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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 09.06.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19270609017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927060901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927060901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-06
- Tag 1927-06-09
-
Monat
1927-06
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 09.06.1927
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Imtm ImiM S. l»i I»? «eg«»« Teil dri « ausg«. :n kan», stabrunz dienen, :rwtirme ist» Be- enmäßlg i au der bekannte tu aus. >at diese bet den nen ihre e wissen. >rten hat »u eigen gen eine gen, daß ucht, um so weit lewichtes nisse er- »r/r QL, L ..Tankali-en." klu» heißem Empfinden heran» hat Earl Haupt» man», dieser viel echtere Poet al» sein bequemltch allen Ruhm etnheimscnder Bruder, in den Tagen vom 1. bi» »um g. August 1918 ein Werk hingeworfen, das jetzt, sieben Jahre nach seinem Tobe, unter dem Titel „Tantal t den" im Hören-Verlag. Berltn-Grunewald, erschienen ist. Nichts wäre verfehlter und durch nichts würde man den Geist deS Dichters mehr heralnvltrdtgen, als indem man annähme, er habe beim Schasse» an eine bestimmte geschichtliche Gestalt, etwa an unsere» Kaiser, gedacht. Bon derlei Tendenz-Unkunst wußte ei» Carl Hauptmann nichts. Deshalb ist auch die Behaup» tung abzulehnen, baß es sich hier um eine Btsion von Deutsch lands Zusammenbruch handelt. Schon oft sind große Reiche zertrümmert worden, und cs bedurft« keiner besonders scharf, finnigen Schicksalswitterung, um damals für uns das gleiche zu befürchten. Carl Hauptmann aber schildert in seinem Buche mit äußerster Genauigkeit die rein menschlichen Bor» gänge, die sich im Innern 'eines jung aus den Thron ge- langenden und mit Notwendigkeit ins tiefste Elend stürzen» den Herrschers abspielen. Auf die feine Psychologie kommt es an: das Aeußerltche ist dem gegenüber weniger wichtig. Wir sehen den kleinen Khan in seiner reinen Zeit. Er ist et» verwöhntes Kind. Die Aussicht, baß er einmal Kaiser werde» soll, wird ihm immer wieder gezeigt, er muß sich für ein LieblingSgeschöpf Gottes halten, die übrige Menschheit ist nur dazu da, ihm zu huldigen. Er hat indes keine ein fache Freude im Gedenken an seine Zukunft, er ängstigt sich vor ihr: er ist einsam, so viele Dienenden ihn umgeben. Ein Alp ruht auf seiner Jugend, — zwischen Güte und Grausam keit schwenken seine Phantasien hin und her. Er wächst auf, ohne seinen Batcr näher zu kennen. Der regierende Kaiser spricht stets zu ihm von der Macht, die er einst besitzen wird: er soll die Menschen nicht achten, sondern ihnen befehlen, soll nie weich werden, nie vergessen, daß keiner über ihm ist. Wie friert den Erben! Er möchte das Letzte ergrübeln» und die Zukunft muß doch ein Rätsel für ihn bleiben. Die Eltern kindlich umarmen zu dürfen, so gut wird eS ihm nicht. Der Aermste ist da reicher als er. Alles, was er zu hören bekommt, ist das strenge und doch so seltsam lockende Wort: „Du wirst ein Kaiser sein." Sein Blut ist sehnsüchtig: wie Prinz Gautama muß er die Bilder von Armut und Tod in sich aufnehmen, er will sich zur Liebe durchringen, «inst» weilen aber erfüllt ihn die Sinnlichkeit, und er lernt die Lust am Busen eines Mädchens kennen. Dann wird er mit einer Prinzessin verheiratet, die ihm nichts gilt; sie gebiert ihm Kinder, und damit hat sie ihre Pflicht getan. Für sein Herz sorgt eine andere, die plötzlich stirbt. Leer ist e» in dem Kaiscrsohne! Der Kaiser aber tadelt seine Schwäche. Vom Glück weiß der junge Khan nichts. Da wird sein Vater auf einer Reise von einer Bombe zerrissen. Die Glocken donnern: Kaiser werden! »Der Kaiser ist tot. — es lebe der Kaiser!" Da» Ungeheuer der Allmacht — der freilich nur scheinbaren — umwindet den Jüngling. Bleich und ehern tritt er sein Amt an: das Menschliche kann ihm nichts mehr sein. Und es bricht das Furchtbare herein: der Krieg. Alle» ist im Taumel der Begeisterung: ein ferner Ruf: Liebet euch! — ach, wer vernimmt ihn? Heer um Heer zieht hinaus: Millionen strömen Heil jauchzend an dem Kaiser vorüber, der sie gar nicht zurttckhalten könnte, wenn er es auch wollte. Der Krieg, ja, ist er denn nicht von Gott gesegnet? Ist es nicht ein heiliges Streiten gegen die Feinde, die offenbar Kinder der Hölle sind? Haß ist da» einzige, wa» in der Brust leben darf! Und der Gegenpol dieses Gefühls ist die Anbetung, die dem Kaiser geweiht wird, — solange er siegt. Seine Glorie wird von Schlacht zu Schlacht leuchtender, er ist der Statthalter des Ewigen: nicht mehr vermag er sich mit menschlichem Maße zu messen. Da — der Rückschlag. Die Feinde, denen Land über Land entrissen wurde, raffen sich auf: des Kaisers Truppen erleiden Niederlagen, und nun beginnt das Gestirn des als unbezwingbar Gepriesenen zu sinken. Noch wieder Vorstöße, noch wieder Gewinne unter den Losen, die der Männer» mordende Ares verteilt» aber durch das weite Reich des Kaisers geht ein Erzittern: es ist nicht aus genügend er» slarrtcr Kruste gegründet, die Lava kocht dicht unter ihm und bricht sich endlich mit ungeheurem Getöse die Bahn, alles mit ihrem Feuer überschwemmend und verzehrend. Der Kaiser verzweifelt: es ist ihm unbegreiflich, daß der Erfolg von ihm, von seiner guten Sache weichen kann: er erkennt die Men schen, die ihn umschmeichelt haben, nicht mehr, denn ihre Ge sichter sind verzerrt, und ihr Haß richtet sich wider ihn selber. Der Aufruhr. Alles soll anders werden. „Nicht Besitz die, dort Armut. Nicht Herr hie, dort Knechte." Der Krieg, der erst zu einer Reinigung der Volksseele gesandt zu sein schien, ist der große Vergifter aller edleren Gefühle, und auf den Kaiser zielt nun jetzt der fürchterliche Undank des von dösen Einflüssen verwirrten Volkes: Er soll für alle Ver- luste büßen! Er wird eingesperrt, roh gepeinigt, — kein wilde» Tier ist je ein derartiges Unwesen wie der Mensch, wenn ihn die Wollust packt, seinesgleichen zu martern» — vergeblich sind die Versuche, den Gefangenen zu befreien, und da erlebt der Gestürzte seine innere Erhöhung: „Erlöse dich selber. Sei Fels im Meer. Set auf Wellen der Trost," so raunt ihm die göttliche Stimme zu. „Schreite auf ungewissen Strudeln. Kein Wort des Abscheus rede in dir. Güte ausstrahlen. Immer nur Güte." — WaS können ihm die neuen Gewalt» Haber noch antnn? Ihn töten, ja, aber daS ist auch alles. Kr ist erhaben über jegliches Erdenleid. Carl Hauptmann hätte bet einer Durcharbeitung in Form »nd Sprache des Werkes wobl noch manches geändert und geglättet, aber ist eS nicht gerade schön, daß wir die ur» sprüngliche Fassung haben? Mich dünkt, allst» Ebnen wäre hier Verflachung gewesen. Gern sähe ich eine Seite der Handschrift dem Buche betgegeben. Die vielfach unver- bundenen, eigenartig nervigen Züge müssen stark vorwärts drängen: die Phantasiestriche sind sicherlich weithin ge schwungen. Und das Ganze strahlt dabei Unerbittlichkeit aus. In dieser Dichtung weht eine seltene, mitreißende Schau, krast. Prof. Ottomar Enking. Caroline Schlegel. AnS der endlosen Reihe leichter, oberflächlicher Romane, die dem Augenblick dienen und dann vergessen sind, taucht ein Buch aus. dem längere Lebensdauer voraus,»sagen ist. Eine Schrift» stellen» von Geschmack. Tont No ihm und, hat mit dem Schicksal der Caroline Schlegel ein höchst Interessantes Thema aesnndcn. Ihr Leben war Handlung. Bewegung und Leiden» schaß, und die Ausstrahlungen ihre« Seins waren von stärkster Virknna ans die Dichter der deutschen Romantik. Toni Roth- mund hat nun nicht die Kraft gehabt, die Dämonie dieser Frau tu ergründen, bas Geheimnisvolle Ihres Seins aufzuhellen, sie ist z» brav, zu ängstlich, zu sehr an den überlieferten Stofs ge bunden. aber ihrer Arbeit ist Liebe, Geschmack und Sorgfalt nachzurühmen. Wäre sie eine Dichterin, der Caroline kon- «rnial. so hätte sie die Mainzer Epoche dieser Frau wit glsshest- b«n Farben entworfen. Hier liegt der Schlüssel zu ihrem anzen Wesen: die überschäumende Lebenslust, der Freiheit»» »rang, die selbstvergessende Hingabe an den Mann. Was die Verfasserin in einer kurzen Splbstbtographie an Schelling be richten läßt, deutet nur an und wirkt für den Empfänger dieser Biographie dirstkt gemacht. Man müßte Caroline mit der Jakobinermütze auf dem Haupt die Carmagnole tanzen sehen, man müßte die wilden Mainzer Tage der Jakobtnerzeit brausen hören und in dem Leichtsinn und dem Selbstvergessen der blühenden Frau einen Hauch der Zeit verspüren. Es ist sehr schade, daß Toni Nothmund sich diese Epoche hat entgehen lassen. Ihr kam es hauptsächlich daraus an. die Muse der Ro mantik in möglichst Heller, schillernder Beleuchtung zu zeigen. Hier hat sie viel Frauenkunst mit Geschmack und Verständnis uujgewendet. Die Nomantikeraruppe: die Brüder Schlegel, Novalis. Schelling stehen im Mittelpunkt, der Frühlingswind, der diese Epoche umweht, Ist auch hier spürbar. Caroline, Wil helm Schlegels Gattin, belebt die Bewegung mit ihrem Geist, ihrem scharf kritisclwn Verstand und der Eigenart ihre» pro- duftiven Schaffens. Goethe ist ihr geneigt. Schiller und Lotte lehnen sie ab. aber selbst in Schiller» Charakterisierung „Ma dame Luzifer" liegt eine gewisse Hochachtung vor ihrer Dä monie und ihrem Witz. Den breitesten Raum des Pornan» nimmt die Leidenschaft Schelling» zu Caroline in allen ihren Phasen ein. Caroline war bedeutend älter al» dieser feurige, männliche Philosoph, und dennoch war ihre Wirkung so stark, daß sie ihn trotz ihres Vorlebens ganz und gar fesselte. Und ein Vorleben hatte sie, wenn auch ihre Biographin die einzelnen Episoden in an, genehme Beleuchtung zu rücken sucht. Sie war durch Schuld und die Schule des Leides gegangen, ohne den Scharm ihres Wesens, den Zauber ihrer Erscheinung und den instinktiven Wunsch. Männern zu gefallen, zu verlieren. Das gesellschaft liche Leben erhielt durch sie einen Reiz, dem sich keiner ent ziehen konnte: sie war der Geliebten Friedrich Schlegels, der geschiedenen Dorothea Beit, weit überlegen und machte von dieser Ueberlegenheit Gebrauch, wie es nur eine Frau vermag. Aber unter der glänzenden Oberfläche schlief die Sehnsucht, die Leidenschaft, das Bedürfnis der Hingabe an den Starken. Dem Wilhelm Schlegel, ihrem Netter aus der Kerkerhaft auf dem Königstein im Taunus, brachte sie in erster Linie das Gefühl der Dankbarkeit und ihre absolute Einordnung in seine geisti gen Interessen. Man kann ihr wegen der Leidenschaft zu Schelling keinen Vorwurf machen. Noch einmal brauste der FrühlingSsturm der Leidenschgft an sie heran. Wie hätte sich die Frau, die sich einmal mit der Jakobinermütze geschmückt hatte, diesem Sturm widersctzen sollen? Doch hat sie Wilhelm Schlegel nicht im landläufigen Sinne betrogen. Ein neuer, schwerer Schicksalsschlag, der Verlust ihres letzten Kinde», der reizenden Auguste, zermürbte sie so. daß sie eine» innere« Neu» aufbaues bringend bedurfte. Schelling war der Mann dazu, und mit ihm fand sie das Glück, das ihr ihre jungen Jahre vor enthalten hatten. Es spricht für Geist und Herz Carolinen», daß Wilhelm Schlegel auch nach der Enttäuschung, die st« ihm bereiten mutzte, ihr Freund blieb und e» in allen weiteren Lebensverhältnissen zeigte. Da» geschmackvoll auSaestattete Buch ist im Verlag von Philipp Reclam tun. in Leipzig erschienen: e» verdient al» ernste Arbeit gewertet zu werden und ist ein durchaus reifer, wichtiger Beitrag zur Kenntnis de» romantischen Zeitalter». Unter den deutschen Frauen gibt e» nicht viele, wie Caroline Schlegel es war. P. H. Hartwt». Seelensludien. Zwei Romane. Ein Roman, der nicht aus Seelenstubien gegründet wäre, würde.kein guter Roman sein. Die beiden Romane, von denen in den folgende» Zeile» die Rede sein soll, sind aber doch in besonderem Sinne al» Seelenstubien anzusprechen, da sie so gut wie gar nicht von einer äußerlich bewegten Handlung getragen werden, sondern lediglich dem zarten oder kräftigeren Wellen schläge nachspüren, den die leichten Brisen eine» Alltagslebens auf dem Meeresspiegel der Seele Hervorrufen, einem Wellen schlag, der gelegentlich auch einmal das wogende Menschcnherz bis in seine tiefsten Tiefen aufwühlt, wenn Seelenstürmr hineinbrausen in den schlichten Verlauf de» Tageseinerleis. Eine solche Seclenstudic unternimmt zum ersten Anne marie v. Nathustus sulcht zu verwechseln mit der bereit» 1857 verstorbenen frommen Erzählerin Maria v. Nathusius) in ihrem soeben bei K. F. Koehler, Berlin und Leipzig, erschienenen Roman „DieTrennun g". Aus 298 Setten enthüllt sie un» die Empfindungen. Sorgen. Zweifel, Qualen. Stürme und Glückseligkeiten einer Frauenseele, die erst in reiferen Jahren und t» zweiter Ehe zu einem vollen Liebesglück gelangt, nach vierjährigem Glüüsrauschc die Wahrnehmung machen muß, daß der schwärmerisch geliebte, zärtlich« Gatte, ein Forschungs reisender, die idyllische Behaglichkeit eines prächtigen norddeut schen Landsitzes und das stille Glück an der Seite der ihn ver götternden nicht mehr ertragen kann. ES zieht den Tatensrohen mit Macht wieder hinaus in die ferne, noch unerforschte Welt, in die Berge und Steppen Persien», denen er sein Ansehen in jM Gelehrtenwelt und seinen schriftstellerischen Ruhm ver» Milkt. Der Abschied von der Heimatscholle und von der heiß geliebten Gattin wird auch ihm unendlich schwer: aber Aben- tcucrsucht und Ehrgeiz, noch mehr aber die magnetische Kraft, die der Orient auf jeden Europäer, der schon einmal seine Reize mit empfänglicher Seele durchkosten konnte, ausübt. treiben Ihn schließlich zur Abreise. Drei Monate soll nur die Trennung von der Gattin mähren: in Buschire am Persischen Golf, wohin Marianne ein Vierteljahr später Nachkommen will, wird man wieder zusammentresfen und gemeinsam noch in der Märchenpracht des Orients schwelgen. Aber die Trennung wird zym Verhängnis. Vergeben» wartet die vor Sehnsucht fast vergehende Gattin am verabredeten Treffpunkt aus die Ankunft des Geliebten. Forschergelüste haben diesen weiter als ursprünglich beabsichtigt ins Innere des unwirtbaren Landes getrieben, wo er ums Leben kommt. Ehe aber Mari anne von diesem Schicksal des Gatten erfährt, begibt sie sich, nur von einer mutigen Freundin begleitet, im fremden Lande auf die Suche nach dem Verschollenen. Wohl findet sie bei den Konsulaten und den eingeborenen Fürsten viel ritterliche Unterstützung: aber entsetzlich ist — abgesehen von allen Stra pazen und Gefahren — die Seelenqual der Suchenden, ihr Hin. und Herschwanken »wischen Furcht «nd Hoffnung. Ge brochen an Leib und Seele, wenn auch gepackt von den geheim- ntsvollen Wonneschauern orientalischer Märchenherrlichkeit, die ihr den Schlüssel gibt zu den Sehnsüchten de» sich von ihr los- reißenden Gatten, kehrt sie nach der deutschen Heimat zurück, wo sie vergeblich sich bemüht, in den Armen eines ihr von Jugendtagen an mit rührender Anhänglichkeit ergebenen Freundes die Liebe de» verlorenen Gatten zu vergessen. Sie verfällt einem furchtbaren Schicksal. Nachdem sie gelegentlich wahrgcnommcn, daß sie nach dem Genuß von Wein und Sekt In einen Traumzustand verfällt, der ihr da» einstige Liebesglück wonniglich vorgankelt. gerät sie immer häufiger und tiefer In den Bann des Alkohols und geht elendiglich zugrunde. Sie stirbt an ihrer großen Liebe, an der „Trennung" vom Sinzig- geliebten. Also eigentlich eine recht banale Geschichte. Sie wird aber für den Leser zum erschütternden Erlebnis durch die mit zarter Griffelsllhrung und warmem Empfinden voll» zogen? Bloßlegung der geheimsten Regungen, die in einem vor sich gehen, und durch dernng der deutschen und der blut- und glutvollen Frauenherzen eine farbenreiche, packende Schilder» orientalischen Umwelt, die eine leicht empfänglich«, fchönheit»« durstige Frauenfeele beeinflußte. Beeinträchtigt wird öer'ffnrke Eindruck de» Buche» nur durch ein« allzu große Redseligkeit und durch eine häufige Wiederkehr der gleichen Gedanken. Als Seelenstudie ausgesaßt, ist aber dieses letzte Werk der beliebten Schriftstellerin als ihr schönstes und bedeutsamste» literarisches Vermächtnis zu bewerten. Eine seine Seelenstudie, die allerdings von der literarischen Zeitmobe der Ausflüge ins Transzendentale nicht ganz un» berührt geblieben ist, ist auch der nachgelassene Roman des 1924 verstorbenen Verfassers der „Wiedergeburt des Melchior Dronte" und der „Feuerbutze". Paul Busson: „Syl. vester" (soeben herausgekommen bei F. G. Speidels Verlags» buchhandlung. Wien, Leipzig. Münchens. Sylvester ist der Name eines armen lieben Jungen mit weißblondem Haar und veilchenblaue» Augen, eines hernmgestoftenen. verprügelten Findelkindes, dessen sich ein warmherziger Menschenfreund er barmt. das er trotz des zu erwartenden Widerstandes seiner etwas hausbackenen „besseren Hälfte" »ach dem eigenen Hause verpflanzt und wie sein eigenes Kind hält. Wie sich diese günstige Schicksalswandlung in der Seele des Kindes spiegelt, wie eine grenzenlose Dankbarkeit und Ergebenheit sich mit der scheuen Zurückhaltung und Aengstlichkeit seines bisherigen Hundelebens paart, wie sein Streben nach fleißiger, nützlicher Betätigung im Hause seiner Wohltäter sich kreuzt mit einem unwiderstehlichen Hang zum Herumstreifen in Wald und Feld, wie eine grenzenlose Liebe zur Natur und zu ihren Kreaturen im Bunde mit einer indianerhasten Beobachtungsgabe seine Seele hellhörig und hellsehend macht bis über die Schranken gewöhnlicher Menschenbegabung hinaus, wie er dank solchen Sondereigenschaften zu guter Letzt zum Lebensretter der von ihm anbetcnd verehrten, auch ihm alsbald sreundlich zugetanen Frau vom Hause wird — dies alles ist feinpsychologisch — wenn auch, wie bereits angedeutet, mit mystischem Einschlag — in Vussons Buch dargclegt. Die Seelenstudien des Verfassers beschränken sich aber nicht bloß auf die Person des kleinen sym pathischen Titelhelden, sondern erstrecken sich auch aus den er wähnten Menschenfreund, der zugleich ein starksühlender Natur, und besonders Tierfreund ist. auf dessen etwas klein- geistige Frau und aus eine Dritte, eine vom Schicksal hart an- gesaßte junge Erzieherin, die der Gattin Eifersucht erregt, ob schon kaum andere als seelisch-geistige und rein menschliche Sympathien den an der Gattin Seite etwas Vereinsamten zu der erst recht vereinsamten Freundin Anziehen. Das Feinste und Zarteste an Bussons Buch sind aber die seelischen Entdeckungsreisen «ud Studien, die der Verfasser unternimmt, um in die Seele von Baum und Strauch, von Sturm und Wetter, von den Tieren des Walde» — vom stolzen Hirsch bis zum kleinsten Käferlein — und den Haustieren, insonderheit von seinen Hunden, ein. zudrtngen. Auch Gedanken von einer Wanderung der Seelen von einer Körperhttlle zur anderen sind hie und da eingestttzsit und erheben damit den Roman in die Sphäre einer zeitlosen Seelendtchtung. Niemand wird das Buch au» der Hand legen, ohne von ihm die Anregung empfangen zu haben zum Ns " denken über die geheimen, urewigen Zusammenhänge zwikck Mensch und Natur, zwischen Diesseits und Jenseit». zwif' Seele und Leib. Nicht bloß durkÄdie Einkleidung in eine tz Erzählung, sondern weit mehr noch durch die Offenherzig! Tiefe. Wahrhaftigkeit und Natürlichkeit der Gesamtdarstellung empfängt man von diesem Buche schöner Menschlichkeit de» Eindruck eines mit Dichteraugen erschauten persönlichen Er lebnisses seines Verfassers. Prof. FelixReichardtz Ein Pyrenäen-Buch. Reifebücher sind jetzt die große Mode. Jeder Verleger weiß es. Gerade in Deutschland finden Reifebücher guten Ab satz. Jahrelang waren wir von der großen Welt abgeschntM« und immer mächtiger wurde der Deutschen Drang in die Ferne. Zu uns Deutschen gehört nun einmal der Wander trieb. Anders reisen und wandern wir als andere Völker. Es ist nicht bloß äußeres Schauen und Bewundern, sonder« auch innerliches Erleben und vertrauensvolles Hingcbeu ich fremde Landschaft und fremde Kunst. Nicht jedem hat etü gütige» Geschick beschert, fremde Länder zu durchwandern. Darum greift man zum Reiscbuch, um aus ihm zu ersehe«, wa» andere erlebt haben. Das soeben im Verlag Die Schmiede Berlin, im gefälligen äußeren Gewände, erschienen« «tt 88 wertvollen Bildern geschmückte Werk: „E i n P y r e näeu- Buch von Peter Panter" führt uns in ein Gebiet, bas verhältnismäßig wenig bekannt ist. Und doch sind gerade die Pyrenäen von außergewöhnlicher Schönheit. Jeder, der durch da» grandiose Hochgebirge mit den abenteuerlichen Fel»- bilbungen, durch die vielgeschlungenen Täler, vorüber an tief- cingerissenen Schluchten, einmal gewandert ist und wer w jenen Einsiedeleien, die wie Schwalbennester an den Felsen hängen, gerastet hat, wo der Lobgefang der Mönche sich mischte mit dem Glockengeläuts der Klöster und dem Vogelschlag, wirb tiefste Eindrücke empfangen haben. Unvergeßlich bleiben mtr meine Wanderung durch bas Baskenland und hinein in die BergeSwelt, wo ich hinaufschautc zum vtelgezackten Montserrat, dem Montsalvat der Gralssage. In schier buntem Wechsel ziehen in dem Pyrenäen^vuchc die Rctsebilder an uns vorüber. Von West nach Ost, an: Atlantischen Ozean durch das Baskcnland, Uber die bekannten Bäder, über LourbcS, mitten durch daS Hochgebirge, durch die Republik Andorra bis zu den Gestaden des Mittelmeeres führt uns der Verfasser. Er beobachtet scharf und schildert spannend und fesselnd. Seine Darstcllungsart weicht freilich stark ab von der üblichen. „Die Erde hält gutwillig still, wenn die Reisenden über sie dahinklcttcrn. und es ist ihr gleich gültig, wie man sic anschaut. Schilderungen sind nur für den Schilderer charakteristisch." — Gewiß, es gibt keine richtige Art, die Natur zu schen. Es gibt deren hundert. Oft liegen — das weiß jeder besinnliche Wanderer — die Höhepunkte einer Reise in kleinen Nebenumständcn. Und diese weiß der Verfasser mit gewandter Feder fein zu schildern, oft mit herz erfrischendem Humor oder beißendem Sarkasmus. Absichtlich meidet er die gewohnten Pfade und führt uns abseits der großen Routen. In Bayonnc erleben wir Sticrkämpfe, deren Einzel heiten zu drastisch geschildert werden. Wir betreten daS tu die großartig« Bcrgcswclt hincingebaute Kloster des Ignatius von Loyola, wandern durch herrliche Waldesschluchten hinaus zum Kloster zu Ronceval, zur Stätte, wo Roland erschlagen wurde, und durchstreifen das Baskenland, das Land jener stolzen Männer, die sich rühmen „überhaupt nicht abzu stammen", so alt sei ihr Volk. Dem bekannten Ballspiel, der Pelote, wohnen wir bei und lernen die Eigenart des Ba»ken- volkes kennen. In Pau, der Gcburtsstätte Heinrichs IV„ ver weilen wir und erleben in Lourdes die ergreifenden Pro zessionen jener Unglücklichen, die in der Wundcrgrotte Heilung ersl'hen. Eingehend wird in dem Pyrenäcn-Bncki die Ge schichte vom Hirtenmädchen Bernadette erzählt, der die Jung frau Maria erschienen sein soll und die auf Weisung der Mutter Gottes mit den Fingern im Sande den heiligen Quell in der Wundergrotte grub. Kritisch behandelt der Verfasser die „Heilungen" und spottet über die Prozessionen und den .kirchlichen und kaufmännischen Betrieb". Für ihn ist LourdtS lediglich ein Phänomen der Mafsen-Snggcstion". Warum dieser Spott? Tausend« verweilten doch schon in großer Madounenfttmmung und Ergriffenheit in LourdeS und v- hielten hier eine Ahnung vom höheren unsichtbaren Walten hinter dem irdischen sichtbaren Geschehen. Man mag über das Wunder und die Heilungen denken, wie man will. Beides mag wohl Linderung bringen: das kühle Ouellwasser der heiligen Grotte und der brennende Wunsch de« Pilger» zu ge- sunden, der Glaube. Und fein sagt Friedrich Ltenharb in
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