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- 67V - welcher Ausruhr in ihr tobte. Mit ein paar raschen Schritten trat er dicht an sie heran. „Wie ? " Er sah ihr drohend aus nächste» Nähe in die Augen. „Soll das etwa heißen, daß Du Dich weigerst, zu schreiben?" .Ich — ich kann nicht." stöhnt« sie. »Du rannst nicht ? Was kannst Du nicht?" » Sie hob ihr Gesicht und hielt seinen Blick voll au» und nahm olle ihr« Kraft zusammen. .Meinen Vater helügen kann ich nicht." „Belügen? Er richtet« sich tlrass und machte «in« protestierende Handbeweguna. „Höre mal. das ist ein starker Ausdruck." Der aussteigende Aerger verriet sich wieder in dem harten Ausdruck seiner Blicke und dem anschwcllenden Ton seiner Stimme. .Bist Du solch ein unver- ständiges, unerfahrenes Kind, daß Du noch nicht weißt, daß man im Leben ost zu «in«r kleinen Ausflucht greift, um sich und anderen Aerger zu ersparen? Wenn man sich -Miner die Wahrheit sagen wollt«! Herrgott, wozu würde das sichren! Gar nicht aus- zudcnkcn! Man ist verpflichtet, hörst Du. geradezu verpflichtet, häufig die Wahrheit zu verschweigen. Und hier vollends handelt es sich um eine ganz harmlose Notlüge, deren ich mich nur in Rücksicht aus mein zukünftiges gutes Einvernehmen mit Deinen Eltern bediene: denn im Grunde ist es dock» «aal, ob ich das Geld von Deinem Vater unter diesem oder senem Boraeben erbitte. Schicken wird «r es sa doch auf jeden Fall. Hm übrigen trage ich di« Verantwortung. Du tust nur. was ich von Dir verlange . . . Also bitte!" Sie machte »och immer keine Miene, ihm zu willfahren. Da packte er sie mit rauhem Griff am Arm und zog sic vom Stuhle empor. ..Du willst Dich gegen mich vuslehneil?" herrschte er sie in ausbrechendem Grimm an. „DaS laß Dir vergehen, ein- jür allemal, hörst 'Du! Ich dulde nicht, daß man mir Drob bietet, am wenigsten von meiner Frau. die mir Rücksicht und Gehorsam schuldet " Seine Augen flammten^ seine Finger legten sich fast wie ein Schraubstock um ihr Handgelenk: seine Zähne knirichten, und sein Fuß stampfte heftig aus den Boden aus. „Ich vernichte Dich einfach, wenn Du es wagst, mir den Gehorsam zu verweigern." Er zog sie nach dem Schreibtisch hin. Alle ihre Widerstandskraft brach unter seinem unbändigen Zorn, vor seiner gebieterischen, herrischen Art. gegenüber dem Uebcrg«wicht seiner physischen Siärke und seiner Tatkraft. Willenlos ließ sie sich in den «Stuhl fallen, der vor dem Schreibtisch stand, und gehorsam nahm sie die Feder, um nach seinem Diktat zu schreiben. Zum Glück waren es nur wenige Zeilen, die er ihr adzwang. Der überstandene Schrecken liege ihr noch in allen Gliedern, auch sei Eile geboten, deshalb müsse sic sich heule kurz fassen. Auch ihre ungleichen, schrägen, zittrigen Schriftzüge, die von der Sauberkeit und Regelmäßigkeit ihrer sonstigen Hand schrift deutlich abstachcn. konnten als eine Bestätigung der Aufregung dienen, die der angebliche nächtliche Einbruch bei ihr heroorgerusen hatte. Kuno Wichard kuvcrtierte den Doppelbrief, während er ein Liedchen vor sich hinträllert«, schrieb die Adresse und eilte davon, um selbst den Gries zur Post zu besorgen. Helene schleppte sich halb ohn mächtig in ihr Schlafzimmer. Hier warf sic sich verzweifelt auf ihr Bett. Ihr war zu Mute, als ob etwas in ihr gebrochen, als ob ihr ein Ideal in Trümmer gefallen wäre. 'Ihr Schmerz, ihre Verwirrung, ihr Entsetzung waren so groß, daß sie nicht einmal Tränen fand, sondern nur mit wirren, irren Blicken in die Leere starrte Es tvar noch an demselben Abend. Helene zog sich gleich nach dem Diner in ihr Zimmer zurück. Von Küno. der bei Tisch bei bester Laune gewesen und über das Miß geschick am Nachmittag mit seiner Trschnachbarin beiter gescherzt und gelacht hatte, war «in Spaziergang in Vorschlag gebracht worden. Die Gräfin Dobritoss hatte lebhaft zugcstlmmt, Helene aber fühlte sich so matt und elend, daß es ,ihr schon physisch unmöglich gewesen wäre, sich anzuschließen. Auch befand sie sich in einer Gemütsstimmung. die ,hr das Verweilen ,n Gesellschaft anderer zur Marter gemacht hätte. Helene sah, wie die kleine Gesellschaft ausbrach: Zuno. die Gräfin und ihre Gesellschafterin. Kuno schritt an der linken Seite der Gräfin. Die junge Frau beohachtete hinter den Stores versteckt, wie sich die Russin an feinen Arm schmiegte. In lebhafter, anregendster Unterhaltung, die Gesichter einander zuyekchrt, schritten sie dahin. Und.trotz allen Grams, trotzdem sie innerlich wie zerrissen war. konnte sie sich einer eifersüchtigen Anwandlung nicht erwehren, und sie bereute fast, daß sie doch nicht alle ihre Kräfte zusammengenommen und sich an der Promenade beteiligt hatte. Als die Drei ihren Blicken entschwunden waren, rair «ine tiefe Traurigkeit über sie, und zum ersten Male in ihrer jungen Ehe erwachte eine heiße Sehnsucht nach der Heimat in ihr. In einem apathischen Zustand verbrachte sie die Stunden bis zum Abend, teils aus der Chaiselongue im Schlafzimmer liegend, teils im Wohnzimmer auf- und abschreckend, ab und zu einen Blick aus die Uhr heftend. Um neun Uhr ließ sie sich den Tee aus ihrem Zimmer servieren. Obgleich sie sich am Nachmittag nach dem Allein- stin gesehnt hatte, begann jetzt die Einsamkeit und Stille ihres Zimmers sie zu be drücken, und obgleich sie beute so harte Worte von Kuno vernommen hatte, stieg -och das Verlangen nach dem Klange seiner Stimme in ihr auf. Sie war jo malt und ruhebedürstig, daß sie sich nur mit Mühe aus den Füßen halten konnte. Dennoch konnte sie sich nicht entschließen, sich niederzulegen und im Schlei Vergessenheit und Kraft zu suchen. Von Zeit zu Zeit lauschte sie nach dem Korri dor hinaus, und so oft ein Männerschrckt hörbar wurde, klopfte ihr das Herz schneller und stieg ihr die Röte der Erwartung ins Gesicht. Aber Kuno ließ noch immer auf sich - 671 - Fiebernd vor Ungeduld, saß sie aus " r dem Hotel hinaus, aus dem warten. Schon hatte hie 11. Stunde geschlagen. einem Sessel an dem geöffneten Fenster und starrt« aus den Platz vor ^ der mir schönen Garteaanlagen geschmückt war. Ad und zu hörte sie Schritt« knirschenden Kies, und jedesmal tlog sie von ihrem Sitz auf. um sich zu überzeugen. »» «» Kuno war. der endlich zu ihr zurückkehrt«. Ihre erregte Phantasie spiegelte ihr allerlei qutlende Bilder vor. Wahrscheinlich hatte di« Gräfin io» noch animiert, »hr Gesellschaft zu leiste», ugd sie saßen im Speilesaal des Hotel» und soupierten, «um» dosierte der eleganten Russin^ die kein Mittei der Koketterie unversucht ließ, um dt« Bewunderung' y. wie am Spieltisch darauf aesolgt —. „— ... „ ............ .... ... - lasienljeck. in der sie nun hier saß. und die ihr bas Herz io schwer machte uud «ne uner tragisch«, nieberziehende. schwermütig« Stimmung in ihr erzeugte. Da schreckte sie plötzlich eine lqute, lachende, belle Frauenstimme aus ihrem Grübeln auf. Mit einem Satz fuhr sie in di« Höhe. Vorsichtig, sich mit dem zurück gezogenen Store drapierend, sodaß sie nicht gesehen werden konnte, spähte sie hinaus. Helles elektrisches Licht flutete über den Platz. »sie erkannte die beiden Promenierenden auf den ersten Blick. Die Russin war es, und an ihrer >sritc schrill Kuno,^ahnungslos, datz jede seiner Bewegungen von zwei Frauenaugen beobachtet wurde, »sie schritten dicht nebeneinander, ohne daß Küno seiner Begleiterin den Arm gereicht hätte. W>« es schien, plauderten sie lebhaft. Beide schienen in heiterster Laune, und wiederholt erklang das Helle, kokette Lochen der Russin. .. Aber waS halten sie nur? Mit einem Male beflügelte die Russin chr Tempo: in wenigen Sekunden war sie ihrem Begleiter ein paar Schritte voraus, als flieh« sie vor ihm. Doch machte sie plötzlich Halt, und nun stand er auch schon ihr gegenüber. Eine namenlose Angst packte die Lcmichcrin und ihre angstvolle Erregung steiget« sich biS zum Parozismus: sich weit aus dem Fenster lehnend, ries sie mit gellender fei sie selbst von dringender Gefahr bedroht: .Kuno! Küno!" Zimmer. «Sage mal. bist nikberstehende mit strengen i«. em Fenster lehnend, riet sie mit geuenver Stimm«, als ..ehn Minuten Ipätcr trat Kuno Wichard zornrot ins Du nicht recht gescheit?!" schalt er. die ihm zitternd Gegen« Blicken mcsscnd. „Was siel Dir denn ein? Warum schreist Du denn da plötzlich mitten in der Nacht so laut aus dem Fenster, daß man denken muß, es sei irgend ein Unglück geschehen, es sei jemand bei Dir eingebrochen und wolle Dir an die Gurgel!" Er sah sich forschend im Zimmer um. trat in den Äebcnraum und kam kopfschüttelnd zurück. Helenes Aufregung war einer plötzlichen Entnüchterung gewichen. Sie schämte sich und stand schuldbewußt, wie «in Schulmädchen, vor ihm. „Verzeihe!" stammckte sie. „Ich war so allein, und da wurde mir plötzlich so angst —" „Und da schreist Du wie eine Unsinnige?" unterbrach er sie ärgerlich, verächtlich. „WaS toll denn die Gräfin von mir denken? Eine unangenehme Situation, in die Du mich gebracht hattest!" Er trat dicht vor sie hin und sah ihr argwöhnisch, durchbohrend in die verlegen gesenkten Augen. „Sage mal, Du hast wohl spioniert — he?" Eine fliegende Röte stieg ihr in die Wangen: ihre Mundwinkel zuckten und ihre Augenlider bewegten sich inaner- vös.'i De «mpjchlen, daß Du Dir fo bald als möglich adgewöhnst, meine «Schritte zu beargn so ost ich mich einmal in Gesellschaft einer anderen Dame befinde. Wahrhasti, muß sich ja Deinetwegen schämen. Dein Mangel an Erziehung und Selbstbeherrschung ist einsam skandalös. Die Gräfin ist natürlich zu taktvoll, als daß sie irgend etwas geäußert hätte, aber ich sah ihr wohl an, wie sie über Dein kindisches Betragen denkt." Ein plötzlicher Trotz kam über die Gescholtene und sie warf Lerinaschätzig die Lippen auf. „Es ist mir sehr gleichgültig, was sie von mir denkt." „So? Na. darüber werden wir uns morgen unterhalten. Ich bin jetzt müde . . ." Am andern Morgen wandte sich Küno Wichard an seine Frau: „Sobald wir der Gräfin Dobrikoff Legegnen, wirst Du ein paar entschuldigende und ausklärend« Wort« an sic richten. Du habest Dich gestern abend auf di« Chaiselongue gelegt und seiest leicht «ingeschlummert. Da habe Dich ein Geräusch plötzlich aus dem Schlafe geschr«, der Meinung, daß sich irgend ein Fremder ins Zimmer geschlichen hätte, seist ^ schrockcn ans Fenster gestürzt und hättest in 'Deiner jähen Angst instinktiv nach mir ge rufen. ohne Ahnung, daß ich mich zufällig in der Nähe befand. Du bedauerst sehr, die Gräfin durch Deine Angstrufe erschreckt zu haben, ohne es zu wissen und zu wollen — ^örst Du! Die Geschichte klingt einigermaßen plausibel, jedenfalls erspart sie Dir die cschämung und Hilst uns allen über die immerhin peinliche »Situation hinweg." Helene erwiderte nichts. In ihrer Brust aber erhob sich ein heftiger Aufruhr. Das. was sie durch die Schuld der Russin erlitten, wurde in ihr lebendig, und wenn auch vielleicht die Szene, deren Zeugin sie in der Nacht gewesen, nichts Ernstes zu bedeute» hatte, so hatte sich ihrer dock eine starke Antipathie gegen die Fremde bemächtigt, die. ob- gleich verheiratet, ohne Gatten in de^. Welt umherzog und mit anderen Männern kokettierte. „Nun," fragte er mit einem leichten Anflug von Ungeduld, „hast Du mich verstanden?" „Ja." sagte sie kurz, ohne ein weiteres Wort hinzuzufügen. iFortstduns Dienstag.) . >- Du er- Imnüm dillim ÜMlilit! In unserem Saison -^ugvorkLiil verloren vir /n kadvlliatt vrmSsslstvn kreisen: MM ln svlivarr und kardlx: deck« I .. . Ist. 4,- decke II ... Ist. decke III ... ist. 12,- Ziaitbmäntel ln allen Karbon: decke I .... ist. 7,- derie II .... Ist. 1S.5« decke II! .... ist. 18,- Isorliiitie l» »llv» decke l ... Ist. 8,50 decke II ... Ist. 16,- derie III ... Ist. 2V,- VIMN ln 8vldv, Wolle, lavlven und Lallst: decke I ... Ist. 2.50 decke II ... Ist. 8,- decke III ... Ist. 8.- Welle Sll'I- blllM