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7«. Jahrgang. Mittwoch, 3«. Juni ISA Gegründel 183« t^o wurk. DradlanlchrM: N«»rI»I»>> D »»,»»>«. 8»rn>vr»chrr - Sommelnummrr! LS L41. Nur >tir Nachlgelprüch»: L0LN1. ^plttcie:» (Äoftljfzr AM >a. di» so. Juni IV2V A' ^aUg>p»«>maItg»r Zugellunc, >r»l vuu» vvcvUi/i Poftd»zug»pr»i» iür NIonal girm Z Mar» odn» Posi-u!I»Uung»g«büdr. a>».,»I»»»»er »e Pi»»ai,. «oidmar» v»r»chnM, dt» »inIpalNg» tv mm bretl» SS Pi». ffamcII«MU»,g»n und S1»II«nu«>uch» ohne 20 PI«^ di» SO mm dretlr A«KIame,»>le ISO Ptg. )lserl«na»büt>r 10 Pia. Ausw. Auilraq« a«a»n Porauabe.ro»> Dt» Nnz»l Anzeigen-Preise: -usterdald SchnIIleiluna und S»upIgeichii>I»stell«: MartrnIIro >» ^IS/42. Drulh u. Vrriaa von -Steptrh I» Artchardl m Dresden. PolttcheL-KonIo >068 Lr»»d»n. NachdruiN nur mtl deuMltier L»u«Uennnnade .Dresdner Naidr.", ,u>ä»Io. Unn»rlannle SairilMusc- werde» ni«i »uidewohri. Leklügef - Sülls - ^letrs - pfostsn ste. d-iun dvsts und vngliscki«» S. prsger Steaks 32 8CN0X0I.zoe' XäXKO Kurisis piolpisnos seit 1634 bsstbswsliriss LZuslilstssskrikst HeiNsn Ls-, 12 26 eleganter Reisegepäck ÄRtLtLH? Seinste teckerwaeen 26 Fürstendebatte im Reichstage. Neue Vorschläge zur Entwirrung der parlamentarischen Lage. Vrian-S Regierungserklärung. - Sochwasser-Deballe im Kaushallausschuh. - Stürmische Berggesehdebalke im Unterhaus. Noch keine Aussicht aus Einigung. lDrahtmeldung unsrer Berliner Schrtstlrttung.) Berlin. 29. Juni. Das Plenum dcö Reichstags besastte sich heute mit der zweiten Beratung de» Gesetzentwurfs über die vcrmögenSrcchtliche Auseinandersetzung zwischen den deut sche» Ländern und den vvruialS regierenden Fürstenhäusern. Das HauS tritt in die Beratung dcö 8 1 ein, der das Reichssondergcricht vorsieht. Der Sitz des Gerichts ist Leipzig. Es enischcidet in der Besetzung von neun Mit glieder». Bier von den Mitgliedern müssen Mitglieder von ordentlichen Gerichten oder BcrwaltungSgcrichten sein. Abg. Dr. Barih sD.-N.» beantragt, das, vier von den Mit gliedern dem Reichsgericht, den obersten Gerichten, Ver- waltiingsgcrichten, dem Reichssinanzhvf oder dem ReichS- wirtschastSgcrtcht nngchörcn inüsscn. Die vier andere» Mitglieder dürfen nicht Parlamentarier oder Minister sei» oder gewesen sein. Man habe die Zusammenarbeit mit den Dentschnationale» nicht gewollt und unter dem Druck der Ltrastc wesentliche Grundsätze des Rechtsstaates preis- gegeben. Das Svndcrgerichl müsse von politischen Einflüsse» frei sein. ?lbg. Dr. Nosenseld (Soz i beantragt, das, die Mitglieder des Gerichts vom Reichstag gewählt werden. Neichsinnenn»intsler Dr. Kiilz erklärt, die Regierung stehe geschlossen hinter dem Gcsctz- eiilwiirs, wie er jetzt dem Reichstag vorlicge. Die Unter stellung, das, der Eiiiwnrs unter dem Druck der Strasie ent standen sei, müsse er entschieden zuriiclwcisen. Wer das «besetz ablehne, nehme eine grosse Bcraiitwvrtnng ans sich. Aus einem Richtzustandekoinuien des Gesetzes werde die Re gierung die Uvnsegnenzen ziehen. ES handle sich hier sowohl »m eine Rechtsfrage wie nm eine staatspolitische Frage. Darum müsse auch der Gerichtshof eine entsprechende Zu sammensetzung answeisen. Die Staatsnmwälzung habe zweifellos die rechtlichen Grundlagen verschoben. Die Vor lage suche einen Ausgleich zwischen den staatspolitischen Not wendigkeiten und de» Forderungen des Rechts. DaS ganze deutsche Volk wünsche nichts aufrichtiger, als das, möglichst schnell und geräuschlos dieses unheilvolle Thema auS der politische» Debatte verschwinde. dlbg. Schulte, Breslau tZ-i erklärt, das, die ordentlichen Berichte nicht die geeignete Stelle zur Entscheidung in diesen !>ra»-"- sein könnten. — dlbg. v. Graese sVölk.s nennt die Vor lage ein parteipolitisches Streitobjekt. Sie sei auch durch dlenderungcn nicht zu bessern. Die Völkischen werden sich daher der weiteren Mitwirkung entziehen. dlbg. v. Lindeincr-Wildan (D. N.s betont, das, die Deutsch- nationalen keine Sabotage treiben, sondern den ehrlichen Versuch machen, die staatsvolitischcn Momente unter Ausscheidung parteipolitischer Wunsche zur Geltung komme» z» lassen. Wenn die Fürsten ausgehöri haben, souverän zn sein, so haben sie doch nicht ausgehört, Staatsbürger zu sein. Lie können den gleichen Rechtsschutz wie die anderen Staats bürger beanspruche». Damit schlicht die dlnssprachc. Die sozialdemokratischen und dentschnalionalen dlnträge werden abgelchnt. 8 1 wird mit den Stimmen der Regierungsparteien und der Wirt- schöstlichen Bereinigung angenommen. Dagegen stimmen die Bölkiicbcn und die Kommunisten. Dentschnativnalc und Sozialdemokraten enthalten sich der Abstimmung. Es folgt die V'cralnng der 88 2 bis 1. die von der Zuständigkeit des Sondergerichts .sandeln. Das Svndergericht kann eine nach der Umwälzung non lültt vvrgcnommene Geiamianseinaiidcrsctznng nur ans ii b e r c i n stimmenden Antrag beider Partei? n neu nnsrollen. 8 2 wurde mit den Stimmen der Deutsch- nationalen. der Sozialdemokraten, der Völkischen mnd Uom- munisten abgelchnt. 8 9 wurde danach mit 112 : UI9 Stimme» bei 7ü Enthaltungen ange n v m m e n. mit der gleiche» Mehr heit 8 4. Der kommunistische dlbg. Neubauer forderte, da die Bestimmungen über die Zuständigkeit des Sondergcrichts ab- gelchnt seien, Abbruch der Verhandlungen und Auslösung des Reichstags. Der Präsident erklärte, das, die Verhandlungen »nr abgebrochen werden könnten, wen» alle Teile der Vor lage abgelchnt seien Es folgte die Beratnng der 88 !> bis 7. die Bestimmungen über die Behandlung der Streilmassc treffen. dlbg. Lohmann lD. dt.> beantragte Streichung der Bestim mungen, die die Feststellung von Staats und Privateigentum bctrcssen und beantragte ferner, das, rechts!lästige Urteile, Schiedssprüche, Vergleiche nsw. masigebcnd bleiben. Ein denlschnationalcr Antrag wendet sich gegen den Dchlus, deS 8 7, der die Vermögcnsstückc behandelt, über die bereits vor 1918 eine Auseinandersetzung stattgesunden hat. — dlbg. Dr. Nosenseld lSoz.j meinte, ivcil das Rechtögefühl durch die An sprüche der habgierigen Fürsten erschüttert sei. müsse der Ent wurf in entsprechender Fassung angenommen werden. sAbg. Kubc lVölk.j rief dem Redner zu: Das mus, ein Jude sagen, ein Stammesgcnosse Liarmats.s — Abg. Landsberg lSoz.j (wurde von Völkischen mit dem Nus cmpsangcn: Jetzt kommt der zweite Jndcj begründete einen Antrag, durch den die Möglichkeit gegeben werden soll, auch die Bcsitzverhältnissc der Herrschaft Schwedt-Vierraden vor das Sonder- gericht zu bringen. Abg. ». Lindeiner-Wildan (D.-N.s betonte, dass die Ver fügungen der Volksbeauftragten aus dem Jahre 1918/19 aus drücklich das bis dahin geltende Recht als Richtschnur für die Vermögenövcrhältnisse der Fürsten bezeichnet haben. Jetzt wolle man diese» „Fehler" der Volköbcanfiragten korrigieren und über die Revolution »och hinansgchen. Durch diese Ziveckgcsctzgebilng werde die Grundlage des Rechtsstaates ge radezu aus den Kopf gestellt. 8 k wird gegen die Dentschnationalen, Völkischen und Kommunisten angenommen. Ein dcutschnationalcr Antrag zu 8 9, wonach rechtskräftige Urteile, Schiedssprüche, Ver träge und Vergleiche mastgebend bleiben sollen, wird mit Ml gegen 198 Stimmen bei einer Enthaltung abgelchnt. Die 88 6 »nd 7 werden angenommen. Die Beratungen wer de» danach abgebrochen und das Haus vertagt sich auf M i t t w v ch nachmitta g. Verschärfung -er Lage. Berlin, 29. Juni. Auch der Beginn der Plenarbehandlnng des Fürstcnabsindnngsgcsctzes hat noch keine Klarheit darüber geschaffen, wie sich das endgültige Schicksal dieses Entwurfes gestalten wird, Unverkeiurl'ar ist heute lediglich bei den beiden F l ü g e l p n r t c i e n das dlestreben hervorgctreten, die Be kanntgabe der endgültigen Stellungnahme so lange als möglich hinansznschiebcn. Die Dentschnationalen l>aben es vermieden, die von einem Teile der Regierungsparteien er wartete Erklärung abzngeben, das, sie nunmehr auf Mitarbeit an dem Gesetzentwurf verzichten, nmhrcnd die Sozialdemo kraten mit allen Mitteln versucht haben, den Gesetzentwurf in ihrem Sinne zu beeinflussen. Trotzdem man davon überzeugt ist. das; das Geduldspicl der letzten Tage nicht vor Freitag beendet sein wird, herrscht in parlamentarischen Kreisen doch die Ansicht vor, das, der heutige Tag eine deutliche Verschärfung der Situation gebracht habe. So ergebe sich einerseits ans der Ablehnung des 8 2 der Vorlage für die Regierungsparteien die Not wendigkeit, mit de» Sozialdemokraten in erneute Verhand lungen über eine diesen genehme Gestaltung dieses Paragraphen zu treten, während anderseits die heute vormittag mit den So zialdemokraten staltgesundcnen Verhandlungen gezeigt hätten, das, die Regierungsparteien austerstandc seien, wcitergehendcn sozialdemokratischen Wünsche» zu entsprechen. Dies zeigt immerhin, wie sehr alles am seidenen Faden hängt und wie leicht dieser reisten kann. Der R e i ch s i n n e n in i n i st c r D r. K ü l z hat heute noch einmal die Ncichstagsanflösung angedroht »nd durchblicken lassen, das, das Kabinett vom Reichspräsiden ten die Ermächtigung zur Auflösung des Reichstages cin- hvlcn würde, wenn der Reichstag das AbfindnngSgcsetz nicht aniielnne. I» parlamentarischen Kreisen ist man allerdings der Anssast'nng, das, die Auslösung ein Schreckgespenst darstcllc, mit dem tatsächlich wohl nicht zu rechnen sei, schön aus dem einfachen 9,runde nicht, weil die Parteien in der Mehrzahl das zur Führung eines WahlkampscS notwendige Geld nicht besitzen, nachdem erst der Volksentscheid riesige Summen ver schlungen hat. Dann aber fürchtet man bei der Sozialdemo kratie mit Recht, das, jetzt in einem Wahlkampf die Kom in u n i st c n nicht ohne Erfolg alles daran setzen würden, die sozialdcmokratiichen Anhänger auf ihre Seite M ziehe». Man hält die Androhung der Auslösung daher nur fllr daS Mittel, die widerspenstigen Parteien gefügig zu machen, umsomehr, als der heutigen N e i ch s t a g s s i tz u n g eine vorwiegend formale dl e d c n t u n g znkommt. Es ist für die Vciirteilniig der ganzen Lage immerhin nicht ohne Interesse, das, man sogar bei den R e g i e r n n g s p ar- leien verschiedentlich das Einpsindcn hat, das, die sozialdemo kratische Fraktion, auch wenn noch weiter nachgcgebcn wird, unter dem Druck ihrer Radikalen schliesslich doch die Ablehnung des Gesetzes beschlichen werde «nd die ganzen Verhandlungen nur benntzt, nm die Regierungsparteien in der Frage der Fiirstenabsiudnng möglichst weit aus den Standpunkt der Ent eignung abzndränge». , „Die russische Brennessel." Die Engländer haben den Sowjetismus durch dessen Ein mischung in den Bergarbeiterstreik gründlich satt bekommen und sind geladen bis oben hin. Von dieser seelischen Ver fassung zeugen die rednerischen Ergüsse, mit denen sich die britische» Staatsmänner ihre» Aerger von der Leber reden, in zum Teil recht drastischer Weise. Den Vogel hat der Innenminister Hicks abgeschossen durch die Erklärung, er bitte das Land, noch einige Monate zu der Negierung Vertrauen zu habe»: sie werde mit der „russischen Brcnnessel" genau so fertig werden, wie mit -er des Generalstreiks. Der Minister begnügte sich aber nicht mit dieser gcringschätzendcii Wendung, die schon für sich allein im Verkehr von Staat zu Staat eine unzweifelhafte Geste schärfster Gegnerschaft darstcllcn würde, sonder» fügte noch einige weitere Auslassungen nicht minder deutlichen Eharakters hinzu, die auch in Moskau, wo man ja sonst immer tut, als ob die ganze Welt nach der sowsctisti- schen Pfeife tanzen müstte, nicht ohne Eindruck bleiben dürften. Herr Hicks erklärte nämlich, das Verhalten her Russen sei „im höchsten Grade unfreundlich", und keine andere zivili sierte Nation würde so gehandelt haben. Der britische Innen minister will also offenbar sagen, dass noch heute das alte französische Sprichwort gilt: „tlratto? Io linsüs <?t von-, tron- voror Io Pataro", „Man kratze den Russen, und man wird finden, das, der Asiate zum Vorschein kommt". Der Ausdruck „im höchsten Grade »nsreiindlich" erscheint in seiner richtigen Bedeutung, wenn man sich erinnert, das, früher, als die Tvwjciisten noch nicht die Hemdärmclmethodc in der Diploma tie eingcsührt hatten, die topische englische Bezeichnung für einen sehr kritischen internationalen Zustand war, das, der betreffende Staat sich einer „uiisrenndlichcn" Handlung schuldig gemacht habe. Damit wurde in der damaligen diplomatischen Sprache zu wissen getan, das, die Lage für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen reis sei. Und nun gebraucht Herr Hicks für die Wertung des augenblicklichen englisch russischen Verhältnisses sogar den Superlativ: „im höchsten Grade un freundlich" habe sich Rustland gegen England benommen! Daraus lässt sich der Grad der Gereiztheit entnehmen, ans den die leitenden Kreise Englands in Uebereinstimiming mit dem weitaus grössten Teile der öffentliche» Meinung zurzeit gegen Moskau und dessen kommiinistüche Wühlarbeit eingestellt sind. Ergänzt wird daS Bild durch weitere scharfe Vorstöste Ehur- chills »nd Lord Birkcnhcads, die im Kabinett die treibenden Kräfte bei der Abwehr des Bolschewismus sind. Churchill äustcrtc, er hoffe den Tag zn erleben, „an dem entweder Nust- land eine zivilisierte Negierung haben oder der gegenwärtige trügerische Schein eines normalen Verhälmisses zu Ende sein werde". Lord Birkenhcad drohte ebenfalls mit dem Abbruch sowohl der diplomatischen wie der handelspolitischen Be ziehungen und sagte den Bolschewiken ans den Kopf zu, dast eS das Ziel ,dieser Böscwichte" sei, „durch einen ständigen tückischen Feldzug Grostbritannie,, z» vernichten, um auf dessen Trümmern und nach einem allgemeine» Eiemctzcl ihre Herrschaft ausziirichtcn und sich ans Englands Untergang zu bereichern". Die gepfefferte» Reden der englischen Staatsmänner so wie ihr Widcrlxtll !m Parlament und in der Presse sind Svmptvine der Lage. Die Empörung des englischen Bürger tums ist voll begreiflich und sehr berechtigt: denn der Sowjetismus hat nicht nur nngczähllc Millionen zur Unter stützung des Bcrgarbciterstrciks mit allen seinen Ausstrahlun gen nach dem Jnsclrcich hinübergeworsen, sondern in seiner Presse auch mit brutalster Offenheit erklärt, das, jetzt -er Augenblick gekommen sei, um daS bestgehasste Britenrcich an der Gurpel zu packen »nd cs mit Hilfe einer bis zu tödlillrer Wirkung zngcspitzten Kohlcnkrisc endgültig niedcrziiringen. Die Mehrheit des Kabinetts, die von Valdwin, Balsvur und Ehambcrlain geführt wird, hat zwar dem Drängen der schär feren Richtung nach sofortigem Abbruch der diplomatischen Be ziehungen einstweilen keine Folge gegeben, aber tm Par lament doch auch leinen Zweifel darüber gelassen, dast die Regierung fortan sehr genau nach dem Rechten sebcn und nötigenfalls den richtigen Zeitpunkt zu entscheidenden Mast nahmen nicht verpassen werde. Um der Rcgieriina >bre Ans. gäbe zu erleichtern und wohl auch in der Abucht die ver- sprochcnc amtliche Energie vor einer Verslücbiigung zu be»