigenden, als bet den Etnzelgehältern vollständig tm Rahmen des Bisherigen. Innerhalb der bisherigen Gruppen haben starke Zusammenfassungen stattgefunden. Die jetzigen Anfangs, und Ausrückungsgruppen. wie z. B. 10 und ll. 7 und 8, 8 und 4 usw., wurden zusammengefaht und mit einer automatischen Ausrückung ausgestattet. Die Be- förderungsstellen, also die jetzigen Gruppen 12, v, 7 usw., wurden im Interesse der Beamtenschaft normalerweise nicht in besondere Gruppen gelegt, sondern durch unwiderrufliche pensionsfähtge Zulagen herausgehoben. Durch diese Mastnahme, die auch die Verschlechterung beS Besoldungsalters aufhcbt, ist jetzt auch das System der Schlits» Iclung, die vielen Beamten trotz Eignnna das Einrücken in eine BcsördernngSstclle nicht ermöglichte, vollständig beseitigt. Die zweijährige Zulagefrtst wird bctbehalten. Die sogenann ten Gräben zwischen den unteren und mittleren, den mitt leren und oberen Gruppen sind dabei eiirgeengt worden. Die Klcichstellnng der weiblichen mit den männlichen Beamten ist verbessert morden. Die so viel angefetndete Frauenzulage wurde in das Grundgehalt eingebaut. Erst auf das durch die Frauenzulage erhöhte Grundgehalt wer- den die neuen prozentualen Erhöhungen der Gehaltssätze ge geben. Das System der Kindcrzuschläge wurde beibehalten, aber wesentlich vereinfacht. Die Differenzierung nach dem Alter der Kinder ist beseitigt worben. Für jedes Kind soll bis znm lll. Lebensjahr ein nleichmähiger Zuschlag von r« Mark monatlich gegeben werden. Die prozentuale Erhöhung der Grundgehälter ist der wesentlichste Teil der neuen Regelung. Sie sieht bei den untersten Besoldungsgruppen Erhöhungen tm durch schnittlichen Betrage von etwa 25 Prozent vor. die gleitend nach den mittleren Besoldungsgruppen bis aus etwa durch- schnittlich 2l Prozent und bet den höheren Grirppen ans etwa 18 Prozent gehen. Die genannten Beträge sind Durchschnitts- betrüge. Gruppen, die schon bisher sehr stark herausgestellt waren, sind teilweise mit geringeren Erhöhungen. Gruppen, die bisher stark vernachlässigt, mit wesentlich höheren Sätzen be dacht worden. Die bisherige Gruppe II erhält demgemäß neben einer namhaften Erhöhung des Anfangvbezuges eine Erhöhung von 88 Prozent. Die Nuhegehaltsempfän- ger, WartestandSbeamtcn und die Bcamtcnhinterbliebenen sollen mit den gleichen Erhöhungen wie die aktiven Beamten bedacht werden Der Wohnungsgcldzuschust soll in der bis- hertgcn Form beibehalten und nicht nach Besoldungsgruppen getrennt werden. DaS OrtsklassenverzelchniS wird alsbald neu ausgestellt werden. Eine Erhöhung der Bezüge für weibliche Beamte sicht auch daS neue ReichS- besoldungsgesetz nicht vor. Dagegen ist als Ausgleich dafür, dast die ledigen Beamten nunmehr von vornherein auch den Betrag dcS Franenzuschlags in Höhe von 144 Mark erhalten, eine entsprechende Kürzung des WohnungSgelbzNschusse» für sie vorgesehen. Zugunsten der Schwerkriegsbeschädigten ist eine wettere Ansbesserung ihrer Bezüge durch die Verbisse- rung ihres Besoldungsdtcnstalters beabsichtigt. Ebenso sollen die BersorgungSanwärter eine Verbesserung ihres Besol» dungSdtenstalters erhalten. Der Aufwand für die Durchführung de» Besoldung». grsetzeS ist bet der eigentlichen RetchSverwaltuna auf jäbr. lich 1VV Millionen Mark berechnet. Dazu kommen die Kosten der mit der Erhöhung der Beamtenbezüge stehenden Reform der Bezüge der Kriegsbeschädigten. Hierfür ist ein Betrag von etwa 170 Millionen Mark jährlich in Aussicht genommen. Eine entsprechende Vorlage wird dem Reichsrat demnächst zugehen. Wie ich bereits erwähnt habe, ist die vorgeschlagene Be- soldungsreform etngespannt in den Rahmen des finanziell Möglichen. Daraus ergibt sich, daß die Ausgaben, die durch diesen Gesetzentwurf entstehen werden, keinerlei Erhöhungen der jetzt bestehenden Steuern nach sich ziehen dürfen, eben sowenig Tariferhöhungen für die Eisenbahn. Reich und Preußen gehen in der Bcsoldungsvvrlage grundsätzlich ein heitlich vor. Das schließt selbstverständlich nicht aus. daß Preußen für diejenigen Beamten seiner Verwaltung, für die es vergleichbare NeichSbeamte nicht gibt, Zwischenstufen einführt. Ich hoffe, daß auch andere deutsche Länder ebenso wie die Gemeinden, über die Sätze des Reiches nicht hinaus gehen. Daß eine Aenderung deö Finanzausgleiches im gegenwärtigen Augenblick nicht in Frage kommen kann, halte ich für selbstverständlich. Dagegen möchte ich annehmen, daß die Hoffnung auf steigende Erträgnisse, und damit auf Höhere Ueberwcisungen auf die Länder und Gemeinden, durchaus berechtigt ist. Die neuen Bezüge werden der deutschen Volkswirtschaft starke Anregung geben, denn sie werden die innere Kaufkraft heben. Aber in diesem Zu sammenhang sei ein ernstes Wort gesagt: Es wäre ein Frevel au der ganzen deutschen Volkswirtschaft, wenn diese Aufbesserung bas Preisniveau erhöhte. Die Reichsregie rung wird, wenn erforderlich, eingrcifen, um die verhäng nisvolle Wirkung auf die Konjunkturbewegung und die all. gemeine Wirtschaftslage abzuwehren. Die Aktion der Reichs- regierung ist getragen von einem starken Optimismus und dem unerschütterlichen Glauben an einen fortschreitenden Aufstieg. Möge die Tat. die in dem von mir angekündigteu Werk liegt, reiche Früchte tragen für alle unsere Beamten in Stabt und Land, möge sie ein Segen sein für unser ganzes Volk und unser geliebtes Vaterland. Wie Dr. Köhler noch mittetltc, wird er in den nächsten Tagen bereits dem HauShaltsauSschnß des Reichstages Vor schläge wegen Auszahlung von Abschlagszahlungen am 1. Oktober unterbreiten. Das Reichskabinett zum Besoldungsgesetz. Berlin. 11. Sept. Das Reichskabinett beriet gestern unter Vorsitz des Reichskanzlers Dr. Marx den Entwurf eines Be. oldungsgeseyes. Das Kabinett stimmte dem Entwurf n allen wesentlichen Teilen zu. Die Schlußberatung findet in den nächsten Tagen statt. Die Kabinettssitzung hat sich außerordentlich lange hin. gezogen. Erst in später Nachmittagsstunde ging die Sitzung zu Ende. Neben der Frage der Kostenaufbringung — bekanntlich verlangen die Länder Zuschüsse, die der Reichs- finanzminister nicht zugestehen will— spielten auch Erwägungen eine Rolle, für Reichswehr und Beamte getrennte Besoldungssysteme einzurichtcn Ebenso ist die Frage noch nicht endgültig gelöst, in welchem Verhältnis die höheren, mittleren und unteren Beamtengruppen jetzt bcsscrgcstellt werden sollen. Für ein freies Grotzdeutschlanö. Die Wekrwolfiagung in Potsdam. (von unserem nach Potsdam entsandten Sonderberichterstatter.) Im Schützenhaus zu Potsdam und in einer anderen großen Gartenwirtschaft unweit von Sanssouci war das Stand, quartier der sächsischen Wchrwolf-Einheiten, die am ReichS- wehrwolf-Tresfen teilnahmen. Am Sonnabend fand man dort ein vergnügtes feldmäßiges Treiben vor. das manche KriegSerinnerungcn wieder wach werden ließ. Die Wehr- Wölfe waren dabei, Essen zu fassen. Aus großen Kübeln wurde die Erbsensuppe in die Teller gekippt und ein Stück Speck segelte hinterdrein. Während die einen sich tüchtig ans Löffeln gaben, waren andere damit beschäftigt, die Feld- gcschirr« wieder zu spülen, dritte wieder schrieben eifrig Postkarten, und die älteren Semester hielten ein Mittags- schläfchen. Der LandeSverbandSführer Sachsens, Sch icke- tanz, freute sich, einen Vertreter der Hcimatpresse begrüßen zu können, und gab bereitwillig Auskunft. In zwei großen Sonderzügen sind die Sachsen in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend nach Potsdam gerollt. Während der eine Zug direkt aus Leipzig kam, wo die stärksten Wehrwols-Einheiten bestehen, lief der zweite von Chemnitz über Riesa, wo sich die ostsächsischen Einheiten anschlossen. Die Bautzner und Pirnaer Wehrwölse legten die Strecke auf Lastkraftwagen zurück. Die Führung Ostsachsens lag in den Händen der Herren Rosig (Dresden) und Gabsch (Großen- Hain). Der eigentliche Dresdner Führer, Major Scharfer, konnte krankheitshalber an der Tagung nicht tetlnchmen. Die sächsischen Frauengruppen des Mehrwolf, „Opfer- gruppen" genannt, waren in Stärke von ISO Köpfen ver. treten. Am Sonnabcndnachmittag unternahmen die Sachsen auf drei großen Sondcrdampfern Rundfahrten aus der Havel. Der Landesverbandsführer rühmte das entgegenkommende Verhalten der Potsdamer Polizei. Sonnabend abend rückten die Abteilungen in das PotS- bamerStadton.wo bereits die Wettkämpfe stattgefunden hatten, und nahmen dort vor dem Gefallenen.Denk- mal der Stabt Potsdam Aufstellung. Das Denkmal wurde flankiert von einem Wald von Wehrwolf-Fahnen. jenen un heimlichen schwarzen Feldzeichen mit eingesticktem Totenkopf und gekreuzten Knochen. In. Stärke von drei Bataillons, kapellen konzertierten sächsische Wehrwols-Musiker. Bet Ein bruch der Dunkelheit flammte mächtiges Rotfeuer auf. SOS Fackelträger umsäumten den Platz. Nach Beeendigung der Feier, in deren Verlauf Kränze niebergelegt wurden und eine BiSmarck-Huldigung stattfand, erklang der Zapfenstreich, worauf die Mannschaften in die Quartiere rückten. Am Sonntagvormtttag stellte sich der gesamte Wehrwolf »ur Paradeausstellung im Stadion. Der Bundesführer verkündete die Ergebnisse der sportlichen Veranstaltungen vom Sonnabend. Im Gepäckmarsch haben die sächsischen Jungwölfe eine recht gute Leistung zu verzeichnen, indem sie mit voller Belastung (25 Pfund) 25 Kilo- meter in 202 Minuten zurücklegten. Auch beim Klein- kaliberschieben schnitten die Sachsen gut ab. Neun Mann schollen mit je zehn Schuß ans der Zwölferscheibe 532 Ring«, was einer Durchschnittsleistung von etwa neun Ning«n pro Schub entspricht. Nach der Verkündung der Wett kampfergebnisse verbreitete sich Dr. Kloppe über Die Ziele des Wehrwolfs Der Bundesführer ging zunächst auf den Sinn des Wehrsports ein, der im Gegensätze zu den Rekord leistungen des einzelnen, auf die es dem modernen Sport ausschließlich ankomme, auf Gruppen- und Gemein- schaftslei st ungen abziele. Vom kommenden Jahre an müsie jeder Wehrwolf bis zum 24. Lebensjahre eine Leistungsprüfung ablegen. Dr. Kloppe sprach dann weiter über die Erziehung zur S t a a t S g e s i n n u n g. zur Pflicht, zur Vaterlandsliebe und zum Freiheitssinn. Der Wehrwols sei eine soziale dcutsche Freiheitsbewegung nach »uen, wie er eine kategorische Freiheitsbewegung nach «ßen sei. Mit der Führung des Staates dürften nur solche Menschen und Gruppen betraut werden, die bewußt national dächten und handelten. DaS politische Ziel nach Außen sei ein deutsch-germanischer Staat Mitteleuropas. Die erste Etappe dazu sei der Anschluß Deutsch, österretchs. Selbstverständlich gehöre auch die Rück gewinnung der uns widerrechtlich entrissenen Gebiete dazu. Der Führer mahnte sodann seine Gefolgschaft, sich fern zu halten von allen reaktionären Äestre- bungen, die das Fronterlebnis wieder in eine ver. gangene Epoche umbiegen wollten. Nicht minder sollte sie sich frei halten von allen plutokratischen Ein- flössen, die das Gemeinschaftsleben vergifteten. Gerade in einer Zeit, wo sich der internationale Großkapitalismus rüste, die Herrschaft über alle Völker und somit auch über das deutsche zu verwirklichen, gelte es doppelt auf der Hut zu sein. Die Wehrwölfe müßten Revolutionäre sein im edelsten Sinne des Wortes, Widerstand leistend allem, was de« freien, stolzen Mann beugen und knechten wolle. Bei diesem Wollen gehe cS weniger nm Formen als «m Inhalte. Die Deutschen seien ein Volk ohne Raum, deshalb trete der Wehrwolf für die Siedelung ein. die von der Regierung vernachlässigt werbe. Zu diesem Zwecke habe der Wehrwolf eine Siedelungsschule geschaffen. Brennend sei weiterhin die s-oziale Frage. Alle Versprechungen von ISIS seien unerfüllt geblieben. Noch immer reiße diese Fr«me daS deutsche Volk auseinander. Noch immer gäbe eS in Deutschland Menschen, die den Kastengeist nicht über, winden könnten. Zur Lösung der sozialen Frage gehörten auch die wirtschaftlichen LebenSbedtngungen der Hand.