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— In diesem Aahie sind bi» jetzt 4S42 drladene Schiffe und 1031 Flüke von Bödmen nach Deutschland eiirgesahren und registriert worden. Diese INI Flöße enthielten rund AO 000 Fcst- mcter Nutzholz. — Loschwid, 11. Juli. Vorgestern nacht hat ein Unbe- kannter die an der Einfriedigung einer Billa angebrachte kupferne Alingelplatte mit zwei ÄNöpsen gestohlen. Vergangene Nacht »st nun der Dieb wieder gekommen, um auch die inzwischen neu angebrachte Platte zu stehlen. Infolge Berührung der Drähte waren »«doch die Glocken m Tätigkett getreten und dadurch die Bewohner geweckt worden. — Verschwunden ist und bleibt der frühere Polizeiwachtmeister der Gemeinde Mügeln bei Pirna, Hern». Blödel, welcher zugleich Bollstreckungsbeamter war. Jahr und Tag ist seit seinem heimlichen Abgang« verflossen, ohne das» die geringste Kunde von dem Ver schwunoenen je eingetrofsen wäre. Die politische Gemeinde Mü geln hat aber ein gewisses Interesse an dem Äekanntwerden des gegenwärtigen Aufenthaltsortes ihres ehemaligen Wachtmeisters. Hat er doch, wie die Gemeinde erklärt, von dem Gelbe, das er als Bollstreckungsbeamter einkassiert und abzuliesern hatte, über MO Man nicht an die zuständige Stelle abgesührt. Die Gemeinde bat deshalb gegen Blödel den Klageweg beschritten und das König!. Amtsgericht Pirna ladet nunmehr den 34ellagten Blödel ein, zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 29. Oktober vor- mittags 10 Uhr vor dem bezeichneten Gericht zu erscheinen. — Oschad, 11. Juli. Ueber den Distanzritt um den Kaiserpreis gestern früh ist noch folgendes zu berichten: Von Grimma aus nahmen 14 ältere Offiziere an dein Ritte teil, der früh 4 Uhr begann, die allgemeine Richtung »ach Halle a. S. nahm, und auf dem durchschnittlich 150 bis 168 Kilometer in einer Tour zurückgelegt wurden. Ter Pfcrdeziistand bei allen Herren war sehr gut, mit ztvei Ausnahmen: die beiden lahm angekommenen Pferde waren aber heute wieder dienstbrauchbar. Von Großenhain aus nahmen 25 jüngere Offiziere, deren Ausritt 3 Uhr 50 Minuten früh begann, teil, und verfolgten die Richtung über Torgau nach Pretzsch zu. Hier betrug die durchschnittliche Länge der Tour 140 bis 162 Kilometer. Mit einer einzige» Ausnahme kamen diese Pferde ebenfalls sehr gut an. Das Pferd, dos gelitten hatte, war heute auch wieder dienslbrauchbar Als erste trafen gestern nachmittag Ä5 Uhr die Herren Leutnant v. Boxberg vom hiesigen Ulanen-Regiment, Leutnant Sieger von der 1. Schwadron Jäger zu Pferde und ein dritter Offizier gleich zeitig bei den hiesigen Kasernemcnts. die als Ziel galten, an: dann folgten in kleineren und gröberen Zeiträumen die übrigen .Herren, lieber den oder die Sieger läßt sich heute nichts mittcilen, da die Entscheidung darüber noch aussteht. Am Ziele war eine Korn Mission mit Herrn Generalmajor Schmaltz an der Spitze an wesend. — Leipzig, 11. Juli. Als gestern abend ein älterer Herr daS Coup6 des 10 Uhr 35 Minuten nach Dresden abgchenden Schnellzuges besteigen wollte, fiel er vom Herzschläge be troffen tot zu Boden. Der Verstorbene konnte 60—65 Jahre alt sein, ist etwa 1,65 Meter grob, schlank, schmächtig, gut ge- kleidet und hatte Fahrkarte Dresden—Leipzig bei sich, ein Taschen- tuch, ck. IV. gezeichnet, und in einem Notizbuch steht der Name „Werner". — Nach Unterschlagung von 5000 Mark ist gestern der Handlungsgehilfe Otto Franz Tittel, geboren 1880 in Leipzig, flüchtig geworden. — Ein 35 Jahre alter Kaufmann aus Collmen, der trotz feiner schweren Vorstrafen einen Vertrauens posten in einem hiesigen größeren Geschäft erlangte, bat inner halb Jahresfrist 12000 Mark, die er aus der Post cinzablcn sollte, unterschlagen und das Geld in der leichtsinnigsten Weise ver jubelt., Bei seiner Festnahme stellte es sich heraus, daß er auch noch für etwa 1000 Mark Waren entwendet und für einen Spott preis verkauft hatte. — Ein Hochstapler, der sich für einen 24 Jahre alten Kaufmann aus London ausgibt, ist gestern hier verhaftet worden. Unter der Angabe, daß er sich mit 30 OM Mark an einem Geschäft beteiligen wollte, hat er es verstanden, die Geschäftsinhaber um 2000 Mark zu erleichtern. — Mit bezug aus die Meldung aus Lommatzsch, betreffend den Korbmacher Münch aus Lenden, die uns von einem sonst zuverlässigen Berichterstatter eingelandt wurde, schreibt uns Herr Kaufmann Paul Münch in Rüsseina: „Meines Bruders Familie hat keineswegs in ärmlichen Verhältnissen gelebt und befindet sich auch jetzt nicht in solche» und ist mein Bruder auch nicht bchuss einer Vakanz in Dresden gewesen, sondern hat sich schnurstracks und zwar im vollen Einverständnis mit seiner Familie nach Amerika begeben, wo ihm bereits eine gesicherte Stellung winkte: auch ist derselbe keineswegs infolge wirtschaftlichen Rückgangs von hier fortgemacht ldenn er hatte sein gutes Auskommen in L ), sondern hat nur den schon lange gehenden Aufforderungen eines Freundes in Amerika endlich einmal Folge geleistet. Auch hat er L. in völlig geordneten Verhältnissen und ohne Schulden verlassen und bat vielmehr noch ei» hübsches Barver,nogcn übrig behalten, das; seine Familie bis auf weiteres gut leben kann. Für Gesagtes habe ich viele Beweisgründe, sowie Zeugen." — InDessau findet vom 8. bis 12. August das 6. Mittel deutscheGaukegelfest statt, zu welchem 600 bis 800 Kegler aus allen Verbänden, die dem Deutschen Keglcrbunde angehören, erwartet werden. — Tuttendorf bei JrerberA. Die Diphthcritis ist hier so heftig ausgetreten, daß die Schule auf behördliche An ordnung geschlossen werden mußte. 10 Fälle sind bereits töd> lich verlausen. — Bei der Firma Hecker u. Sohn in Bernsbach geriet in der 6. Abendstunde der Arbeiter Gustav Groß aus Bcierseld in Sachsen beim Auflegen des Antriebsriemens zur Presse in die Transmission: es wurden demselben beide Beine weg- gerissen und der Kopf schwer verletzt, sodaß der Tod sofort ein getreten ist. — Die in Gera gastierende Drummcrschc Thcatergescllschast hatte für Freitag, den 10. Juli, in Crimmitschau die ein malige Aufführung des neuesten Sensationsschauspiels ,,Draga", der Königsmord von Serbien, angesagt. Wie dies nicht anders zu erwarten war. erging es der Gesellschaft ebcnsalls wie in Gera, das Stück wurde polizeilich untersuch. — Am Mittwoch nachmittag ließ sich der 18jährige Messer schmiedegehilfe Kindermann aus Schlucken au von dem von Rumburg nach Schluckenau fahrenden Eisenbahnzuge über- fahren. Der Kopf wurde dem Selbstmörder vollständig vom Rumpfe getrennt. — Dem seit 186-5 bei der Firma C. A. Förster in Sprembcrg beschäftigten .Hausweber Adler in Taubenheim ist das trag bare Ehlenzeichen „Für Treue in der Arbeit" verlieben worden. — Oberverwaitungsgericht. Der Fabrikarbeiter Alfred Deglewsky, der seit 1895 in Dresden seinen Wohnsitz hat, war am 27. November v. I. aus sein Gesuch um Erteilung des Bürgerrechts vom Stadtrat abschlägig beschicken worden. Wie die angestellten Erörterungen ergaben, ist der Genannte völlig unbestraft, hat keine öffentliche Armenunterstützung empfangen und seine Steuern vollständig berichtigt, steht gegen Wochenlohn, aber ohne Kündigungsfrist »n Arbeit und wohnt in Vorstadt Pieschen zur Aftermiete. Ter S'adtrat verweigert ihm das Bürger recht deshalb, weil D. nicht die in 8 11 der Revidierten Städte ordnung geforderte Selbständigkeit besitze. D. erhob darauf Klage bei der Kreishauptmannschaft, »vurde aber abgewiesen mit der Begründung, daß die angezogene Gesetzesbestimmung eine eigene Wohnung und ein festes Arbeitsverhältnis als maßgebend für die Erteilung des Bürgerrechts erfordere, Kläger aber zur Unter miete wohne, Kost und Logis wochenweise bezahle, und auch für andere arbeite, ohne in einem festen Arbeitsvcrhältnis zu stehen. Gegen diese Entscheidung legte D. Berufung ein mit der Be gründung. daß den gegen ihn ins Feld geführten Gründen eine entschieden zu große Bedeutung beigcmesscn worden sei. Der Be griff der Selbständigkeit babe durch die Vorinstanz eine zu eng, Auslegung erfahren. In einem früheren konkreten Falle Hab« sich das Oberverwaitungsgericht schon gegen die Auffassung des Stadtrats ausgesprochen. Es komme überhaupt nicht dararif an, von welcher Art und Dauer das Arbeitsverhältnis sei, ob es nur kürzere oder längere Zeit währe, ebensowenig, wie die Woh nung beschaffen sei. ob der Betreffende ein eigenes Heim habe oder zur Untermiete wohne. Die Hauptsache bleibe, daß er hier seinen wesentlichen Wohnsitz habe. Einem großen Teile der Einwohner, vorausgesetzt, baß sie sonst ollen Anforderungen genügen, würde im anderen Falle überhaupt die Möglichkeit ge nommen sein, je das Bürgerrecht zu erwerben, insbesondere den ledigen Leuten, dst erfahrungsgemäß zur Untermiete wohnen. Zweifellos habe der Gesetzgeber eine derartig enge Auslegung heS Begriffes Selbständigkeit nicht gewollt. ^ Der 1. Senat des Oberverwaltunasgerichts hebt den Beschluß der Krershauptmann- fchaft und die Verfügung des Stadtrats auf und stellt fest, daß Kläger die Erteilung des Bürgerrechts nicht vorentbalten werden könne. Das Gericht ist der Ansicht des Klägers bei- retreten. daß die im Sinne deS Gesetzes erforderliche Selbständig keit nicht durch die Führung eines eigenen Haushalts bedingt wird, und daß die wegen de- Arbeits-Verhältnisses angeführten Gründe ebenfalls ohne Einfluß seien. — Landgericht. Mit einem ganz gefährlichen Menschen at es die 2. Strafkammer in der Person des Schmiedegcsellen Karl August Brindt zu tun, welcher beschuldigt ist und überführt wird, von offener Straße weg ein Fahrrad gestohlen zu haben. Der Angeklagte verbüßt gegenwärtig eine Gefängnisstrafe von 3 Jahren 4 Monaten und unternahm von der Strafanstalt aus wiederholt Fluchtversuche, weshalb er auch schwer gesesfclt vorgeführt wird und während der Verhandlung in Anbetracht seiner Gefährlichkeit gefesselt bleibt. Das Gericht diktiert ihm 4 Monate Gefängnis Zusahstrafe zu. — Die Aufwärterin Florentine Ida Döriel aus Bärenstein wird beschuldigt, einem ihrer Besuck-er ein Gcldiäsclxhen not 30 bis 40 Mk. Inhalt gestohlen zu haben. Die 2. Straf kammer gelangt nach geheimer Beweisaufnahme mangels aus reichenden Schuldbeweis zur Freisprechung der Angeklagten. — Der Handlungsgehilfe Gustav Johann Petrich entwendete ieinem Herrn 12 quittierte Rechnungen, kassierte daraus unbefugt 189 Mk. ein und gebrauchte das Geld zur Bezahlung von Schulden. Das Urteil lautet auf 1 Jahr Gefängnis, wovon 1 Monat als verbüßt gilt. — Der Kaufmann Georg Ferdinand Kratzsch von hier ent nahm auf Abzahlung von hiesigen Geschäften ein Pianino, ein Konversationslexikon und einen Atlas, zählte einen geringen Teil des Kaufpreises an und veräußerte die ihm noch nicht eigentümlich gehörigen Gegenstände weit unter dem Wert. Er wird durch Spruch der 4. Strafkammer zu 2 Jahren Gefängnis und den üblichen Rebenstrafen verurteilt. — Der Stellmacher Hugo Albm Aust benahm sich in einem Gnsthofe zu Weihig bei Bühlau derart ungehörig, daß der Gemeindeschutzmann zur Wiederherstellung der Ordnung gerufen werden mußte. Statt sich den Anordnungen des Beamten zu sügen^ beleidigte ihn Aust auf das Schwerste. Er wurde vom hiesigen Schöffengericht zu 1 Monat Gefängnis ver urteilt und legte darauf Berufung ein, jedoch wird das urteil der ersten Instanz bestätigt. Deutsche blääleausslellung ru Dresäen -——-— Täglich von 9 bis 7 Uhr geöffnet ——— TageSgeschichte. " Deutsches Reich. In einer Studie über ein Reichstags Wahlrecht auf ständischer Grundlage wird in den „Grenzb." u. a. ausgeführt: Wesentlich und unerläßlich sei, daß sämtliche An gehörige eines bestimmten Bcrusszweigcs innerhalb eines be stimmten Gebietes einen Abgeordneten aus ihrer Mitte, einen Berufsgenossen, wählten. Auf diese Weise könnten die Wähler sich in ganz anderer Weise Leute ihres Vertrauens aussuchen, denn von ihre» hervorragenden Berufsgenossen hätten sic alle Kunde Heute wüßten ungezählte von dem Kandidaten so viel wie gar nichts Sodann habe der so -Gewählte die Bedürfnisse, Nöte und Hoff nungen seines Standes am eigenen Leibe erfahren. Er würde seine Entschließungen nicht mehr nach Parteigrnndsätzen, sondern nach sachlichen Erwägungen cinrichtcn. Die Reichstagswahlen würden viel ruhigere Formen annehmen, weil sie innerhalb ge schlossener Berufszweige stallfänden. Ter Wahlkampf würde mehr zu einer erwägenden Auswahl werden. Die Befürchtung, daß mit der Wahl nach Berussständen den Sonderintcressen Tor und Tür geöffnet wurde, und der Klassenstaat in der Volksvertretung zum Ausdruck käme, sei übertrieben. Der Abgeordnete könne um deswillen, daß er zugleich Vertreter eines bestimmten Standes sei, den Interessen der Allgemeinheit jedenfalls besser entsprechen, als der zwar von der Allgemeinheit gewählte Sozialdemokrat oder Vertreter ultramontaner Anschauungen. Die Berufsintcressen an Stelle der Parteiinteressen oft recht zweifelhafter Art in den Vordergrund zu rücken, sei mindestens das kleinere Nebel. Ter Zug der Zeit gehe nach dieser Richtung, wie man am Bunde der Land- Wirte und am Bauernbund usw. sehe. Tie konservative Partei habe sich immer mehr zu einer Vertreterin der Landwirtschaft, die nationalliberale zu einer solchen der Industrie herausgebildet. Ein Versuch im kleinen sei bereits in der Stadt Chemnitz gemacht worden, wo in der Hauptsache nach Berussständen gewählt werde, um der drohenden Demokratisierung der Stadtverordneten-Ver- sammlung vorzubeugen. Hier wähle die allgemeine und die Ar- bciterabteiliing je drei, die Gelehrten- und Gcwerbeabtcilung je vier und die Handelsabteilung fünf Abgeordnete. Damit solle der interessante Stoff nur angeschnitten und zwar zur Diskussion angeregt werden. Im Reichst-agswahlkreise Anhalt I scheint man mit dem „engeren Zusammenschluß aller Liberalen" einen prak tischen Versuch machen zu wollen. In Dessau hat sich, wie von dort gemeldet wird, in Gegenwart des Abg. Rösicke ein liberaler Wahlverein aus Mitgliedern der Freisinnigen Vereinigung und der Freisinnigen Volkspartci gebildet. Die Bcrcinler bilden die Mehr heit, die Volksparteilcr halten sich mißtrauisch zurück. Ueber soziale Pflichten schreibt die nationalliberale „Köln. Zta.": „Ueber dem Gedanken, das; das Bürgertum für die stärkste liberale Gruppe optieren, die liberalen Fraktionen aber mindestens im Verkehr untereinander eine angenehmere Temperatur Herstellen sollten, bricht allenthalben mebr als bisher die Ueber- reugung liervo«. das; die gebildeten und besitzenden Klaffen sich mit soziale» Empfinden durchdriirge». ihre erzieherische und versöhnende Aufgabe ernster nehme» müssen. Ans dieser Gesinnung heraus schreibt ein Vaterlandsfreund der „Tägl. Rundschau": Wober der Abfall der zwei Millionen gut deutscher Wähler zu den Sozial demokraten? Nun, das ist die Quittung, die unseren höheren Ständen am 16. Juni für die mangelhafte Ersirllung ihrer sozialen Pflichten überreicht wurde. Nicht als ob es ihnen am Verständnis für die sozialen Aufgaben fehlte: die Fülle, man kann wohl sagen, die Uebersüllc an sozialen Vereine» beweist das Gegenteil. Aber das ist das Schlimme, daß man mit seine» paar Vereiiißtalern der Pflicht genügt zu haben glaubt und darüber das Wichtigste ver säumt. die Begründung eines persönlichen Vertrauensverbältnisses zwischen den kleinen Leuten und uns Wissen jene, daß sie bei uns srenndliche Teilnahme auch für ihre besonderen Nöte finden und daß wir ihnen gern mit unserem Rat beistehen, haben sie gar die Erfahrung gemacht, daß wir ihretwegen auch Mühen aus uns nebnien, Gänge und Wege nicht scheuen und gern und willig ihnen zu Eingabe» und dergleichen unsere Feder zur Verfügung stellen — da»» lassen sie sich auch von uns politisch beraten und gehen bei den Wahlen mit uns zusammen. Rafft sich das Bürger- vum zu solcher Tätigkeit auf, dann werden nicht mir die Millionen, tie heute noch nicht den Sozialdemokraten folgen, bei der natio nale» Fahne erhalten, sondern Hnnderttanicnde und Aberhnndert- tausende ihr wieder zugeführt werden. Aber, wie gesagt, auf die persönliche Arbeit kommt alles an. nur sie flößt wirkliche Achtung rin. ES ist der Stolz unseres Bürgertums und unserer Regierung daß sie die Träger unserer sozialen Gesetzgebung gewesen sind nicht etwa die Sozialdemokraten, die noch jedes Gesetz abgelehnt haben und nicdcrgcstimmt werden musste», um die Gesetze dnrchzu- brlnaen. Nun muß aber auch die Kritik an dem Bestehenden, der Vorschlag zur Besserung von den Trägern der Gesetzgebung aus- gehen, damit den Arbeitern überall z»»i Bewußtsein kommt, wel chen Anteil die angeblichen Feinde, Regierung und Bürgerstand, an der sozialen Gesetzgebung haben. Zn solcher Weiterbildung gciniat aber eben nicht der ante Wille allein, sondern die Kenntnis der Tatsachen ist erforderlich: die wird aber durch eigene, wen» auch beschränkte Eriabrung viel eindringlicher gewonnen, als durch Zeitungsartikel und Berichte untergeordneter Behörden, und sie allein erzieht zu gedeihlicher Mitarbeit an der Gesetzgebung: anderenfalls besteht immer die Gesabr, die Dinge in ihrem gegen seitigen Verhältnisse falsch zu schätzen und darum Schlagworten zum Opfer zu fallen, was leider oft geschieht, auch — bei hoch gestellten Herren. Sehr richtig ist die große Zahl der sozialdemo kratischen Stimmen auch bannt erklärt worden, daß die Sozial demokraten die Vertreter der Unzirfriedenheit sind. Nun, diese Vertreterdcc Unzufriedendeit, diejenigen, die alle Mißstände in die Oefsentlichkeit bringen, müssen von jetzt an die bürgerlichen Parteien sein. Und nicht nur die Mißstände der Gesetzgebung, sondern auch die der Verwaltung müssen sie rügen, und je konservativer und königStrencr sie sein wollen, um so nachdrücklicher." Gegen den Abg. Barth nimmt die in Bremen erscheinende freisinnige „Weserzeitung" entschieden Stellung. Sie erklärt an- aesichts des Helgoländer Briefes des Abg. Barth, in dem er neuer dings zum Eintreten für die Sozialdemokratie bei den Landtags wahlen auffordert, sie sebe „mit Bedauern Herrn Dr. Barth auf einer schiefen Ebene". Die „Weserzeitung" erinnert Dr. Barth an die Worte, die er selbst 1884 in der von ihm mit Bamberger und Broemel gemeinschaftlich herausgegebenen Broschüre: „Gegen den Staatssozialismus geschrieben hat: „Sozialismus und Liberalismus sind tätliche Feinde. Alle anderen Gesahren, rvelch« der Freiheit drohen, reichen an Gefährlichkeit nicht an die Gefahr heran, der die Freiheit von seiten des Sozialismus ausgesetzt ist. Mit der bürgerlichen Freiheit wird es in dem Maße zu Ende gehen, wie sie nicht im stände ist, sich dieses schümmsten Feindes zu erwehren." Vom Bürgerausschussc in Lübeck wurde ein Antrag deS Senats 3000 Mk. für die Herrichtuug deS Holstenplatzes zu dem ismarckdenkmal zu bewilligen. 'Da das Denkmal, das 32000 Mk. kostet, schon lange von dem Charlottenburger Bild hauer Hans Hundrieser vollendet worden ist, so dürste die Ent hüllung des Denkmals am 2. September erfolgen können Der erwähnte Antrag deS Senats an den Bürgerausschuß kam, ziemlich überraschend. Es war bekannt, daß man sich an maßgebender Stelle säreute. daS Bismarck-Denkmal eher zu enthüllen als das Kaiser Wilhelm-Denkmal. Da aber das letztere Denkmal noch in nebelhafter Ferne schwebt, obgleich hierfür seit 10 Jahre» 150 OirO Mark bereit gestellt sind, so hatte inan nachgerade auch die .Hoff, nung aufgegebcn, in absehbarer Zeit daS Bismarck-Denkmal aus dem Hundricserschcn Atelier hcrauszubekommcn. lim so freudiger überrascht ist man jetzt. Die Errichtung des Kaiser Wtlhelm- TenknralS aber dürste sich noch geraume Zeit hinziehcn. Tie ersten Anfänge der Errichtung von Arbeiteriekreta- riaten reichen bis in die 80er Fahle zurück. Damals wollte die Gründnng jedoch nickst recht in Gang kommen, für die Muster und Vorbild das !» der Schweiz begründete Arbeitersekretariat gewesen ist. Erst mit Aufhebung des Sozialistengesetzes kam mehr Fluß in die aus die Eriichtnna derartiger Bureaus gerichteten Be strebungcn, und jetzt verfügt die sozialdemokratiiche Partei über 32 Arbeileriekretnriate, über deren Tätigkeit. Organisation und Verbreitung das Korrespondenzblatt der Generalkommissionen der Gkwecffchaslen Deutschlands nähere Angaben macht. Aus den Bureaus der Sekretariate können sich die Arbeiter über alle Fragen des bürgerlichen und Strafrechts, über Arbeits- »nd Tienstvertrng, sowie über Fragen kommunaler »nd staatsbürgerlicher Natur Rat und Anskunst erholen. Es werden ihnen sogar Schriftsätze angc fertigt und Beschwerden aufgesetzt, und nicht leiten übernimmt daS Sekretariat auch die Vertretung vor den entscheidenden Instanzen. Daneben ist es Ausgabe dieser Bureaus, auch Erhebungen über Arbeitslosigkeit. WohnungS- und Lohnverhäitnisse der Arbeiter anzustelle». Daß sie bei einer derartigen Tätigkeit einen von Jahr zu Jahr wachsenden Einstns; auf die Arbeiterschaft gewinne» müssen, liegt aus der flachen Hand, und es ist deshalb in hohem Grade bedauerlich, daß die liberale» Parteien sich auf diesem Ge biete von der Sozialdemokratie den Rang haben Mausen lassen. Nur die Zenlnimsvnrtei hat sich auch hier rühriger und von größerem Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Wählerschaft ans der Arbeilerwelt gezeigt, indem sie gleichfalls mit der Errichtung von Arbeitecstkretariaten und Volksbureaus vorgeganaen ist. Sie hat 7 Sekretariate und 30 Volksbureaus errichtet. Tie Tätigkeit der letzteren beschränkt sich aus Fragen der Arbeitergesetzgebnng und des öffentlichen Rechts, dagegen lehnen sie die Verfolgung von iinr zivilrechtliche» Ansprüchen grundlätzlich ab. Von den 32 sozialdemokratischen Sekretariaten haben 27 festbewldcte Beamte, insgesamt 42; die anderen Sekretariate wurden nebenamtlich von anderweit für die Partei tätigen Beamten gegen eine bestimmte Jahrcsentschädignng verwaltet. Schon daraus ergibt sich, daß die CadreS der sozialdemokratischen Partei durch diese Beamtcnschar eine nicht unbcdenwnde und wertvolle Verstärkung erfahren haben. Welchen Einsluß diese Sekretariate stlbst aber ansüben. ist am besten den Zahlen zu entnehmen, die über die Inanspruchnahme der Sekretariate mitgeteilt werde». Die Gesamtzahl derAuskunft- snchendc» belief sich im Jahre l!)02 ans 195 679; dieselben ver teilen sich ans den Wohnsitz des Sekretariats zu 76,8 und zu 23,2 Prozent aus die außenlicgende». oft sehr entfernten Orte, Fast die Hälfte der Fragesteller (97 501) gehörten Gewerkschaften an. Nach Angabe der Sekretariate wird nach der politischen Organisation nur selten gelingt und meist nur bei Unorganisierte». — Die Gesamtzahl der erteilten Auskünste betrug 197 927 (171957 mündlich. 27 970 schriftlich). Schriftsätze wurden 44 639 angesertiat: Rccktsvertretnng von Klienten fand in 2049 Fällen statt. Da die Auskunsterteilung »in znm Teil unentgeltlich ersolgt, so bietet sich hier vielleicht der Punkt, an dem von ordnungsparteilicher Seite eingesetzt werden sollte und könnte. Würde sich nicht die Errich tung von AuSkunstsbnreaus cmpsehlen. in denen Arbeitern und kleinen Handwerkern unentgeltlich Rechtsbelehrnng in allen sie interessierenden Fragen erteilt wird ? Die „Krenz-Ztg." schreibt: „Interessant und in mancher Be ziehung lehrreich ist cs für uns in Deutschland, wo'gegen Aus ständige im allgemeinen nur bei Verfehlungen gegen die öffent liche Ruhe, Sicherheit und Ordnung eingeschritten wird, die Maß nahmen zu beobachten, welche auswärtige Staaten, die uns häufig als Vorbild unbeschränktester Freiheit vorgchaltcn werden, gegen die in ihren Ländern Streikenden zu ergreifen pflegen. Die Vor- gänge in Holland, wo durch Erlaß eines strenge Strafe» an- drohenden Antistreikgesetzes das Recht zur Niederlegung der Arbeit aanz erheblich eingeschränkt wird, sind noch in frischer Erinnerung. Wie weit die Regierung bei dem im Mai ausgcbrochenen großen Eisenbahnerstreik in Viktoria lAustralien), -welcher glücklicherweise bereits vorher zusauimenbrach, zu gehen entschlossen war, ergibt sich ans einer im „Dailn Chroniclc" enthaltenen Mitteilung, wo- nach jeder Angestellte, der streikte, ohne 14 Tage vorher gekündigt zu haben, zu einer Geldstrafe von 100 Lstr. oder 12 Monaten Ge fängnis verurteilt werden und jeder Streikende seines Anspruches auf Pension oder eine ähnliche Entschädigung, sowie aus feste An stellung verlustig gehen sollte. Unterstützung und Smnoachic- crklärung für die Streikenden wurde als ungesetzlich erklärt. Ver sammlungen durften aufgelöst werden »nd der Polizei war sogar das Recht eingeräumt, in Privathäuser einzudrinacn, in Vene» mindestens vier Streikende sich versammelt hatten. Wenn nun auch diese vielleicht etwas drakonischen Bestimmungen, wie gesagt, durch das unerwartete Ende des Streiks nicht in Geltung zu tretet» brauchten, so scheint es der Regierung von Viktoria doch mit dem Erlaß eines Antistreikgesetzes Emst zu sein, denn sie hat erklärt, daß sie demnächst ein Eiienba-Hngesetz cinbringen werde, welches Streiks auf den Staatsbahnen für die Zukunst unmöglich mache» werde. Bei diesen zunehmenden Schwierigkeiten, welche sich den Ausständcn der Arbeiter in den Weg stellen, ist cs erklärlich, daß sie immer mehr geneigt werden, zum Abschluß von Tarifver trägen mit ihren Arbeitgebern die Hand zu bieten, wodurch ihre Lohn- und Arbeitsbedingungen für eine längere Zeit im Interesse des sozialen Friedens vertragsmäßig festgelcgt werden. Bei der Bedeutung, die solchen korporativen Arbeitsvcrträgcn ohne Zweifel beizumesscn ist, verdient die, wie berichtet wird, vom Kaiserlichen Statistischen Amte beabsichtigte Zusammenstellung der gegenwärtig zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern des Großgcwerbes, sei es an einzelnen Plätzen oder für größere Bezirke bestehenden Tarifverträge besondere Anerkennung. Das Verständnis für den Wert und den Nutzen dieser Kollektivvcrträge kann dadurch nur gehoben, und wie zu erwarten ist, in weiteren Kreisen geweckt werden." Ueber daS beschämend traurige Kapitel, das sich. Presse und Betkiligniigswrsen" übcrschrcibt und das der Prozeß gegen die Pommer» bank jetzt wieder niit alltdem Gefolge übler Düfte nusgerührt hat, macht Plutus in der „Zukunft" ein paar gute Anmerkungen. Er klagt darüber, wie das Vörsenncsrtz noch immer zu wcitmaschia ist. um das Durchschlüpfen von Uiisaribcrkeiten zu verhindern. „Natürlich wird das Geld nicht gegeben, uni eine Meinung, eine Feder, ein Schweigen zu kaufen. Das wäre ja fürchterlich. Nein: der Herr Bankdircktor findet Plötzlich, im ganzen Heere seiner Beamten sei kein einziger ini stände, eine statistische oder wissenschaftliche Arbeit zu mache»: also muß eine fremde Kraft beranaczvgen werden, und zufällig, ganz zufällig richtet der ratlos suchende Blick sich ans den Redakteur eines Börsenblattes. Weshalb gerade vieler Ehrenmann, nicht einer der vielen brotlosen Fcderproletnrier den Anstrag erhält ? Mysterium. Weder der Bankdirektor noch der Börsenredaktcur wird das Ge bcimniS ansplnudern. Und — merkwürdig — an solchen „wissen- chastlichrn Arbeiten" findet dieselbe hochwohllöblicheRörsenbehörde nichts nriszusetze», die einen Redakteur eines Verstoßes wider die Ekre und daS kaufmännische Vertrauen schuldig findet, weil er ge wagt hat, die Ehrlichkeit und Solidität einer Bank anzuzweifeln. .. e cs scheint, findet diese Behörde auch nichts Schlimmes darin, daß noch immer — freilich nicht mehr im ftüher üblichen Um arme — die Presse an der Emission »euer Wertpapiere beteiligt wird " An einer andere» Stelle erzählt PlulnS dann noch: „Da die Bankdirektoren sich des Geständnisses nicht schämen, das; ihnen das Inserat »ur ei» Mittel ist, sich die Presse günstig zu stimmen, dürfen sie sich auch nicht wundern, wenn diese straflose Form der Dresdner Nachrichten. ^!r. 181. Seite 3. Sonntag, irr. Juli 18tt.r