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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 05.10.1926
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1926-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19261005023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1926100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1926100502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-10
- Tag 1926-10-05
-
Monat
1926-10
-
Jahr
1926
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Nr. <V8 SrNr L »IckTSMV«»» iT^HvN Vlenrkag. 5. Oktober 1-2- Die notwendige Erhöhung des Merzolls. Die guckerzölle -es Auslandes ungleich höher. l" Verhandlungen i« Handelspolitischen AnSschnß. Berlin. 5. Okt. Der handelspolitische Ausschuß de» gfeichstages beschloß heute die Aufhebung des Gesetzte» vom 14. Juli d. I. über die Wertbesiim muna der Ein fuhr s ch e i n e Dos Gesetz vom 14. Juli sollte verhindern, -ah erhebliche Mengen Getreide, die etwa vor dem 1. August -. I. zu den niedrige» Zollsätzen eingefülirt wären, nachher unter Inanspruchnahme von Einfuhrschetiien aus der Grund lage -er höheren Zollsätze wieder ausgeführt würden. Nun mehr sind aber nennenswerte Mengen etngesübrten Getreides, besonders Weizen, nicht mehr vorhanden. Sobald der heutige Beschluß de» Ausschufigeletzes wirksam geworden ist. sollen nneder binfuhrscheine in Höbe der volle» Zvllbcträgc aus gestellt werden. Daraus wandte sich der Ausschuß in Ber- dindung mit der Bclmndlung einschlägiger Petitionen Uber Erhöhung des Zucker,olles zu. — Die Abgg. Wissel (Soz.). Mcuer-Bcrlin lDem.i und Rosenbera tKomm > protestieren gegen die Beratung dieser Materie, da zunächst das Plenum deS !>ieichskag"S dazu Stellung nelunen müsse. Der Ausschuß beschloß aber, die Be ratung über diesen Gegenstand zu eröffne» — Aba. Stubben- dorsf iD.-N.) beantragte, de» bintulirzoll ans Zucker auf 2 0 M k.. für Rohzucker ans 1ä M k. festzuseven. Die Zuckerivirtschakt sei eine der wichtigsten Zweige der gesamten deutschen Wirtschaft und befinde sich in ravidem Berfall. England erbebe in Reichsmark umgerechnet 23.27 Zuckerzoll aus den Doppelzentner. Jugoslawien 32,40. Oesterreich 34, Polen 27,80, llinmänien 32.40, Rußland 60.40. Spanten 75.25 und die Tschechv-Llowakei 42 Mk. Aus diesen Zahlen gebe hervor, das! andere V-'nder eine Znckerzoll haben, der zwei- biS siebenmal so hoch ist. wie der jetzige deutsche. Al>»i. Meyer-Berlin lDem.l verlangte, daß zunächst fest- gestellt werde, wie sich die sicher erhöhten ProdnktionS- kosten M den Znckervreisen verhalten, Außerdem dürften neben den widersprechenden Interessen der Landwirtschaft, der Znckerindnstric, der Zucker verbrauchenden Indeostrien und des Koin'nms die besonderen Umstände des Exports nicht unberücksichtigt bleiben. Deshalb sei es nicht möglich, dem Reichslage und der Regierung vorzugreisen. Die Petitionen für und gegen Erhöhung des Zuckcrzolls sollen der Regierung als Material überwiesen werden. — Abg. Blnm tZcntr.i verlangte Schutz vor Dumping und trat des halb für eine Erhöhung des Zuckerzollö ein. Zum Aus gleich für die Zvllerhöbung soll durch eine ausreichende Senkung der Zucker st euer dafür Sorge getragen wer den, -ah Anlaf; zur Preissteigerung bei Zucker im In laude nicht gegeben ist. Der Vertreter der Reichsregiernng erklärt«, dab die Reichs regle rung eine abschließende Stelbnna noch nicht etu- !genvmmen habe. — Abg. Dr. Hertz iS»».) Bellte fest, daß bi« Sozialdemokratie nicht wünsche, bah setzt bi« Frage be» Zuckerzoll» durch Initiative ber ReichSregterung ausgerollt werbe» soll. Deingegrnitber stellt« -er Abgeordnete Perlttins (Zentr.) fest, bah bie Mehrheit -es Ausschusses eine erneute Behandlung de» ZuckerzollS burch Initiativ« ber Retchöregie- rung wünsch«. — ES folgten bann noch vertrauliche Mitteilungen ber RetchSregirrung tlber -en Stand ber Handel Sve r t ragSverha ndl u ng«n. Ein Dierkeljahrsbericht -er Aerchsbahn. Berlin. 4. Okt. Der R«ich»verkehr»minlstcr hat dem Reichstag einen Bericht Uber die Mtrtebsverhältnisse, Verkehrsleistungen und GeschäftSergebntsse der Deutschen Reichsbahn im zweiten Kalender- vtertelsahr 183« übersandt Gegenüber der Gcsamt- einnahmc deS -weite« Bierteljahres 1825 mit 118« 278 MM Mark bleibt die de» gleichen Zeitraumes de» Jahres 182« mit 1 «85 857 88« Mark «m 5g 322 Wo Mark -nrück. d. h. 102« brachte gegen 1025 eine Einbuße von 4,4 v. H. Die täglichen Einnahmen tm gleichen Zeitraum ermäßigten sich von 15 855 000 Mark im Jahre 1025 auf 14 «75 000 Mark im Jahre >02«. d. h. um einen durchschnittlichen Ausfall von 680 000 Mark für de» Arbeitstag. Im vergleich z« dem ersten Vierteljahr >82«, in dem die Einbuße «egen 1825 noch 12.8 Pro zent betrug, zeig« das zweite Vierteljahr 192« mit seiner Ein buße von 4,4 Prozent gegen 1925 eine erhebliche Besserung. Das erste Halbjahr 1025 mit einer Gesamtetnnahmc von 2184 «82 000 Mark abertrifft die de» ersten Halblahres 102« von 2 004 070 000 Mark um 170«53 000 Mark. Die Einnahmen weisen also gegen das Vorjahr einen Rückgang um 8,2 Pro zent auf. Die monatlichen Zahlungen für den Dienst der Re parations schuldverschreibunge» nmrden recht zeitig gemäß der Vereinbarung geleistet. In gleicher Weise wurden die Erträge ber Beförderungssteuer an den General agenten für die Reparationszahlungen abgeführt. Die Ans gaben sür den Dienst der Reparationsschnldvcrschreibungcn bcliofen sich von April bis Juni 182« ans ISO «18 VN« Mark, sür die Zeit von Januar bis Juni 182« ans 288 8«« ««« Mark. An Zugkilometern wurden im Juni tm Personen. und Güterverkehr 47 566 gefahren gegenüber 45 207 sm Juni 1925. Der Bclricbsmittelpark -er Reichsbahn betrug am 30. Juni 1026 insgesamt 764 077 gegen 770 383 Wage» am 1. April 1026. Die beförderte Gütermenge im öffentlichen Verkehr betrug im Juni 102« 30 486 438 Tonnen gegen 20 252 778 Tonnen im Juni 1025, Vor Severings Aücklri!l. tDurch Kunkspruch.» Berlin. 5. Oktober. Wie in politischen Kreisen ver lautet. steht der Rücktritt des preußische« Innenministers Seoering, dessen Gesundheitszustand bekanntlich seit längerer Zeit sehr erschüttert ist. unmittelbar bevor. (WTB.) Berlin, 5. Oktober. Der Preußische Landtag tritt am Montag zu seiner ersten Sitzung nach den Sommerfericn zusammen. Tie Aussichten für ein Zustandekommen der Großen Koalition werden im Augenblick als nicht besonders günstig beurteilt. Saas fordert eine halbe Million Schadenersatz. Berlin, 5. Oktober. Wie die „B. Z." meldet, hat der Magde burger Fabrikant Hugo -Haas, der wegen Mordverdachts längere Zeit unschuldig im Gefängnis saß, gegen den Staat Schadenersatzansprüche in Höhe von mehr als einer halben Million Mark gestellt. Endgiilkiger Reichswirlschasksrak. Berlin, 5. Oktober. Dem ReichSkabiuctt wird heute der Gesetzentwurf über den R e i ch S w i r t s ch a f t S r a t zugchen. Die jetzt vorliegende Fassung unterscheidet sich nur wenig von den früheren Entwürfen Die Zahl der Mitglieder soll etwa 130 betragen. Eine wesentliche Neuerung ist die Ein setzung einer bauernden Kommission zur Vorbereitung von Enqueten. Der ReichSwirtschaftsrat soll in weiterem Umfange als bisher in die Lage verseht werden, seine Vorschläge und Bedenken vor dem Reichstag zu vertreten. Vor einer neuen SlreikabMmmung in Samburg. tD u r ch F v n k » o r u ch> Hamburg, 5. Okt. Tie gestrige Abstimmung der Hafen arbeiter hat bis jetzt zu einer wesentlichen Wiederanfnrhme der Arbeit nicht geführt. Die Streikleitung erkennt die gestrige Abstimmung nickt an und fordert zu einer neue» Nrabstimmung aus. die heute vormittag in rerschiedencn Lokalen stattsinden soll. Zugleich beabsichtigt die Streik leitung eine Abordnung zum ReichsarbcitSmintstertum zu entsenden, die dieses aufsordern soll, die durch die Bcrbtndlich- keitSerklärnila abgebrochenen Verhandlungen erneut aufzunebmen lW.T. B.) * Die Kauplversammlung -es Gustav-A-ols- Dereins. Düsseldorf, 5. Oktober. Anläßlich der 71. Hauptversamm lung des Gustav-Adolf-Bereins fand am Montagnachmiltag in der Tonhalle eine stark besuchte Jugendfeter statt, bet der Dekan Lembert <MUnchen> über Kirche und Deutsch tum" sprach. Der Sicbcnbitrgenfilm, der zum Schluß der Jugendseier gezeigt wurde, brachte anschauliche Bilder vvn der notwendigen Arbeit in den deutschen Gemeinden Ru mäniens. Abends fand im Kaisersaal der Tonhalle zu Düssel dorf eine Begrüßungsfeier d«S Gustav-Adolf-BereinS statt, zu der Vertreter des Oberpräsidcntcn, der Regierungs präsident und Vertreter der Stadt erschienen ivarcn. Vertreter Schwedens, Ungarns, der Schweiz und der baltischen Staaten überbrachtcn die Grüße der evangelischen Kirchen ihrer Länder. Der Vorsitzende des Zentralausschusseö des Gustav- Adolf-VercinS. Gcheimrat Professor Ncndtorff dankte sür die der Tagung überbrachten Grüße. sT. N.) Ein -relzehnjähriger Eisenbahnfrevler. Limmern, 6. Okt. Am letzten Sonntagvormittag wurden auf den Schienen der Eiscnbabustrcckc in der Nähe der Ortschaft Alter Külz drei schwere Steine gefunden. Als Täter wurde ein 13jähriger Junge ermittelt, der sofort gestand, die Steine in der Absicht aus die Schienen aelegt zu habe», eine Zuaentaleisung herbeizuführcn. sW.T. B.i Sächsisch« Landlag. 19». Eitz»«,. Dresden, den». Oktober UM. Nach Erössnuiig der Sitzung verlieft Präsident Winkler ein Schreiben, nach dem Ab»e»rd»e«er Günther au» der demokratische« Fraktion ausgetreten ist. sHört, hört!) Abg. Günther ist nicht anwesend. Der Landtag tritt nun in die Tagesordnung «in »nd be- bandelt in zweiter Beratung den Gesetzentwurf über die «»nderung de» Üandeswahlgesetzes vom 4. September 1020. Vizepräsident Dr. Hitdschman« (D. Vp.) erstattet den Be- richt des NechtsanSschusse». Danach wirb vorgeschlagen, den Entwurf mit einigen unwesentlichen Aenberungen anzu- nehmen. Die Stimmzettel sollen, wie die Vorlage vorsieht, für jeden Wahlkreis durch die Landesregierung amtlich her- gestellt werden. Aick.ee als amtlich hergestellte Stimmzettel dürfe» nickt verwendet werden. M"^l„orschläge einer Partei, die tm letzten Landtag nicht vertreten gewesen ist. sollen nur zugelassen werden, wenn diese Partei spätestens am 17. Tage vor dem Wahltage beim LandcSwahlleiter de» Be trag von 9000 Mark eingezahlt hat. Dieser Betrag soll zuritck- gezahlt werden, wenn der Partei bet der Verteilung der Ab- geordneten mindesten» ein Sitz zugewiesen worden ist; andern- falls soll er zngunste» der Staatskasse verfallen. Mit dieser Bestimmung soll die Bildung von Splitterparteien hintan- gehalten werden. Der Redner begründet des weiteren mehrere Minder- heitSanträgc, deren wichtiger ist, daß WahlvorschlLge mit verschiedenem Kennwort mitein ander verbunden werden können. Abg. Nebrig sSoz.) stimmt der Einführung des amtlichen Stimmzettels zu, lehnt aber die Anträge Hübschmann ab, die aus parteitaktischen 'Rücksichten gestellt seien. Er bringt noch den Minderheitsantrag ein, in den Heil- und Pfleganstalten Möglichkeiten zur Stimmabgabe zu schaffen. Ministerialdirektor Dr. Schulze erklärt, daß die Regie rung außerstande sei, dem Anträge Folge zu geben. In den Heil- und Pflcgcaustalten, wo soviel Wahlberechtigte seien, daß eine Gefährdung des Stzahlgeheimnisscs nicht zu be fürchten sei, würden Stimmbezirke eingerichtet. In den kleineren Anstalten, wo dies ohne Gefährdung des Wahl geheimnisses nicht möglich sei, könne nicht in vollem Umiairge geholfen iverden. ES sei gar keine Möglichkeit gegeben, Kranke an die Wahlurne zu bringen, dt« das Bett nicht ver lassen könnten. Abg. Nenner lKomin.i spricht gegen dt« Bestimmung, die die Einzahlung vvn NDO Mk. Vorsicht, und gegen die Anträge Hübschmann. Sr begründet einige Anträge, nach denen ins- besondere Landtags- und Gcmeindewahlen an einem Tag stattsinden sollen. Abg. Bethke (Altsoz.) wendet sich gegen sämtliche Mindei- hcitsanträge. Der Antrag Nebrig scheiterte an der pr«k- tischen Durchführung. Die Anträge Sttbschmann werde» in «awentlicher Ab stimmung mit 47 Stimmen der Linke« gegen 42 Stimmen der Bürgerliche» abgclchnt. Die Listenvcrbindung ist somit gefallen. Auch die übrigen MinderhcitSanträge finden keine Zu stimmung. Das Gesetz wird sodann nach den Anträge« de» Rechts« ansschusses gegen die Stimmen der Kommunisten oerabschiedet. Die zweite Beratung deS Gesetzentwurfes über di« Zu- sam menlegung von Grundstücken muh von der Tagesordnung ab ge setzt werden, da die Ausschutzberatung noch nicht beendet ist. Die Borlage über den Ncrkaus der staatlichen elektrischen Straßenbahnen an die zu einer Dresdner Ucberland-Verkehrsgesellschaft mit beschränkter .Haftung zu erweiternde Straßenbahn-Voschwih- Pillnitz-G. m. b. H. sowie die Vorlage über den Verkauf des Rcviorteiles dl, .ckTie Sechs Ruthen", des Staotsforstrcvters Plaue au die Stadt Chemnitz zur Anlegung eines Waldfriedhofs werden nach den Vorschlägen ber HauS- haltausschüsse ohne Aussprache unverändert angenommen. Damit ist die Sitzung nach einstündiger Dauer -u Ende. Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr. In der kommen den Woche sollen wieder zwei Sitzungen stattfinden. Dann dürfte der Landtag geschlossen werdcr«. —* Begnadigung. Das sächsische Gcsamtministerlum hat beschlossen, die wegen Ermordung ihres Gatten, des Polizei, hanptivachtmeisters Völkel in Leipzig zum Tode vcr- urteilte Frau Völkel sowie ihren an der Ermordung be teiligten Bruder Jlski zu begnadigen und die Todesstrafe bei beiden in lcbensläiv'ljckies Zn^^'anS »mzuwcindcln. Taoore in Dresden. Der indische Dichter und Weise Nabindranath Tagore durchreist wieder einmal das Abendland. Im Abendland liegt auch Dresden, wo. nach der Begeisterung zu urteilen, mit der insbesondere' Hunderte von Dresdner Frauen herbeigeeilt waren, jedermann seinen Tagore aus wendig kennt. Seltsam, welche Bezauberung der edle Inder mit dem farbigen Brahmanengewand und dem europäischen sossuugslosen Klemmer auf deutsche Gemüter ausübt! Wie wundersam mischen sich da Reiz des Fremdartigen, Wirkung des Ruhmes, Zauber der Persönlichkeit mit Neugierde, Scn- sationsbedürfnis. Bilduugsheuchelci! Man braucht sich nur zu fragen, ob ein deutscher Dichter, sagen wir einmal Ger- hart Hauptmann oder Stefan George, in Indien auch so emp fangen würde wie Tagore in Deutschland. Die und ein paar andere konnten eö an innerem Gehalt und dichterischer Leistung ruhig mit dem Inder a-usnchmen, nur daß es ihnen nicht wie jenem vergönnt gewesen ist, sich io frei und natur- nah. sorgenlos und pflanzeuhaft zu entwickeln wie der Sproß deS alten Brahmanengcschlechts Tbakur. auf den die uralte skultur dieser Familie vererbt ward. Und dann sind sie eben Deutsche, die ein schweres Volksschicksal mit durchzukämpien haben und ihre geistige Tatkraft im Lande verbrauchen. Der weiche, sanfte Geist des Inders Nabindranath Tagore kennt die Leiden des Europäers nur als Betrachter, und cs mnß ihn beglücken, daß so viele von ihm und seiner Dichtung Milderung der abendländischen Kultnrnot durch den beschau lichen. versöhnlichen, duldsamen Geist des Ostens erwarten. Indessen, mehr als einen Dichtertraum, mehr als einen exo tischen Duft vom Ganges kann uns TagorcS Werk nickt geben weder seine Dichtung, noch seine Philosophie. Der Weg des AbendländerS geht weiter durch Tat und Schaffen, durch Leiden und Dulden. Vom philosophischen Geiste Ser Inder sprach der Dichter im Saale des Gewerbehanscs, den eine fest liche Schar von Hörern füllte und überfüllte. Im hohen Lehn stuhl saß der indische Weile im rotgelben Gewand, mit dem schönen, wallenden, weißen Bart, den sausten Augen, dem schlanken, zarten Wuchs, viel älter und ehrwürdiger er scheinend. als seinen «5 Lebensjahren gemäß wäre. Gewiß ein erlesener und feiner Mensch und ein scelenvoller. musika- lrsch-lyrischer Dichter. Aber kein Denker in europäischem Sinne. Das zeigte sein Vortrag deutlich. Anfangs mit nn- geivöhnlich hoher, greisenhaft Heller Stimme die englischen Worte vereinzelt, stoßweise aneinanderreihend, schwoll die geistige Leidenschaft seines Sprechens am Schluß, wo er vom Blatte las. zu einer klangvollen Melodie an. Abschnittweise verdolmetschte Professor Pandit Tarachand Roy, Lektor am Indogermanischen Seminar der Universität Berlin, die Gedanken des Dichters. Das geschah mit einer freien Be herrschung deS deutschen Ausdrucks und einer 'Natürlichkeit deS deutschen Tonfalls, die erstaunlich waren. Dieser Inder sprach fast völlig wie ein Deutscher. Der Gedankengang des Vortrages TagoreS begann mit Hervorhebung des wissenschaftlichen Geistes Europas, dem in Indien die Atmosphäre eines GesamtgesühlS tm ganzen Volke gegenüberstcht. Alle atmen die gleiche Lust philosophischen Geistes ein, mehr oder weniger bewußt, und hoch wie niedrig sind in Indien von den Vorstellungen der Philosophie durch zogen. wie in Europa die Menschen von der Wissenschaft er füllt sind. Die Ueberwtndung der Avidya, der Unwissenheit, vollzieht sich im indischen Volksgeist burch das große Gesetz des SchauenS. Die Erfassung des Wahrheitsgehalts über die Grenzen ber Erscheinung hinaus geschieht durch Leben in der wirklichen geistigen Welt. Jener Dualismus zwischen Sein und Sbllcn. jene zwei Sphären unseres Lebens, jener schmer zenerregende Kampf zwischen Realität und Idealität, wird durch das innere Erschaue» beider Welten überwunden. Dieses liegt den Indern seit Jahrtausenden im Blute. Nur in der Verfvhninna der Gegenpole der begrenzten und der unbe grenzten Wahrheit ist die Freiheit zu finden. Die geschicht liche Entwicklung -er indischen Religion führte von der Viel götterei zu diesem Monismus von innen und außen. Der Inder will sich nicht der Erscheinungsform entziehen (wie vielfach geglaubt wirb), sondern in die Tiefen des Unbegrenz ten tauchend, sucht er die Wahrheit. Mit zwei schönen dich terischen Bildern machte Tagore diese Beziehungen anschau lich. Wie man den Geist einer fremden Sprache nicht ohne Kenntnis ihrer Grammatik erfassen kann, wie eine das Un begrenzte erfassende Seele auch in den verwelkten Blumen ihr Wcien durchdringt, so erschließt sich dem Inder dis Wahrheit ans der Durchdringung des Endlichen mit dem Unendlichen. Zn dieser Erlösung ist der Weg aber lang »nd fordert Ge duld und Ruhe der Seele. Mit einem Blick nus den Geist der Hast »nd Selbstvernichtung im ZivtlisationSbetrteb Euro pas schloß der Redner seine Schilderung der philosophischen Volksseele Indiens, durch die mir deutlich wurde, daß Europa in der Philosophie ein Wissen, der Osten ein Schauen und Erleben sucht. Für den Beifall des Saales dankte Ta'gore mit der be scheidenen Geste des Zusammenlegens der Hände. Dann sprach er einige seiner Dichtungen, zwei davon bengalisch, die anderen englisch. Und jetzt kam seine wahr« Seele, die Dichter- scele, zum Durchbruch. Es mar sehr fesselnd zu hören, wie zuerst Professor Tarachand Roy die Gedichte deutsch aus dem Gedächtnis mit großer rezttatorischcr Lebendigkeit vortrvg und daun der Dichter selbst die innere Melodie seiner Vene erklinge» ließ, sehr zart und schalkhaft, warm und herzlich. Doch indische Musik der Verse erklang erst in der bengalischen Ursprache, jener Sprcchgciang, der in den orientalischen Gc- betsrufci, und Volksgelängen tönt, der lang hin wallende RhntlnnuS, den auch die altindischen Gedichte haben, die volkö- mäßigc EfesangSlinie, die Tagorcs Gedichte in seiner Heimat zu Volksliedern gemacht hat. Tie Auswahl aus seiner über reichen Lyrik traf allerdings nur jen« Ktndcrgeüichte aus der Sammlung „Der zu ne tun ende Mond", anmutige, naive Bild chen, die wohl den Dichter als feinen Kenner des Kindcr- hcrzens »eigen, die aber nichts bringen, was uns nicÄ auch liebe deutsche Dichter an solchen Gefühlswerten gegeben haben. Zn Ehren der Anwesenheit des Dichters in Dresden hatte das Albert-Theater sein Bühnensptel ..Das Post amt" für eine einmalige Vorstellung cinstudiert. Rabin- dranath Tagore wohnte mit zwei indischen Damen, die ebenso durch ihre» Tnvus wie durch die schönfarbigen Gewänder und Tücher aussiclen. in der Loge der Vorstellung bei. Vorauß- gcgangen umr eine literarisch-musikalische Feier, in der nach ciiifiihrci''"'» Worte» von Lucy v. Iacobi Paul Smolnv eine Prosncrzühliing Tagorcs laö und Lotte Minkwitz Gedickte »nd Hymnen sprach. Paul Aron (Klavier), Paul Bornc- ma»n tViolinci, und Bernhard Günther (Cello) (vielten Len ersten Satz eines Trios von Cyrill Scott, einem modernen englische» Komponisten. In der von Smolnn geleiteten Aus führung des „Postamtes" trat Drli Maria Teichen zum ersten Male überhaupt vor bas Publikum in der Rolle deS Knaben Amal. deS kranken, todgeweihten Kinde», dem alle Menschen nm seiner Zartheit «nd Verklärthett willen Liebe ln» bis sein hoffender Glaube, der König selbst werde zu tbm i» die niedere Hütte kommen, burch den Eintritt des grüßten Herrschers. deS TodcS. erfüllt wird. Die Dichtung ist sein und zart, gewiß, aber sic ist doch nur Lnrik und Stimmung. Wir haben in den feinen Frühwcrkcn Hofmannsthal» bie gleiche, uns noch näher berührende Schönheit und Beseeltheit, nnd t» „Hgiinclcs Himmelfahrt" von Hauptmann eine unS tiestr menschlich erschütternde Tragödie der Kinderseele. Fräul-in Teichen erwies sich wohl als hofsnnngSvollcS Talent, bock sür die Gebrechlichkeit des kranken Kindes «nd leine bliimcnhaste Seele war ihre Erscheinung wenig geeignet. Die Herren Willi. Martens. Xnlandcr. Smclbing, Beuden traten in Charakterrollen hervor, die Stimmung des ganzen Spiel» :»ar farbig und poetisch, eine schöne Huldigung für den Dichter, dem HannS Fischer nach Verlesung einer englischen Au»
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